Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 08.09.2009, Az.: 5 B 51/09

Anordnung; Anordnungsanspruch; Anspruch; Aufenthalt; Beziehung; Erlaubnis; Erziehung; familiäre Lebensgemeinschaft; Gemeinschaft; glaubhaft; Glaubhaftmachung; Grund; Haft; Kind; Leben; Tochter; Umgang; Vater; Vater-Kind-Beziehung; Verfahren

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
08.09.2009
Aktenzeichen
5 B 51/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 50669
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen der Glaubhaftmachung einer schützenswerten Vater-Kind-Beziehung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unter Berücksichtigung eingeschränkter Kontaktmöglichkeiten aufgrund einer Inhaftierung.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist angolanischer Staatsangehöriger. Er reiste eigenen Angaben zufolge am 27.05.2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Diesen Antrag lehnte das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) mit Bescheid vom 02.08.2001 als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 1 AsylVfG ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich und Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 1 bis 6 nicht vorliegen. Zugleich wurde dem Antragsteller die Abschiebung nach Angola angedroht. Die hiergegen zum VG Oldenburg erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Durch Urteil vom 27.02.2002 - 5 A 2542/01 - wurde das BAFl nach Rücknahme der Klage im Übrigen verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 AuslG in der Person des Antragstellers festzustellen. Die hiergegen vom Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten eingelegte Berufung zum Nds. OVG führte zur Abänderung des Urteils und zur vollständigen Abweisung der Klage, vgl. Beschluss vom 27.02.2003 - 1 LB 119/02 -. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers wies das BVerwG mit Beschluss vom 28.05.2003 - 1 B 136.03 - zurück, sodass die negative Entscheidung des BAFl zu § 53 Abs. 6 AuslG am 16.06.2003 bestandskräftig wurde. Hinsichtlich des Art. 16a GG und des § 51 Abs. 1 AuslG ist das Urteil des VG Oldenburg am 22.03.2002 rechtskräftig geworden.

2

Nachdem dem Antragsteller von der seinerzeit zuständigen Ausländerbehörde - Stadt Wilhelmshaven - während des beim Nds. OVG anhängigen Rechtsmittelverfahrens aufgrund einer fehlerhaften Mitteilung des Bundesamtes eine Aufenthaltsbefugnis erteilt und diese später zurückgenommen worden war, wurde er nach Abschluss des Asylverfahrens zunächst geduldet.

3

Am 30.12.2003 wurde die Tochter des Antragstellers, G. H. I., von der deutschen Staatsangehörigen und ehemaligen Lebensgefährtin des Antragstellers, J. I., in Wilhelmshaven geboren. Der Antragsteller erkannte bereits vor der Geburt seiner Tochter am 15.07.2003 die Vaterschaft für dieselbe an. Am 14.01.2004 erklärten der Antragsteller und seine damalige Lebensgefährtin vor dem Standesbeamten der Stadt Wilhelmshaven, die elterliche Sorge für die Tochter gemeinsam wahrnehmen zu wollen. Auf Antrag erteilte daraufhin die Stadt Wilhelmshaven dem Antragsteller am 15.01.2004 eine bis zum 14.01.2006 befristete Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG. Diese wurde auf Antrag des Antragstellers vom 13.01.2006 am 16.01.2006 befristet bis zum 15.01.2008 nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG verlängert, nachdem die ehemalige Lebensgefährtin des Antragstellers gegenüber der Ausländerbehörde am selben Tage erklärt hatte, der - von ihr zum damaligen Zeitpunkt getrennt lebende - Antragsteller besuche seine Tochter mindestens einmal wöchentlich bzw. hole sie ab und komme sämtlichen väterlichen Pflichten nach.

4

Den vorliegend streitgegenständlichen weiteren Antrag des Antragstellers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis vom 15.01.2008 beschied die Stadt Wilhelmshaven nicht; dem Antragsteller wurde mit Eingang seines Antrags bei der Stadt eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt und diese fortan mehrfach zeitlich befristet verlängert.

5

Am 15.05.2006 wurde der Antragsteller wegen des Verdachtes einer am 13.05.2006 in Wilhelmshaven begangenen Vergewaltigung vorläufig festgenommen und mit Haftbefehl des Amtsgerichts Wilhelmshaven vom 16.05.2006 in Untersuchungshaft genommen, wobei der Vollzug der Untersuchungshaft zwischenzeitlich bis zum 12.01.2007 ausgesetzt war und die Untersuchungshaft anschließend vom 14.01. bis 15.03.2007 wieder vollzogen wurde. Das Amtsgericht Wilhelmshaven sprach den Antragsteller mit Urteil vom 22.03.2007 - 04 Ls 511 Js 28357/06 (3/07) - vom Vorwurf der Vergewaltigung frei. Auf die von der Staatsanwaltschaft Oldenburg eingelegte Berufung hob das Landgericht Oldenburg mit Urteil vom 28.09.2007 - 12 Ns 193/07 - das freisprechende Urteil des Amtsgerichts Wilhelmshaven auf und verurteilte den Antragsteller wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In den Gründen des Urteils wird u.a. ausgeführt, dass der Antragsteller von seinem damaligen Nettoverdienst als Schlachter i.H.v. 1.200,- € monatlich einen Betrag von 100,- € als Unterhalt für seine Tochter zahle. Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft geführte Revision führte durch Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 26.05.2008 - Ss 75/08 (I 62) - zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts im Rechtsfolgenausspruch und zur Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des LG Oldenburg. Die Revision des Antragstellers verwarf das OLG Oldenburg hingegen mit Beschluss vom 25.04.2008 als unbegründet. Das LG Oldenburg verhängte schließlich mit Urteil vom 06.08.2008 - 13 Ns 237/08 -, rechtskräftig seit dem 14.08.2008, gegen den Antragsteller eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten. Diese wird seit dem 24.10.2008 in der JVA Meppen vollstreckt; Termin der voraussichtlichen Haftentlassung ist der 19.01.2010. In den Gründen des letztgenannten Urteils des LG Oldenburg wird u.a. ausgeführt, die Tochter des Antragstellers lebe bei ihrer deutschen Mutter. Der Antragsteller habe zu ihr regelmäßigen Kontakt. Er habe gegenwärtig eine andere Freundin. Seit 3 Monaten arbeite er - nach vorangegangener Tätigkeit als Schlachter - bei K. in L., verrichte dort Arbeiten aller Art und verdiene nach eigenen Angaben monatlich etwa 900,- € netto, wovon er auch etwas Unterhalt für sein Kind zahle.

