Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.04.2004, Az.: L 9/3/9 U 72/02
Abgrenzung; Amphibienschutz; Amphibienschutzaktion; arbeitnehmerähnliche Tätigkeit; Aufruf; Dritte; Dritter; Durchführung; ehrenamtliche Tätigkeit; ehrenamtlicher Helfer; Einsammeln; Errichtung; freiwilliger Helfer; freiwilliger Helfer; Frosch; Hilfsperson; keine Übertragung; Krötenwanderung; Krötenzaun; Landkreis; LSG-Dokumentation; Mithilfe; mutmaßlicher Wille; Naturschutz; Naturschutzmaßnahme; Organisator; Schutzanlage; Tierfreund; Unfallversicherungsschutz; untere Naturschutzbehörde; Unternehmer; Unternehmerin; Verein; Vereinsmitglied
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 20.04.2004
- Aktenzeichen
- L 9/3/9 U 72/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 51097
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 08.01.2002 - AZ: S 6 U 37/01
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 Nr 10 SGB 7
- § 2 Abs 2 S 1 SGB 7
- § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7
- § 20e BNatSchG
- § 2 Nr 10 NatSchG ND
- § 41 Abs 2 NatSchG ND
- § 61 NatSchG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1 .Zum Unfallversicherungsschutz von freiwilligen Helfern bei Amphibienschutzaktionen (Tätigkeiten an Schutzanlagen während der Krötenwanderung)
2. Kein Unfallversicherungsschutz als Ehrenamtlicher, wenn die Behörde die Tätigkeit nicht einem Einzelnen, sondern einem Verein (hier: Sportfischerverein) überträgt und die Auswahl der Helfer durch den Verein ohne Einflussnahme der Behörde erfolgt (Anschluss an BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002 -B 2 U 14/02 R-)
3. Für freiwillige Helfer bei Amphibienschutzaktionen besteht Versicherungsschutz gem. § 2 Abs. 2 SGB VII (beschäftigtenähnlich Tätige) beim Unfallversicherungsträger für den kommunalen Bereich, wenn die Amphibienschutzaktion als eigene Maßnahme des Landkreises als untere Naturschutzbehörde durchgeführt wird und keine Übertragung dieser Aufgabe an Dritte gem. § 61 Niedersächsisches Naturschutzgesetz erfolgt ist.
4. Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII steht nicht entgegen, dass sich auf den Aufruf zur Mithilfe bei der Amphibienschutzaktion lediglich ein Vorstandsmitglied des Vereins meldet und Hilfe durch Vereinsmitglieder zusagt. Auch ohne konkrete Kenntnis des Landkreises von der Anzahl bzw. der Identität der Helfer steht die Tätigkeit im mutmaßlichen Interesse des Landkreises, wenn er das Tätigwerden der Vereinsmitglieder billigt (hier: durch Überlassung von u.a. Schutzwesten und Statistikmaterial).
5. Wird die Amphibienschutzaktion als Maßnahme des Landkreises als untere Naturschutzbehörde durchgeführt, sind die Rechtsgrundsätze zum Ausschluss von Unfallversicherungsschutz von Vereinsmitgliedern bei der Ausübung mitgliedschaftlicher Verpflichtungen nicht einschlägig.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Berufungskläger erstattet dem Berufungsbeklagten auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.
Tatbestand:
Streitbefangen ist die Anerkennung des vom Berufungsbeklagten erlittenen Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall.
Der 1982 geborene Berufungsbeklagte erlitt am 22. März 2000 gegen 20.15 Uhr auf der direkten Fahrt vom B. (B. H. / Landkreis H.), wo er sich an einer Amphibienschutzaktion beteiligt hatte, zu seiner Wohnung einen Verkehrsunfall.
Der Berufungsbeklagte ist seit Vollendung seines 14. Lebensjahres (Mindestalter für eine Mitgliedschaft) Mitglied im Sport-Fischer-Verein H. und Umgebung e.V. (S.F.V.). Er gehörte zum Unfallzeitpunkt noch der Jugendabteilung dieses Vereins an, da er erst im Laufe des Jahres 2000 volljährig geworden war.
