Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 29.09.2005, Az.: 2 A 68/03

Amtsverschwiegenheit; Anhörung; Anhörungspflicht; Ausschluss der Öffentlichkeit; Ermessen; Fraktionsvorsitzender; kommunales Verfassungsorgan; Kommunalverfassungsstreit; Kommunalverfassungsstreit; Kommunalverfassungsstreitverfahren; Kreistagsabgeordneter; Kreistagsmitglied; Missbilligung; Missbilligungsbeschluss; nichtöffentliche Ausschusssitzung; nichtöffentliche Sitzung; Nichtöffentlichkeit; ratsinterne Maßnahme; Selbstverwaltungsrecht; Unangemessenheit der Missbilligung; Unternehmensberatung; Verschwiegenheitspflicht; Öffentlichkeit; Öffentlichkeitsbeteiligung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
29.09.2005
Aktenzeichen
2 A 68/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 50877
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur (bejahten) Befugnis für den Kreistag, einen Missbilligungsbeschluss zu erlassen.

2. Ihrer Natur nach bedürfen grundsätzlich alle Gegenstände der Geheimhaltung, die in nichtöffentlicher Sitzung behandelt worden sind. Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob eine Sache richtigerweise im öffentlichen Teil zu verhandeln gewesen wäre.

3. Zur Ausübung des Ermessens beim Erlass eines Missbilligungsbeschlusses.

Tatbestand:

1

Der Kläger, der als Abgeordneter der Kreistagsgruppe A. dem Beklagten und - mit beratender Stimme - dessen B.-Ausschuss angehört, wendet sich gegen einen Beschluss des Beklagten, der eine Verletzung der ihm als Kreistagsabgeordneten obliegenden Pflicht zur Amtsverschwiegenheit feststellte und eine Missbilligung aussprach.

2

Der Kläger verteilte laut Niederschrift zu Beginn der Sitzung des B.-Ausschusses am 5. Juni 2002 eine gutachtliche Stellungnahme der Unternehmensberatung ... - im Folgenden Unternehmensberatung genannt - vom selben Tag zur Modernisierung und Erweiterung des Kreisalten- und Pflegeheims C.. In der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Stellungnahme heißt es u.a., dass die nachfolgend aufgeführten Daten und Zahlen durch „Herrn (Anm. der Kammer: der Name wurde geschwärzt) - Mitglied der ... -“ vorgelegt worden seien. Die ihr nachfolgend angeführten und zu Grunde gelegten Zahlen basierten auf umfangreichen tatsächlich realisierten Bauvorhaben sowie umgesetzten Modernisierungen und Umbauten. Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung beriet der B-Ausschuss sowohl über die Schließung und den Verkauf des Kreisalten- und Pflegeheims C. als auch über den Antrag der Kreistagsgruppe A. auf Modernisierung und Erweiterung des Heims. Die vom B.-Ausschuss als Sachverständige hinzugezogenen Personen verließen nach ihren Anhörungen den Sitzungsraum. Anschließend äußerten sich der damalige D.-Fraktionsvorsitzende und der Betriebsleiter ablehnend zur Stellungnahme der Unternehmensberatung. Der B.-Ausschuss beschloss mehrheitlich, dem Kreisausschuss und Beklagten den Beschluss zu empfehlen, dass mit der Errichtung einer neuen Pflegeeinrichtung durch einen privaten Betreiber das „Kreisalten- und Pflegeheim C.“ nicht mehr wirtschaftlich zu führen sei und es daher mit Fertigstellung der neuen Einrichtung geschlossen werde.

3

Nach der Sitzung des B.-Ausschusses führte der Kläger mit dem Betriebsleiter ein Gespräch hinsichtlich seiner kritischen Beurteilung der Stellungnahme der Unternehmensberatung und befragte ihn, ob er etwas dagegen einzuwenden habe, wenn eine zusätzliche Klärung zwischen ihm - also dem Betriebsleiter - und dem Unternehmensberater ... - im Folgenden Unternehmensberater genannt - evtl. per Telefon erfolgte. Der Betriebsleiter stimmte diesem Vorschlag zu. Weil der Unternehmensberater dem genannten Telefonat kritisch gegenüber stand, vereinbarte der Kläger mit dem Unternehmensberater, der Verwaltung und allen Kreistagsfraktionen mitzuteilen, dass der vorgeschlagene Finanzplan - wie zuvor vom Unternehmensberater gegenüber dem Kläger sinngemäß ausgeführt - nach sorgfältiger Prüfung nicht zu beanstanden sei. Unter dem 22. Juli 2002 informierte die Unternehmensberatung u.a. den Landkreis - vertreten durch den Landrat - und den damalige D.-Fraktionsvorsitzenden in gleich lautenden Schreiben insbesondere darüber, dass ihr durch den Kläger mitgeteilt worden sei, dass „Bedenken an der Glaubwürdigkeit und somit an der eventuellen Realisierung der Modernisierung und Erweiterung des Alten- und Pflegeheimes in C. an dem durch uns vorgenommen Zahlenmaterial bestehen.“ Weiter heißt es in den Schreiben, es werde darauf aufmerksam gemacht, dass „wir vor dem Hintergrund der durch Sie geäußerten Fragwürdigkeit gerne zu einem persönlichen Gespräch bereit sind.“

