Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 22.04.2004, Az.: L 3 KA 12/04 ER

Vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Honorarrückforderungsbescheid; Teilnahme als Allgemeinmediziner in Praxisgemeinschaft an der vertragsärztlichen Versorgung; Umwandlung einer Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft; Vornahme einer fiktiven Gemeinschaftspraxisberechnung; Durchführung der Interessenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren; Beeinflussung der Patientenzahl / Fallzahl in einer Arztpraxis durch unlautere Mittel; Verstöße gegen die Grundsätze von Treu und Glauben; Veranlassung von Doppelbehandlungen in einer Praxisgemeinschaft; Rechtfertigungsgründe für die Vornahme der Doppelbehandlungen; Mitwirkungspflichten des Vertragsarztes bei der Aufklärung des Sachverhalts; Rechtsfolgen der Falschabrechnungen; Zulässigkeit und Umfang einer Schadensschätzung; Honorarminderung wegen Missverhältnis zwischen Sprechstundenzeiten und Fallzahl

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.04.2004
Aktenzeichen
L 3 KA 12/04 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 13057
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2004:0422.L3KA12.04ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 18.11.2003 - AZ: S 24 KA 217/03 ER

Fundstelle

  • Breith. 2004, 583-597

Redaktioneller Leitsatz

Bestehen im Rahmen der im Eilverfahren allein in Betracht kommenden summarischen Prüfung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Honorarrückforderungsbescheides, dann kommt dem Interesse des belasteten Bescheidadressaten nach der ständigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig der Vorrang zu, wenn der geltend gemachte Rückforderungsbetrag von einiger wirtschaftlicher Bedeutung ist; die Grenze hierzu sieht der Senat bei 5.000 DM bzw. 2.500 EUR, und zwar bezogen auf das jeweilige Honorarjahr.
Ein bewusst pflichtwidriges mittelbares Eingreifen in den Gang der Bedingung liegt vor, wenn zwei Ärzte planmäßig darauf hinwirken, dass Patienten sie in einem Quartal beide konsultieren, obwohl die Patienten von sich aus dazu keinen Anlass sehen und die Doppeltbehandlung nicht medizinisch geboten ist. Missachten zwei oder mehrere Ärzte dieses Gebot im planmäßigen Zusammenwirken, dann sind die wechselseitigen Beiträge jedem von ihnen zuzurechnen. Mithin ist jedem von ihnen der Vorwurf einer treuwidrigen Herbeiführung eines Honorarzuwachses zu machen, soweit dieser auf das kollusive Zusammenwirken zurückzuführen ist.
Implausibilitäten begründen Mitwirkungspflichten des Vertragsarztes bei der Aufklärung des Sachverhalts. Soweit die maßgeblichen Umstände seinem persönlichen Tätigkeitsbereich zuzurechnen sind, muss er (im Rahmen des Zumutbaren) den Anlass und die Gründe für die Behandlung als solche bzw. - je nach Vorwurf - für die Erbringung bestimmter Leistungen erläutern. Dies folgt unter Berücksichtigung des auch im öffentlichen Recht maßgeblichen Grundsatzes von Treu und Glauben.

Tenor:

Der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 18. November 2003 wird aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05. August 2003 wird angeordnet. Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.461,77 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Honorarrückforderungsbescheid betreffend das Quartal I/2002.

2

Die Antragstellerin und der Arzt C. (im Folgenden: die Partner) sind als Allgemeinmediziner zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxis in D. zugelassen. Bis zum 31. Dezember 1995 waren sie zu einer - von der Antragsgegnerin genehmigten - Gemeinschaftspraxis zusammengeschlossen. Mit Wirkung zum 01. Januar 1996 wandelten sie die Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft um. Hierüber wurden die Antragsgegnerin und die Patienten informiert.

3

Ebenfalls seit 1996 bieten die Partner jeweils nur an vier Wochentagen Sprechstunden an, so dass jeder von ihnen über einen "freien Tag" verfügt, und zwar im Prüfquartal die Antragstellerin an Dienstagen und ihr Partner C. an Donnerstagen. An diesen "freien" Tagen waren sie nicht vertragsärztlich tätig (soweit nicht der jeweils andere Partner mehrtägigen Urlaub hatte).

4

Über die wechselseitigen Sprechstunden wurden die Patienten insbesondere auch durch entsprechend gestaltete Praxisschilder informiert, diese wiesen namentlich auch die jeweiligen "freien" Tage aus. Im Einzelnen waren für die Antragstellerin folgende Sprechstunden ausgewiesen:

5

montags: 7.30 bis 13 Uhr und 16 bis 19 Uhr,

6

mittwochs: 7.30 bis 13 Uhr,

7

donnerstags: 7.30 bis 13 Uhr und 16 bis 19 Uhr,

8

freitags: 7.30 Uhr bis 13 Uhr und nachmittags "nach Vereinbarung"

9

Bezüglich der Sprechstunden am Freitag Nachmittag bestand zwischen der Antragstellerin, Herrn C. und den beiden Mitgliedern einer weiteren in E. tätigen hausärztlichen Praxisgemeinschaft eine Absprache, wonach alle vier Ärzte freitags nachmittags Sprechstunden "nach Vereinbarung" nur in dem Sinne anboten, dass im Wechsel jeweils einer von den vier Ärzten freitags nachmittags tatsächlich arbeitete. Diese Sprechstunden am Freitag Nachmittag sollten nach Angaben der Antragstellerin nur in Fällen eines akuten Behandlungsbedarfs von den Patienten aller vier Ärzte in Anspruch genommen werden; dementsprechend konnten die Patienten sich nicht vorher feste Termine für den Freitag Nachmittag geben lassen.

10

Ungeachtet der Trennung der früheren Gemeinschaftspraxis in zwei - im Rahmen einer Praxisgemeinschaft zusammenarbeitende - Einzelpraxen wurde weiterhin ein nicht unerheblicher Anteil der Patienten im Ergebnis von beiden Partnern behandelt. Hierauf wies die Beklagte die Partner bereits im September 2000 hin. Bei einem Beratungsgespräch am 15. November 2000 sagten die Partner zu, künftig "noch kritischer" abrechnen zu wollen; sie würden auch ihr Personal dahingehend anweisen, dass bei einer kurzfristigen Abwesenheit eines Partners seine Patienten auf dessen nächste Sprechstunde zu verweisen seien.

