Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 22.09.2005, Az.: 2 A 2395/03

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
22.09.2005
Aktenzeichen
2 A 2395/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 43270
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2005:0922.2A2395.03.0A

Amtlicher Leitsatz

Eine Klausel in einem Wohnungsvermittlungsvertrag, die zwar eine befristete Eigennutzungsmöglichkeit vorsieht, dagegen aber den Zeitraum nicht konkret festlegt, ist nicht geeignet, eine - laut Satzung mögliche - Reduzierung der Zweitwohnungssteuer ("Eigennutzungsmöglichkeit bis zu einem Monat")herbeizuführen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2003 durch die Beklagte für ihre Wohnung im Ortsteil H.

2

Sie vermietet ihre Wohnung seit geraumer Zeit an Urlaubsgäste. Zu diesem Zweck schloss sie mit der Firma F. am 23. Dezember 2002 einen "Vermietungsvertrag". Dort heißt es auszugsweise:

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"1. Der Auftraggeber überträgt die Verfügungsbefugnis zur Vermietung des o.a. Objekts an Feriengäste für die Dauer dieses Vertrages an die Auftragnehmerin. Vermietungen durch den Eigentümer sind im Einvernehmen mit der Firma F. GmbH Co. KG möglich. Sie sind grundsätzlich auf die Zeit außerhalb der Hauptsaison beschränkt, in denen sich Feriengäste schwieriger gewinnen lassen. In den Fällen der Vermietung durch den Eigentümer verzichtet die Firma F. auf die Vergütung.

4

2. Es wird vereinbart, daß der Auftraggeber nur zum Zwecke der Erhaltung des Objekts nach vorheriger Anmeldung auch während der Laufzeit des Vertrages das Haus betreten kann.

5

3. Das Objekt wird einschließlich Einrichtung im ordnungsgemäßen Zustand an die Auftragnehmerin übergeben und nach Vertragsabschluß ebenso zurückgegeben.

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4. Die Auftragnehmerin nimmt die lt. Liste zu zahlende Miete ein und zahlt sie nach Abzug ihrer Vergütung an den Auftraggeber aus.

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5. Die Laufzeit dieses Vertrages ist das Kalenderjahr 2003.

8

6. Die Nutzung durch den Eigentümer persönlich wird auf den Zeitraum von

9

bis zu 1 Monat befristet."

10

Die Klägerin beantragte mit einem am 8. Januar 2003 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben die Ermäßigung der Zweitwohnungssteuer auf 25 v.H. gemäß § 4 Abs. 3 der Zweitwohnungssteuersatzung für eine Eigennutzung bis zu einem Monat im Jahre 2003. Die Beklagte zog die Klägerin anschließend mit Abgabenbescheid vom 15. Januar 2003 für das o.g. Objekt zur Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2003 in Höhe von 450,00 Euro heran. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, sie habe bereits am 8. Januar 2003 einen Antrag auf Ermäßigung der Zweitwohnungssteuer gestellt. Vor diesem Hintergrund sei die Zweitwohnungssteuer zu reduzieren.

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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2003 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin habe die tatsächliche Vermutung der Vorhaltung der betreffenden Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung mangels substantiierten Sachvortrages nicht hinreichend erschüttert. Daran ändere auch der Vermietungsauftrag an die Firma F. nichts. Es handele sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichen Elementen, der es der Klägerin ohne Weiteres gestatte, die betreffende Zweitwohnung selbst zu nutzen, wenn sie nicht vermietet sei. Die Verfügungsbefugnis der Klägerin werde nicht wie bei einem Dauermietvertrag eingeschränkt. Die Einnahmen würden wie bei einem Vermietungsauftrag nach Abzug der Provision ausgezahlt und nicht wie bei einem Dauermietvertrag in monatlichen Beträgen. Die Klägerin könne ihr Haus ausdrücklich nach vorheriger Absprache mit der Vermietungsfirma betreten. Aus den genannten Gründen könne die Klägerin auch keine Reduzierung der Zweitwohnungssteuer nach § 4 Abs. 3 der Zweitwohnungssteuersatzung geltend machen. Eine Reduzierung komme nur in Frage, wenn die Inanspruchnahme nach objektiven Kriterien von vorn herein nur auf einen bestimmten Zeitraum eingeschränkt sei und dies bereits vor Beginn des Heranziehungsjahres feststehe. Das sei jedoch nicht der Fall.

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Die Klägerin hat am 3. Juli 2003 Klage erhoben.

