Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 08.08.2013, Az.: L 11 AS 207/13 B

Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten; hinreichende Erfolgsaussicht; KdU; Kosten der Unterkunft; Prozesskostenhilfe; schlüssiges Konzept; Tabellenwerte nach § 12 WoGG

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
08.08.2013
Aktenzeichen
L 11 AS 207/13 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64259
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 06.02.2013 - AZ: S 24 AS 1877/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten i.S.d. § 22 SGB II erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auf der Grundlage eines konkret-individuellen Maßstabs (sog. schlüssiges Konzept). Der Leistungsträger kann nicht frei wählen, ob er seiner Entscheidung ein schlüssiges Konzept oder aber die Tabellenwerte nach § 12 WoGG (zzgl. eines Sicherheitszuschlags) zugrunde legt. Letztere finden erst dann als Hilfsmaßstab Anwendung wenn ein schlüssiges Konzept nicht vorliegt und auch nicht mehr nachträglich erstellt werden kann ("Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten").

2. Lehnt ein Leistungsträger die Übernahme der tatsächlichen KdU wegen Überschreitung der Tabellenwerte nach dem WoGG (zzgl. Sicherheitszuschlag) ab, können hinreichende Erfolgsaussichten einer hiergegen gerichteten Klage nicht von vornherein verneint werden, wenn der Leistungsträger bislang keinerlei Bemühungen zur Erstellung eines schlüssigen Konzepts unternommen hat und Anhaltpunkte für einen Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten weder erkennbar sind noch vom Leistungsträger substantiiert dargelegt werden.

Tenor:

Der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 6. Februar 2013 wird aufgehoben.

Den Klägerinnen wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt I., J., gewährt. Raten sind nicht zu zahlen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ihr vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg geführtes Klageverfahren S 24 AS 1877/12. Dort begehren sie die Gewährung von höheren Leistungen für Kosten der Unterkunft (KdU) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die 1964 geborene Klägerin zu 1. bezieht gemeinsam mit ihren 1996 und 2003 geborenen Töchtern (Klägerinnen zu 2. und 3.) bereits seit Jahren Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerinnen bewohnen eine Mietwohnung, für die sie eine monatliche Bruttokaltmiete i.H.v. 667,23 Euro (547,23 Euro Grundmiete zuzüglich 120,-- Euro Nebenkosten) sowie Heizkosten i.H.v. 75,-- pro Monat Euro zahlen.

Auf ihren Fortzahlungsantrag vom 23. Oktober 2012 bewilligte der Beklagte monatliche SGB II-Leistungen von 1.281,94 Euro (für den Monat Dezember 2012) bzw. 1.277,46 Euro (für die Monate Januar bis einschließlich Mai 2013). Hiervon entfielen jeweils 643,70 Euro auf Leistungen für KdU (547,23 Euro Grundmiete, 21,47 Euro Nebenkosten sowie 75,-- Euro Heizkosten). Eine weitergehende Übernahme von KdU lehnte der Beklagte - wie auch bereits in den vorangegangenen Bewilligungszeiträumen - mit der Begründung ab, dass die tatsächlichen Wohnkosten unangemessen hoch seien. Der Grenzwert der angemessenen KdU ergebe sich aus den Werten nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 Prozent (Bescheid vom 24. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2012).

Mit ihrer am 6. Dezember 2012 eingelegten Klage machen die Klägerinnen geltend, dass es sich bei der Klägerin zu 1. um eine Alleinerziehende handele, so dass ihnen 10 qm zusätzlicher Wohnraum zustehe. Bei den Grenzwerten nach § 12 WoGG sei dementsprechend nicht von dem Betrag für einen Drei-, sondern für einen Vier-Personen-Haushalt auszugehen (monatliche Bruttokaltmiete von 660,-- Euro anstatt 568,70 Euro).

Das SG hat die Gewährung von PKH wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung abgelehnt. Die Klägerinnen führten wegen dieser Rechtsfrage (Zuschlag zu den KdU wegen Alleinerziehung) bereits vier weitere Klageverfahren für frühere Bewilligungszeiträume. Es sei ihnen zuzumuten, bei dem Beklagten ein Ruhen des Widerspruchsverfahrens bis zur Entscheidung in den anderen Klageverfahren herbeizuführen (Beschluss vom 6. Februar 2013).