11

Im Prüfquartal behandelte die Antragstellerin 1627 Fälle, ihr Partner F. 1.725 Fälle (jeweils ohne die im Notfalldienst behandelten Fälle; vgl. im Einzelnen die den Partnern erteilten Honorarbescheide), wobei in diesen Zahlen auch die Fälle erfasst sind, in denen ausweislich der Abrechnungsunterlagen jeweils vertretungsweise Patienten des anderen Partners behandelt wurden. Insgesamt behandelten die Partner in diesem Quartal 2.497 Personen (vgl. die in der "Neuberechnung der Anlage 2 zur Honorarabrechnung" unter Zugrundelegung einer Gemeinschaftspraxis ausgewiesene budgetrelevante Fallzahl von 2.497; etwaige geringfügige Unstimmigkeiten in den Angaben zu den maßgeblichen Fallzahlen sind erforderlichenfalls im Hauptsacheverfahren zu klären). 48 von ihnen wurden von beiden Partnern als eigene Patienten, 679 Fälle wurden von jeweils einem Partner als eigene Patienten und ausweislich der Abrechnungsunterlagen von dem jeweils anderen Partner vertretungsweise (vgl. S. 10 und 15 der Stellungnahme des Plausibilitätsausschusses vom 07. Juli 2003) und die restlichen 1770 Patienten ganz überwiegend von nur einem der beiden Partner behandelt (soweit einzelne dieser 1770 Patienten von einem Partner an den jeweils anderen zur Weiterbehandlung überwiesen worden sind oder vom jeweils anderen Partner im ärztlichen Notdienst behandelt worden sind, hat die Antragsgegnerin von der Geltendmachung von Beanstandungen ausdrücklich abgesehen).

12

Für das Quartal I/2002 sprach die Antragsgegnerin der Antragstellerin zunächst ein Honorar in Höhe von 69.812,45 EUR zu.

13

Ausgehend von einer aus ihrer Sicht unzulässig hohen und auch von Seiten der Partner im Rahmen der Anhörung nicht plausibel erklärten Zahl von 727 Fällen einer Vertretung (679 Fälle) bzw. einer Behandlung als eigene Patienten durch beide Partner (48 Fälle) hat die Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid das Honorar der Partner für das Quartal I/2002 fiktiv unter der Annahme einer Gemeinschaftspraxis berechnet und ermittelt, dass von den insgesamt von beiden Partnern abgerechneten 2.583.614,2 Punkten unter der Annahme einer Gemeinschaftspraxis nur 2.175.391,5 Punkte zu vergüten gewesen wären. Die Punktmengendifferenz von 408.222,7 Punkten entspreche - unter weiterer Berücksichtigung der im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis abweichend zu bemessenden Ansätze für die Laborgrundgebühr, den Wirtschaftlichkeitsbonus und die hausärztliche Vergütung nach Ziffer 8066 - einer Honorardifferenz von 21.561,38 EUR. Davon entfalle unter Berücksichtigung der wechselseitigen Fallwerte ein Anteil von 9.847,08 EUR auf die Antragstellerin. Diesen Betrag forderte die Antragsgegnerin von ihr mit Bescheid vom 05. August 2003 zurück.

14

Hiergegen hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 14. August 2003 Widerspruch eingelegt.

15

Hinsichtlich des weiteren Teilbetrages von 11.714,30 EUR forderte die Antragsgegnerin mit weiterem Bescheid vom 05. August 2003 den Partner C. zur Rückerstattung des ihm zuvor gewährten Honorars für das Quartal I/2002 auf; sein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist beim Senat unter dem Aktenzeichen L 3 KA 18/04 ER anhängig.

16

Den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Sozialgericht Hannover mit Beschluss vom 18. November 2003 mit der Begründung abgelehnt, dass die Partner nach den sorgfältigen Ermittlungen der Antragsgegnerin im ärztlichen Handeln und in der Organisation wie eine Gemeinschaftspraxis tätig seien. Die fiktive Gemeinschaftspraxisberechnung stelle ein durchaus geeignetes Mittel zur sachgerechten Berechnung des Rückforderungsbetrages dar.

17

Zur Begründung ihrer gegen diesen ihr am 24. November 2003 zugestellten Beschluss am 10. Dezember 2003 eingelegten Beschwerde macht die Antragstellerin letztlich geltend, dass sie sich ordnungsgemäß verhalten habe. Insbesondere würden die Arzthelferinnen darauf achten, dass ihre Patienten nach Möglichkeit nur an den Tagen Termine erhielten, an denen sie auch die Sprechstunde selbst wahrnehme, nicht jedoch an ihrem "freien" Dienstag. Soweit gleichwohl Patienten von beiden Partnern behandelt worden seien, sei dies auf einen akuten nicht aufschiebbaren Behandlungsbedarf oder darauf zurückzuführen, dass der betroffene Patient im jeweiligen Einzelfall in Ausübung seines Rechts auf freie Arztwahl auf einer Behandlung durch den jeweils anderen Partner bestanden habe.

18

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie räumt ein, dass sie (auf Grund einer unterbliebenen Änderungsmitteilung der Partner) bis zum vorliegenden Beschwerdeverfahren von unzutreffenden Annahmen über die wechselseitige Regelung der Sprechstundenzeiten durch die Partner der Praxisgemeinschaft ausgegangen sei. Auch wenn vor diesem Hintergrund die Schwerpunkte des Vorwurfs zu modifizieren sein dürften, seien aus ihrer Sicht im Ergebnis keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Honorarrückforderungsbescheides gegeben.

19

Die Honorarkürzung stütze sich nunmehr insbesondere auf zwei Erwägungen: Zwar wolle sie nicht mehr das prinzipielle Recht eines Vertragsarztes in Abrede stellen, seine Sprechstunden auf vier Arbeitstage in der Woche zu beschränken, unabhängig davon müsse aber ein angemessenes Verhältnis zwischen der Zahl der behandelten Patienten und der Sprechstundendauer gewährleistet werden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Antragstellerin habe mit 1627 Patienten deutlich mehr als der Fachgruppendurchschnitt behandelt, gleichwohl habe sie als eine von wenigen Allgemeinärztinnen in der Vergleichsgruppe ihr Sprechstundenangebot auf vier Arbeitstage in der Woche beschränkt.

20

Darüber hinaus hätten die Partner nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell die Grenzen einer zwischen den Mitgliedern einer Praxisgemeinschaft zulässigen Zusammenarbeit überschritten und sich in der Praxis wie die Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis verhalten. Abgesehen davon, dass die für eine solche Gemeinschaftspraxis erforderliche Genehmigung gefehlt habe, könnten die Partner auf Grund dieses Verhaltens jedenfalls kein höheres Honorar beanspruchen, als ihnen als Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis zugestanden hätte.

21

Der Senat hat durch seinen Berichterstatter die Antragstellerin informatorisch gehört; insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte, der Gerichtsakte L 3 KA 18/04 ER und auf den Inhalt der jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

23

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

24

Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ein derartiger Fall liegt hier vor, weil Widerspruch und Klage gegen die gegenüber den Vertragsärzten vorgenommene Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung gemäß § 85 Abs. 4 S. 9 SGB V keine aufschiebende Wirkung haben.

25

Ob eine solche Anordnung ergeht, entscheidet das Gericht nach Ermessen auf der Grundlage einer Interessenabwägung, wobei das private Interesse des belasteten Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts abzuwägen ist. Bestehen im Rahmen der im Eilverfahren allein in Betracht kommenden summarischen Prüfung erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rückforderungsbescheides, dann kommt dem Interesse des belasteten Bescheidadressaten nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur beispielsweise die Beschlüsse vom 30. Oktober 2002 - L 3 KA 309/02 ER - und vom 10. Februar 2003 - L 3 KA 434/02 ER -) regelmäßig der Vorrang zu, wenn der geltend gemachte Rückforderungsbetrag von einiger wirtschaftlicher Bedeutung ist; die Grenze hierzu sieht der Senat bei 5.000 DM bzw. 2.500 EUR, und zwar bezogen auf das jeweilige Honorarjahr.