6

Im Rahmen des bei der Stadt Wilhelmshaven seit Januar 2008 anhängigen Erteilungsverfahrens erklärte die ehemalige Lebensgefährtin des Antragstellers unter dem 07.02.2008 auf entsprechende Anfrage der Stadt schriftlich, es fänden einmal wöchentlich sog. Vater-Mutter-Kind-Kontakte mit dem Antragsteller statt. Aus einem Vermerk der Stadt - Ausländerbehörde - vom 21.10.2008 über ein Telefonat mit Frau M. vom städtischen Jugendamt ergibt sich sinngemäß, dass seinerzeit die endgültige Unterbringung der Tochter des Antragstellers in der Notpflegefamilie geprüft werde. In diesem Fall werde nur die Mutter ein Besuchsrecht erhalten. Daneben müsse aufgrund des Umstandes, dass der Antragsteller wegen Vergewaltigung verurteilt worden sei, besonders geprüft werden, ob es dem Kindeswohl entspreche, wenn der verurteilte Antragsteller für den Fall seines Verbleibs in Deutschland auch ein Besuchsrecht erhalte.

7

Nach Abgabe der Ausländerakten an den Antragsgegner hörte dieser den Antragsteller mit Schreiben vom 19.11.2008 zu der von ihm beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sowie zur beabsichtigten unbefristeten Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland an.

8

Der Antragsteller entgegnete mit Schreiben vom 04.12.2008, er habe vor seiner Inhaftierung am 24.10.2008 regelmäßigen Kontakt zu seiner Tochter und deren Mutter gehabt. Er übe das ihm zustehende Sorgerecht aus. Zudem sei er umfassend in die Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert. Er sei der deutschen Sprache mächtig und auch wirtschaftlich integriert, wie sich aus den vorgelegten Lohnsteuerbescheinigungen und Gehaltsabrechnungen 2004 bis 2008 ergebe. Er habe lange Zeit bei der Firma K. einen Arbeitsplatz inne gehabt. Er habe sich bereits um eine neue Arbeitsstelle bemüht, die er nach Entlassung aus der Haft antreten werde. Es handele sich um das Hafenrestaurant auf der Nordseeinsel Juist, deren Inhaber die Eltern seiner neuen Lebensgefährtin seien - die Eltern haben gegenüber dem Antragsgegner das Arbeitsplatzangebot mit Schreiben vom 01.12.2008 bestätigt -. Zu seiner neuen Lebensgefährtin bestehe trotz Haft regelmäßiger Kontakt. Zudem müsse der Gang des Strafverfahrens berücksichtigt werden; namentlich der Umstand, dass er in der ersten Instanz vom AG Wilhelmshaven freigesprochen worden sei. Es liege unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ein Ausnahmefall im Sinne des § 54 AufenthG vor. Daneben genieße er besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG.

9

Auf entsprechende Anfrage teilte das Jugendamt der Stadt Wilhelmshaven dem Antragsgegner unter dem 24.11.2008 mit, die Tochter des Antragstellers lebe mit Einverständnis der erkrankten Mutter seit Dezember 2007 in einer Notpflegefamilie. Eine Vollzeit-/Dauerpflege werde zur Zeit eingerichtet. Während dieser Zeit habe der Antragsteller stundenweise Umgang mit seiner Tochter. Diesen habe die Mutter dem Antragsteller immer dann eingeräumt, wenn die Tochter bei ihr zu Besuch gewesen sei. An der Erziehung der Tochter habe sich der Antragsteller nicht beteiligt. Eine familiäre Lebensgemeinschaft bestehe seit dem Frühjahr 2004 nicht mehr. Aus einer Gesprächsnotiz des Antragsgegners vom 16.04.2009 über ein mit dem Jugendamt geführtes Telefonat ergibt sich weiter, dass auf Wunsch der Mutter beim Jugendamt für die Tochter eine Beistandschaft eingerichtet worden sei; die elterliche Sorge bestehe unverändert fort.

10

Der Fachbereich Soziales der Stadt Wilhelmshaven teilte dem Antragsgegner unter dem 18.12.2008 mit, der Antragsteller habe seit seinem Zuzug am 26.07.2001 bis zur Einführung des SGB II zu Beginn des Jahres 2005 Leistungen nach dem AsylbLG und dem BSHG bezogen. Während des Zeitraums vom 01.07. bis 31.12.2004 habe der Antragsteller ergänzende Leistungen erhalten, da er einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und hieraus über einen monatlichen Verdienst von 300,- bis 600,- € verfügt habe. Die für die Stadt Wilhelmshaven zuständige ARGE meldete dem Antragsgegner mit Email vom 16.01.2009, dass der Antragsteller in den Zeiträumen vom 01.01. bis 31.03.2005, 01.05.2005 bis 31.12.2006 und 24.01.2008 bis 31.05.2008 Arbeitslosengeld 2 bezogen habe. Ein im Oktober 2008 erneut gestellter Antrag auf Arbeitslosengeld 2 sei wegen Inhaftierung des Antragstellers abgelehnt worden.

