Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 29.04.2004, Az.: L 8 AL 268/03

Aufenthaltsberechtigung; Aufenthaltserlaubnis; Berufsausbildungsbeihilfe; Prognose

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
29.04.2004
Aktenzeichen
L 8 AL 268/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50641
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 23.05.2003 - AZ: S 41 AL 399/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe an einen nicht im Sinne von § 63 Abs. 1 SGB III privilegierten Ausländer setzt keinen Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis voraus. Ausreichend ist vielmehr, dass der Ausländer bei Beginn der Ausbildung einen aufenthaltsrechtlichen Status hat oder am Ende der Ausbildung voraussichtlich haben wird, der ihm wenigstens dem Grunde nach den Zugang zu einer Arbeitserlaubnis und damit zu einer rechtmäßigen Erwerbstätigkeit im Inland eröffnet.

2. Bei der Prognoseentscheidung des § 63 Abs. 2 Satz 1 SGB III müssen die gesamten bisherigen Umstände einbezogen werden. Ist demnach nicht zu erwarten, dass der Ausländer nach Beendigung seiner Ausbildung zur Ausreise verpflichtet wird, ist die Prognose gerechtfertigt, dass er danach rechtmäßig erwerbstätig sein wird.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. Mai 2003 wird zurückgewiesen.

Der Tenor des Gerichtsbescheids wird klarstellend folgendermaßen gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auf seinen Antrag vom 9. Oktober 2001 Berufsausbildungsbeihilfe dem Grunde nach ab dem 5. Oktober 2001 zu gewähren.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Berufsausbildungshilfe (BAB) für seine am 1. August 2001 begonnene Ausbildung zum Chemikanten. Die Beklagte hat die Gewährung der BAB abgelehnt, weil der Kläger als Ausländer mit seinem Aufenthaltsstatus nicht zum förderungsfähigen Personenkreis gehören soll.

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Der am 5. Oktober 1983 geborene Kläger reiste im Jahr 1989 aus dem Libanon mit seiner Familie nach Deutschland ein. Er behauptet, kurdischer Volkszugehörigkeit und staatenlos zu sein. Der Kläger und seine Familie wurden nicht als   Asylberechtigte anerkannt. Die Familie erhielt zunächst eine Aufenthaltsbefugnis nach der Niedersächsischen Bleiberechtsregelung, zuletzt bis zum 12. Januar 2001. Eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung wurde bislang nicht positiv beschieden, der Aufenthalt des Klägers gilt als erlaubt gemäß § 69 Abs 3 Ausländergesetz (AuslG); die entsprechenden Bescheinigungen des Ausländeramtes der Stadt G. ergehen jeweils befristet, die letzte Befristung wurde am 8. Januar 2004 bis zum 7. Juli 2004 ausgesprochen. Die Stadt G. geht davon aus (Schreiben vom 15. August 2003), dass die Familie die syrische Staatsangehörigkeit besitzt. Die Mutter des Klägers ist in der Bundesrepublik seit mehreren Jahren berufstätig.

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Der Kläger beendete am 22. Juni 2001 den Besuch der Realschule. Zum 1. August 2001 nahm er eine Berufsausbildung als Chemikant bei der Firma H. GmbH & Co. in G. auf. Die Ausbildung soll bis zum 31. Januar 2005 andauern. Der Kläger schloss mit der Ausbildungsfirma einen Berufsausbildungsvertrag ab; danach erhält er im ersten Ausbildungsjahr eine Ausbildungsvergütung von 1.125,00 DM, im zweiten Ausbildungsjahr von 1.203,00 DM, im dritten Ausbildungsjahr von 1.330,00 DM und im vierten Ausbildungsjahr von 1.440,00 DM. Der Kläger befindet sich bis jetzt in dieser Ausbildung. Ab Beginn der Ausbildung wohnt der Kläger nicht mehr bei seinen Eltern, sondern zur Untermiete in der I. in G..