26

Nach Maßgabe der erläuterten Grundsätze ist im vorliegenden Fall die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin geboten. Der Rückforderungsbetrag liegt mit 9.847,08 EUR deutlich über dem erläuterten Grenzwert von 2.500 EUR. Im Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Rechtslage auf der Grundlage der bislang ermittelten Erkenntnisse vermag der Senat den geltend gemachten Rückforderungsanspruch der Höhe nach nicht mit einer zumindest hinreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, so dass bezüglich seiner ernsthafte Zweifel verbleiben. Da nach derzeitigem Sach- und Streitstand sich eine solche Einschätzung auch nicht für nennenswerte Teilbeträge treffen lässt, ist bezüglich des gesamten Rückforderungsbetrages die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.

27

Rechtsgrundlage für die angefochtene Honorarneuberechnung und die auf Grund ihrer von der Antragsgegnerin festgesetzte Honorarrückforderung können nur § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Arzt-/Ersatzkassen-Vertrag (Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen - EKV-Ä) sein. Nach diesen im Wesentlichen übereinstimmenden Vorschriften berichtigt die KÄV die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Im vorliegenden Fall bestehen jedoch ernsthafte Zweifel, in welchem Ausmaß eine solche Unrichtigkeit der von den Partnern geltend gemachten und von der Antragsgegnerin in den Honorarbescheiden für das Quartal I/2002 zunächst anerkannten Honorarforderungen festzustellen ist.

28

1.

Dabei geht der Senat zu Gunsten der Antragsgegnerin im Rahmen der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage davon aus, dass die Partner zumindest in Einzelfällen treuwidrig ihre wechselseitigen Fallzahlen erhöht und sich damit unzulässigerweise einen Honoraranspruch erschlichen haben. Der bisherige Verfahrensablauf bietet jedoch keine hinreichend verlässliche Grundlage für eine auch nur überschlägige Beurteilung der Höhe eines dadurch begründeten Honorarrückforderungsanspruchs der Antragsgegnerin, so dass es im Ergebnis bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sein Bewenden haben muss.

29

a)

Im Ausgangspunkt stimmt der Senat der Antragsgegnerin, soweit dies im Rahmen der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Rechtslage beurteilt werden kann, darin zu, dass auch eine Beeinflussung der Patienten- und damit Fallzahl in einer Arztpraxis durch unlautere Mittel Anlass zu Honorarkürzungen im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung geben kann.

30

Der Honoraranspruch eines Vertragsarztes hat nicht nur zur Voraussetzung, dass er die abgerechneten Leistungen entsprechend den jeweiligen gebührentatbestandlichen Voraussetzungen tatsächlich erbracht hat, in diesem Zusammenhang ist vielmehr auch der Rechtsgrundsatz des § 162 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Auf Grund seiner entfällt der Honoraranspruch, wenn und soweit der Arzt seinerseits die Leistungsvoraussetzungen treuwidrig herbeigeführt hat (so wie dies etwa bei der dem o.g. Senatsbeschluss vom 10. Februar 2003 zu Grunde liegenden Fallgestaltung in Form der Gewährung finanzieller Anreize für die Zuführung von Patienten nach Maßgabe der im Eilverfahren möglichen summarischen Prüfung anzunehmen war).

31

Bezüglich des erforderlichen Vorwurfs der Treuwidrigkeit hat das BVerwG im Urteil vom 29. Juni 1990, Az: 8 C 22/89 (BVerwGE 85, 213-22 = NVwZ 1991, 73 m.w.N.), dargelegt, dass Verstöße gegen die in den §§ 162, 242 BGB niedergelegten allgemeinen Gebote von Treu und Glauben auch fahrlässig erfolgen können. Insbesondere genüge für die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens im Sinne des § 162 BGB ein bewusst pflichtwidriges mittelbares Eingreifen in den Gang der Bedingung. Diese Beurteilung erachtet der Senat im Rahmen der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Beurteilung für überzeugend.

32

Ein bewusst pflichtwidriges mittelbares Eingreifen in den Gang der Bedingung kommt im vorliegenden Zusammenhang namentlich in Betracht, soweit zwei Ärzte planmäßig darauf hinwirken, dass Patienten sie in einem Quartal beide konsultieren, obwohl die Patienten von sich aus dazu keinen Anlass sehen und die Doppeltbehandlung nicht medizinisch geboten ist. Ein solches Vorgehen erweist sich gerade vor dem Hintergrund der mit Wirkung zum 01. Juli 1997 in den EBM eingeführten (dort bis zum 30. Juni 2003 normierten) Praxisbudgets und der Komplexgebühr der Ziff. 1 des EBM als treuwidrig, da diese normativen Vorgaben die ihnen zugedachte Steuerungswirkung nur entfalten können, wenn die Ärzte ihrerseits nicht mit unzulässigen Mitteln auf eine Fallzahlerhöhung hinarbeiten.

33

Die gesetzlichen Regelungen verfolgen - insbesondere auch zur Vermeidung unnötiger Kosten - das Ziel, dass Versicherte innerhalb eines Quartals möglichst nur einen Vertragsarzt als Hausarzt in Anspruch nehmen. Nach § 76 Abs. 3 S. 1 SGB V soll der Versicherte den Vertragsarzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur aus wichtigem Grund wechseln, nach § 76 Abs. 3 S. 2 SGB V hat er einen Hausarzt zu wählen. Adressat der Regelung des § 76 Abs. 3 S. 1 SGB V ist allerdings zunächst der Versicherte. Geht dieser innerhalb eines Quartals davon aus, dass ein wichtiger Grund für den Wechsel des Vertragsarztes besteht und er daher erneut von seinem Recht der freien Arztwahl nach § 76 Abs. 1 S. 1 SGB V Gebrauch machen darf, dann ist diese Entscheidung von dem daraufhin konsultierten weiteren Vertragsarzt nicht inhaltlich zu hinterfragen. Das Gesetz sieht schon nicht vor, dass der Versicherte gehalten wäre, diesem die Gründe für den Arztwechsel näher zu erläutern.

34

Darüber hinaus kann sich die Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines weiteren Vertragsarztes derselben Fachrichtung auch aus medizinischen Gründen ergeben. So kann selbstverständlich in Zeiten, in denen der zunächst aufgesuchte Arzt krank ist oder Urlaub hat, ein nicht aufschiebbarer Bedarf an ärztlicher Betreuung bestehen; auch außerhalb solcher typischerweise mehrtägigen Abwesenheiten muss kein Vertragsarzt eine permanente Erreichbarkeit rund um die Uhr gewährleisten; nach § 17 Abs. 1 S. 1 BMV-Ä ist er lediglich gehalten, seine Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung und den Gegebenheiten seines Praxisbereiches festzusetzen. Überdies können auch Hausbesuche und die Behandlung von Verletzten am Unglücksort zu den vertragsärztlichen Pflichten gehören.