11

Die JVA N. teilte dem Antragsgegner unter dem 23.03.2009 mit, das Verhalten des Antragstellers gegenüber Bediensteten und Mitgefangenen sei bisher problemlos und beanstandungsfrei gewesen. Der Antragsteller habe seit seiner Inhaftierung regelmäßig (5 Mal) Besuch von seiner neuen Lebensgefährtin, Frau O. P., erhalten. Mit ihr unterhalte er auch regelmäßigen Telefon- und Briefkontakt. Über Kontakte des Antragstellers zu Familienangehörigen lägen keine Erkenntnisse vor. Eine Begutachtung des Antragstellers durch das Prognosezentrum in Hannover sei vorgesehen. Aus dem beigefügten Vollzugsplan der JVA ergibt sich u.a., dass der Antragsteller über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt.

12

Mit Bescheid vom 21.04.2009, zugestellt am 29.04.2009, wies der Antragsgegner den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seinen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis vom 15.01.2008 ab. Zugleich forderte er den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Verfügung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise drohte der Antragsgegner dem Antragsteller die Abschiebung nach Angola oder in einen anderen zur Rückübernahme bereiten oder verpflichteten Staat an. Die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung befristete der Antragsgegner auf sechs Jahre beginnend mit dem Tag der Ausreise.

13

Zur Begründung der Ausweisung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, der Antragsteller sei gemäß § 54 Nr. 1 AufenthG aufgrund seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten auszuweisen. Er genieße keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG. Die Lebensgemeinschaft mit seiner neuen Lebenspartnerin, Frau P., vermittle ebenso wenig besonderen Ausweisungsschutz wie die anerkannte Vaterschaft und Sorgeberechtigung hinsichtlich seiner Tochter. Im Falle des Antragstellers sei entscheidend darauf abzustellen, ob eine schützenswerte familiäre Lebensgemeinschaft unmittelbar vor Beginn der Haft bestanden habe und mit deren Fortsetzung nach Haftentlassung konkret zu rechnen sei. Maßgeblich sei hierbei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes die Sicht des Kindes. Es komme auf die tatsächliche persönliche Verbundenheit an, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohle angewiesen sein müsse. Diese Kriterien seien im Falle des Antragstellers nicht erfüllt. Dieser habe mit seiner Tochter nicht in häuslicher Gemeinschaft gelebt. Den eingeholten Auskünften des Jugendamtes sowie den Stellungnahmen der Mutter lasse sich entnehmen, dass bislang allenfalls eine Begegnungsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter vorgelegen habe, keinesfalls aber eine familiäre Lebensgemeinschaft. Nach den Auskünften der JVA N. sei sogar davon auszugehen, dass selbst die Begegnungsgemeinschaft nicht mehr bestehe, denn der Antragsteller habe nur mit seiner neuen Lebensgefährtin regelmäßigen Kontakt. Ein atypischer Sachverhalt, der eine Ausnahme von der Regel des § 54 AufenthG gebiete, liege nicht vor; die Ausweisung des Antragstellers sei aus spezialpräventiven Gründen geboten. Dieser habe eine erhebliche kriminelle Energie offenbart und die Tat bis heute weder aufgearbeitet noch echte Reue gezeigt; es bestehe daher Wiederholungsgefahr. An deren Annahme seien nach der Rechtsprechung aufgrund des begangenen Gewalt- und Sexualdelikts keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Herabstufung der Regelausweisung zur Ermessensausweisung aufgrund höherrangigen Rechtes, wie z.B. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Der Antragsteller sei erst im Alter von 25 Jahren in die Bundesrepublik eingereist. Sein Asylverfahren sei erfolglos geblieben. Er beherrsche die portugiesische Sprache. Er habe in der Vergangenheit nur vorübergehend seinen Lebensunterhalt ohne jegliche unterstützende Leistungen des Staates sichergestellt. Er habe keine abgeschlossene Berufsausbildung, sodass die von den Eltern der neuen Lebensgefährtin nach Haftentlassung angebotene Arbeitsstelle weniger seinen Fähigkeiten als vielmehr der drohenden Ausweisung geschuldet sei. Über schützenswerte familiäre Bindungen im Bundesgebiet verfüge der Antragsteller nach den vorstehenden Ausführungen nicht, sodass von einer faktischen Verwurzelung nicht ausgegangen und dem noch relativ jungen Antragsteller die Rückkehr in seine Heimat zugemutet werden könne.

14

Einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis habe der Antragsteller nicht. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG werde die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt. Dies setze das Gebrauchmachen des Elternteils vom Sorgerecht voraus. Der Sorgeberechtigte müsse nach außen hin erkennbar in ausreichendem Maße Verantwortung für die Betreuung und Erziehung seines minderjährigen Kindes übernehmen. Der Antragsteller unterhalte gegenwärtig, wie dargelegt, noch nicht einmal eine Begegnungsgemeinschaft mit seiner Tochter. Im Übrigen greife aufgrund der erfolgten Ausweisung die Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach anderen Vorschriften sei nicht gegeben.