Die Vereinssatzung des S.F.V. sah die Verpflichtung zu drei Arbeitsstunden pro Jahr für erwachsene Mitglieder vor; für die Angehörigen der Jugendabteilung des S.F.V. bestand keine Arbeitspflicht.
Die gemeinnützigen Zwecke des S.F.V. waren gem. § 3 seiner Satzung u.a.:
1. durch Zusammenfassung der Sportfischer und durch eine einheitliche Vertretung der fischereisportlichen Interessen der deutschen Sportfischerei den ihr zukommenden Einfluss zu sichern;
(...)
4. die Hege und Pflege des Fischbestandes in den heimatlichen Fischgewässern in Verbindung mit einheitlich geregelten Schutzmaßnahmen;
(...)
9. Erfüllung besonderer Aufgaben im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen des Umweltschutzes zum Zweck der Erhaltung und Verbesserung der Umwelt und der Natur, im besonderen:
a) Reinhaltung der Gewässer durch Feststellung der Verunreinigungsursachen;
b) Meldung von Verunreinigungen (...);
c) Aufklärung der Schädiger und Verhandlungen mit ihnen zur Vermeidung weiterer Verunreinigungen;
d) Zusammenarbeit mit den staatlichen Kontrollorganen zur Vermeidung von gesundheitlichen Schäden, die durch die Verunreinigung bei der Bevölkerung entstehen könnten.
11. Der Verein ist eine auf innere Verbundenheit und Liebe zur Natur aufbauende Sportorganisation. (...)
Bereits in der Vergangenheit hatten sich Mitglieder der Jugendabteilung des S.F.V. an Amphibienschutzaktionen im B. beteiligt. So vereinbarte im Jahre 1993 der damalige Jugendwart des S.F.V. mit dem Landkreis H., dass Mitglieder der Jugendabteilung die Amphibienschutzaktion unterstützen würden. Der Jugendwart erhielt vom Landkreis H. eine Unterweisung in die Tätigkeit; außerdem überließ der Landkreis H. für die Amphibienschutzaktion leihweise Schutzwesten, Warnlampen und Batterien.
Diese Art der Beteiligung an der Amphibienschutzaktion wurde bis 1998 praktiziert, wobei 1998 der Einsatz von Jugendlichen des S.F.V. nur noch sporadisch erfolgt sein soll (vgl. Vermerk des Umweltamtes des Landkreises H. vom 3. Juli 2000).
Im Jahre 1999 wandte sich der Landkreis H. erneut an den damaligen Jugendwart, erreichte diesen telefonisch jedoch nicht. Daraufhin wurde die Amphibienschutzaktion im Jahre 1999 ohne Beteiligung von Jugendlichen des S.F.V. und unter verstärktem Einsatz anderer privater Helfer durchgeführt.
Im Jahr 2000 errichtete der Landkreis H. wiederum im B. beidseits der Kreisstraße X für die Zeit der Krötenwanderung Schutzzäune. Die an den Schutzzäunen bzw. in den Sammelbehältern befindlichen Kröten wurden zweimal täglich eingesammelt und zu den auf der anderen Straßenseite gelegenen Laichgewässern transportiert.
Am 17. Februar 2000 gab der Landkreises H. eine Presseinformation heraus, die Gegenstand u.a. eines Artikels in der Braunschweiger Zeitung/H.er Nachrichten vom 24. Februar 2000 war. Danach suchte das Umweltamt des Landkreises H. freiwillige Helfer für die Amphibienschutzaktion. In dem Artikel hieß es u.a. wörtlich:
" (..) Das Umweltamt: "Ohne die Mithilfe von Tierfreunden kann die umfangreiche Amphibienbetreuung im Landkreis H. nicht aufrecht erhalten werden." Wer mithelfen will, wendet sich an das Umweltamt des Landkreises H., Telefon 121-2532."