35

Außerhalb des damit eröffneten Bereichs von Doppeltbehandlungen darf aber kein Vertragsarzt ohne sachlichen Grund darauf hinwirken, dass Patienten einen weiteren Vertragsarzt insbesondere derselben Fachrichtung im jeweiligen Quartal aufsuchen. Insbesondere darf er sich nicht von dem Interesse leiten lassen, die Fallzahlen eines Kollegen zu erhöhen und diesem damit honorarmäßige Vorteile zu verschaffen. Missachten zwei oder mehrere Ärzte dieses Gebot im planmäßigen Zusammenwirken, dann sind die wechselseitigen Beiträge jedem von ihnen zuzurechnen. Mithin ist jedem von ihnen der Vorwurf einer treuwidrigen Herbeiführung eines Honorarzuwachses zu machen, soweit dieser auf das kollusive Zusammenwirken zurückzuführen ist (vgl. auch den Rechtsgedanken des § 840 Abs. 1 BGB).

36

Unter Berücksichtigung der bereits erläuterten Grenzen einer rechtlich zulässigen Doppeltbehandlung eines Patienten durch zwei Ärzte in einem Quartal ist es einem in Einzelpraxis tätigen Vertragsarzt, mag er auch mit einem Kollegen in einer Praxisgemeinschaft zusammengeschlossen sein, selbstverständlich verwehrt, seine Patienten zu Terminen einzubestellen, die er gar nicht selbst wahrnehmen will, sondern an denen die Behandlung durch einen anderen Vertragsarzt erfolgen soll. Auch wenn sich erst im Nachhinein die Verhinderung eines Vertragsarztes ergibt, ist dieser gehalten, sich um die Vereinbarung eines neuen von ihm persönlich wahrzunehmenden Behandlungstermins mit dem Patienten zu bemühen.

37

Selbstverständlich dürfen in Einzelpraxis tätige Vertragsärzte auch nicht im Rahmen der Praxisorganisation Patienten eines Kollegen übernehmen, weil etwa am fraglichen Tage die Liste der wartenden Patienten bei jenem länger ist oder weil jener im Rahmen eines dringenden Hausbesuches die Praxis kurzfristig verlassen muss. Solche Formen der wechselseitigen Entlastung sind ausschließlich im Rahmen von Gemeinschaftspraxen zulässig.

38

Auch durch eine klare Ankündigung von (selbstverständlich persönlich wahrzunehmenden) Sprechstundenzeiten (§ 17 Abs. 1 S. 2 BMV-Ä) hat der in Einzelpraxis tätige Vertragsarzt darauf hinzuwirken, dass sachlich nicht gebotene Arztwechsel im Quartal unterbleiben. Diesem Erfordernis haben die Partner unter Zugrundelegung ihres Vortrages allerdings Rechnung getragen.

39

b)

Von den insgesamt 727 problematischen Fällen der wechselseitigen Vertretung und der beiderseits eigenen Behandlung eines Patienten hat die Antragsgegnerin die Partner bislang nur um konkrete Stellungnahme zu ca. 16 Einzelfällen gebeten (weitere 14 konkret zur Prüfung gestellte Einzelfälle betrafen die Fallgruppen der Überweisung bzw. der Mitbehandlung eines Patienten im Notdienst; bezüglich dieser Fallgruppen hat die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Partner klargestellt, dass sie keine Beanstandungen mehr geltend machen werde).

40

Die von den Partnern im Verwaltungsverfahren zu diesen 16 Fällen abgegebenen Stellungnahmen machen deutlich, dass nur in einigen, aber nicht in allen dieser 16 Fälle aus der Sicht der Ärzte ein berechtigter Anlass zur Konsultation beider Partner im Prüfquartal bestand.

41

Jedenfalls in drei Fällen hat der Senat im Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen summarischen Beurteilung unter Berücksichtigung des bisherigen Akteninhalts die Überzeugung gewonnen, dass kein triftiger Grund aus der Sicht der Partner bestand, den jeweiligen Patienten von beiden behandeln zu lassen.

42

Dies betrifft zum einen die sog. Fälle 1 und 3 in der Rubrik "Eigene Leistungen/Vertreterfälle" (Patienten A.M. und A.N.). Die Patientin A.M. hat, obwohl sie ansonsten in hausärztlicher Behandlung bei der Antragstellerin war, den Partner Macke am 29. Januar 2002, also an einem "freien" Tag der Antragstellerin, und am 18. März 2002 (und damit am ersten Tag des einwöchigen Urlaubs der Antragstellerin) konsultiert. Der sich in hausärztlicher Behandlung bei dem Partner Macke befindliche Patient A.N. hat die Antragstellerin am 14. März 2002 und damit an einem "freien" Tag des Partners C. aufgesucht. Diesbezüglich haben die Partner nach derzeitigem Sach- und Streitstand keine näheren Gründe dafür erläutert, weshalb die Patienten nicht statt der Behandlung durch den jeweils anderen Partner einen Termin bei ihrem Hausarzt (nach dessen Rückkehr) erhalten haben. Namentlich haben sie nicht ausgeführt, dass medizinische Gründe einer damit einhergehenden Verzögerung entgegengestanden hätten oder dass die Patienten auf eine Behandlung durch den jeweils anderen Partner gedrungen hätten. Dies spricht umso mehr gegen das Vorliegen eines hinreichenden Anlasses, als die Partner in anderen Fällen durchaus detailliert entsprechende triftige Gründe für die Inanspruchnahme beider Ärzte dargetan haben.

43

Entsprechendes gilt für die (auf S. 17 der Stellungnahme des Disziplinarausschusses im Einzelnen dargelegte) Behandlung der Patientin Y. durch beide Partner. Auch diesbezüglich haben sie jedenfalls bislang keine triftigen Gründen dargelegt.

44

Ihnen obliegt es jedoch, einen triftigen Grund für die Doppeltbehandlung substantiiert darzulegen.