15

Gegen den Bescheid des Antragsgegners hat der Antragsteller am 29.05.2009 die bei der Kammer unter dem Aktenzeichen 5 A 142/09 anhängige Klage erhoben und gleichzeitig um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes sowie Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Zur Begründung seiner Anträge führt der Antragsteller unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen aus, er habe seit der Geburt seiner Tochter bis zu seiner Inhaftierung regelmäßigen und engen Umgangskontakt mit dieser gehabt und sich intensiv um sie gekümmert. Er habe sie besucht, mit ihr und den Kindern seiner Schwester etwas gemeinsam unternommen und mit ihr telefoniert. Er habe der Unterbringung seiner Tochter in einer Pflegefamilie zu deren Wohl ausdrücklich zugestimmt und versuche, sich an deren Erziehung nach Möglichkeit zu beteiligen. Er versuche seit seiner Inhaftierung, mit seiner Tochter telefonisch in Kontakt zu treten. Allerdings mache das Jugendamt derzeit Einwände geltend. Die Einschätzungen des Jugendamtes zum weiteren Umgang mit seiner Tochter teile er nicht. Seine Tochter habe ihm zusammen mit der Mutter eine Karte in die JVA geschrieben. Er habe in der Vergangenheit lange außerhalb von Wilhelmshaven mit einer Anfahrtszeit von 2 Stunden gearbeitet, sei aber in Wilhelmshaven wohnen geblieben, um den regelmäßigen Kontakt zu seiner Tochter beibehalten zu können. Er habe für die Tochter freiwillig Unterhalt gezahlt. Die von dem Antragsgegner angenommene Wiederholungsgefahr bestehe nicht. Er - der Antragsteller - habe bislang einen einwandfreien Lebenswandel geführt; seine Situation habe sich mit der neuen Partnerschaft noch gefestigt. Auch müsse der Gang des Strafverfahrens berücksichtigt werden, namentlich der Freispruch in erster Instanz und die zunächst vom LG Oldenburg vorgenommene Strafaussetzung zur Bewährung. Auch wenn das freisprechende Urteil keinen Bestand gehabt habe, bleibe er dabei, die ihm vorgeworfene Straftat nicht begangen zu haben. Ungeachtet der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 AufenthG habe er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 25 Abs. 5 AufenthG, da sich eine dauerhafte rechtliche Unmöglichkeit seiner Ausreise aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ergebe. Hierfür sei nicht unabdingbare Voraussetzung das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft. Es genüge, dass im Interesse des Kindeswohles seine weitere Anwesenheit in Bundesgebiet zur Fortsetzung dienlichen Umgangskontaktes erforderlich sei. Er hoffe, dass es während seiner Inhaftierung zu weiteren Kontakten mit seiner Tochter komme. Jedenfalls werde er nach der Haftentlassung den Kontakt zu seiner Tochter wieder aufnehmen.

16

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

17

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21.04.2009 anzuordnen

18

und

19

ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.

20

Der Antragsgegner beantragt,

21

die Anträge abzulehnen.

22

Er verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.

23

Die Kammer hat zur Frage der Wahrnehmung der elterlichen Sorge und des Umgangs des Antragstellers mit seiner Tochter eine telefonische und schriftliche Auskunft des Jugendamtes der Stadt Wilhelmshaven eingeholt. Wegen des Inhalts der Auskünfte wird auf den Vermerk vom 16.07.2009 (Blatt 64 der Gerichtsakte) sowie den Hilfeplan gemäß § 36 SGB VIII vom 01.09.2008 (Blatt 66 ff. der Gerichtsakte) verwiesen. Den Beteiligten ist hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden; auf die Stellungnahme des Antragstellers vom 31.07.2009 (Blatt 73 ff. der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.

24

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

25

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und §§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO, 70 Abs. 1 NdsVwVG, 64 Abs. 4 Satz 1 NdsSOG keine aufschiebende Wirkung entfaltenden Klage gegen die Ablehnung der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis und gegen die Abschiebungsandrohung mit Ausreisefristsetzung anordnen, wenn bei der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Interesse des Betroffenen, vom Vollzug der behördlichen Verfügung vorerst verschont zu bleiben, das letztgenannte überwiegt. Maßgeblich - aber nicht ausschließlich - ist hierbei auf die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs abzustellen, soweit diese sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung überschauen lassen. Bestehen hiernach - in Anlehnung an den für das behördliche Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO geltenden Maßstab - ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des in der Hauptsache angefochtenen Verwaltungsaktes, ist dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben, denn am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Interesse bestehen. Umgekehrt ist der Rechtsschutzantrag abzulehnen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Rechtmäßigkeit ausgesetzt ist, denn mit seinem Vollzug soll nach der gesetzgeberischen Wertung des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bzw. § 64 Abs. 4 Satz 1 NdsSOG aufgrund der im Ausländer- bzw. Verwaltungsvollstreckungsrecht gegebenen Eilbedürftigkeit nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zugewartet werden müssen.

26

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen, denn bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Antragsgegners vom 21. April 2009, soweit dieser im vorliegenden Verfahren einer Prüfung unterliegt. Dem Antragsteller steht aller Voraussicht nach kein Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu.

27

Gemäß § 8 Abs. 1 AufenthG finden auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. Der Antragsteller war Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 27, 28 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Nach diesen Vorschriften ist dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Für den Fall der Verlängerung eines solchen Titels bestimmt § 28 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergänzend, dass die Aufenthaltserlaubnis verlängert wird, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG setzt neben dem Fortbestand der Personensorge des Ausländers für den minderjährigen Deutschen i.S.d. § 1626 BGB somit voraus, dass die Personensorge auch tatsächlich in dem erforderlichen Umfang ausgeübt wird (Nds. OVG, Beschluss vom 28. Juli 2009 - 8 ME 111/09 -, eingestellt in die Rechtsprechungsdatenbank des Nds. Oberverwaltungsgerichts: www.dbovg.niedersachsen.de).