Während des Urlaubs des für die Amphibienschutzaktion zuständigen Mitarbeiters des Landkreises H., Herrn E., (21. Februar bis 22. März 2000) wurde die stellvertretende Jugendwartin des S.F.V., Frau F., beim Landkreis H. vorstellig und bot eine Beteiligung von Jugendlichen des S.F.V. an der diesjährigen Amphibienschutzaktion an. Auf die Mitteilung von Frau F., dass die Jugendlichen des S.F.V. auch in den vergangenen Jahren bereits an der Amphibienschutzaktion teilgenommen hätten, wurden ihr vom Landkreis wiederum Schutzwesten, Warnlampen, Batterien und Unterlagen zur Auflistung der gesammelten Kröten ausgehändigt. Sie wurde gebeten, sich wegen des konkreten Ablaufs mit den anderen Privathelfern (zwei bis drei Familien) abzustimmen. Der Einsatz der Jugendlichen (und der anderen privaten Helfer) erfolgte abends; morgens übernahmen Zivildienstleistenden des Landkreises H. diese Aufgabe. Für die einzelnen Einsätze von Anfang März bis Ende April wurden von Frau F. einzelne Jugendliche der Jugendabteilung des S.F.V. angesprochen, ob Bereitschaft zur Mithilfe bestehe. In der Regel erfolgten die Verabredungen telefonisch. Die abendlichen Einsätze (Entleeren der Krötensammelbehälter und Transport über die Straße) dauerten jeweils 1 bis 1 1/2 Stunden.
Nach den Angaben der Mutter des Berufungsbeklagten stand als Belohnung für regelmäßige Teilnahme und Engagement die Genehmigung für das "Auslegen einer zweiten Angel" in Aussicht.
Am 22. März 2000 beteiligte sich auch der Berufungsbeklagte an der Amphibienschutzaktion. Es handelte sich für ihn um den ersten Einsatz im Kalenderjahr 2000.
Er begab sich von seiner Wohnung in Sch. mit dem PKW seiner Großmutter ins ca. 15 km entfernte B. und sammelte dort mit weiteren Helfern der Jugendabteilung des S.F.V. für ca. eine Stunde Kröten ein. Nach Abschluss dieser Arbeiten geriet er auf der Rückfahrt auf der Kreisstraße X (Kilometer 2,3) gegen ca. 20.15 Uhr aus unbekanntem Grund von der Fahrbahn und prallte mit hoher Geschwindigkeit gegen einen Baum. Hierbei zog er sich schwere Schädelhirnverletzungen zu.
Mit Bescheid vom 28. August 2000 lehnte der Berufungskläger die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Begründung ab, dass die Rückfahrt aus dem B. zur Wohnung nicht unter Versicherungsschutz gestanden habe. Der Berufungsbeklagte sei weder als Arbeitnehmer des Landkreises H. noch als ein von diesem eingesetzter Ehrenamtlicher tätig geworden. Für letzteres fehle es an der formellen Übertragung eines Ehrenamtes. Mangels ausdrücklicher persönlicher Aufforderung zur Mithilfe durch den Landkreis bestehe auch kein Unfallversicherungsschutz wegen Heranziehung zu einer Diensthandlung durch eine Behörde (§ 2 Abs. 1 Nr. 11 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – SGV VII). Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII scheide aus, weil der Berufungsbeklagte nicht arbeitnehmerähnlich für den Landkreis H. tätig geworden sei, sondern aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Verpflichtungen als Vereinsmitglied des S.F.V.
Im Widerspruchsverfahren machte der Berufungsbeklagte geltend, dass die Amphibienschutzaktion in den Zuständigkeitsbereich des Landkreises H. falle. Da Kröten unter Naturschutz ständen, sei Privatpersonen das Sammeln von Kröten sogar verboten. Dementsprechend habe sich der Landkreis H. der Mitglieder des S.F.V. zur Erfüllung eigener Aufgaben bedient. Die freiwillige Hilfe der Jugendlichen sei auch nicht auf das (für Jugendliche sowieso nicht geltende) Arbeitsstundendeputat des S.F.V. angerechnet worden. Deshalb bestehe Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10, 11a bzw. Abs. 2 SGB VII.