45

Implausibilitäten begründen Mitwirkungspflichten des Vertragsarztes bei der Aufklärung des Sachverhalts. Soweit die maßgeblichen Umstände seinem persönlichen Tätigkeitsbereich zuzurechnen sind, muss er (im Rahmen des Zumutbaren) den Anlass und die Gründe für die Behandlung als solche bzw. - je nach Vorwurf - für die Erbringung bestimmter Leistungen erläutern. Dies folgt unter Berücksichtigung des auch im öffentlichen Recht maßgeblichen Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. etwa BSG, SozR 3-2500 § 13 Nr. 4) als Nebenpflicht aus dem Vertragsarztverhältnis zwischen Arzt und Kassenärztlicher Vereinigung. Hiervon ausgehend sieht die Rechtsprechung die Funktion von Plausibilitätsprüfungen gerade darin, durch das Aufzeigen eines atypischen Leistungsverhaltens (wie beispielsweise überraschend ansteigender Frequenzen bei bestimmten, typischerweise eher selten abgerechneten Leistungen) konkret zu fragen, bei welchen Diagnosen mit welcher Begründung welche Leistung erbracht worden ist und ob diese unter der angesetzten Leistungsziffer tatsächlich abrechenbar ist (BSG, SozR 3-2500 § 83 Nr. 1; vgl. dort auch zu dem Grundsatz, dass etwaige Implausibilitäten als solche - anders als zumindest in einem Einzelfall nachgewiesene Falschabrechnungen - nicht zu einer Umkehr der Beweislast führen). Da sich die Begründung für die Erbringung einzelner Leistungen regelmäßig nicht bereits aus den der KV vorgelegten Abrechnungsunterlagen erschließt, ist eine daran anknüpfende (Plausibilitäts-)Prüfung regelmäßig nur möglich, wenn der Vertragsarzt die entsprechenden Begründungen anhand seiner Behandlungsunterlagen aufzeigt. Nur so können entsprechende Kontrollen, die zur Sicherung der gesetzlich vorgegebenen Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung (§ 12 SGB V) unerlässlich sind, effektiv durchgeführt werden.

46

Der Senat muss nicht abschließend die Voraussetzungen einer Mitwirkungspflicht unter diesen Gesichtspunkten klären. Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem zwei Hausärzte mit knapp 30 % (vgl. die Relation zwischen den vorstehend angeführten 727 Fällen einer Doppeltbehandlung und der o.g. Gesamtfallzahl von 2.497) eine ungewöhnlich hohe Quote an Doppeltbehandlungen von Patienten in einem Behandlungsquartal aufweisen, ist von ihnen zu erwarten, dass sie die dafür maßgeblichen Gründe näher erläutern. Diese Mitwirkungspflicht wird von Seiten der Antragstellerin auch nicht Zweifel gezogen und ist im vorliegenden Fall umso mehr anzunehmen, als den Partnern spätestens auf Grund der Hinweise der Antragsgegnerin im Jahre 2000 und des damals durchgeführten Beratungsgesprächs bekannt sein musste, dass die hohe Quote an Doppeltbehandlungen kritisch zu hinterfragen ist.

47

Das vorstehend aufgezeigte Verhalten der Ärzte ist bezogen auf die vorstehend erläuterten drei Fälle im Rahmen der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Beurteilung der Rechtslage als treuwidrige Herbeiführung der Doppeltbehandlung zu werten. Dies gilt jedenfalls vor dem Hintergrund der seit der Umwandlung der früheren Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft zum 01. Januar 1996 zu beobachtenden gravierenden Fallzahlsteigerungen (durchschnittliche Fallzahl der Gemeinschaftspraxis im Jahre 1995: 2.233; Summe der durchschnittlichen Fallzahlen der beiden Einzelpraxen im Jahre 1996: 3.522) und angesichts des Umstandes, dass die Partner selbst noch bei dem im November 2000 durchgeführten Beratungsgespräch im Ergebnis eine sorgfältige Beachtung der rechtlichen Vorgaben für Doppeltbehandlungen zugesichert hatten.

48

c)

Nach der Rechtsprechung des BSG führen bereits Einzelfälle einer (zumindest grob fahrlässigen) Falschabrechnung dazu, dass die vom Vertragsarzt für das jeweilige Abrechnungsquartal abgegebene Sammelerklärung ihre sog. Garantiefunktion verliert. Dies hat zur Folge, dass der Vertragsarzt die Beweislast für die vollständige und ordnungsgemäße Erbringung der abgerechneten Leistungen trägt und dass die KV den unter Berücksichtigung dieser Beweislastregel verbleibenden Honoraranspruch zu schätzen hat (SozR 3-5550 § 35 Nr. 1).

49

Diese Rechtsprechung ist zunächst für Fälle der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen entwickelt worden. Bislang ist noch nicht abschließend geklärt, inwieweit die vorstehend erläuterten Grundsätze auch in anderen Fällen eines honorarrelevanten vorsätzlichen (ggfs. auch grob fahrlässigen) Fehlverhaltens eines Vertragsarztes heranzuziehen sind. Bei summarischer Prüfung der Rechtslage spricht nach Einschätzung des Senates auf Grund der vergleichbaren Interessenlage Überwiegendes dafür, die vorstehend erläuterte Rechtsprechung zur Beweislastumkehr auch in Fällen einer vorsätzlich treuwidrigen Fallzahlerhöhung heranziehen.

50

Dies hat unter Berücksichtigung der vorstehend erläuterten, nach derzeitigem Streitstand festzustellenden drei Einzelfälle eines solchen vorsätzlichen treuwidrigen Verhaltens zur Folge, dass die Antragsteller im Prüfquartal grundsätzlich in allen Fällen einer Doppeltbehandlung darzulegen und nachzuweisen haben, dass ein triftiger Grund für die Inanspruchnahme beider Ärzte bestand. Entsprechende Darlegungen haben die Partner bislang - mit Ausnahme der im Verwaltungsverfahren von der Antragsgegnerin zur Überprüfung gestellten 30 Einzelfälle - nicht gemacht. Dies kann ihnen aber bei dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht zum Vorwurf gereichen, weil auch die Antragsgegnerin ihrerseits nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass solche umfassenden einzelfallbezogenen Darlegungen geboten seien.

51

Die Antragsgegnerin wird daher die Partner im anhängigen Widerspruchsverfahren zu entsprechenden ausführlichen einzelfallbezogenen Erläuterungen aufzufordern haben. Entsprechende Einlassungen der Partner wird die Antragsgegnerin dann ihrerseits einzelfallbezogen dahingehend zu würdigen haben, ob ein triftiger Grund für die Doppeltbehandlung dargetan oder ob von einer treuwidrig herbeigeführten Fallzahlerhöhung nach Maßgabe der vorstehend erläuterten Grundsätze auszugehen ist. Bei dieser Prüfung gehen auf Grund der vorstehend erläuterten - im Rahmen der summarischen Beurteilung anzunehmenden - Beweislastregel Unklarheiten und nicht mehr aufzuklärende Sachverhaltsgestaltungen zu Lasten der Ärzte.

52

Dabei erachtet der Senat eine Einbeziehung aller Einzelfälle für angezeigt, soweit eine überschaubare Fallzahl betroffen ist, wie dies im vorliegenden Zusammenhang bei den 48 Fällen der Behandlung eines Patienten als jeweils eigenen durch beide Partner anzunehmen ist. Bei größerem Prüfungsumfang, wie etwa im vorliegenden Zusammenhang den 679 Vertretungsfällen, könnte die Antragsgegnerin hingegen im Interesse der Verwaltungspraktikabilität erwägen, eine nach Zufallsgesichtspunkten auszuwählenden Stichprobe, deren Größe statistisch signifikante Ergebnisse erwarten lässt (was etwa bei 100 Fällen jedenfalls zu erwarten sein dürfte), zu bestimmen und der weiteren Prüfung zu Grunde zulegen.