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Sie macht geltend:

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Sie habe mit einem Vermietungsvertrag, den sie mit der Firma F. geschlossen habe, die Dauervermietung ihrer Ferienwohnung übertragen. Lediglich für eventuell anfallende Reparaturen habe sie für sich einen Zeitraum von höchstens einem Monat vorbehalten. Als Vertragsmuster sei ein von der Vermietungsgesellschaft empfohlenes Formular verwendet worden. Angesichts ihrer persönlichen Verhältnisse sei ein Besuch an einem Wochenende nicht zu realisieren gewesen, zumal sie ihre achtzig Jahre alte Mutter zu versorgen habe, die ein Pflegefall sei. Außerdem habe gegen ein spontanes Aufsuchen der Wohnung der Umstand gesprochen, dass sie etwa 900 Kilometer von ihrer Ferienwohnung entfernt wohne und berufstätig sei. Im Jahre 2002 habe sie die Wohnung wegen dringender Reparaturarbeiten einmal für fünf Tage aufgesucht. In den übrigen 360 Tagen sei das Haus in Hage weder von ihr noch von Angehörigen betreten worden.

15

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

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den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2003 aufzuheben, soweit die Beklagte sie zur Zweitwohnungssteuer von mehr als 112,50 Euro herangezogen hat.

17

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

18

Zur Begründung verweist sie auf ihren Widerspruchsbescheid.

19

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

20

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Er ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

21

Das Klagebegehren der Klägerin ist nach einer interessengerechten Auslegung ihres Vorbringens (§ 88 VwGO) dahingehend auszulegen, dass sie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt, soweit sie zur Zweitwohnungssteuer von mehr als 112,50 Euro herangezogen wurde. Sie hat nicht nur gegenüber der Beklagten, sondern auch im gerichtlichen Verfahren klargestellt, dass es ihr um die Ermäßigung der Zweitwohnungssteuer für eine Eigennutzungsmöglichkeit bis zu einem Monat geht. Für eine solche Einschränkung sieht § 4 Abs. 3 a) der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten vor, dass lediglich 25 % des vollen Steuersatzes, mithin im Fall der Klägerin 25 % von 450,00 Euro - 112,50 Euro - zu zahlen wären. Die so verstandene Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

22

Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Der angefochtene Bescheid wurde erlassen aufgrund der Bestimmungen der Zweitwohnungssteuersatzung (ZWS) der Gemeinde Hage vom 6. Dezember 1988 (Amtsblatt für den Landkreis Aurich, 1988, S. 188), der 1. Änderung der Satzung vom 11. September 1991 (Amtsblatt für den Landkreis Aurich, 1991, S. 128) , der 2. Änderung der Satzung vom 30. November 1995 (Amtsblatt für den Landkreis Aurich, 1995, S. 214) und der rückwirkend am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen 3. Änderung der Satzung vom 1. März 2000 (Amtsblatt für den Landkreis Aurich, 2000, S. 27), die auf den §§ 2 und 3 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG) beruhen. Die Zweitwohnungssteuersatzung stellt generell eine wirksame Rechtsgrundlage für die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer dar, da sie den verfassungs- und kommunalabgabenrechtlichen Anforderungen entspricht, die das Bundesverfassungsgericht in seinem "Überlinger Beschluss" vom 6. Dezember 1983 (- 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, 325 ff. = NJW 1984, 785 ff. ) aufgezeigt hat.

24

Die Heranziehung der Klägerin zur Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2003 ist mit Art. 105 Abs. 2 a GG vereinbar und die in der Satzung genannten erforderlichen Voraussetzungen sind insgesamt erfüllt. Gemäß § 2 Abs. 1 ZWS ist Steuerpflichtiger, wer im Gemeindegebiet eine Zweitwohnung innehat. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Norm ist eine Zweitwohnung jede Wohnung, die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs innehat, insbesondere zu Erholungs-, Berufs- und Ausbildungszwecken.

25

Hieran gemessen ist die Klägerin steuerpflichtig. Dies hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2003 zutreffend festgestellt. Das erkennende Gericht verweist daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides (Feststellung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO), zumal die Klägerin der Annahme der Beklagten, sie - die Klägerin - unterhalte nicht eine reine Kapitalanlage, nicht in hinreichendem Maße entgegen getreten ist.

26

Ergänzend ist auszuführen:

27

Die Klägerin kann eine Reduzierung der Zweitwohnungssteuer nicht beanspruchen. Der Anspruch auf eine Reduzierung der Zweitwohnungssteuer bemisst sich hier nach § 4 Abs. 3 a) ZWS. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

28

"Die Steuerschuld beträgt bei einer Verfügbarkeit für die persönliche Lebensführung

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a) bei einer Eigennutzungsmöglichkeit bis zu einem Monat 25 % des vollen Steuersatzes."

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Hieran gemessen sind die Voraussetzungen für eine Reduzierung der Zweitwohnungssteuer auf 25 v.H. der Sätze nach § 4 Abs. 1 ZWS nicht gegeben.

