Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.01.2003, Az.: 7 K 110/02

Einbeziehung der Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbssteuer; Zukünftig bebautes Grundstück als Gegenstand des Erwerbsvorgangs; Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbssteuer bei Erwerb eines bebauten Grundstücks

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.01.2003
Aktenzeichen
7 K 110/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 28472
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0108.7K110.02.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: II B 30/03

Verfahrensgegenstand

Grunderwerbsteuer

Amtlicher Leitsatz

Ein "Einheitliches Vertragswerk" liegt auch dann vor, wenn der vor Abschluss des Grundstückserwerbs (hier: Erbbaurecht) geschlossene Bauvertrag auf ein anderes Grundstück Bezug nimmt als letztlich erworben wurde.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Bauerrichtungskosten im Rahmen eines einheitlichen Vertragswerks in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind.

2

Der Kläger und seine Ehefrau (im Folgenden: Kläger) schlossen am 23.09.2001 mit der Firma X Hausbau GmbH einen Bauvertrag. Als zu bebauendes Grundstück war im Bauvertrag angegeben "W, Langes Feld, Grdst. ¹ 9".

3

Am 24. Oktober 2001 schlossen die Kläger mit der KK, der Eigentümerin des Baugebietes, einen notariellen Erbbaurechtsvertrag über das Grundstück W Blatt 4711, Flurstück 4/293 der Flur 7 der Gemarkung W.

4

Auf Anfrage des Beklagten teilten die Kläger mit, sie seien durch eine Zeitungsanzeige auf das Grundstück aufmerksam geworden; der Bauantrag sei am 29. Oktober 2001 gestellt. Die KK erklärte auf Anfrage, die Kläger hätten sich bei ihr durch Vermittlung der Fa. X Hausbau GmbH gemeldet. Dieser Firma habe sie, die KK, die Möglichkeit eingeräumt, mit ihrem Grundstück zu werben.

5

Die Fa. X Hausbau GmbH hatte bei der KK zunächst das Grundstück für sich reserviert, das dort intern die Nr. 37 trägt; der KK liegt ein Bauauftrag der Fa. X Hausbau GmbH durch die Kläger vor, der sich auf dieses Grundstück bezieht. Später haben sich die Kläger für das Grundstück Nr. 31 entschieden, nachdem dessen Reservierung für einen anderen Bauträger ausgelaufen war. Das Grundstück Nr. 31 war nicht von der Fa. X Hausbau GmbH reserviert. In der Beweisaufnahme hat sich ergeben, dass beide Grundstücke - getrennt durch einen Stichweg - sich diagonal gegenüberliegen.

6

Mit Bescheiden vom 13.12.2001 setzte der Beklagte die Grunderwerbsteuer jeweils auf 6.826,00 DM (= 3.490 EUR) fest. Dabei bezog er unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Vertragswerks die Kosten für das zu errichtende Einfamilienhaus (laut Bauvertrag 252.777 DM) in die Bemessungsgrundlage ein.

7

Die dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahren blieben erfolglos. Mit Einspruchsbescheiden vom 06.02.2002 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.

8

Hiergegen erhoben die Kläger Klage, mit der sie weiterhin die Festsetzung der Grunderwerbsteuer ohne den Wert der Baulichkeit begehren. Ihrer Ansicht nach bestehe kein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückserwerb und der Errichtung des Einfamilienhauses. Sie seien in ihrer Entscheidung bezüglich der Wahl des Bauunternehmers und der Gestaltung des Bauwerks völlig frei gewesen.

9

Der Kläger beantragt,

die mit Bescheid vom 13. Dezember 2001 festgesetzte Grunderwerbsteuer unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 6. Februar 2002 auf 1.227,00 EUR herabzusetzen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Der Beklagte hält weiter an der Annahme eines einheitlichen Vertragswerks fest. Die Kläger hätten einen von der Anbieterseite vorbereiteten Geschehensablauf hingenommen. Die Firma X Hausbau GmbH habe die Bebauung des von den Klägern erworbenen unbebauten Grundstücks bis zur annähernden Baureife vorgeplant und sei daher in der Lage gewesen, ein einheitliches Angebot abzugeben. Insoweit komme es auch nicht darauf an, dass ursprünglich geplant gewesen sei, ein anderes Grundstück (Erbbaurecht) zu erwerben und zu bebauen.

12

Der Senat hat die Sachbearbeiterin der Grundstückseigentümerin sowie den Vertreter des Bauträgers als Zeugen gehört. Wegen der Zeugenaussagen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 08.01.2003 Bezug genommen.

13

Wegen des weiter gehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten Schriftsätze sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 08.01.2003 Bezug genommen.

Gründe

14

Die Klage ist unbegründet.

15

Die Bauerrichtungskosten der Kläger für ein Einfamilienhaus sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) zusammen mit dem Kaufpreis für das unbebaute Grundstück als einheitlicher Leistungsgegenstand in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 GrEStG einzubeziehen.

16

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Als Gegenleistung gilt bei einem Grundstückskauf nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen.