Gegen den den Klägerinnen am 8. Februar 2013 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 13. Februar 2013 eingelegte Beschwerde. Die Klägerinnen machen geltend, dass ihre Rechtsverfolgung nicht mutwillig sei. So habe der Beklagte nach Einlegung des Widerspruchs mitgeteilt, dass die Widerspruchsbearbeitung noch einige Zeit dauern werde und unaufgefordert weitere Nachricht erfolge. Über den Widerspruch sei dann jedoch bereits am 22. November 2012 entschieden worden, d.h. gerade 20 Tage nach Einlegung des Widerspruchs. Mit einer derart kurzen Verfahrensdauer hätten die Klägerinnen nicht rechnen müssen. Ebenso wenig hätten die Klägerinnen bereits bei Einlegung des Widerspruchs eine Ruhendstellung des Verfahrens vorschlagen müssen. Üblicherweise frage nämlich die Behörde nach, ob ein Verfahren ruhend gestellt werden solle. In Anlehnung an die für eine Untätigkeitsklage geltende Drei-Monats-Frist habe für die Klägerinnen kein Anlass bestanden, schon vor Ablauf von drei Monaten „entsprechend zu agieren“, zumal die Klägerinnen den Beklagten auch „nicht einmal ansatzweise“ zur sofortigen Bescheidung aufgefordert hätten. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides seien die Klägerinnen wegen der laufenden Klagefrist „gezwungen“ gewesen, Klage zu erheben.

Der Beklagte hat auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, dass von seiner Seite im Widerspruchsverfahren eine Ruhendstellung weder angeregt noch vorgeschlagen worden sei. Hinsichtlich der maximal zu übernehmenden KdU existiere im Zuständigkeitsbereich des Beklagten kein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Stattdessen stelle der Beklagte auf die Werte nach § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 Prozent ab. Eine weitere Erhöhung - insbesondere der von den Klägerinnen begehrte Zuschlag wegen Alleinerziehung - komme nicht in Betracht, zumal auch keine individuellen Gründe für eine Erhöhung der angemessenen Wohnfläche vorlägen. Für die Zukunft plane der Beklagte die Erstellung eines schlüssigen Konzepts i.S.d. BSG-Rechtsprechung. Hiermit sei im Jahr 2012 die K., L. GmbH (M. GmbH) beauftragt worden. Diese habe aufgrund „datenschutzrechtlicher Gegebenheiten“ erst im Januar 2013 mit einer Vermieterbefragung beginnen können. Für zurückliegende Zeiträume „wie etwa 2011“ könne im Nachhinein kein schlüssiges Konzept mehr erstellt werden. Wegen eines Ausfalls der Ermittlungsmöglichkeiten habe der Beklagte rechtsfehlerfrei für den streitbefangenen Zeitraum auf die Tabellenwerte nach § 12 WoGG zurückgegriffen.

Weitere konkrete Gründe für die bislang nicht erfolgte Erstellung eines schlüssigen Konzepts hat der Beklagte auch auf ausdrückliche Nachfrage des Senats (richterliche Verfügungen vom 3. April und 3. Mai 2013) nicht vorgetragen. Die Frage des Senats, ob der Beklagte über valide Erkenntnisse verfüge, wonach sich die aus einem - noch zu erstellenden - schlüssigen Konzept ergebenden Maximalwerte für die angemessenen KdU unterhalb der Werte nach § 12 WoGG (zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 Prozent) liegen dürften, hat der Beklagte inhaltlich nicht beantwortet.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Klägerinnen haben Anspruch auf Gewährung von PKH für das Klageverfahren S 24 AS 1877/12.

1)

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Hiergegen spricht auch nicht der unterhalb des für die Statthaftigkeit einer Berufung nach § 144 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) maßgeblichen Werts von 750,01 Euro liegende Wert des Beschwerdegegenstandes i.H.v. 552,-- Euro. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist § 127 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der für den Zivilprozess eine entsprechende Zulässigkeitsgrenze für Beschwerden begründet, im sozialgerichtlichen Verfahren nämlich nicht anwendbar (vgl. etwa: Senatsbeschlüsse vom 26. November 2009 - L 11 B 2/07 SB, vom 22. Dezember 2009 - L 11 AL 70/09 B, vom 15. April 2010 - L 11 AY 110/09 B sowie vom 5. August 2011 - L 11 AS 175/11 B). Aus den in diesen Entscheidungen genannten Gründen folgt der Senat nicht der anderslautenden Rechtsauffassung u.a. des 9. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 4. April 2012 - L 9 AS 32/12 B).