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Mit Antrag vom 9. Oktober 2001 begehrte der Kläger die Gewährung von BAB für die von ihm betriebene Ausbildung. Mit Bescheid vom 6. August 2002 wurde der Antrag abgelehnt. Die Gewährung von BAB an Ausländer setze voraus, dass sie im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltstitels seien. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall. Der Kläger legte Widerspruch mit der Begründung ein, dass er die Voraussetzungen des § 63 Abs 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) erfülle. Seine Mutter halte sich seit mehr als drei Jahren in Deutschland auf und habe seit Mai 1998 eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, also seit vier Jahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2002 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Darin wurde ausgeführt, dass der Kläger und die anderen Familienangehörigen nur im Besitz einer Bescheinigung nach § 69 Abs 3 AuslG seien. Ausländer ohne gesicherten Aufenthaltsstatus könnten nicht gefördert werden. Die Beitragsmittel sollen für Leistungen an nicht bevorrechtigte ausländische Auszubildende nur eingesetzt werden, wenn sich voraussichtlich eine dauerhafte Erwerbstätigkeit im Inland an die Ausbildung anschließen werde. Ausländer mit einer Duldung, Aufenthaltsgestattung oder Aufenthaltsbefugnis gehörten aufgrund dieser nicht auf Dauer angelegten Aufenthalte nicht zum Personenkreis der Ausländer iS des § 63 Abs 2 SGB III.

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Der Kläger hat am 2. Oktober 2002 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Er hat vorgetragen, dass er mittlerweile seit mehr als dreizehn Jahren in Deutschland lebe. Er stamme aus dem Libanon und sei im Jahr 1989 als Kind zusammen mit seinen Eltern aus dem Libanon nach Deutschland gekommen. Seine Eltern seien Bürgerkriegsflüchtlinge gewesen. Die zögerliche Behandlung seines Antrages auf Aufenthaltsgenehmigung sei auf die fehlerhafte Annahme der Ausländerbehörde zurückzuführen, seine Staatsangehörigkeit sei ungeklärt. Tatsächlich sei er staatenlos, so dass auf ihn die Regelungen des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954 Anwendung finden müssten. Danach müsste er im Hinblick auf die BAB wie ein Deutscher behandelt werden. Die Beklagte hat erwidert, dass der Aufenthaltsstatus des Klägers nicht gesichert sei, er habe lediglich eine Bescheinigung nach § 69 Abs 3 AuslG.

6

Das SG hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2003 stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von BAB verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für die Gewährung der BAB ein gesicherter Aufenthaltsstatus nicht erforderlich sei. Wenn der Gesetzgeber dies hätte bewirken wollen, hätte er § 63 Abs 2 Satz 1 SGB III anders formulieren müssen (Übernahme eines Zitats aus dem Kommentar von Gagel zum SGB III, § 63 Rdnr 130f).

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Der Gerichtsbescheid wurde der Beklagten am 6. Juni 2003 zugestellt.

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Die Beklagte hat am 1. Juli 2003 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dass die Voraussetzungen des § 63 Abs 1 SGB III nicht erfüllt seien. Die Vorschrift des § 63 Abs 2 SGB III setze voraus, dass nach der Ausbildung eine rechtmäßige Erwerbstätigkeit im Inland ausgeübt werde. Bei Ausländern ohne gesicherten Aufenthaltsstatus – wie dem Kläger – könne dies nicht angenommen werden. Abgesehen davon hätte der Kläger dem Grunde nach Anspruch auf die begehrte BAB.

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Die Beklagte beantragt,

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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. Mai 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er trägt vor, dass er die Voraussetzungen des § 63 Abs 2 SGB III erfülle. Er besitze eine unbefristete Arbeitserlaubnis. Nach Beendigung der Ausbildung werde er in Deutschland weiter arbeiten. Seine Familie sei kurdischer Volkszugehörigkeit und staatenlos, ebenso wie er. Sein Begehren auf Feststellung seiner Staatenlosigkeit habe die Ausländerbehörde der Stadt G. bislang nicht beschieden.

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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten und die beigezogene Ausländerakte über den Kläger verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.

Entscheidungsgründe

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Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, die wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, der Beklagten ist nicht begründet.

