Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.08.2013, Az.: L 13 AS 298/10

Erstausstattung; Hilfebedürftigkeit; Pauschale; Schwangerschaft

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
28.08.2013
Aktenzeichen
L 13 AS 298/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64264
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 10.08.2010 - AZ: S 48 AS 903/10

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Anspruch nach § 1615l Abs. 1 BGB, wonach der Vater des Kindes der ledigen Mutter unterhaltspflichtig ist, geht aufgrund des in § 5 Abs. 1 SGB II normierten Nachrangprinzips einem Anspruch auf Leistungen für Erstausstattung bei Schwangerschaft grundsätzlich vor und ist stets zu prüfen.

2. Die Höhe der vom Leistungsträger gewährten Pauschale i. H. von 156,- EUR ist jedenfalls in einer Großstadt angemessen.

3. Zu den Einzelheiten einer typischerweise ausreichenden Schwangerschaftsausstattung.

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. August 2010 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen, soweit sie über das von der Rechtsvorgängerin des Beklagten abgegebene Teilanerkenntnis vom 2. Juli 2010 hinausgeht.

Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, in welcher Höhe der Klägerin eine Zahlung wegen eines Sonderbedarfs für eine Erstausstattung bei Schwangerschaft zusteht.

Die 1978 geborene, ledige Klägerin stand seit 2005 im Leistungsbezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten. Am 1. Februar 2010 bestätigte ihr Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe eine Schwangerschaft, der voraussichtliche Entbindungstermin sei der 19. September 2010. Mit am 15. Februar 2010 bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten eingegangenem Schreiben beantragte die Klägerin eine Ausstattung für Schwangerschaft und Geburt und benannte u. a. hinsichtlich der Schwangerschaft einzelne Bekleidungsstücke.

Nachdem der Klägerin für die übrigen einmaligen Bedarfe Leistungen gewährt worden waren, bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten mit Bescheid vom 1. März 2010 der Klägerin für die Erstausstattung bei Schwangerschaft einen Betrag in Höhe von 77,00 €, dessen Herleitung sie der Höhe nach nicht näher begründete. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, sie habe einen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 138,37 € (bei einem geltend gemachten Bedarf i. H. von insgesamt 215,37 €, abzüglich gezahlter 77,00 €). Sie meinte, zwar sei die Behörde berechtigt, Pauschalen zugrunde zu legen, jedoch sei die gewährte Pauschale zu gering bemessen. Gemäß den Richtwerten der Berliner Senatsverwaltung vom 14. Dezember 2004 werde für den Erwerb von Schwangerschaftsbekleidung eine Pauschale in Höhe von 215,37 € zugrunde gelegt, was angemessen sei. Der Bedarf sei mit der gewährten Pauschale auch nicht zu finanzieren, wie sich aus Preislisten der Kaufhäuser C & A sowie H & M ergebe. Parallel dazu durchgeführt wurde ein weiteres Verwaltungsverfahren hinsichtlich einer Erstausstattung in Bezug auf die bevorstehende Geburt, das nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2010 wies die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, unter Schwangerschaftserstausstattung sei die Ausstattung mit Oberbekleidung zu verstehen, die aufgrund der körperlichen Veränderungen im Zuge einer Schwangerschaft notwendig sei. Unterwäsche zähle nicht hierzu. Die Oberbekleidung könne von der Klägerin aus der gezahlten Pauschale erworben werden. Ferner könne auch bereits vorhandene Bekleidung durch ein Bauchband ergänzt werden, sodass diese Kleidung mit Zunahme des Bauchumfangs auch weiter getragen werden könne; dies sei auch bei erwerbstätigen Schwangeren durchaus üblich. Zudem müsse die Klägerin nicht alle Bekleidung neu erwerben, denn gerade im Bereich der Schwangerschaftsbekleidung gebe es viele Geschäfte, die auf den Verkauf gebrauchter Kleidung spezialisiert seien. Ergänzend verwies die Rechtsvorgängerin des Beklagten auf eine durchgeführte Recherche beim Internet-Auktionshaus „E-bay“.