31

Bei der Auslegung des in § 4 Abs. 3 ZWS enthaltenen Merkmals "Verfügbarkeit" der Wohnung ist in den Blick zu nehmen, dass die in die Zweitwohnungssteuersatzung aufgenommene Staffelung der Zweitwohnungssteuer - wie sie auch in Zweitwohnungssteuersatzungen zahlloser weiterer Gemeinden seit 1999 eingeführt wurde - eine Reaktion auf die Grundsätze darstellt, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. Juni 1999 (Az.: 8 C 6.98 -, BVerwGE 109, 188) aufgezeigt hat. Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dass zwar für den Regelfall die Zugrundelegung der Jahresrohmiete geeignet sei, den privaten Aufwand zu definieren. Auch sei es für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer unerheblich, wenn der Inhaber die Zweitwohnung nur zeitweilig benutze. Die Zugrundelegung der gesamten Jahresrohmiete für die Berechnung der Zweitwohnungssteuer sei jedoch bei eklatantem Missverhältnis zwischen von vornherein vertraglich befristeter privater Eigennutzungsmöglichkeit und Vermietung unverhältnismäßig und stehe nicht mehr im Einklang mit der grundsätzlichen Trennung des steuerpflichtigen privaten Aufwands und der Vermietung zur Einkommenserzielung. Der dargelegte Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts zeigt auf, dass die Zugrundelegung der Jahresrohmiete (nur) dann zu beanstanden ist, wenn sich eine Einschränkung der Eigennutzungsmöglichkeit der Wohnung aus einem - sowohl den Zweitwohnungsinhaber als auch einen Dritten bindenden - Vertrag ergibt, den der Zweitwohnungsinhaber vor dem Veranlagungsjahr ggf. mit einem Vermittler, einer anderen Vermietungsagentur oder einer Hotelgesellschaft abgeschlossen hat. Nur in diesem Fall liegen o b j e k t i v e Umstände vor, die - wie bei der Beantwortung der Frage nach dem "Ob" des Vorliegens einer reinen Kapitalanlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995 - 8 C 40.93 -, NSt-N 1996, 19) - geeignet sind, die subjektive Zweckbestimmung und die Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit nachzuweisen.

32

An diesen Voraussetzungen gemessen stützt die in dem von der Klägerin vorgelegten Vermittlungsvertrag enthaltene Klausel, die Nutzung durch den Eigentümer persönlich werde auf einen Zeitraum von einem Monat befristet, nicht das Klagebegehren. Diese Vertragsgestaltung erfüllt nicht die Anforderungen, die an eine Bestimmung gestellt werden, die zur Reduzierung der Zweitwohnungssteuer die Verfügbarkeit der Wohnung einschränkt. Hiervon kann nur dann gesprochen werden, wenn der Vermittlungsvertrag die Möglichkeit der Eigennutzung kalendermäßig bestimmt - mit anderen Worten, in dem Vertrag müssen ausdrücklich die Tage oder Wochen des Jahres nach dem Kalender benannt werden, in denen der Eigentümer die Möglichkeit haben soll, die Wohnung zu nutzen.

33

Für diese Sichtweise sprechen die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 30. Juni 1999 (a.a.O.). Das Gericht stellte nämlich in dem genannten Urteil klar, dass das Festhalten an dem Jahresbetrag als Bemessungsgröße für den privaten Aufwand unangemessen sei, wenn eingangs des Steuerjahres e i n d e u t i g (Hervorhebung durch die erkennende Kammer) feststehe, dass eine Eigennutzungsmöglichkeit nur einen erheblich geringeren zeitlichen Umfang haben könne. Von einer Eindeutigkeit kann indes nicht gesprochen werden, wenn die Befristung pauschal durch Benennung eines nicht konkreten Zeitraumes - "Monat" - vorgegeben ist. Diese Vertragsgestaltung ermöglicht es nämlich einem Zweitwohnungseigentümer, die Nutzung seiner Ferienwohnung über das gesamte Jahr zu verteilen, solange er diese nicht insgesamt mehr als einen Monat in Anspruch nimmt. Dies würde zum Schluss führen, dass letztlich die tatsächliche Nutzung der Wohnung für die Beantwortung der Frage maßgeblich wäre, ob die Verfügbarkeit der Wohnung die Dauer von einem Monat überschritten hat. Diese Überlegung zeigt auf, dass eine nicht konkrete Festlegung des Zeitraumes, in dem eine Eigennutzung der Wohnung möglich sein soll, der Sache nach eine nicht befristete Eigennutzungsmöglichkeit schafft und damit die Verfügbarkeit der Wohnung nicht hinreichend eingeschränkt ist. Eine nicht kalendermäßig bestimmte Klausel ist daher nicht geeignet, die Unangemessenheit des Jahresbetrages als Bemessungsgröße für den persönlichen Aufwand zu begründen.

34

Nach alledem kann sich die Klägerin zur Reduzierung der Zweitwohnungssteuer gemäß § 4 Abs. 3 a) ZWS nicht auf den vorgelegten Vertrag vom 23. Dezember 2002 berufen, da in dem Vertrag die Eigennutzung nicht kalendermäßig bestimmt ist. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob dem Anspruch der Klägerin (auch) entgegensteht, dass der Vermittlungsvertrag - seinem Wortlaut nach - nicht die Verfügbarkeit, sondern lediglich die (tatsächliche) Nutzung der Wohnung einschränkt.