4

Der Beklagte beschloss am 1. August 2002 den Verkauf des Alten- und Pflegeheimes. Während der Sitzung berichtete der damalige D.-Fraktionsvorsitzende von einem an ihn gerichteten Schreiben der Unternehmensberatung, aus dem hervorgehe, dass der Kläger Informationen aus einer vertraulichen Sitzung zu diesem Thema weitergegeben habe.

5

Der damalige D.-Fraktionsvorsitzende bat mit Schreiben vom 12. August 2002 den Landrat um Prüfung des Vorgangs und Zurechtweisung des Klägers. Der Landrat teilte mit Schreiben vom 4. September 2002 den Vorsitzenden der D.-Fraktion, der E.-Gruppe sowie der A.-Gruppe mit, dass der Kreisausschuss in seiner Sitzung am 10. September 2002 eine Entscheidung des Beklagten vorbereiten werde, ob der Kläger gegen die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit verstoßen und ein ggf. festgestellter Verstoß zu ahnden sei. Mit Schreiben vom 8. September 2002 forderte die A.-Gruppe den Landrat wegen der Sitzungsvorlage für die Sitzung des Kreisausschusses am 10. September 2002 auf, unverzüglich in den Vorgang einzugreifen.

6

Der Kreisausschuss, dessen Mitgliedern sowohl die maßgebliche Sitzungsvorlage als auch das Schreiben der A.-Gruppe vom 8. September 2002 vorlagen, beschloss am 10. September 2002 in Abwesenheit des Klägers einstimmig, dem Beklagten den Beschluss zu empfehlen, gegen den Kläger wegen Verletzung der Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten. Das Sitzungsprotokoll wurde dem Kläger zugesandt.

7

Der Kläger äußerte sich in zwei am 13. November 2002 erschienenen Presseartikeln zu der Angelegenheit. Mit Schreiben vom 19. November 2002 lehnte die Bezirksregierung Weser-Ems den unter dem 11. November 2002 gestellten Antrag der Gruppe A. ab, wegen des Beschlusses des Kreisausschusses vom 10. September 2002 kommunalaufsichtliche Maßnahmen gegen den Landkreis zu ergreifen.

8

In der Sitzung des Beklagten am 26. November 2002, die hinsichtlich des Streitgegenstandes ohne Mitwirkung des Klägers stattfand, bemerkte der Landrat sinngemäß, dass der Kläger über den Beratungsgang berichtet habe. Er habe eine in nichtöffentlicher Sitzung abgegebene Wertung über eine Fachfirma dieser mitgeteilt. Der Beklagte beschloss mit einer Gegenstimme:

9

„Der Kreistag stellt fest, dass der Kreistagsabgeordnete ... die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gemäß § 20 NLO verletzt hat. Der Kreistag missbilligt dieses Verhalten.“

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Der Kläger hat am 7. Januar 2003 Klage erhoben.