Die Klägerin hat am 21. April 2010 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Im Eilverfahren ist die Rechtsvorgängerin des Beklagten mit Beschluss des Sozialgerichts (SG) Oldenburg - S 48 AS 902/10 ER - vom 3. Mai 2010 verpflichtet worden, der Klägerin vorläufig weitere Leistungen für die Beschaffung von Schwangerschaftsbekleidung in Höhe von 173,00 € zu bewilligen, weil es einen Bekleidungsbedarf der Klägerin von pauschal 250,- € von sich aus annahm. Es hat ausgeführt, die Rechtsvorgängerin des Beklagten verfüge nicht über einschlägige Verwaltungsregelungen, wie sie bei anderen Leistungsträgern verfügbar seien; somit sei die Höhe des Anspruchs nach der allgemeinen Lebenserfahrung zu bemessen. Die Leistungen seien regelmäßig pauschaliert zu gewähren. Weiter bezog sich das SG auf den Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen vom 22. November 2007 - L 6 AS 760/07 ER -.

Im Hinblick auf diesen Beschluss erklärte sich die Rechtsvorgängerin des Beklagten nunmehr bereit, einen  Betrag in Höhe von insgesamt 156,00 € zu erbringen, sodass ein Anerkenntnis hinsichtlich der Zahlung weiterer 79,00 € abgegeben werde. Sie habe Ermittlungen zu einzelnen Bekleidungsstücken und deren Preise angestellt und dabei berücksichtigt, dass sowohl Sommer- wie auch Winterbekleidung und auch die Möglichkeit des sozialüblichen Wäschewechsels zur Verfügung stehen müssten. Bei der Preisermittlung sei ausschließlich von Neuware ausgegangen worden, während die Klägerin jedoch auch auf den Ankauf gebrauchter Kleidung zu verweisen sei, welche billiger als Neuware sei. Wegen der berücksichtigten einzelnen Positionen wird auf die von der Rechtsvorgängerin des Beklagten gefertigte Tabelle verwiesen.

Demgegenüber hat die Klägerin mitgeteilt, der angenommene Bedarf sei unzureichend. Es fehlten Kosten für die Anschaffung von Schuhen - ihre Schuhgröße habe sich aufgrund der Schwangerschaft verändert -, ferner habe die Rechtsvorgängerin des Beklagten den Erwerb von lediglich zwei Oberteilen sowie vier Slips für ausreichend erachtet. Sie habe zudem die niedrigsten Kosten für eine Jacke, ein Kleid und eine Hose in Höhe von insgesamt 62,00 € recherchiert, jedoch nur 39,00 € insoweit in die Berechnung eingestellt. Auch sei bei der Berechnung der Rechtsvorgängerin des Beklagten nicht gewährleistet, dass das jeweilige Angebot in der passenden Größe der Klägerin vorgehalten werde. Sie habe mittlerweile einen Betrag in Höhe von 280,64 € für Schwangerschaftsbekleidung ausgegeben; die entsprechenden Ausgaben für Bekleidung hat sie im Einzelnen belegt.

Mit Urteil vom 10. August 2010 hat das SG Oldenburg die Rechtsvorgängerin des Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, und hat die Berufung zugelassen. Die Festlegung der Höhe einer zulässigen Pauschalisierung sei eine Ermessensentscheidung des Leistungsträgers. Das SG hat unter Hinweis auf ein Urteil der 43. Kammer des SG Oldenburg vom 2. April 2009 - S 43 1224/08 - dargelegt, es seien drei leichte und zwei wärmende Oberteile, ferner ein Teil wärmender Überkleidung, wie ein Mantel oder eine Jacke, zu berücksichtigen. Zusätzlich seien Unter- und Nachtwäsche in den Bedarf einzustellen, denn es könnten zumindest in den letzten Schwangerschaftsmonaten typischerweise nicht die vorhandenen Slips, Unterhemden und Nachthemden genutzt werden. Ein Mindestbedarf bestehe insoweit an zwei Nachthemden, 7 Slips und 3 Unterhemden, die als preisgünstige Neuware in die Pauschale einzustellen seien. Hinsichtlich der Oberbekleidung sei ein Abstellen auf Gebrauchtwaren hingegen zulässig.