28

Das Aufenthaltsgesetz enthält keine ausdrücklichen Vorgaben zu der Frage, wann die Personensorge i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ausgeübt wird. Nähere Anhaltspunkte dazu ergeben sich aber aus der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zum Schutzgehalt des Art. 6 GG zu Gunsten von umgangsberechtigten ausländischen Vätern deutscher Kinder. Auf diese Rechtsprechung ist auch zur Auslegung der §§ 27, 28 AufenthG zurückzugreifen, da die hier umstrittene Aufenthaltserlaubnis gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG gerade zum Schutz der Familie gemäß Art. 6 GG erteilt und nach § 28 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verlängert wird, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 28. Juli 2009, a.a.O., und vom 19. Dezember 2005 - 11 ME 359/05 -, NVwZ-RR 2006, 356 m.w.N.). Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. zum Folgenden: BVerfG, Beschlüsse vom 9. Januar 2009 - 2 BvR 1064/08 -, NVwZ 2009, 387, und vom 1. Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris, jew. m.w.N.). Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG freilich nicht schon aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern. Bei der Bewertung der familiären Beziehungen verbietet sich eine schematische Einordnung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, zumal auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechts unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung ist und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht. Der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters wird nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter entbehrlich. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob eine Haushaltsgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Eine verantwortungsvoll gelebte und dem Schutzzweck des Art. 6 GG entsprechende Eltern-Kind-Gemeinschaft lässt sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. Soweit für die Bejahung des Vorliegens einer familiären (Lebens-) Gemeinschaft regelmäßige Kontakte des getrennt lebenden Elternteils mit seinem Kind, die die Übernahme elterlicher Erziehungs- und Betreuungsverantwortung zum Ausdruck bringen, sowie eine emotionale Verbundenheit gefordert werden, begegnet das für sich genommen keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die familiäre (Lebens-) Gemeinschaft zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind ist getragen von tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes. Im Falle eines regelmäßigen Umgangs des ausländischen Elternteils, der dem auch sonst Üblichen entspricht, wird in der Regel von einer familiären Gemeinschaft auszugehen sein. Auch Unterhaltsleistungen sind in diesem Zusammenhang ein Zeichen für die Wahrnehmung elterlicher Verantwortung (Nds. OVG, Beschluss vom 28. Juli 2009, a.a.O.).

29

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist bei summarischer Prüfung aller der Kammer vorliegenden Erkenntnismittel nach derzeitigem Stand im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner in dem angefochtenen Bescheid vom 21. April 2009 das Vorliegen einer schützenswerten familiären Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter G. H. verneint hat. Zwar kann dem Antragsgegner nicht darin gefolgt werden, dass er seine Entscheidung auf die schematische Qualifizierung der Beziehung des Antragstellers zu seiner Tochter bis zu dessen Inhaftierung im Oktober 2008 als grundgesetzlich nicht geschützte Begegnungsgemeinschaft gestützt hat. Indes hat der Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht glaubhaft gemacht, dass er nach wie vor am Leben und Aufwachsen seiner Tochter tatsächlich Anteil nimmt, indem er elterliche Erziehungs- und Betreuungsverantwortung übernimmt und die Beziehung zu seiner Tochter durch eine emotionale Verbundenheit charakterisiert wird. Die mangelnde Glaubhaftmachung der den Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis begründenden Tatsachen geht zu Lasten des Antragstellers (vgl. Finkelnburg/Dombert/ Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage, Rn. 917). Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Antragsteller nach der Geburt seiner Tochter G. im Dezember 2003 mit ihr und ihrer Mutter, J. I., bis zur Aufnahme von Frau I. und ihrer Tochter G. im Frauenhaus im Sommer 2004 in familiärer Lebensgemeinschaft zusammengelebt, nach der Trennung noch regelmäßigen (wöchentlichen) Umgangskontakt mit seiner Tochter gepflegt und für sie im Rahmen seiner Einkommensverhältnisse freiwillige Unterhaltszahlungen geleistet hat, wie sich beispielsweise aus der Erklärung der ehemaligen Lebensgefährtin des Antragstellers und Mutter vom 16.01.2006 gegenüber der Stadt Wilhelmshaven sowie den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Oldenburg vom 06.08.2008 ergibt und die vom Antragsteller zur Gerichtsakte gereichten Lichtbilder aus den Jahren 2005 bis 2008 dokumentieren. Aktuell ist jedoch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Tochter des Antragstellers seit Dezember 2007 in der Notfallpflegefamilie Q. lebt, nachdem ihre Mutter schwer psychisch erkrankt - die Mutter wurde zwischenzeitlich deshalb unter Betreuung gestellt - und damit der alleinigen Pflege und Erziehung ihrer Tochter nicht mehr gewachsen war. Der hieraus erwachsenden Aufgabe hat sich der nach wie vor sorgeberechtigte Antragsteller, der sich bis zum Antritt seiner Haft am 24.10.2008 auf freiem Fuß befand und der bis Mai 2008, wie der Bezug von Arbeitslosengeld 2 vermuten lässt, auch beschäftigungslos war, trotz der beschriebenen familiären Notlage offenbar zu keinem Zeitpunkt gestellt. Den wesentlichen Beitrag zur Versorgung, Betreuung und Erziehung seiner Tochter erbringt seit Dezember 2007 die Pflegefamilie Q.. Regelmäßigen Umgang mit und Unterhaltszahlungen für seine Tochter hat der Antragsteller für den Zeitraum von Dezember 2007 bis zu seiner Inhaftierung am 24.10.2008 nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht. Aufgrund der von der Stadt Wilhelmshaven eingeholten Stellungnahme der Kindesmutter vom 07.02.2008 kann die Kammer im vorliegenden Verfahren lediglich davon ausgehen, dass der Antragsteller bis zum damaligen Zeitpunkt stundenweisen Umgang mit seiner Tochter im Rahmen sog. Vater-Mutter-Kind-Kontakte gepflegt hat. Seit Haftantritt kann von einem regelmäßigen Kontakt des Antragstellers mit seiner Tochter jedenfalls nicht gesprochen werden. Die JVA N. hat in ihrer Stellungnahme vom 23.03.2009 dargelegt, dass der Antragsteller zwar regelmäßigen Besuch von seiner neuen Lebensgefährtin, Frau P., erhalte und mit dieser Telefon- und Briefkontakt pflege. Über Kontakte des Antragstellers zu Familienangehörigen, und damit insbesondere zu seiner Tochter, liegen der JVA dagegen keine Erkenntnisse vor. An der Richtigkeit dieser Einschätzung ändert auch die Tatsache nichts, dass der Antragsteller im vorliegenden Verfahren auf eine während der Inhaftierung erhaltene Grußkarte seiner Tochter verweist. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es dem Antragsteller bei ernsthaftem Verlangen allein aufgrund seiner Inhaftierung nicht möglich wäre, zumindest regelmäßigen Telefon- und Briefkontakt mit seiner Tochter zu pflegen. Bei tatsächlicher emotionaler Verbundenheit des Antragstellers mit seiner Tochter verstünde sich derartiger regelmäßiger Kontakt zur Überwindung der haftbedingten persönlichen Trennung von selbst. Die Kammer geht aufgrund des dokumentierten Verhaltens des Antragstellers, der nach eigenem Bekunden die vollzeitliche und dauerhafte Unterbringung seiner Tochter in der Pflegefamilie Q. ausdrücklich unterstützt, davon aus, dass dieser seiner familiäre Zukunft schwerpunktmäßig in der neu begründeten Partnerschaft mit Frau P. sieht. Der Antragsteller strebt die Aufnahme eines Beschäftigungsverhältnisses auf der Nordseeinsel R. im Restaurant der Eltern seiner neuen Lebensgefährtin an. Die regelmäßige Besuchskontakte hindernde räumliche Entfernung zu seiner in Wilhelmshaven lebenden Tochter bliebe danach auf unabsehbare Zeit bestehen. Der Antragsteller äußert im vorliegenden Verfahren zwar die Hoffnung, dass es sowohl während der Haft als auch nach seiner Haftentlassung wieder zu Kontakten mit seiner Tochter komme. Ernsthafte Bemühungen, den nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin im Sommer 2004 zunächst praktizierten regelmäßigen und intensiven Umgang mit seiner Tochter wiederherzustellen, hat der Antragsteller indes nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Berücksichtigt man weiterhin, dass das Jugendamt der Stadt Wilhelmshaven aufgrund der Verurteilung des Antragstellers wegen Vergewaltigung und aufgrund der durch Gewalt, Druck und Dominanz gegenüber seiner ehemaligen Lebensgefährtin geprägten problematischen Beziehung, die ausweislich des Hilfeplans vom 01.09.2008 in einer "Flucht" der Kindesmutter in das Frauenhaus mündete, derzeit erhebliche Bedenken gegen einen - ggf. begleiteten - Umgang des Antragstellers mit seiner Tochter nach dessen Haftentlassung anmeldet, sich zumindest eine intensive, ausschließlich am Kindeswohl orientierte Prüfung eines solchen Begehrens mit offenem Ausgang vorbehält - ein regelmäßiger und stabiler Kontakt von G. mit ihrer Mutter und dem Antragsteller ist als Ziel im Hilfeplan jedenfalls formuliert -, kann die Kammer eine verlässliche Prognose dahingehend, dass der Antragsteller nach seiner Haftentlassung einen engen und intensiven Umgang mit seiner Tochter pflegen und hierdurch zu deren weiterer Entwicklung zu ihrem Wohl maßgeblich beitragen wird, nicht aufstellen. Vielmehr streiten die Feststellungen in dem Hilfeplan des Jugendamtes der Stadt Wilhelmshaven vom 01.09.2008 für die Annahme, dass eine dauerhafte Unterbringung der Tochter des Antragstellers in der Notfallpflegefamilie Q. mit nur gelegentlichen Kontakten zu den leiblichen Eltern dem Kindeswohl am besten entspricht. Zur Begründung kann u.a. herangezogen werden, dass G. sich während des bisherigen Aufenthalts in der Pflegefamilie gut entwickelt und in die Familie eingelebt hat. Besuche ihrer Mutter finden nicht mehr wöchentlich, sondern 14-tägig statt. G. kommt mit der derzeitigen Situation gut zurecht.