Der Widerspruch ist mit der ergänzenden Begründung zurückgewiesen worden, dass der Berufungsbeklagte nicht arbeitnehmerähnlich für den Landkreis H. tätig gewesen sei, weil die organisatorische Leitung der Aktion beim S.F.V. gelegen habe (Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2001).
Hiergegen hat der Berufungsbeklagte am 26. März 2001 beim Sozialgericht (SG) Braunschweig Klage erhoben. Der Berufungsbeklagte hat ergänzend vorgetragen, dass sogar der Landkreis H. von Unfallversicherungsschutz für die Helfer ausgegangen sei. Dies sei ausweislich einer Telefonnotiz aus dem Jahre 1993 vom Geschäftsführer des Berufungsklägers bestätigt worden. Die Amphibienschutzaktion sei vom Landkreis H. geplant und geleitet worden. Mitglieder des S.F.V. seien lediglich in dem mit dem Landkreis abgesprochenen Wirkungskreis tätig geworden. Die Aktivitäten zum Amphibienschutz seien nicht von der Vereinssatzung gedeckt; so habe der S.F.V. z.B. im Jahr 2001 an der Schutzaktion nicht teilgenommen, nachdem seitens des Landkreises keine Zusicherung von Unfallversicherungsschutz abgegeben worden sei.
Das SG hat mit Urteil vom 8. Januar 2002 den Berufungskläger zur Anerkennung des Unfalls vom 22. März 2000 als Arbeitsunfall verurteilt. Es hat Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr.1 SGB VII bejaht und zur Begründung ausgeführt, dass die Amphibienschutzaktion vom Landkreis organisiert und durchgeführt worden sei. Die gesamte Logistik (Einsatzpläne, Materialausgabe) habe beim Landkreis gelegen; lediglich für die Durchführung sei der Landkreis auf fremde Helfer angewiesen gewesen. Damit sei der Berufungsbeklagte arbeitnehmerähnlich für den Landkreis H., ein Mitgliedsunternehmen des Berufungsklägers, tätig gewesen. Die Tätigkeit sei auch nicht aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtungen durchgeführt worden, weil Jugendliche im S.F.V. nicht zu Arbeitsstunden verpflichtet gewesen seien. Eine konkludente Verpflichtung zur Teilnahme an der Schutzaktion aus ständiger Übung habe ebenfalls nicht bestanden, da sich der S.F.V. 1999 bei der Schutzaktion überhaupt nicht beteiligt habe; bei einer Weigerung des Berufungsbeklagten wäre es auch nicht zu Sanktionen gekommen. Dass der S.F.V. eine Teilnahme an der Schutzaktion gefördert/belohnt habe (Erlaubnis zur sog. "2. Angel") sei nicht durch die Satzung gedeckt, sondern beruhe vermutlich auf dem persönlichen Engagement des Vorstands. Insgesamt sei das Krötensammeln ebenso wenig Vereinszweck des S.F.V. wie Vereinszweck z.B. eines beliebigen Kegel- oder Schützenvereins. Letztlich sei der S.F.V. nur als Vermittler von freiwilligen Helfern aufgetreten.
Gegen das dem Berufungskläger am 21. Januar 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Februar 2002 beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen eingelegte Berufung. Der Berufungskläger trägt vor, dass die Hilfe bei der Amphibienschutzaktion im Rahmen der Mitgliedspflichten des S.F.V. erfolgt sei. Die Motivation der Helfer habe allein auf der Vereinsmitgliedschaft beim S.F.V. beruht. Eine tatsächliche Leitung der Aktion durch den Landkreis H. sei nicht erfolgt. Vielmehr habe der S.F.V. die Aktion selbständig in alleiniger Verantwortung durchgeführt. Der Berufungsbeklagte habe eine selbstbestimmte Arbeitsleistung als Vereinsmitglied erbracht. Eine Vermittlung durch den S.F.V. habe nicht stattgefunden.