Gegen das ihr am 19. August 2010 zugestellte Urteil führt die Beklagte am 9. September 2010 Berufung und macht geltend, sie sehe mit den gewährten 156,00 € den notwendigen Bedarf der Klägerin für Schwangerschaftsbekleidung als gedeckt an. Zu beachten seien die allgemeinen Grundsätze der Bedarfsdeckung, d. h. der notwendige typische Bedarf an Schwangerschaftsbekleidung müsse ausreichend und sachgerecht mit der Pauschale befriedigt werden können. In ihrer Zusammenstellung habe sie sowohl den sozialüblichen Wäschewechsel berücksichtigt, als auch die jahreszeitlich unterschiedlichen Bedürfnisse einfließen lassen. Hingegen gehe sie nicht davon aus, dass es sich bei Schuhen um eine typische Schwangerschaftsbekleidung handele. Auch habe das SG nicht ermittelt, ob die Klägerin die neuen Schuhe, die sie zu Beginn der Schwangerschaft angeschafft habe, überhaupt wegen einer besonderen Schwellung der Füße erworben habe. Es sei üblich, dass die Bekleidung unter anderem auch über Versandhäuser bestellt werde. Die von ihr ermittelten Pauschalen setzten sich jedoch aus Preisen für Neuware in reinen Kaufhäusern und im Internethandel zusammen. Diese Mischung trage einem heute üblichen Kaufverhalten Rechnung. Außerdem gehe sie von einem Neuerwerb aller als notwendig erachteten Kleidungsstücke aus, obwohl auch ein Verweis auf gebrauchte Kleidung möglich sei. Gerade bei Schwangerschaftsbekleidung bestehe ein reger Gebrauchtmarkt, sowohl durch Second-Hand-Handel, als auch auf E-bay. Es seien drei Versandhäuser und drei ortsansässige Bekleidungsgeschäfte bei der Recherche berücksichtigt worden. Auch habe das BSG im Urteil vom 13. April 2011 festgestellt, dass auch auf den Kauf von gebrauchten Kleidungsstücken verwiesen werden könne, ohne dass dies gegen die Menschenwürde verstoße. Im Bereich der Stadt J. befänden sich mehrere Second-Hand-Geschäfte für Schwangerschaftsbekleidung. Für eine komplette Erstausstattung mit Bekleidung seien 250,00 € vom BSG als ausreichend angesehen worden, bei der Ausstattung mit Schwangerschaftsbekleidung handele es sich jedoch nicht um eine solche Komplettausstattung, sondern nur um den Ergänzungsbedarf aufgrund der eintretenden körperlichen Veränderung mit fortschreitender Schwangerschaft.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. August 2010 aufzuheben

und

die Klage abzuweisen, soweit sie über das von ihrer Rechtsvorgängerin abgegebene Teilanerkenntnis vom 2. Juli 2010 hinausgeht.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist nochmals darauf, sie habe trotz kostenbewussten Einkaufs insgesamt 280,64 € für ihre Schwangerschaftsbekleidung bezahlt. Insbesondere habe sie ein Paar neue Schuhe benötigt – diesbezüglich hat sie, ebenso wie in Bezug auf ihre Gewichtszunahme, hilfsweise Beweiserhebung durch ein Sachverständigengutachten beantragt –, ferner berücksichtige die Beklagte für die Sommermonate zu Unrecht keine passende Jacke, zudem keine Kosten für die Nachtwäsche. Andere Kleidungsstücke würden in zu geringer Anzahl berücksichtigt, sodass ein sozialüblicher Wäschewechsel nicht in ausreichendem Maße möglich sei. Eine abstrakte Bemessung der Schwangerschaftsbekleidung in Höhe einer Pauschale von 233,00 € werde gerade noch als ausreichend angesehen. Ein Verweis auf die bereits vorhandene Garderobe sei insbesondere im Stadium der fortgeschrittenen Schwangerschaft nicht möglich. Ferner müsse die Bekleidungsausstattung bei Schwangerschaft sowohl Sommerbekleidung, als auch wärmende Kleidungsstücke im Winter umfassen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG) und begründet. Der Bescheid der Rechtsvorgängerin des Beklagten vom 1. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2010 war zwar rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten, soweit dort ein geringerer Leistungsbetrag für die Schwangerschaftsausstattung als 156,00 € bewilligt worden ist. Nunmehr ist jedoch durch Teilanerkenntnis der Rechtsvorgängerin des Beklagten vom 2. Juli 2010 ein höherer Pauschalbetrag für die Schwangerschaftsausstattung von 156,00 € anerkannt worden. Auf weiter gehende Leistungen hat die Klägerin indes keinen Anspruch.