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Dem Kläger steht die begehrte BAB ab dem 5. Oktober 2001 dem Grunde nach zu. Er erfüllt insbesondere als nicht privilegierter Ausländer die Voraussetzungen des § 63 Abs 2 Nr 2 SGB III, weil er voraussichtlich nach der Ausbildung in Deutschland rechtmäßig erwerbstätig sein wird. Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

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Die Entscheidung ergeht als Grundurteil gemäß § 130 SGG. Aufgrund der Einkommenssituation des Klägers und seiner Eltern wird ein Zahlbetrag an BAB übrig bleiben.

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Rechtsgrundlage für den Anspruch auf BAB ist § 59 SGB III. Danach haben Auszubildende Anspruch auf BAB während einer beruflichen Ausbildung, wenn

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die berufliche Ausbildung... förderungsfähig ist,

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sie zum förderungsfähigen Personenkreis gehören und die sonstigen persönlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind und

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ihnen die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen.

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Die vom Kläger betriebene berufliche Ausbildung zum Chemikanten ist eine berufliche Ausbildung iS des § 60 SGB III. Denn es handelt sich um einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, der Berufsausbildungsvertrag ist abgeschlossen worden. Es handelt sich weiterhin um die erstmalige berufliche Ausbildung des Klägers.

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Die sonstigen persönlichen Voraussetzungen der §§ 64ff SGB III liegen ebenfalls vor. Nach den eigenen Feststellungen der Beklagten stehen die Einkommensverhältnisse des Klägers bzw seiner Eltern der Gewährung von BAB nicht entgegen (Schriftsatz vom 27. August 2003).

24

Die BAB ist ab dem 5. Oktober 2001 zu zahlen, zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger das 18. Lebensjahr vollendet, so dass § 64 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III einschlägig ist. Danach wird der Auszubildende bei einer beruflichen Ausbildung gefördert, wenn er das 18. Lebensjahr vollendet hat; ab der Volljährigkeit wird nicht mehr darauf abgestellt, ob der Auszubildende, sofern er wie hier nicht mehr im Elternhaus wohnt, von der elterlichen Wohnung aus die Ausbildungsstätte nicht in angemessener Zeit erreichen kann. Da der Kläger den Antrag auf Gewährung von BAB erst am 9. Oktober 2001 gestellt hat, steht ihm BAB frühestens ab Beginn des Monates Oktober zu. Denn die BAB muss beantragt werden, sie wird rückwirkend längstens vom Beginn des Monats an geleistet, in dem die Leistung – die BAB – beantragt worden ist, §§ 324 Abs 2, 325 Abs 1 SGB III.

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Der Kläger erfüllt die persönlichen Voraussetzungen   des § 63 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB III.

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Auf die Voraussetzungen des § 63 Abs 1 Nrn 2 bis 8 SGB III ist nicht weiter einzugehen, weil der Kläger die dortigen Voraussetzungen für privilegierte Ausländer offensichtlich nicht erfüllt; er behauptet dies auch selber nicht.

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Nach § 63 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB III werden andere Ausländer gefördert, wenn ein Elternteil sich insgesamt drei Jahre im Inland aufgehalten hat und rechtmäßig erwerbstätig gewesen ist; im Übrigen von dem Zeitpunkt an, in dem im weiteren Verlauf der Ausbildung diese Voraussetzungen vorgelegen haben, und sie voraussichtlich nach der Ausbildung im Inland rechtmäßig erwerbstätig sein werden.

28

Auf die Mutter des Klägers treffen die zuerst genannten Voraussetzungen zu. Sie hält sich seit dem Jahr 1989 in Deutschland auf, also mehr als drei Jahre, und war mehr als drei Jahre rechtmäßig erwerbstätig gewesen (siehe die vorgelegten Verdienstbescheinigungen).

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Die Beteiligten streiten daher über die Auslegung der weiteren Voraussetzung ob der Kläger voraussichtlich nach der Ausbildung im Inland rechtmäßig erwerbstätig sein wird. Entgegen der Annahme der Beklagten ist die Voraussetzung zu bejahen.