Der Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 8. Januar 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie hilfsweise die Revision zuzulassen.
Er vertieft sein bisheriges Vorbringen und bezieht sich auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die mit Beschluss vom 7. November 2002 beigeladene Verwaltungs-Berufsgenossenschaft stellt keinen Antrag. Sie ist der Auffassung, dass die Durchführung einer Tätigkeit für den S.F.V. nicht ersichtlich sei. Die Hilfe bei der Amphibienschutzaktion habe vielmehr dem Landkreis H. gedient. Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII zu Lasten der Beigeladenen würde selbst dann ausscheiden, wenn die Hilfe bei der Schutzaktion eine Tätigkeit für den S.F.V. darstellen würde. Denn eine solche Tätigkeit wäre dann aufgrund der Mitgliedschaftspflichten (konkretisiert durch ständige Übung) erfolgt und somit unversichert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Berufungsklägers, die Verwaltungsakte der Beigeladenen und die erst- und zweitinstanzliche Gerichtsakte verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat den Berufungskläger zu Recht zur Anerkennung des Verkehrsunfalls des Berufungsbeklagten vom 22.März 2000 als Arbeitsunfall verurteilt.
Mit einer Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann auch die Feststellung begehrt werden, dass es sich bei einem Unfall um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung handelt (vgl. LSG Nds., Urteil v. 20. Juli 1999 – L 6 U 88/99 – m.w.N.).
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versichert ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB VII).
Versicherungsschutz besteht nach § 2 SGB VII u.a. für
- Personen, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften oder für die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 8 SGB VII genannten Einrichtungen ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII),
- Personen, die von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. a SGB VII) sowie
- Personen, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter tätig werden (§ 2 Abs. 2 SGB VII – Versicherungsschutz für arbeitnehmerähnlich Tätige).
Der Berufungsbeklagte stand bei dem Unfall vom 22. März 2000 gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 SGB VII unter Unfallversicherungsschutz.
Der Verkehrsunfall ereignete sich auf dem direkten Weg zwischen dem Ort der Tätigkeit (B.) und seiner Wohnung.
Bei der Tätigkeit des Berufungsbeklagten im Rahmen der Amphibienschutzaktion im B. bestand zwar kein Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 (ehrenamtlich Tätige) bzw. Nr. 11 SGB VII (zur Unterstützung einer Diensthandlung Herangezogene), jedoch nach § 2 Abs. 2 SGB VII (arbeitnehmerähnlich Tätige).
Bei der Amphibienschutzaktion im B. im Jahre 2000 handelte es sich um eine Maßnahme des Landkreises H. als untere Naturschutzbehörde (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nds.Naturschutzgesetz). Die untere Naturschutzbehörde ist soweit nichts anderes bestimmt ist – für die Durchführung des Nds. Naturschutzgesetzes zuständig (§ 55 Abs 2 Satz 1 Nds. Naturschutzgesetz). Zu den Maßnahmen des Naturschutzes gehört auch die Einrichtung von Schutzvorrichtungen (hier: Amphibienschutzzäune), da Amphibien (Lurche) unter "besonderem Schutz" i.S.d. § 20e BundesnaturschutzG stehen (vgl. § 1 sowie Anlage 1 der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 14. Oktober 1999, BGBl I, 1955, 1965). Rechtsgrundlage für die Aufstellung von Amphibienschutzzäunen ist § 2 Nr. 10 NdsNaturschutzG, wonach die Lebensräume der wildlebenden Tiere zu schützen und zu entwickeln sind. Nach § 41 Abs. 2 NdsNaturschutzG kann die Naturschutzbehörde zur Erhaltung bzw. Verschaffung von Lebensstätten oder Lebensmöglichkeiten besonders geschützter Tiere für bestimmte Gebiete und begrenzte Zeit durch Einzelanordnung bestimmte Behandlungen untersagen oder Eigentümer und Nutzungsberechtigte zur Duldung bestimmter Schutz- und Pflegemaßnahmen verpflichten. Hierzu zählt auch die Duldung einer Amphibienschutzanlage (Schutzzäune mit Sammelbehältern) außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums.