1) Streitgegenstand des Rechtsstreits ist lediglich die Bewilligung eines Gesamtbetrages i. H. von 215,37 € , denn die Einforderung eines höheren Betrages war nicht von der Klägerin im Verwaltungsverfahren verlangt worden. Die später höhere Forderung der Klägerin ist alsdann wohl dadurch ausgelöst worden, dass das SG Oldenburg im Eilbeschluss vom 3. Mai 2010 entgegen dem Grundsatz, dass ein Gericht einem Kläger oder Antragsteller nichts zusprechen darf, was über dessen gestellten Anträge hinausgeht („ne ultra petita“), einen höheren Betrag zugesprochen hatte.

Auf Beklagtenseite ist das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung i. S. des § 44 b Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB), Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitsuchende –, die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 kraft Gesetzes entstanden ist, als Rechtsnachfolger kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten; das Passivrubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 45/09 R – juris Rdn. 12, sowie vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 99/10 RSozR 4-4200 § 37 Nr. 5 – juris Rdn. 11).

Die Klägerin, die nicht unter die Ausschlusskriterien des § 7 Abs. 1 Satz 2, 3 SGB II fällt, erfüllte im streitgegenständlichen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 SGB II; insbesondere war sie hilfebedürftig i. S. den § 9 Abs. 1 SGB II.

Die Hilfebedürftigkeit scheitert im konkreten Fall auch nicht an § 1615 l Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach der Vater des Kindes der ledigen Mutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung unterhaltspflichtig ist, was auch hinsichtlich der Kosten gilt, die infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung außerhalb dieses Zeitraums entstehen. Dieser zivilrechtliche Anspruch der Klägerin geht aufgrund des in § 5 Abs. 1 SGB II normierten Nachrangprinzips (vgl. hierzu S. Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 5 Rdn. 7) ihrem Anspruch auf Leistungen für Erstausstattung bei Schwangerschaft zwar grundsätzlich vor, war aber im vorliegenden Fall aufgrund von Mittellosigkeit des Kindsvaters nicht als „bereites Mittel“ zu realisieren. Zudem hat der Leistungsträger im Rahmen seiner nach § 14 SGB I gebotenen Beratung die Klägerin nicht auf diesen vorrangigen Anspruch hingewiesen.

2) Nach Überzeugung des Senats hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere Leistung, die über die zuerkannte Pauschale von 156,- € hinausgeht. Das angefochtene Urteil des SG war daher aufzuheben. Dazu im Einzelnen:

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 SGB II in der zur Zeit des Leistungsfalles geltenden Fassung (= a. F.; nunmehr § 24 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 SGB II i. d. Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011, BGBl. 2011 I, S. 850) sind Leistungen für Erstausstattung bei Schwangerschaft nicht von der Regelleistung umfasst und werden gesondert erbracht. Der Beklagte hat sich im Wege einer dem Grunde nach nicht zu beanstandenden Ermessensentscheidung dafür entschieden, die Leistung als Geldleistung in Form eines Pauschalbetrages zu erbringen, was nach § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II a. F. (nunmehr § 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II) gemäß ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung zulässig ist.