17

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist dabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (BFH, Urteil vom 24.01.1990 II R 94/87, BStBl. 1990 II S. 590). Die Grunderwerbsteuer knüpft zwar an einen auf den Eigentumserwerb an einem Grundstück gerichteten Rechtsvorgang und damit an das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG an. Erfasst werden soll von der Grunderwerbsteuer aber der tatsächliche Zustand des Grundstücks, der in Durchführung des auf den Eigentumserwerb gerichteten Rechtsvorgangs eintritt (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG - , Beschluss vom 27.12.1991 2 BvR 72/90, BStBl. 1992 II S. 212). Dabei kann Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen nicht nur das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, sondern auch der (künftige) Zustand, in den es erst zu versetzen ist (BFH-Urteil vom 27.10.1999 II R 17/99, BStBl. 2000 II S. 34 m.w.N.).

18

Ob als Gegenstand eines Erwerbsvorgangs das zukünftig bebaute Grundstück anzusehen ist, kann sich aus dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft, d.h. aus dem Inhalt der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung des Veräußerers oder aus mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv engem sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen oder Umständen ergeben, die insgesamt zu dem Erfolg führen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält (BFH, a.a.O., BStBl. 2000 II S. 34 m.w.N.).

19

Kennzeichnend für den objektiv engen sachlichen Zusammenhang ist die Einbindung des den Grundstücksübereignungsanspruch begründenden Vertrages in ein Vertragsgeflecht, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (BFH, a.a.O., BStBl. 2000 II S. 34 m.w.N.; Boruttau/Sack, GrEStG, 15. Auflage, § 9 Rn 165; Pahlke/Franz, GrEStG, 2. Auflage, § 9 Rz 16).

20

Von der Erwerberseite aus betrachtet kann ein enger sachlicher Zusammenhang in den Fällen, in denen der Bauvertrag erst nach dem Grundstückskaufvertrag geschlossen wird, bestehen, wenn der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das"ob" und "wie" einer Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war (BFH-Urteil vom 06.03.1991 II R 133/87, BStBl. 1991 II S. 532; Urteil vom 15.03.2000 II 34/98, BFH/NV 2000, S. 1240).

21

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass Gegenstand des Erwerbsvorgangs das zukünftig bebaute Grundstück war, sodass die Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzustellen sind. Es bestand ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang des Gebäudeerrichtungsvertrags mit dem Erwerb des Erbbaurechts.

22

Im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Erbbaurechtsvertrags waren die Kläger in ihrer Entscheidungsfreiheit bezüglich des "ob" und "wie" einer Bebauung eingeschränkt, denn sie waren auf Grund des bereits einen Monat vorher abgeschlossenen Bauvertrages mit der Fa. X Hausbau GmbH verpflichtet, mit dieser ein Bauwerk zu errichten.

23

Sie tragen zwar vor, sie seien nicht verpflichtet gewesen, mit diesem Bauunternehmen einen Bauvertrag abzuschließen, und hätten sich zudem nicht auf ein bestimmtes Grundstück festgelegt. Eine unumkehrbare Festlegung des Erwerbers im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags auf eine bestimmte Bebauung ist aber nicht erforderlich. Denn bereits die Hinnahme des von der Anbieterseite vorbereiteten Geschehensablaufs seitens des Erwerbers indiziert einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Vertrag über die Gebäudeerrichtung, unabhängig von der zeitlichen Abfolge der Vertragsabschlüsse, und ohne dass es darauf ankommt, ob tatsächlich (oder rechtlich) auch eine andere als die planmäßige Gestaltung hätte vorgenommen werden können (BFH-Urteil vom 23.11.1994 II R 53/94, BStBl. 1995 II S. 331). Dementsprechend kommt es nicht darauf an, ob der Erwerber die Möglichkeit gehabt hätte, nach Abschluss des Grundstückskaufvertrags den Vertrag über die Errichtung des Gebäudes nicht abzuschließen (BFH-Urteil vom 18.10.1989 II R 85/87, BStBl. 1990 II S. 181). Entscheidend ist vielmehr, dass die Firma X Hausbau GmbH und die Kläger sich bereits vertraglich gebunden hatten, bevor Klarheit darüber herrschte, welches Grundstück bebaut werden sollte.

24

Die Tatsache, dass für das schließlich bebaute Grundstück (Nr. 31) keine Reservierung für Fa. X Hausbau GmbH existierte, ist für die Entscheidung unerheblich, denn der Wechsel von Grundstück Nr. 37 zu Nr. 31 bei gleich bleibendem "Veräußerer", gleich bleibendem Baugebiet und gleich bleibendem Bauträger kann angesichts der unmittelbaren Nähe der beiden Grundstücke vernachlässigt werden. Nach überschlägiger Schätzung liegen die Grundstücke nicht einmal 20 m voneinander entfernt. Wirtschaftlich gesehen haben die Kläger eine Vertragsänderung vorgenommen, die dem Bauträger egal sein konnte; ihm kam es darauf an, ein Bauwerk verkauft zu haben. Das folgt deutlich aus der Aussage des Zeugen T., der zur Bezeichnung des ins Auge gefassten Grundstücks erklärt hat, diese sei nur"pro forma" geschehen.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.