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Die Beklagte stützt sich auf die Begründung des Gesetzentwurfes zu § 63 SGB III (BT-Drucksache 13/4941 Seite 165). In dieser Begründung wird zur fraglichen Vorschrift des § 63 Abs 2 Satz 1  Folgendes ausgeführt:

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„In Absatz 2 Satz 1 (am Ende) wird klargestellt, dass wie nach geltendem Recht Ausländer ohne gesicherten Aufenthaltsstatus nicht gefördert werden können. Beitragsmittel sollen für Leistungen an nicht bevorrechtigte ausländische Auszubildende nur eingesetzt werden, wenn sich voraussichtlich eine dauerhafte Erwerbstätigkeit im Inland an die Ausbildung anschließen wird.“

32

Die Gesetzesbegründung knüpft offensichtlich an die Vorschrift des § 40 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) an, die bis zum Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998 die BAB an Ausländer regelte. Der insoweit maßgebliche § 40 Abs 2 Nr 5 AFG lautete folgendermaßen:

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„(Leistungen nach den Absätzen 1 bis 1b werden gewährt)

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Nr. 5 Anderen Ausländern, wenn

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sie selbst vor Beginn der förderungsfähigen Ausbildung insgesamt 5 Jahre sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufgehalten haben und rechtmäßig erwerbstätig gewesen sind oder

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zumindest ein Elternteil während der letzten 6 Jahre vor Beginn der förderungsfähigen Ausbildung sich insgesamt 3 Jahre im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufgehalten hat und rechtmäßig erwerbstätig gewesen ist, im übrigen von dem Zeitpunkt an, in dem im weiteren Verlauf der Ausbildung diese Voraussetzungen vorgelegen haben; von der Erfordernis der rechtmäßigen Erwerbstätigkeit eines Elternteils kann insoweit abgesehen werden, als die Erwerbstätigkeit aus einem von dem erwerbstätigen Elternteil nicht zu vertretenden Grunde nicht ausgeübt worden ist.“

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Aus dieser Gegenüberstellung wird ersichtlich, dass die hier fragliche Regelung in § 40 Abs 2 AFG nicht enthalten war; nach der vorher geltenden Rechtslage wurde nicht verlangt, dass sich an die Ausbildung voraussichtlich eine dauerhafte Erwerbstätigkeit im Inland anschließen wird. Der entsprechende Hinweis in der Gesetzesbegründung ist daher insoweit nicht zutreffend. Insbesondere hat der Gesetzgeber in der hier fraglichen Vorschrift nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass nur Ausländer im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung    oder Aufenthaltserlaubnis gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 bzw Nr 2 AuslG gefördert werden können. Diese Arten der Aufenthaltsgenehmigungen verleihen nach den Regelungen des AuslG einen relativ gesicherten Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die Aufenthaltsberechtigung, die nach § 27 Abs 1 AuslG zeitlich und räumlich unbeschränkt ist.

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Aus der Formulierung in § 63 Abs 2 Satz 1 SGB III wird man schließen können, dass Ausländer ohne gesicherten Aufenthaltsstatus nicht gefördert werden sollen, so dass zu bestimmen ist, wann ein gesicherter Aufenthaltsstatus in diesem Sinne vorliegt. Ein Teil der Kommentarliteratur nimmt an, dass sämtliche Arten der Aufenthaltsgenehmigung des § 5 Abs 1 AuslG ausreichen, also neben der Aufenthaltserlaubnis und der Aufenthaltsberechtigung, die Aufenthaltsbewilligung und die Aufenthaltsbefugnis (vgl Petzold in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB III, Loseblattsammlung, § 63 Rdnr 12; Wagner in Wissing und andere, Kommentar zum SGB III, Loseblattsammlung, § 63 Rdnr 16; Lampe in Gemeinschaftskommentar zum SGB III, Loseblattsammlung, § 63 Rdnr 20).