Die Höhe der Pauschale unterliegt der richterlichen Kontrolle (vgl. Blüggel, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 24 Rdn. 126). Das BSG (Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 53/10 RSozR 4-4200, § 23 Nr. 12) verwendet in diesem Zusammenhang nicht den Begriff eines Beurteilungsspielraums, und die genaue dogmatische Einordnung erachtet der Senat auch als entbehrlich, da die anzuwendenden Grundsätze geklärt sind: Die Pauschale muss angemessen sein und auf einer hinreichend validen und belastbaren Datenbasis beruhen (Blüggel, a. a. O.; O. Loose, in: GK-SGB II, § 24 Rdn. 51); zu beachten sind die allgemeinen Grundsätze der Bedarfsdeckung, d. h. der Bedarf muss ausreichend und sachgerecht befriedigt werden können (vgl. Münder, in: LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 23 Rdn. 13). Hinsichtlich der Verwendung des allgemein bedarfsdeckend typisierend festgesetzten Pauschalbetrags obliegt es dann dem Hilfeempfänger, seinen konkreten Bedarf unter Berücksichtigung seiner individuellen Prioritäten mit der ihm zur Verfügung gestellten Geldleistung optimal zu decken. Andererseits sind einer zu weiten Auslegung Grenzen dadurch zu setzen, dass allein der spezifisch durch Schwangerschaft ausgelöste Bekleidungsbedarf berücksichtigt wird, nämlich ausschließlich solche Kleidungsstücke, die gerade aufgrund der körperlichen Veränderungen im Zuge einer Schwangerschaft getragen werden müssen (Blüggel, a. a. O., § 24 Rdn. 108; SG Oldenburg, Urteil vom 14. März 2008 – S 44 AS 1419/07 –).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat von der Tatsache überzeugt, dass die Ausstattungsliste einen typischen Bekleidungsbedarf von Schwangeren deckt und dass mit der Pauschale von 156,- € diese Gegenstände in J. angeschafft werden können, obwohl die Klägerin höhere Ausgaben dargelegt hat (insoweit abweichend von dem Sachverhalt, der dem Beschluss des 6. Senats des Gerichts vom 7. Mai 2013 – L 6 AS 421/12 –, sowie dem Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 12. März 2013 – L 5 AS 63/12 und L 5 AS 64/12 – zugrunde gelegen hat). Geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen bzw. nachvollziehbare Erfahrungswerte sind dabei in der von dem Beklagten vorgelegten Liste einer Internetrecherche in Bezug auf Schwangerschaftsbekleidung, Stand Juni 2010, in Übereinstimmung mit § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB II in dem Grunde nach nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt worden. Der Senat legt die dort genannten Einzelpreise, welche die Preissituation auf dem Markt der preisgünstigen Anbieter sachgerecht abbilden, seiner Entscheidung zugrunde. Der zur Beschaffung zur Verfügung gestellte pauschale Geldbetrag erfüllt hierbei auch die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit. Der Beklagte hat anhand der vorgelegten Preislisten verifiziert, dass alle benötigten Kleidungsstücke auch tatsächlich zu bestimmten Preisen erworben werden können. Dabei sind die Preise so kalkuliert worden, dass neben dem Kauf von gebrauchten Waren auch der Kauf von Neuwaren möglich ist. Ein Leistungsempfänger kann grundsätzlich auch auf den Kauf von gebrauchten Artikeln verwiesen werden, dies verstößt nicht gegen die Menschenwürde, denn der Kauf in so genannten "Secondhand-Läden" ist in weiten Bevölkerungskreisen allgemein üblich (zu alledem BSG, Urteil vom 13. April 2011 – a. a. O. – juris Rdn. 28). Dies gilt nach Ansicht des Senats insbesondere im Falle des vorübergehenden Bedarfs an Schwangerschaftsbekleidung.

Der Beklagte hat der Bemessung der Pauschale folgenden Bedarf zugrunde gelegt: 1 Bluse, 2 lange Hosen, 1 Pullover, 1 Top/Shirt, 2 Still-BHs, 4 Slips, 1 Bauchband, sowie alternativ eine Winterjacke oder eine kurze Hose und ein Kleid. Insbesondere die letztgenannte Alternativversorgung betrachtet der Senat für zulässig und auch für angemessen, da sie dem Umstand gerecht wird, dass der zusätzliche Ausstattungsbedarf für Kleidung bei einer Schwangerschaft entweder im Sommer- oder im Winterhalbjahr anfallen kann, dass die Alternativversorgung beiden Möglichkeiten gerecht wird und sie somit eine angemessene und zweckmäßige Pauschalierung des Bedarfs sachgerecht abbildet.