53

d)

Einzelfallbezogene Darlegungen der Ärzte und ihre Würdigung durch die Antragsgegnerin erübrigen sich nicht im Hinblick darauf, dass im Durchschnitt der Vergleichsgruppe eine deutlich geringere Quote an Vertretungsfällen abgerechnet wird als von den Partnern. Dieser Umstand allein bietet keine hinreichend tragfähige Grundlage zur Feststellung des Ausmaßes einer treuwidrigen Fallzahlerhöhung. Die Antragsgegnerin geht letztlich selbst davon aus, dass ein Teil der von den Partnern abgerechneten Vertretungsfälle - soweit überhaupt eine Doppeltbehandlung berechtigt war - richtigerweise nicht als Vertretungsfall, sondern als jeweils eigene Behandlung durch beide Partner abzurechnen gewesen wäre. Darüber hinaus vermag der Senat schon mangels entsprechender Ermittlungen der Antragsgegnerin nicht zu überblicken, ob und ggfs. in welchem Ausmaß in der Vergleichsgruppe Vertretungsfälle als eigene Behandlungsfälle des vertretenden Arztes abgerechnet worden sind, zumal dieser gar nicht immer sogleich das Vorliegen eines Vertretungsfalls erkennen muss und die Abrechnung als eigener Fall mit etwas geringerem Bearbeitungsaufwand verbunden ist, da kein spezieller Vertretungsschein auszustellen ist.

54

Auch soweit der erheblichen Überschreitung der im Vergleichsgruppendurchschnitt festzustellenden Vertretungsquote (eventuell unter Einbeziehung eines ggfs. ermittelbaren Verhältnisses zum durchschnittlichen Vertretungsbedarf) eine indizielle Bedeutung im Rahmen der Gesamtwürdigung beizumessen sein sollte, muss den Partnern im Verwaltungsverfahren jedenfalls die Möglichkeit der Entkräftung einer solchen Indizwirkung durch einen entsprechend substantiierten einzelfallbezogenen Vortrag eröffnet werden.

55

e)

Die Antragsgegnerin wird im Widerspruchsverfahren das Ausmaß der durch das treuwidrige Herbeiführen von Doppeltbehandlungen bedingten Honorarüberzahlung individuell nach Auswertung der den Partnern obliegenden einzelfallbezogenen Darlegungen zu schätzen haben.

56

Dabei bedeutet die Zulässigkeit einer Schätzung nicht, dass die Antragsgegnerin diese losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls vornehmen darf. Die Befugnis zur Schätzung hat zunächst eine Herabsetzung des Beweismaßstabes (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 15. Aufl., S. 665) in dem Sinne zur Folge, dass an Stelle des Vollbeweises regelmäßig die Feststellung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für den geltend gemachten Schaden genügt. Auch kann ein verminderter Feststellungsaufwand in Betracht kommen, namentlich dann, wenn der mit der Herbeiziehung weiterer Beweismittel verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem auf Grund ihrer zu erwartenden Erkenntnisgewinn steht (vgl. auch § 287 Abs. 2 ZPO). Hingegen beeinflusst die Zulässigkeit einer Schätzung nicht den Gegenstand der Feststellung. Namentlich ist es unzulässig, in ihrem Rahmen auch schadensunabhängige Faktoren zu berücksichtigen, die bei einer Schadensermittlung im Rahmen des Strengbeweises außer Betracht zu bleiben hätten.

57

Das Ziel der Schätzung darf daher allein darin bestehen, den Honoraranspruch zu ermitteln, der den Ärzten bei rechtstreuem Verhalten zugestanden hätte. Auch unter der Annahme eines treuwidrigen Herbeiführens des Gebührentatbestandes beschränkt sich die Rechtsfolge nach der erläuterten gesetzlichen Regelung des § 162 Abs. 2 BGB darauf, dass die jeweils betroffene Leistung nicht zu vergüten ist. Darüber hinausgehende Honorarkürzungen bedürften einer speziellen Rechtsgrundlage, die im vorliegenden Zusammenhang nicht ersichtlich ist.

58

Dementsprechend hat das BSG (SozR 4100 § 115 Nr. 2 [Soweit das BSG in seinem nachfolgenden Urteil vom 17. September 1997 - SozR 3-5550 § 35 Nr. 1 - darauf abhebt, dass die KV in Fällen einer Falschabrechnung sich im Wege einer pauschalierenden Schätzung damit begnügen dürfe, dem Vertragsarzt ein Honorar z.B. in Höhe des Fachgruppendurchschnitts - oder in KV-Bezirken mit hohen Fallwerten evtl. niedriger - zuzuerkennen, dürfen diese Ausführungen nicht losgelöst von dem zu beurteilenden Einzelfall und von den vorausgegangen BSG-Entscheidungen zu den Voraussetzungen zulässiger Schätzungen interpretiert werden, zumal sich das BSG in diesem Urteil diesbezüglich nicht von den vorausgegangenen Entscheidungen abgrenzt]) hervorgehoben, dass Schätzungen von den Grundlagen her möglich, in sich schlüssig und wirtschaftlich vernünftig sein müssen (vgl. auch BFHE 142, 558 [BFH 18.12.1984 - VIII R 195/82]). Bei einer Schätzung haben das Gericht - und entsprechend im Verwaltungsverfahren die Behörde - wie auch bei einer sonstigen Tatsachenfeststellung alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen (§ 287 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 287 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 202 SGG). Im Streitfall darf eine behördliche Schätzung von den Gerichten nur übernommen werden, wenn sie diese vollinhaltlich nachzuvollziehen vermögen und für zutreffend erachten (BSG, SozR 3-5550 § 35 Nr. 1).

59

f)

Hinsichtlich der schätzungsweise vorzunehmenden Bemessung einer durch unzulässige Doppeltbehandlungen hervorgerufenen Honorarüberzahlung gibt der Senat im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin im Erörterungstermin geäußerten Zweifel an der Umsetzbarkeit eines solchen Ansatzes folgende Hinweise (ohne damit andere in Betracht kommende sachlich überzeugende Bemessungsansätze ausschließen zu wollen): Sollten im Rahmen der Prüfung der 48 Fälle der Behandlung eines Patienten als jeweils eigenen durch beide Partner und - im Rahmen einer Stichprobe - einer Auswahl von 100 der 679 Vertretungsfälle beispielsweise von der ersteren Gruppe 20 Fälle und von der zweiten Gruppe 30 Fälle nach Maßgabe der vorstehend erläuterten Grundsätze (unter Berücksichtigung insbesondere der erläuterten Beweislastumkehr) als treuwidrige Fallzahlerhöhungen zu beanstanden sein, dann wäre im Ausgangspunkt der Schadensschätzung nahe liegenderweise davon auszugehen, dass beide Partner insgesamt die Fallzahl um 224 Fälle (20 + [30/100 - 679]) treuwidrig erhöht haben. Mangels konkreter Anhaltspunkte für eine anderweitige Gewichtung der wechselseitigen Mitwirkung dürften diese überhöhten Fallzahlen beiden Partnern jeweils hälftig zuzurechnen sein. Dementsprechend wäre eine Schätzung ihrer verbleibenden Honoraransprüche in der Weise nahe liegend, dass die im Rahmen ihrer zu berücksichtigende Fallzahl der abgerechneten Fallzahl, vermindert jeweils um die Hälfte der vorstehend ermittelten (treuwidrig herbeigeführten) Fallzahlerhöhung, entspricht. Das Honorar der Antragstellerin könnte mithin unter den vorstehend beispielhaft erläuterten Annahmen auf der Basis ermittelt werden, dass - insbesondere bei der Berechnung der Praxis- und Zusatzbudgets und beim Ansatz der Gebührenziffer 1 - an Stelle der abgerechneten Fallzahl von 1.627 (ohne Fälle im organisierten Notdienst) nur eine solche von 1.515 zu berücksichtigen wäre. Die Einzelheiten der Konkretisierung, in deren Rahmen auch Pauschalierungen zulässig sind, obliegen zunächst der Antragsgegnerin.