30

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Aspekte lässt sich bei summarischer Prüfung im Ergebnis nicht feststellen, dass zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter G. nach wie vor eine schützwürdige familiäre (Lebens-) Gemeinschaft besteht, zu deren Fortführung ihm die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu verlängern ist. Der Kontakt des Antragstellers zu seiner Tochter in dem Umfang, in dem er seit Dezember 2007 offensichtlich erfolgt ist, kann auch bei einem (vorübergehenden) Aufenthalt des Antragstellers in seinem Heimatland fortgeführt werden. Denn auch von Angola aus sind regelmäßige Telefongespräche und Briefkontakte ebenso wie zumindest ein jährlicher Besuch möglich, ohne dass die Tochter des Antragstellers durch diese Beschränkungen einen Schaden erlitte (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28.07.2009, a.a.O.).

31

Abgesehen davon, dass nach den vorstehenden Ausführungen bereits der Tatbestand des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Falle des Antragstellers nicht erfüllt ist, steht der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis die Sperrwirkung der mit angefochtenem Bescheid vom 21.04.2009 gleichzeitig verfügten Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG entgegen. Danach darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Widerspruch und Anfechtungsklage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsgerichts, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG unberührt. Die Sperrwirkung der Ausweisung greift nach Auffassung der Kammer unabhängig davon ein, ob die Ausweisungsverfügung sofort vollziehbar oder bestandskräftig ist (ebenso Nds. OVG, Beschlüsse vom 20.02.2007 - 11 ME 386/06 -, NVwZ-RR 2007, 417; und vom 12.03.2007 - 13 LA 309/06 -, InfAuslR 2007, 281; OVG NRW, Beschluss vom 18.07.2007 - 18 B 1324/06 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.02.2007 - 13 S 2969/06 -, VBlBW 2008, 28 [VGH Baden-Württemberg 14.02.2007 - 13 S 2969/06]; Renner, Kommentar zum Ausländerrecht, 8. Auflage, § 11 AufenthG Rn. 4; Hailbronner, Ausländerrecht - Loseblattkommentar, § 11 AufenthG Rn. 9; a.A. etwa OVG Schl.-H., Beschluss vom 09.02.1993 - 4 M 146/92 -, InfAuslR 1993, 128). Dies bedeutet, dass auch für den - hier nicht gegebenen - Fall, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von der Ausländerbehörde verfügt wurde, ein erfolgreicher Eilantrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die gesetzlichen Folgen des § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG nicht zu beseitigen vermag.