Die Zusammenstellung der bei der Bemessung der Pauschale in der Ausstattungsliste des Beklagten zugrunde gelegten Kleidungsstücke entspricht nach Überzeugung des Senats einer ausreichenden Versorgung mit Schwangerschaftsbekleidung. Hierbei ist davon auszugehen, dass nur die wirklich notwendigen Bekleidungsstücke zu berücksichtigen sind, so dass sich die Klägerin in menschenwürdiger Weise kleiden kann, wobei den grundlegenden Hygienebedürfnissen Rechnung zu tragen ist; so ist durch die Anzahl der jeweils gewährten Kleidungsstücke die Notwendigkeit zu berücksichtigen, diese zu waschen und zu trocknen (BSG, Urteil vom 13. April 2011 – a. a. O. – juris Rdn. 27). Darüber hinaus meint der Senat, dass eine Versorgung mit zusätzlichen Slips nicht unbedingt dem üblichem Bedarf bei einer Schwangerschaft entspricht (a. A.: SG Oldenburg, Urteil vom 2. April 2009 – S 43 AS 1224/08 –), ferner ist auch die Notwendigkeit einer Versorgung mit schwangerschaftsbedingt größeren Schuhen – worauf sich die Klägerin u. a. beruft – nicht typischerweise und mitunter erst im Endstadium der Schwangerschaft erforderlich, mag dies im Falle der Klägerin auch anders gewesen sein. Anders als von dem Beklagten zugrunde gelegt, neigt der Senat indes dazu, dass die Versorgung mit einem weiteren Bekleidungsoberteil (Top/Shirt/Bluse), also einem mehr als von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zugrunde gelegt worden ist, im Rahmen eines sachgerechten Ausstattungsbedarfs mit der Möglichkeit zu ausreichendem Wäschewechsel erforderlich ist. Alternativ zu der Versorgung mit einem Bauchband kommt jedoch die Anschaffung (noch) eines weiteren Oberteils zum gleichen Preis von ca. 8,00 € in Betracht, wobei ein Bauchband allerdings mittlerweile nach Überzeugung des Senats der sozial akzeptierten Bekleidungsausstattung einer Schwangeren entspricht und die Zumutbarkeit der Benutzung eines Bauchbandes keinem Zweifel unterliegt. Alles in allem ist die Ermessensentscheidung des Beklagten weder hinsichtlich der Höhe der nunmehr gewährten Pauschale noch hinsichtlich der mitgeteilten Ermessenserwägungen zu beanstanden, und sie beruht auch auf ausreichend sorgfältiger Ermittlung des zugrunde liegenden Sachverhalts.

Die Anschaffungen der Klägerin, deren Erstattung sie mit Schriftsatz vom 16. Juli 2010 geltend gemacht hat, belegen im Übrigen die Angemessenheit der in der Ausstattungsliste des Beklagten zugrunde gelegten Preise. Von der Klägerin geltend gemacht wurden: 1 Paar Schuhe, 3 lange und 1 kurze Hosen, 2 BHs, 6 Slips, 2 Kleider, 1 Strickjacke, 1 Jacke und insgesamt 6 Oberteile. Hiervon erachtet der Senat im Rahmen der Bildung einer sachgerechten Pauschale bei einer – wie hier – schwerpunktmäßig im Sommer ablaufenden Schwangerschaft lediglich für angemessen:  2 lange und 1 kurze Hose, 2 BHs, 1 Strickjacke oder Jacke und insgesamt 4 Oberteile, während 1 Paar Schuhe, 1 lange Hose, 6 Slips, 4 Kleider oder Oberteile und 1 Strickjacke oder Jacke abzusetzen sind, weil sie nicht erforderlich sind und ein derart umfangreicher Schwangerschaftsmehrbedarf, wie er von der Klägerin geltend gemacht wird, der sachgerechten Bemessung einer Pauschale nicht entspricht. Eine überschlägige Nachberechnung der konkreten Anschaffungskosten der Klägerin, welche lediglich für eine typischerweise ausreichende Schwangerschaftsausstattung berücksichtigt, ergibt auch unter Zugrundelegung der von ihr gezahlten Beträge die Angemessenheit der von der Beklagten gewährten Pauschale. Ergänzt wird dies von der Überlegung, dass die besondere Schwangerschaftsausstattung nur kurz getragen und deswegen in keiner Weise hochwertig sein muss, und dass auf der anderen Seite ein etwaiger vorübergehender Bedarf an größeren Schuhen nach Beendigung der Schwangerschaft – so er denn eingetreten ist – regelmäßig noch eine gewisse Zeit fortdauert, so dass diesbezüglich ein Mehrbedarf bereits deswegen zweifelhaft ist, weil mit der Anschaffung eines Paares Schuhe in der abweichenden Größe regelmäßig ein Paar Schuhe der sonst passenden Größe eingespart wird, denn Schuhe unterliegen der Abnutzung und dem Verschleiß, und dieser regelmäßige Bedarf wird von der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II abgedeckt.