60

Durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Möglichkeit und Praktikabilität einer solchen einzelfallbezogenen Schadensschätzung sind bislang auch von Seiten der Antragsgegnerin nicht aufgezeigt worden.

61

Bei der noch ausstehenden Schadensbemessung wird die Antragsgegnerin auch zu berücksichtigen haben, dass die von ihr geltend gemachte unzulässige Fallzahlerhöhung nur dann anzunehmen ist, wenn alle Leistungen des vertretenden anderen Partners zu Gunsten des jeweiligen Patienten im Prüfquartal unberechtigterweise erbracht worden sind. Hat hingegen beispielsweise ein Patient, der sich beim Partner A in hausärztlicher Behandlung befindet, in der 3. Kalenderwoche, während derer A in Urlaub war, den Partner B wegen eines akuten Infektes aufgesucht, dann folgt bereits aus dieser (unter der vorstehend erläuterten Annahme einer Beweislastumkehr von den Ärzten nachzuweisenden) berechtigten Vertretung, dass beide Partner im ersten Quartal diesen Patienten als Fall bei der Budgetberechnung berücksichtigen und für seine Behandlung jeweils die Ordinationsgebühr nach Ziffer 1. EBM abrechnen durften. Jedenfalls bezüglich dieser beiden für die Honorarberechnung maßgeblichen Faktoren ist es dann ohne Belang, ob eine weitere Konsultation des Partners B durch denselben Patienten in der 10. Kalenderwoche an einem "freien" Tag des Partners A als berechtigt einzustufen sein mag oder nicht.

62

g)

Eine konkrete Schadensschätzung im vorstehend erläuterten Sinne darf nicht von vornherein durch die bislang von der Antragsgegnerin herangezogene pauschale Neuberechnung des (anteiligen) Honoraranspruchs auf der Basis einer fiktiven Gemeinschaftspraxis ersetzt werden.

63

Die Heranziehung der Differenz zum Honoraranspruch einer fiktiven Gemeinschaftspraxis stellt sich allerdings dann als das geeignete Mittel zur Schadensschätzung dar, wenn unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (im Rahmen der bei einer Schätzung maßgeblichen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung) die Annahme begründet ist, dass den Ärzten bei rechtstreuem Verhalten nur in dieser Höhe Honoraransprüche entstanden wären. Von dieser Voraussetzung ist regelmäßig insbesondere dann auszugehen, wenn sich die Treuwidrigkeit nicht nur auf einzelne Leistungen, sondern (wie etwa bei dem o.g. Senatsbeschluss vom 10. Februar 2003 zu Grunde liegenden Sachverhalt) auf die gesamte ärztliche Leistungserbringung (oder jedenfalls auf den Großteil der erbrachten Leistungen) erstreckt.

64

Eine solche Fallgestaltung vermag der Senat im vorliegenden Zusammenhang bei dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand jedoch nicht festzustellen. Bislang ist lediglich (im Rahmen einer summarischen Prüfung) davon auszugehen, dass die Partner in 3 einzelnen (von insgesamt über 700) Fällen einer Doppeltbehandlung im Prüfquartal den Honoraranspruch des jeweiligen Zweitbehandlers treuwidrig herbeigeführt haben. Die bislang untersuchten Stichproben sind auch zu klein, um eine auch nur überschlägige Beurteilung des Gesamtleistungsgeschehens zuzulassen. Der bisherige Sach- und Streitstand bietet keine Grundlage, um abschätzen zu können, inwieweit die Partner unter Berücksichtigung der vorstehend erläuterten Beweislastgrundsätze im Widerspruchsverfahren darlegen und nachweisen können, dass sich unzulässige und treuwidrig herbeigeführte Doppeltbehandlungen auf wenige Ausnahmefälle beschränkt haben.

65

h)

Darüber hinaus weist der Honoraranspruch einer fiktiven Gemeinschaftspraxis insofern Relevanz auf, als ihm die Bedeutung eines berücksichtigungsfähigen Höchstschadens zukommt, wenn und soweit das beanstandete Verhalten im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis zulässig wäre. Für die Heranziehung der Differenz zu diesem fiktiven Honoraranspruch einer Gemeinschaftspraxis als Mindestschaden, wie dies im Ergebnis die Antragsgegnerin befürwortet, fehlt dagegen die erforderliche gesetzliche Grundlage.

66

2.

Auch die weiteren von der Antragsgegnerin angeführten Gesichtspunkte bieten keine tragfähige Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Honorarrückforderung.

67

a)

Soweit die Antragsgegnerin ein Missverhältnis zwischen Sprechstundenzeiten und Fallzahl rügt, ist zunächst klarzustellen, dass sich diese Frage nicht nur bei Praxisgemeinschaften, sondern ebenso bei Gemeinschafts- und Einzelpraxen stellen kann. Eine Honorarminderung kann mit einem solchen Ansatz nur begründet werden, wenn und soweit auf Grund eines solchen Missverhältnisses im konkreten Einzelfall - ggfs. unter Zuhilfenahme von Anscheinsbeweisen - der Nachweis geführt werden kann, dass abgerechnete Leistungen nicht oder - was ebenfalls zum Verlust des entsprechenden Honoraranspruchs führen würde (vgl. A I: Allgemeine Bestimmungen des EBM Teil A Ziff. 1. Satz 1) - nicht vollständig erbracht worden sind.

68

Hinsichtlich der im Zusammenhang mit der Erstellung sog. Tagesprofile maßgeblichen Beweisanforderungen hat das BSG (SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 = BSGE 73, 234-244) insbesondere ausgeführt: Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben somit außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zu Grunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass auch ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar. Die Festlegung der für eine ärztliche Leistung aufzuwendenden Durchschnittszeit beruht auf ärztlichem Erfahrungswissen. Sie ist deshalb ebenso und in dem Umfang gerichtlich überprüfbar, in dem auch im Übrigen auf ärztlichem Erfahrungswissen beruhende Festlegungen überprüft werden. Bei der Erstellung von Tagesprofilen ist zudem zu beachten, dass bestimmte Leistungen nebeneinander berechnungsfähig sind, der zu berücksichtigende Zeitaufwand in diesen Fällen also nicht für jede Leistung angesetzt werden darf.