2)

Die Beschwerde ist auch begründet. Die Klägerinnen können angesichts ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung weder vollständig oder zum Teil noch in Raten selbst tragen. Nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand ist auch ein - zumindest teilweiser - Erfolg der Klage nicht gänzlich fernliegend, so dass die Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) aufweist. Entgegen der Auffassung des SG stellt sich die Rechtsverfolgung der Klägerinnen auch nicht als mutwillig dar, so dass die Klägerinnen Anspruch auf PKH für das erstinstanzliche Klageverfahren haben.

3)

Eine Klage weist nicht erst dann eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO auf, wenn bei der notwendigerweise prognostischen Beurteilung der Möglichkeiten eines Klageerfolgs ein späteres Obsiegen bereits wahrscheinlicher erscheint als ein Unterliegen. Vielmehr genügt es für die Bewilligung von PKH, wenn die Klage auf der Grundlage eines vorläufig vertretbaren, diskussionswürdigen Rechtsstandpunkts schlüssig begründbar ist und in tatsächlicher Hinsicht die gute Möglichkeit der Beweisführung besteht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 73 a Rn 7a). Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten insoweit eine nicht zu strenge Prüfung geboten. Schließlich gebieten Artikel 3 Abs 1, 20 Abs 3 und 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) eine weitgehende Gleichstellung von bemittelten und unbemittelten Personen hinsichtlich ihrer jeweiligen Möglichkeiten, effektiven Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 24. März 2011 - 1 BvR 2493/10, ZfSH/SGB 2011, 475f, und vom 26. April 1988 - 1 BvL 84/86, BVerfGE 78, 104). Dabei würde insbesondere die Rechtsweggarantie des Artikel 19 Abs 4 GG gegenüber hoheitlichem Handeln von Sozialleistungsträgern verfehlt, wenn die erst als Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens zu erwartende Klärung rechtlich und tatsächlich entscheidungserheblicher Zweifel im Sinne einer allzu vergröbernden Entscheidungsprognose in das PKH-Bewilligungsverfahren vorverlagert würde. PKH darf deshalb unter dem Gesichtspunkt der nicht hinreichenden Erfolgsaussicht nur dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache, wenn schon nicht auszuschließen, so doch wenigstens gänzlich fernliegend ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. April 2000 - 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936 ff zur PKH-Bewilligung bei offenen Rechtsfragen).

Zwar ist zweifelhaft, ob die Klage hinsichtlich des von den Klägerinnen ausdrücklich geltend gemachten Zuschlags für Alleinerziehende (10 qm zusätzliche Wohnfläche bzw. Berücksichtigung eines weiteren fiktiven Haushaltsmitglieds im Rahmen der Tabellenwerte nach § 12 WoGG) hinreichende Erfolgsaussichten hat. Schließlich hat das BSG zwischenzeitlich klargestellt, dass ein solcher Zuschlag nicht pauschal vorzunehmen ist. Lediglich Umstände, die eine besondere Bindung der Leistungsempfänger an das nähere soziale Umfeld begründen, können deren Obliegenheiten einschränken, die Kosten der Unterkunft zu senken (BSG, Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 13/12 R; vgl. zu der vor dieser BSG-Entscheidung ergangenen anderslautenden Rechtsprechung des erkennenden Senats: Beschlüsse vom 21. November 2011 und 16.Januar 2012 - L 11 AS 1063/11 B ER und L 11 AS 1325/11 B ER). Ein - möglicherweise auch nur teilweiser - Erfolg der Klage ist jedoch deshalb nicht gänzlich fernliegend, weil der Beklagte bei der vorliegend streitbefangenen Begrenzung der zu übernehmenden KdU möglicherweise von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist. Nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand kann nämlich noch nicht hinreichend sicher entschieden werden, ob der Beklagte wegen des Ausfalls der Ermittlungsmöglichkeiten berechtigt war, seiner Entscheidung anstelle eines schlüssigen Konzepts i.S.d. BSG-Rechtsprechung die Tabellenwerte nach § 12 WoGG (zzgl. Sicherheitszuschlags) zugrunde zu legen.

Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 7. November 2006 - und damit bereits vor mehr als sechs Jahren - entschieden, dass bei der Feststellung der angemessenen Unterkunftskosten ein konkret-individueller Maßstab anzulegen ist. Hierbei ist unter Zugrundelegung der landesrechtlichen Wohnraumförderbestimmungen zu ermitteln, ob in dem maßgeblichen räumlichen Vergleichsbereich Wohnungen mit einfachem Ausstattungsniveau konkret zur Verfügung stehen. Auf die Tabellenwerte nach dem WoGG darf erst abgestellt werden, wenn ein konkret-individueller Maßstab nicht gebildet werden kann (Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Das BSG hat seitdem in ständiger Rechtsprechung an dem Erfordernis eines solchen schlüssigen Konzepts festgehalten. Nur für den Fall, dass ein schlüssiges Konzept nicht vorliegt und auch nicht mehr nachträglich erstellt werden kann (insbesondere für lang zurückliegende Zeiträume - „Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten“), finden als Hilfsmaßstab die Werte nach § 12 WoGG zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % Anwendung (BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 16/11 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 59). Das BSG hat auch klargestellt, dass allein das Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu entbindet, warum ein solches auf der Grundlage der vorhandenen Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Vielmehr muss bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln erkennbar sein, dass bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt worden sind. Erst wenn solche Feststellungen erfolgt sind, ist ein Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG zu rechtfertigen (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 - B 4 AS 44/12 R, Rn 18). Dem Leistungsträger steht nach alledem kein Wahlrecht zu, ob er ein schlüssiges Konzept erstellt oder aber einfach nach den Tabellenwerten nach § 12 WoGG (zzgl. eines Sicherzeitzuschlags) entscheidet. Vielmehr ist jeder SGB II-Leistungsträger gehalten, für seinen Zuständigkeitsbereich ein entsprechendes schlüssiges Konzept zu erstellen. Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne eine hinreichende Datengrundlage, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 2. Halbsatz SGG gehalten, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und ggf. eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen. Es kann von dem für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständigen kommunalen Träger erwartet werden, dass er die bei ihm vorhandenen Daten sowie die personellen und/oder sachlichen Voraussetzungen für die Erhebung und Auswertung der erforderlichen Daten zur Verfügung stellt (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 - B 14 AS 33/08 R).

Der Beklagte hat - auch nach wiederholter Aufforderung durch den Senat (vgl. richterliche Verfügungen vom 3. April und 3. Mai 2013) - bislang keine nachvollziehbaren bzw. ausreichend konkreten Gründe benannt, weshalb für den streitbefangenen Zeitraum ein schlüssiges Konzept nicht erstellt worden ist oder welche konkreten Erschwernisse einer nachträglichen Erstellung entgegen stehen. So hat der Beklagte lediglich mitgeteilt, erstmals im Jahre 2012 - einen genaueren Zeitpunkt hat er nicht genannt - die M. GmbH mit der Erstellung eines schlüssigen Konzepts beauftragt zu haben. Weshalb dies trotz der seit dem Jahre 2006 bekannten Notwendigkeit von konkret-individuellen Maßstäben und der seit diesem Zeitpunkt ebenfalls bekannten Unzulässigkeit des Abstellens auf die Tabellenwerte des WoGG (vgl. hierzu erneut: BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 3) erst im Jahre 2012 erfolgt ist, ist nicht dargelegt worden. Der Beginn der Erhebungen im Jahre 2013 wurde mit - nicht weiter konkretisierten - „datenschutzrechtlichen Gegebenheiten“ begründet (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 20. Juni 2013). Dies kann die Untätigkeit des Beklagten jedoch nicht hinreichend erklären, da diverse Leistungsträger schon seit Langem über schlüssige Konzepte verfügen, also zu einer früheren Erstellung sehr wohl in der Lage waren. Einen Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten für den vorliegend streitbefangenen Zeitraum (Dezember 2012 bis Mai 2013) hat der Beklagte lediglich pauschal behauptet (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 20. Juni 2013), nicht jedoch mittels konkreter Tatsachen begründet. Zweifel an einem solchen Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten bestehen schon deshalb, weil es im Klageverfahren S 24 AS 1877/12 nicht um lang zurückliegende Zeiträume geht. Vielmehr erfolgte die Klageerhebung im Dezember 2012 auch mit Wirkung für die Zukunft (Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2012 bis 31. Mai 2013). Zumindest im PKH-Verfahren ist es nicht Aufgabe der Sozialgerichte, von Amts wegen hinsichtlich eines behaupteten Ausfalls der Ermittlungsmöglichkeiten zu ermitteln, wenn der diesbezügliche Vortrag des Leistungsträgers auch nach wiederholter Bitte um Konkretisierung (hier: richterliche Verfügungen vom 3. April und 3. Mai 2013) vollkommen unsubstantiiert bleibt.

