Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.01.2003, Az.: 16 K 10029/01

Steuerfreistellung nach dem mit dem Staat Liberia geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA); Unbeschränkte Steuerpflicht; Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit wegen Tätigkeit als Kapitän

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
16.01.2003
Aktenzeichen
16 K 10029/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 12826
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0116.16K10029.01.0A

Tatbestand

1

Die Kläger sind Eheleute. Sie werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erzielt als Kapitän Einkünfte aus Nichtselbstständiger Tätigkeit. Mindestens seit 1993 war der Kläger zeitweilig als Kapitän auf dem Motorschiff"S." tätig. In 1996 hatte der Kläger auf diesem Schiff einen Einsatz vom 15. Mai 1996 bis zum 25. November 1996.

2

Im Streitjahr 1997 war der Kläger zunächst ohne Engagement und erhielt für die Zeit vom 01.01.1997 - 07.05.1997 Arbeitslosengeld. Ab 8. Mai 1997 bis zum 12. November 1997 fuhr er wieder als Kapitän auf der "S.". Das Schiff fuhr im Streitjahr unter liberianischer Flagge. Ab 13. November 1997 bis Jahresende 1997 war der Kläger wiederum arbeitslos.

3

Abweichend von der Steuererklärung unterwarf der Beklagte den Arbeitslohn, den der Kläger aus seiner Tätigkeit erzielte, der deutschen Einkommensteuer. Eine Steuerfreistellung nach dem mit dem Staat Liberia geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) komme nicht in Betracht. Denn dies setze einen Aufenthalt von mehr als 183 Tagen im Hoheitsgebiet des Staates Liberia voraus. Der Kläger sei aber nur dann im Hoheitsgebiet des Staates Liberia, wenn er sich in internationalen Gewässern auf hoher See befinde. Hiervon könne aber nicht ausgegangen werden, weil von der zeitlichen Tätigkeit an Bord der "S." im Streitjahr von maximal 186 Tagen auch Hafentage abzuziehen seien.

4

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht der Kläger weiterhin geltend, dass sein Arbeitslohn nicht der deutschen Einkommensteuer unterliege. Es stehe fest, dass er vom 8. Mai bis zum 12. November 1997 unter Liberia-Flagge gefahren sei. Nicht feststellbar sei hingegen, wann ein Seemann auf einem Handelsschiff sich in internationalen Gewässern oder in Hoheitsgewässern anderer Staaten befinde. Dies sei schon deshalb nicht möglich, weil die Hoheitsgebiete der Küstenstaaten nicht einheitlich geregelt seien; so gebe es Länder mit 3-Meilen-Zonen, 12-Meilen-Zonen, aber auch Wirtschaftszonen, bei denen das Hoheitsgebiet auf 200 Meilen ausgedehnt sei. Soweit die Rechtsprechung deshalb auf die Unterscheidung zwischen internationalen Gewässern und Hoheitsgewässern abstelle, sei dies allenfalls historisch verständlich. Hierin könne aber nicht die Grundlage für die Besteuerung gesehen werden. Deshalb müsse bei Seeleuten allein an die Flagge des Schiffes angeknüpft werden. Die Globalisierung der Seeschifffahrt dürfe nicht zu Lasten des Personals auf den Schiffen ausgetragen werden. So sei der Kläger bei Abschluss seines Arbeitsvertrages davon ausgegangen, dass für den vereinbarten Lohn keine deutsche Einkommensteuer anfalle. Schließlich verhalte sich der deutsche Staat widersprüchlich, wenn er von den Seeleuten zwar die Einkommensteuer auf den Arbeitslohn verlange, die Seeleute andererseits aber nicht in die deutschen Sozialversicherungssysteme eintreten lasse.

5

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuer 1997 auf DM 0,00 herabzusetzen.

6

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Er hält daran fest, dass die Voraussetzungen des DBA mit Liberia nicht vorlägen. Liberia sei nicht Tätigkeitsstaat des Klägers im Streitjahr gewesen.

8

Wegen des Weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte.

9

Dem Gericht hat die bei dem Beklagten für die Kläger geführten Einkommensteuerakte (Steuer-Nr. 012/000) vorgelegen.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist unbegründet.

11

Zutreffend hat der Beklagte den Arbeitslohn des Klägers der Einkommensteuer unterworfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kläger deshalb unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, weil sie ihren Wohnsitz im Inland haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG). Deshalb unterliegen die Kläger grundsätzlich mit ihrem Welteinkommen der deutschen Einkommensteuer. Nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Liberia können Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine in dem anderen Vertragsstaat ausgeübte unselbstständige Arbeit bezieht, nur in dem erstgenannten Staat besteuert werden, wenn der Empfänger sich in dem anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage während eines Zeitraums von 12 Monaten aufhält. Insoweit schränkt das Doppelbesteuerungsabkommen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, das deutsche Besteuerungsrecht ein.

12

Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich in einem maßgeblichen Zeitraum von 12 Monaten länger als 183 Tage im Hoheitsgebiet Liberias aufgehalten hätte. Zwar ist als Tätigkeitsstaat bei der Arbeitsausübung an Bord von Schiffen, die unter liberianischer Flagge fahren, zunächst Liberia anzusehen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn das Schiff sich entweder auf hoher See und damit im internationalen Gewässer oder aber im Hoheitsgebiet Liberias befindet. Befindet sich hingegen das Schiff im Hoheitsgebiet eines Dritt-Staates, so kann es nicht gleichzeitig im Hoheitsgebiet Liberias sein. Insoweit verweist das erkennende Gericht auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Oktober 1977 I R 250/75, BStBl II 1978, 50. Für den Streitfall hat auch der Kläger eingeräumt, dass er während der insgesamt 186 Tage dauernden Betätigung an Bord der"Sirius" im Streitjahr die 183-Tage-Grenze für einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet Liberias nicht erreicht. Dies ist auch für das Gericht plausibel nachvollziehbar, weil der Kläger 1997überwiegend im Gebiet der Karibik und Nordamerika unterwegs war. Somit ist festzustellen, dass die Voraussetzungen, unter denen das Doppelbesteuerungsabkommen mit Liberia Arbeitslöhne von der deutschen Einkommensteuer freistellt, nicht gegeben sind. Mithin erweist sich die Steuerfestsetzung des Beklagten als zutreffend. Deshalb war die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.