32

Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

33

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift für die hier vorliegende Konstellation, in der es inhaltlich um den weiteren Aufenthalt aus familiären Gründen geht, anwendbar ist. Denn der Wortlaut setzt nach Satz 3 voraus, dass der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist, was insbesondere bezogen auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise im Ergebnis ein "qualitatives Mehr" erfordern dürfte als der bloße Hinweis des betroffenen Ausländers auf Art. 6 GG. Ebenso sprechen systematische Erwägungen gegen einen Rückgriff auf § 25 Abs. 5 AufenthG, denn der nach §§ 7, 8 Abs. 2 AufenthG erteilungs- bzw. verlängerungserhebliche Zweck des Aufenthalts (vgl. hierzu auch OVG Hbg., Urteil vom 18.12.2008 - 4 Bf 69/08 -, InfAuslR 2009, 189) ist auf der Grundlage des Abschnitts 6 des Aufenthaltsgesetzes ein anderer als der auf der Grundlage des 5. Abschnitts. Schließlich begründet auch die Rechtsfolge des § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG - in Fällen des § 25 Abs. 5 AufenthG kann die Aufenthaltserlaubnis für längstens 6 Monate erteilt werden - Zweifel daran, dass die letztgenannte Vorschrift Fälle der Familienzusammenführung erfassen soll, weil Anhaltspunkte dafür, dass alle sechs Monate etwa die Art und Weise des Zusammenlebens oder der Umfang der ausgeübten Personensorge überprüft werden soll, ungeachtet der Praktikabilität dieser Prüfung nicht ersichtlich sind (vgl. VG Stade, Urteil vom 12.02.2009 - 3 A 1641/07 -, eingestellt in die Rechtsprechungsdatenbank des Nds. Oberverwaltungsgerichts: www.dbovg.niedersachsen.de).

34

Selbst wenn man ungeachtet dieser Bedenken von der Anwendbarkeit des § 25 Abs. 5 AufenthG zugunsten des Antragstellers ausgeht und die Unzumutbarkeit seiner Ausreise mit Blick auf ein inlandsbezogenes, im Verfassungsrecht - vorliegend Art. 6 GG - verwurzeltes, rechtliches Hindernis zu begründen versucht (vgl. hierzu Nds. OVG, Urteil vom 10.12.2008 - 13 LB 13/07 -; ZAR 2009, 67), folgt hieraus im Ergebnis kein Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Wie bereits zuvor dargelegt, lässt sich bei summarischer Prüfung derzeit nicht feststellen, dass zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter G. nach wie vor eine schützwürdige familiäre (Lebens-) Gemeinschaft besteht, zu deren Fortführung ihm eine Aufenthaltserlaubnis ersatzweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen wäre.

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Eine freiwillige Ausreise ist für den Antragsteller auch nicht mit Blick auf das Völkervertragsrecht unzumutbar, denn die Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG steht insbesondere im Einklang mit Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.05.2002, BGBl. II S. 1054 - EMRK -). Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens; Art. 8 Abs. 2 EMRK regelt die Zulässigkeit von Eingriffen von staatlichen Stellen in die Ausübung dieses Rechts. Wesentliches Ziel der Vorschrift ist der Schutz des Einzelnen vor willkürlicher Einmischung der öffentlichen Gewalt in das Privat- und Familienleben. Zwar können sich aus Art. 8 EMRK auch positive Verpflichtungen ergeben, deren Reichweite von der Lage der Betroffenen abhängt. Insoweit steht den Konventionsstaaten jedoch ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. die zusammenfassende Darstellung im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.06.1996 - BVerwG 1 C 17.95 -, BVerwGE 101, 265 (272), und Urteil vom 03.06.1997 - BVerwG 1 C 18.96 -, NVwZ 1998, 189). Art. 8 EMRK wirkt demnach - nicht anders als Art. 6 Abs 1 GG - auf die Auslegung und Anwendung des Ausländerrechts ein, ohne jedoch unmittelbar Ansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zu begründen (BVerwG, Urteil vom 04.06.1997 - BVerwG 1 C 9.95 -, BVerwGE 105, 35 (41)). Die EMRK und damit auch die Garantien des Art. 8 Abs. 1 EMRK enthalten nicht das Recht eines Ausländers, in einen bestimmten Staat einzureisen oder sich dort aufzuhalten und nicht ausgewiesen zu werden (EGMR, Urteil vom 16.09.2004 - 11103/03 [S. ./. Deutschland] -, NVwZ 2005, 1046 (1047), und Urteil vom 16.06.2005 - 60654/00 [T. ./. Lettland] -, InfAuslR 2005, 349). Über die Einreise, den Aufenthalt und die Abschiebung fremder Staatsangehöriger zu entscheiden, ist nach allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen vielmehr das Recht der Vertragsstaaten (EGMR, Urteil vom 16.09.2004, a.a.O., und Urteil vom 07.10.2004 - 33743/03 - [U. u.a. ./. Deutschland] -, NVwZ 2005, 1043 (1044)). Ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens lässt sich angesichts dieser Regelungskompetenz der Vertragsstaaten nicht schon allein mit dem Argument bejahen, ein Ausländer halte sich bereits seit geraumer Zeit im Vertragsstaat auf und wolle dort sein Leben führen (EGMR, Urteil vom 07.10.2004, a.a.O., das eine Familie betraf, die seit 14 Jahren ihren Aufenthalt im Bundesgebiet hatte).

36

Bezogen auf den Schutz der Familie nach Art. 8 Abs. 1 EMRK verweist die Kammer auf ihre vorstehenden Ausführungen im Zusammenhang mit dem Schutzgebot aus Art. 6 Abs. 1 GG. Art. 8 EMRK kann dort keine weitergehenden als die durch Art. 6 Abs. 1 GG vermittelten Schutzwirkungen entfalten, wo sein Anwendungsbereich sich mit dem des Art. 6 Abs. 1 GG deckt. Dies ist für das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern der Fall (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.12.1997 - BVerwG 1. C 20.97 -, Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 14).