Bei alledem ist der Senat nicht der Auffassung, zusätzliche Aufklärung durch ein Sachverständigengutachten zu benötigen. Die Senatsmitglieder haben insgesamt neun Kinder und verfügen über entsprechende Lebenserfahrung. Der Senat ist von der Angemessenheit der vorstehenden Ausstattungsliste, und demzufolge von der durch den Beklagten gewährten Höhe der Pauschale aufgrund der sorgfältigen Preisermittlung, aus eigener Erfahrung überzeugt. Hinzu kommt die ebenfalls überzeugende Darlegung ihrer eigenen Erfahrungen durch die beiden Vertreterinnen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, von denen eine 2007 entbunden hat und die andere sich aktuell in fortgeschrittener Schwangerschaft befindet. All diese Erfahrungsberichte und eigenen Erfahrungen der Senatsmitglieder decken sich im Wesentlichen. Auch musste kein Gutachten im Hinblick auf die konkrete, bei der Klägerin bestehende Situation eingeholt werden, denn darauf kommt es, aufgrund der typisierenden Bedarfsdeckung im Wege einer Pauschale, nicht entscheidend an, und somit kann der entsprechende Vortrag der Klägerin in Bezug auf die Besonderheiten ihres individuellen Einzelfalles als wahr unterstellt werden, sodass der Senat dem insoweit hilfsweise gestellten Beweisantrag nicht nachgehen musste. Seltene Extremfälle werden in der Bemessung einer Pauschale nicht immer ausreichend abgebildet, was der Pauschalierung aber immanent ist.

Die Höhe der gewährten Pauschale hält schließlich, im Hinblick auf ihre Plausibilität, auch einem Vergleich mit seitens anderer Leistungsträger gewährter Pauschalen stand, wie sich einerseits aus den vom Beklagten im Schriftsatz vom 5. Juli 2012 mitgeteilten Vergleichswerten und andererseits auch aus einer Rechtsprechungsrecherche ergibt; verwiesen sei etwa auf ein Urteil des SG Lüneburg vom 17. November 2009 – S 31 AS 321/07 – m. w. Nachw., wonach die dortige Beklagte in Übereinstimmung mit den fachlichen Vorgaben der Hansestadt Hamburg und der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz Berlin von Kosten in Höhe von 120,00 € ausgegangen war; den gleichen Betrag hatte mit ähnlicher Begründung das SG München, Urteil vom 22. Januar 2008 – S 51 AS 217/08 – zugrunde gelegt. Zu berücksichtigen ist insoweit auch das Urteil des BSG vom 13. April 2011 – a. a. O., juris Rdn. 28 - wonach ein zur Beschaffung einer vollständigen Erstausstattung mit Bekleidung zur Verfügung gestellter pauschaler Geldbetrag i. H. von 250,00 € auch die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit i. S. von § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB II erfüllt. Insoweit hat der Beklagte mit Recht darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall lediglich ein Ergänzungsbedarf für durch die Schwangerschaft bedingten Sonderaufwand hinsichtlich der Bekleidungsausstattung zu betrachten ist, was naturgemäß zur Annahme einer gegenüber einer vollständigen Bekleidungsausstattung geringeren Pauschale führen muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 und Abs. 2 SGG liegen nicht vor.