69

Allein das Verhältnis zwischen Sprechstundenzeiten und Patientenzahl vermag mithin keine ausschlaggebenden Erkenntnisse zu vermitteln. Ein Arzt hat einen sehr weiten Gestaltungsspielraum, in welchem Umfang er Patienten während oder auch außerhalb der angekündigten Sprechzeiten behandelt (vgl. zur Zulässigkeit einer Vorbestellpraxis auch außerhalb der angekündigten Sprechstundenzeiten: § 17 Abs. 1 S. 3 BMV-Ä). Darüber hinaus ist nicht auf die Patientenzahl als solche, sondern auf das (vom Arzt persönlich zu erbringende) Behandlungsvolumen abzustellen. Auch innerhalb einer Facharztgruppe sind in Abhängigkeit von der jeweiligen Praxisausrichtung und dem individuellen Behandlungsansatz erhebliche Unterschiede hinsichtlich des je Patienten erforderlichen ärztlichen Zeitaufwandes festzustellen.

70

Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin ohnehin bislang keine hinreichend konkreten Ansätze für eine objektivierbare Beweisführung im vorstehend erläuterten Sinne unterbreitet. Namentlich hat sie keine Tagesprofile erstellt oder sonst konkret die von der Antragstellerin geltend gemachten Arbeitszeiten ins Verhältnis zu dem abgerechneten Leistungsvolumen gesetzt.

71

Typisierende und generalisierende Erwägungen mögen normative Regelungen im Honorarverteilungsmaßstab zur Vermeidung einer übermäßigen Praxisausdehnung im Sinne von § 85 Abs. 4 S. 6 SGB V rechtfertigen; dabei mag der Normgeber einen berechtigten Anlass dafür sehen können, als einen Parameter zur Bestimmung der Schwelle zur übermäßigen Praxisausdehnung auch den jeweils angebotenen Sprechstundenumfang heranzuziehen. Außerhalb normativer Regelungen vermögen typisierende Betrachtungen als solche nicht die nach den vorstehend erläuterten Grundsätzen im jeweiligen Einzelfall erforderliche konkrete Feststellung ersetzen, dass ärztlicherseits abgerechnete Leistungen tatsächlich nicht bzw. nicht vollständig erbracht worden sind.

72

b)

Kein entscheidendes Gewicht vermag der Senat der von der Antragsgegnerin näher problematisierten Frage beizumessen, unter welchen Voraussetzungen ein Vertragsarzt seine Leistungen als Vertreter des am jeweiligen Tage (oder auch nur an einzelnen Stunden eines Arbeitstages) nicht erreichbaren Kollegen oder als eigene Leistungen abzurechnen hat, wenn ihn ein sonst von diesem Kollegen behandelter Patient auf Grund einer akuten Behandlungsbedürftigkeit konsultiert. Rechtsdogmatisch mag man erörtern, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen eintägige (oder auch noch kürzere) Abwesenheiten eines Vertragsarztes als Urlaub im Sinne von § 32 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV zu qualifizieren sind und, soweit dies nicht anzunehmen sein mag, gleichwohl Raum für eine Vertretung des abwesenden Arztes im Sinne von § 32 Abs. 1 S. 2 - 4 Ärzte-ZV besteht.

73

Von dieser Einordnung kann jedoch nicht die Statthaftigkeit der Behandlung des Patienten durch einen anderen Vertragsarzt abhängen. Unter Berücksichtigung der gesetzlich gebotenen Sicherstellung der ärztlichen Versorgung (§ 72 Abs. 1 SGB V) kann es in diesem Zusammenhang, was auch auf Seiten der Antragsgegnerin nicht anders gesehen wird, nur auf die Dringlichkeit des Behandlungsbedarfs und auf die effektive Erreichbarkeit des sonst behandelnden Arztes ankommen.

74

Auch die Höhe des Honoraranspruchs eines an Stelle eines nicht erreichbaren Kollegen tätig werdenden Vertragsarztes wird, wie auch die Antragsgegnerin einräumt, nur in begrenztem Rahmen dadurch beeinflusst, ob er den Patienten als eigenen oder in Vertretung des Kollegen behandelt. Im vorliegenden Fall haben die Partner ohnehin in 679 der 727 problematischen Überschneidungsfälle (entsprechend einer Quote von 93,4 %) jeweils als Vertreter abgerechnet und damit die für sie (etwas) weniger günstige Modalität herangezogen.

75

Entscheidend ist vielmehr im vorliegenden Fall die Frage zu klären, ob die Partner in den betroffenen Fällen überhaupt zur Doppeltbehandlung berechtigt waren. Soweit dies (auch unter Berücksichtigung der vorstehend erläuterten Beweislastgrundsätze) zu bejahen sein sollte, wäre jedenfalls kein Vermögensnachteil für die Antragsgegnerin damit verbunden, dass der jeweils zweite Behandler seine Tätigkeit als Vertreter des Erstbehandlers und nicht als eigene Behandlung abgerechnet hat.

76

c)

Die konkrete Ausgestaltung der wechselseitigen Sprechstunden durch die Partner wird als solche von der Antragsgegnerin nach den weiteren Ermittlungen im Beschwerdeverfahren nicht mehr als unzulässig und treuwidrig angesehen, so dass unter diesem Gesichtspunkt kein Anlass zu weiter gehenden Prüfungen des Senates besteht. Namentlich muss dieser nicht näher darauf eingehen, inwieweit die (notdienstähnliche) Ausgestaltung der im Wechsel von vier Vertragsärzten wahrgenommenen Sprechstunde am Freitag Nachmittag rechtlich zulässig ist.

77

3.

Ein Anlass, in Anwendung der Ermessensvorschrift des § 86b Abs. 1 S. 3 SGG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs von einer Sicherheitsleistung der Antragstellerin abhängig zu machen, besteht nicht. Es lässt sich bei den gegenwärtigen Sach- und Streitstand, wie dargelegt, nicht einmal mit Wahrscheinlichkeit das Bestehen eines Honorarrückforderungsanspruchs in erheblicher Höhe feststellen. Überdies ist weder von der Antragsgegnerin substantiiert dargetan worden noch sonst für den Senat ersichtlich, dass sie den geltend gemachten Anspruch, sofern und soweit er sich im Hauptsacheverfahren als begründet herausstellen sollte, nicht beitreiben könnte.

78

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

79

Die Streitwertbemessung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 GKG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates bemisst sich der in Eilverfahren maßgebliche Streitwert nach einem Viertel des im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts, im vorliegenden Zusammenhang also nach einem Viertel der geltend gemachten Honorarrückforderung. Diese Quote trägt nach Einschätzung des Senates angemessen dem Umstand Rechnung, dass in Eilverfahren nur vorläufige Entscheidungen ergehen können, deren wirtschaftliche Bedeutung sich für den Antragsteller typischerweise auf einen vorübergehenden Zins- und Liquiditätsvorteil beschränkt (vgl. etwa Beschluss des Senates vom 05. November 2001 - L 3 B 245/01 KA -).

80

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.461,77 EUR festgesetzt.