Zur Durchführung dieser Amphibienschutzaktion bediente sich der Landkreis H. der Hilfe von Privatpersonen. "Tierfreunde" waren durch die Presseinformation des Landkreises H. vom 17. Februar 2000 ausdrücklich aufgerufen, sich beim Umweltamt zu melden. Der Landkreis H. sieht die Hilfspersonen als "freiwillige Helfer" bzw. "ehrenamtliche Mitarbeiter" an (vgl. Bl. 7 und 9 der Verwaltungsakten).
Damit handelt es sich – entgegen der Auffassung des Berufungsklägers – bei der Amphibienschutzaktion um eine Aktion des Landkreises H.. Ausschließlich der Landkreis H. war als untere Naturschutzbehörde berechtigt, Amphibienschutzanlagen (Krötenzäune) aufzustellen, deren Duldung von den Eigentümern der betroffenen Grundstücke zu verlangen, die Aufstellung etwaiger Hinweis-, Verbots- bzw. Warnschilder (z.B. Geschwindigkeitsbegrenzung mit dem Zusatz "Krötenwanderung") zu veranlassen sowie die unter Naturschutz stehenden Amphibien ("besonderer Schutz" gem. § 20e BundesnaturschutzG) einzufangen und auf die andere Straßenseite zu transportieren. Eine vollständige Übertragung der Betreuung der Amphibienschutzanlage auf den S.F.V. gem. § 61 Nr. 3 NdsNaturschutzG ist nicht erfolgt. Hierfür wäre auch nicht der Landkreis H., sondern die Bezirksregierung als obere Naturschutzbehörde zuständig gewesen (vgl. §§ 61, 54 Abs. 2 NdsNaturschutzG).
Dass es sich bei der Amphibienschutzaktion im Frühjahr 2000 im B. nicht um eine Schutzaktion des S.F.V. handelte, ergibt sich zudem daraus, dass neben den Mitgliedern der Jugendabteilung auch andere private Helfer bzw. in den Morgenstunden Zivildienstleistende eingesetzt wurden. Im Jahre 1999 wurde die Amphibienschutzaktion im Landkreis H. sogar ausschließlich von vereinsfremden Privatpersonen unterstützt. Der Schutz von Amphibien bzw. der Naturschutz als solcher ist auch nicht Vereinszweck des S.F.V.; ausweislich § 3 Nr. 1, 4, 9 und 11 seiner Satzung erstreckt sich der Vereinszweck nur auf Naturschutzbelange, die in einem engen inneren Zusammenhang mit der Sportfischerei bzw. der Verunreinigung von Fischereigewässern stehen. Tätigkeiten im Rahmen der Amphibienschutzaktion waren dementsprechend auch nicht auf die Pflichtarbeitsstunden im S.F.V. anrechnungsfähig.
Zwar ist der Berufungsbeklagte weder als Ehrenamtlicher i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII tätig geworden noch i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 11 SGB VII zu einer Diensthandlung herangezogen worden. Unfallversicherungsschutz ist jedoch vom SG zutreffend nach § 2 Abs. 2 SGB VII bejaht worden.
Eine ehrenamtliche Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII liegt nur dann vor, wenn die jeweilige Tätigkeit einer Einzelperson übertragen wird. Wird dagegen - wie im vorliegenden Fall - die Tätigkeit einer (privaten) Personengesamtheit zugewiesen, ohne dass die Körperschaft des öffentlichen Rechts Einfluss darauf nimmt, wer die Aufgabe letztlich erledigt, handelt es sich nicht um ein übertragenes Ehrenamt i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – B 2 U 14/02 R m.w.N.; Schlegel in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts – Unfallversicherung , § 17 Rdnr. 115 m.w.N.).
Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 a SGB VII (für Personen, die von u.a. einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden) scheitert an der fehlenden Heranziehung des Berufungsbeklagten zu einer Diensthandlung. Zwar kann u.U. bereits bei einer stillschweigenden Duldung einer Hilfeleistung ein "Heranziehen" bejaht werden (vgl. Schwerdtfeger in: Lauterbach, Unfallversicherung, § 2 Rdnr. 375). Der Landkreis hatte am Unfalltag jedoch keine Kenntnis davon, dass gerade der Berufungsbeklagte an der Schutzaktion teilnahm, konnte seine Teilnahme somit nicht stillschweigend dulden.
Allerdings stand die Teilnahme an der Amphibienschutzaktion am 20. März 2000 unter Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII (Versicherungsschutz für Personen, die wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Versicherter tätig werden).
Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII setzt eine ernsthafte, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit voraus, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, und die ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Dabei sind die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beachten (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. etwa: Urteil vom 5. März 2002 – B 2 U 8/01 R – m.w.N.).
Bei der Beteiligung des Berufungsbeklagten an der Amphibienschutzaktion am 20. März 2000 handelte es sich um eine ernsthafte Tätigkeit, die dem wirklichen oder zumindest dem mutmaßlichen Willen des Landkreises entsprach. Denn der Landkreis H. war erklärtermaßen auf die Mithilfe von "Tierfreunden" bei der Schutzaktion angewiesen und hatte der stellvertretenden Jugendwartin des S.F.V. Ausrüstungsgegenstände zur Weitergabe an mithelfende Jugendliche zur Verfügung gestellt. Bei dem Einsammeln und dem Transport der Kröten handelt es sich um Tätigkeiten, die ansonsten von abhängig Beschäftigten durchgeführt werden könnten (und morgens auch tatsächlich von Zivildienstleistenden erledigt wurden). Für einen abendlichen Einsatz von Beschäftigten fehlten dagegen dem Landkreis H. die personellen Ressourcen.
Dass der Landkreis keine konkrete Kenntnis davon hatte, dass u.a. gerade der Berufungsbeklagte sich an der Amphibienschutzaktion beteiligte, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Im Rahmen des § 2 Abs. 2 SGB VII reicht es schließlich aus, dass die Tätigkeit im mutmaßlichen Einverständnis des Unternehmers (hier: Landkreis H.) durchgeführt worden ist.
Versicherungsschutz entfällt auch nicht deshalb, weil – wie der Berufungskläger meint – die Beteiligung des Berufungsbeklagten an der Amphibienschutzaktion im Rahmen seiner mitgliedschaftlichen Verpflichtungen erfolgt sein soll.
Versicherungsschutz für arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten (§ 2 Abs. 2 SGB VII) scheidet nur dann wegen Tätigkeiten im Rahmen mitgliedschaftlicher Verpflichtungen aus, wenn die durchgeführten Arbeiten dem Verein dienen, d.h. unfallversicherungsrechtlich der Verein als Unternehmer anzusehen ist. Die Amphibienschutzaktion wurde jedoch – wie bereits ausgeführt – vom Landkreis H. als untere Naturschutzbehörde durchgeführt und nicht vom S.F.V. Dass der S.F.V. als Belohnung für die Mithilfe die Erlaubnis zum Auslegen einer sog. "2. Angel" in Aussicht gestellt haben soll, ändert an der Durchführung der Amphibienschutzaktion durch den Landkreis H. nichts. Somit ist auch der Berufungskläger – und nicht etwa die Beigeladene - der zuständige Unfallversicherungsträger.
Nach alledem stand der Berufungsbeklagte auf der Rückfahrt vom B. auf dem direkten Weg zu seiner Wohnung unter Unfallversicherungsschutz, so dass die Berufung des Berufungsklägers zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Eine Kostenerstattung zugunsten der Beigeladenen kommt nicht in Betracht (§ 193 Abs. 4 SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.