Damit ist derzeit offen, ob der Beklagte bei der Begrenzung der angemessenen KdU zu Recht anstelle eines schlüssigen Konzepts i.S.d. BSG-Rechtsprechung die Werte aus § 12 WoGG (zzgl. eines Sicherheitszuschlags) zugrunde gelegt hat. Ebenso wenig kann derzeit beurteilt werden, ob sich aus einem schlüssigen Konzept höhere Werte für einen Drei-Personen-Haushalt ergeben würden als nach den Tabellenwerten aus § 12 WoGG (zzgl. eines Sicherheitszuschlags). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Beklagte - trotz entsprechender Aufforderung durch den Senat (vgl. richterliche Verfügung vom 3. Mai 2013) - keine validen Erkenntnisse benannt hat, wonach die sich aus einem (noch zu erstellenden) schlüssigen Konzept ergebenden Maximalwerte der angemessenen KdU für den vorliegend streitbefangenen Zeitraum unterhalb der in der angefochtenen Verwaltungsentscheidung berücksichtigten Tabellenwerte liegen dürften. Nach alledem kann der Klage nicht von vornherein jegliche Erfolgsaussicht abgesprochen werden.

4)

Entgegen der Auffassung des SG kann die Gewährung von PKH auch nicht wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung abgelehnt werden.

Der Senat lässt offen, ob ein Widerspruchsführer, der weitere Widerspruchs- bzw. Klageverfahren in parallel gelagerten Fällen führt (hier: Klagen auf höhere Leistungen für KdU infolge eines „Zuschlags für Alleinerziehende“ für frühere Bewilligungszeiträume) erst dann mutwillig i.S.d. § 114 ZPO handelt, wenn er einer vom Leistungsträger bzw. vom Sozialgericht vorgeschlagenen Ruhendstellung des Verfahrens nicht zustimmt (so etwa: BVerfG, Beschluss vom 18. November 2009 - 1 BvR 2455/08, NJW 2010, 988; Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 8. August 2012 - L 7 AS 285/12 B; vgl. auch zur Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung bei Aufforderung zur Bescheidung des Widerspruchs innerhalb von drei Monaten anstelle des Abwartens eines Musterverfahrens: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. März 2013 - L 15 AS 477/12 B), oder auch schon dann, wenn er nicht von sich aus auf eine Ruhendstellung hinwirkt. Im vorliegenden Fall erscheint nämlich fraglich, ob die älteren Klageverfahren für das Klageverfahren S 24 AS 1877/12 tatsächlich vorgreiflich sind. So war die in den Parallelverfahren offensichtlich in erster Linie umstrittene Frage eines generellen „Zuschlags“ für Alleinerziehende schon vor Erlass des Widerspruchsbescheides und dementsprechend auch bereits vor Klageerhebung höchstrichterlich geklärt (BSG, Urteil vom 22. August 2012 - B 14 AS 13/12 R). Es kommt somit für die Entscheidung über einen Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag wegen Alleinerziehung für den Bewilligungszeitraum Dezember 2012 bis Mai 2013 überhaupt nicht auf den Ausgang der bereits anhängigen Parallelverfahren an. Soweit in den Parallelverfahren zu prüfen sein sollte, ob der Beklagte aufgrund eines nachgewiesenen Ausfalls der Ermittlungsmöglichkeiten tatsächlich berechtigt war, nach Maßgabe der Tabellenwerte nach § 12 WoGG (zzgl. eines Sicherheitszuschlags) zu entscheiden, vermag der Senat Auswirkungen auf den hier streitbefangenen Zeitraum ebenfalls nicht zu erkennen. Schließlich ist der Beklagte - wie bereits dargelegt - gehalten, ein schlüssiges Konzept zu erstellen. Selbst wenn für die bereits länger zurückliegenden Bewilligungszeiträume ein Ausfall der Ermittlungsmöglichkeiten in Betracht kommen sollte, bedürfte dies für den vorliegend streitbefangenen Zeitraum, der bei Klageerhebung erst gerade begonnen hatte und noch für mehr als fünf Monate in die Zukunft lief, einer konkret auf diesen Zeitraum bezogenen Begründung. Eine solche Begründung hat der Beklagte im vorliegenden Verfahren nicht einmal auf ausdrückliche Aufforderung des Senats vorgetragen (s. hierzu oben unter 3.). Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dies für den vorliegend streitbefangenen Zeitraum (Dezember 2012 bis Mai 2013) in den anderen beim SG anhängigen, jedoch frühere Bewilligungszeiträume betreffenden Klageverfahren erfolgt sein könnte.

5)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).