37

Im Hinblick auf den Schutz des Privatlebens kommt einer aufenthaltsrechtlichen Entscheidung grundsätzlich Eingriffsqualität in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann zu, wenn der Ausländer ein Privatleben, das durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiert ist, faktisch nur noch im Aufenthaltsstaat als Vertragsstaat der EMRK führen kann. Ob eine solche Fallkonstellation für einen Ausländer in Deutschland vorliegt, hängt zum einen von der Integration des Ausländers in Deutschland, zum anderen von seiner Möglichkeit zur (Re-)Integration in seinem Heimatland ab. Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in Deutschland sind dabei eine zumindest mehrjährige Dauer des Aufenthalts in Deutschland, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine soziale Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse, wie sie etwa in der Innehabung eines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, in einem festen Wohnsitz, einer Sicherstellung des ausreichenden Lebensunterhalts einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und dem Fehlen von Straffälligkeit zum Ausdruck kommt. Mit zu berücksichtigen ist auch die Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthalts (vgl. zum Vorstehenden Nds. OVG, Beschluss vom 01.11.2007 - 10 PA 96/07 -, eingestellt in die Rechtsprechungsdatenbank des Nds. Oberverwaltungsgerichts: www.dbovg.niedersachsen.de).

38

Im Falle des 32-jährigen Antragstellers kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser persönlich, wirtschaftlich und sozial in die Verhältnisse im Bundesgebiet derart integriert ist, dass er sein Privatleben faktisch nur noch hier führen kann und seine Reintegration in die Verhältnisse seines Heimatlandes Angola ausscheidet. Der Antragsteller ist im Jahre 2001 in die Bundesrepublik eingereist. Er lebt somit erst 8 Jahre im Bundesgebiet. Den weitaus größeren Teil seines bisherigen Lebens hat er in Angola verbracht. Er spricht die portugiesische Sprache und ist mit den Verhältnissen seiner Heimat bestens vertraut. Im Bundesgebiet hat er sich als - später abgelehnter - Asylbewerber zunächst rund 3 Jahre gestattet, anschließend für ca. 1/2 Jahr geduldet aufgehalten. Die Zeit der Aufenthaltsgestattung ist auf die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts nicht anzurechnen, § 55 Abs. 3 AsylVfG. Erst seit Januar 2004 ist der Antragsteller im Besitz eines Aufenthaltstitels und kann danach auf 5 1/2 Jahre rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet verweisen.

39

Seither ist es dem Antragsteller jedoch nicht gelungen, sich wirtschaftlich in die hiesigen Verhältnisse zu integrieren. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Antragsteller nach Aktenlage die deutsche Sprache verhältnismäßig gut beherrscht und sich immer wieder um eine Erwerbstätigkeit bemüht hat. Gleichwohl darf nicht aus dem Blick geraten, dass der Antragsteller ausweislich der vom Antragsgegner eingeholten Stellungnahme des Fachbereiches Soziales der Stadt Wilhelmshaven vom 18.12.2008 und der zuständigen ARGE vom 16.01.2009 in den 8 Jahren seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet überwiegend Leistungen nach dem AsylbLG und dem SGB II bezogen hat, auch wenn diese Leistungen zeitweise nur ergänzend zum Einkommen des Antragstellers aus Erwerbstätigkeit gewährt wurden. Es spricht auch wenig dafür, dass der Antragsteller nach seiner Haftentlassung eine reelle Chance auf eine dauerhafte Sicherung seines Lebensunterhaltes im Sinne des § 2 Abs. 3 AufenthG aus eigener Erwerbstätigkeit hat. Zwar haben ihm die Eltern seiner neuen Lebensgefährtin eine Anstellung in deren Restaurant auf der Insel R. zugesagt. Offen bleibt aber, ob der Verdienst aus einer solchen Anstellung ausreichend sein wird, damit der Antragsteller seinen Lebensunterhalt aus dem möglichen Einkommen vollständig sichern kann. Überdies darf bei realistischer Betrachtungsweise nicht verkannt werden, dass die Zusage dieser Beschäftigung augenscheinlich an den Fortbestand der Beziehung zu seiner neuen Lebensgefährtin geknüpft ist. Angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller ausweislich des Vollzugsplanes der JVA N. über keinerlei abgeschlossene Berufsausbildung verfügt und er in der Vergangenheit vorwiegend in geringwertigen Beschäftigungsverhältnissen gestanden hat, kann seine berufliche Perspektive insgesamt nicht positiv prognostiziert werden.

40

Über persönliche Bindungen im Bundesgebiet verfügt der Antragsteller nur noch zu seiner neuen Lebensgefährtin; das Fortbestehen einer schützenswerten familiären Bindung zu seiner Tochter hat er - wie vorstehend dargelegt - nicht glaubhaft gemacht. Gegen seine soziale Integration in die hiesigen Verhältnisse streitet seine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten wegen Vergewaltigung. Hieran vermag auch der vom Antragsteller zu seinen Gunsten ins Feld geführte strafgerichtliche Verfahrensgang nichts zu ändern. Der Antragsteller ist rechtkräftig verurteilter Straftäter; ihn freisprechende bzw. zu einer Bewährungsstrafe verurteilende Entscheidungen sind gerade nicht rechtskräftig geworden und damit ohne rechtliche Relevanz. Bei dieser Sachlage kann nicht von einer vollständigen Integration in die Verhältnisse des Bundesgebietes ausgegangen werden.

41

Da im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid vom 21.04.2009 enthaltene Abschiebungsandrohung ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an deren Rechtmäßigkeit bestehen, war der Antrag in Gänze abzulehnen.

42

Prozesskostenhilfe kann mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht bewilligt werden, §§ 166 VwGO, 114 ZPO. Zur Begründung wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

44

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG. Wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache im Hinblick auf die begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hat die Kammer von einer Halbierung des Auffangstreitwertes abgesehen.