39

Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung ist weiterhin deshalb nicht  überzeugend, weil der Gesetzgeber zB in § 1 Abs 3 Satz 1 Bundeskindergeldgesetz (ebenso § 1 Abs 6 Satz 2 Nr 1 Bundeserziehungsgeldgesetz) deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass ein Ausländer Kindergeld bzw Erziehungsgeld nur erhält, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Angesichts dessen ist die von § 63 Abs 2 Satz 1 SGB III geforderte Prognose erfüllt, wenn der Ausländer bei Beginn der Ausbildung einen aufenthaltsrechtlichen Status hat oder am Ende der Ausbildung voraussichtlich haben wird, der ihm wenigstens dem Grunde nach den Zugang zu einer Arbeitserlaubnis eröffnet (vgl Niewald in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, Seite 127, Rdnr 94; Gagel/Fuchsloch, Kommentar zum SGB III, Loseblattsammlung, § 63 Rdnr 130f).

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Mithin setzt die anzustellende Prognose voraus, dass der Ausländer nach Abschluss der Ausbildung voraussichtlich eine Arbeitserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit erhalten wird oder bereits hat und aufenthaltsrechtlich mit einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland gerechnet werden kann. Diese Prognose trifft auf den Kläger zu.

41

Der Kläger hat bereits eine unbefristete Arbeitserlaubnis, die das Arbeitsamt G. am 7. Februar 2000 erteilt hat.

42

Zwar hat der Kläger derzeit keine Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 5 Abs 1 AuslG. Der Kläger ist allerdings im Besitz eine Bescheinigung nach § 69 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AuslG. Diese Vorschrift lautet folgendermaßen:

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„Beantragt ein Ausländer, der sich seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt.“

44

Diese Regelung stellt eine Erlaubnisfiktion für die Zeit von der Antragstellung bis zur Bescheidung durch die Ausländerbehörde dar. Die Erlaubnisfiktion vermittelt einen rechtmäßigen Aufenthalt (vgl Bundesverwaltungsgericht – BVerwG -, Urteil vom 22. Januar 2002 – 1 C 6/01BVerwGE 115, 352; Renner, Kommentar zum Ausländerrecht, 7. Auflage 1999 § 69 AuslG Rdnrn 6ff). Nach Ablehnung des Asylantrages sind dem Kläger Aufenthaltsbefugnisse erteilt worden, zuletzt bis zum 12. Januar 2001. Da die Stadt G. den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis bislang nicht beschieden hat, tritt die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs 3 AuslG ein. Der Kläger hält sich daher seit mehr als 8 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

45

Bei der Prognoseentscheidung des § 69 Abs 2 Satz 1 SGB III müssen die gesamten bisherigen Umstände mit einbezogen werden. Hierbei fällt auf, dass der Kläger mit seiner Familie sich seit 1989 im Bundesgebiet aufhält. Sie sind als Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem Libanon hierher gekommen. Seither hat die Ausländerbehörde keinen Versuch unternommen, den Kläger und seine Familie aus Deutschland zu entfernen. Sie halten sich vielmehr seit Jahren hier rechtmäßig auf. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Ausländerbehörde auf absehbare Zeit eine Möglichkeit sieht, den Aufenthalt des Klägers und seiner Familie hier zu beenden, sie hat bislang hiervon keinerlei Gebrauch gemacht. Der Kläger hat daher in Deutschland einen dauernden Aufenthalt und es ist nicht zu erwarten, dass er nach Beendigung seiner Ausbildung zum Chemikanten zur Ausreise verpflichtet werden wird. Mithin ist die Prognose gerechtfertigt, dass der Kläger nach Beendigung seiner Ausbildung in Deutschland rechtmäßig erwerbstätig sein wird.

46

Für die Entscheidung kann mithin offen bleiben, ob der Kläger seinen Anspruch auf das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen (vom 28. September 1954, Gesetz vom 12. April 1976 BGBl II 443, in Kraft getreten am 24. Januar 1977, Bekanntmachung vom Februar 1977, BGBl II 235) stützen kann.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Beklagte unterliegt, trägt sie sämtliche notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers

48

Die Revision bedarf der Zulassung (§ 160 SGG). Diese ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von höchstrichterlichen Entscheidungen abweicht