11

Er macht - teilweise sinngemäß - geltend, er sei nicht angehört worden. Ihm sei willkürlich und in ehrverletzender Weise vorgeworfen worden, seine Verschwiegenheitspflicht verletzt zu haben. Er empfinde das gesamte Verfahren als Versuch, ihn in seinem politischen Wirken zu behindern. Es habe keine derartige Pflicht bestanden, da die Sitzung des B.-Ausschusses zu Unrecht im streitigen Punkt als nichtöffentlich behandelt worden sei, weil die Veräußerung einer kommunalen Einrichtung in großem Maße das öffentliche Interesse rechtfertige. Da an der Ausschusssitzung trotz seines Einwandes - unstreitig - vier nicht dem Ausschuss angehörende Sachverständige beteiligt worden seien, sei die Sitzung im Übrigen faktisch öffentlich gewesen. Er habe zur Verschwiegenheit bestimmte Inhalte nicht an Dritte weitergegeben. In der Sitzung des B.-Ausschusses habe zu der Stellungnahme der Unternehmensberatung keine Aussprache und Diskussion stattgefunden. Inhalte und Zahlen dieser Stellungnahme seien nicht differenziert und umfassend behandelt worden, sondern das Zahlenwerk habe - abgesehen von der Kritik des damaligen D.-Fraktionsvorsitzenden und des Betriebsleiters - „breiteste Ignoranz“ gefunden. Der damalige D.-Fraktionsvorsitzende habe eine pauschale Bewertung vorgenommen, die allerdings zu den fachspezifischen Aussagen des Finanzierungsvorschlages keinen Bezug gehabt habe. Er habe lediglich eine einleitende Textpassage kritisiert. Er - der Kläger - habe dem Unternehmensberater mitgeteilt, dass die Kreisverwaltung seinen Finanzplan bezweifelt habe. Für Formulierungen und Wortwahl im Schreiben vom 22. Juli 2002 sei ausschließlich der Verfasser verantwortlich. Eine etwaige Verschwiegenheitsplicht habe jedenfalls geendet, da es jedermann bekannt gewesen sei, dass die Thematik „Verkauf Altenheim C.“ bereits in allen wichtigen Einzelheiten „pressemäßig“ verbreitet gewesen sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Gruppe A. als Auftraggeberin ihrem Auftragnehmer nicht habe mitteilen dürfen, dass dessen Zahlenwerk bemängelt worden sei. Es sei vielmehr ihre Verpflichtung gewesen, das Zahlenwerk aufgrund der Kritik zu beleuchten, um eventuelle Fehler zur Korrektur zu bringen.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, seinen Beschluss vom 26. November 2002 über die Missbilligung seiner Person wegen einer Verletzung der Amtsverschwiegenheit aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erwidert sinngemäß, eine Anhörung sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger im Vorfeld seine Auffassung hinreichend dargetan habe. Von einer Anhörung habe daher entsprechend § 28 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) abgesehen werden können. Die Sitzung des B.-Ausschusses sei zu Recht nichtöffentlich gewesen, da detailliert auf die personelle Situation einzelner Mitarbeiter eingegangen worden sei. Es komme im Übrigen nur darauf an, dass die Sitzung tatsächlich nichtöffentlich gewesen sei. Wichtig für die Entscheidung sei die sachkundige Darstellung von sog. Sachverständigen gewesen. Hinsichtlich eines solchen Sachverständigen habe sich der D.-Fraktionsvorsitzende in der Sitzung des Sozialausschusses geäußert und dargelegt, dass dieser nicht die für die betreffende Angelegenheit erforderliche Sachkunde besitze. Eine derartige Äußerung in einer nichtöffentlichen Sitzung sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Die Aussage der Unternehmensberatung im Schreiben vom 22. Juli 2002 sei eindeutig und nehme ausdrücklich auf eine Mitteilung des Klägers Bezug. Die Äußerungen „Bedenken an der Glaubwürdigkeit“ und „durch Sie geäußerte Fragwürdigkeit“ belegten eindeutig, dass sich die Unternehmensberatung durch die Äußerung des D.-Fraktionsvorsitzenden in ihrer Reputation getroffen gefühlt habe. Er habe sich der Empfehlung des Kreisausschusses, ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten, nicht angeschlossen. Deshalb habe auch eine Pflicht zur Anhörung nicht bestanden.

17

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen, vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig.

19

Sie stellt ein sogenanntes Kommunalverfassungsstreitverfahren dar, das nach einhelliger Rechtsprechung zu den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gehört, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.

20

Als allgemeine Leistungsklage ist die Klage auch statthaft. Gegenstand einer Leistungsklage im kommunalverfassungsrechtlichen Organstreit kann das Begehren sein, ein kommunales Organ zu verurteilen, dass es einen von ihm gefassten Beschluss aufhebe (vgl. zur Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren neben der Feststellungsklage: Wefelmeier in KVR-NGO, Kommentar, Stand: Dez. 2004, § 39 Rdnr. 24; Thiele, NGO, Komm., 7. Aufl. 2004, § 25 Erl. 3; VG Oldenburg, Urteil vom 25. September 2003 - 2 A 3133/02 -, bestätigt durch das Urteil des Nds. OVG vom 16. März 2005 - 10 LC 139/03 -, NdsVBl. 2005, 233). Bei dem Beschluss handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, der mit einer Anfechtungsklage anzugreifen wäre, sondern lediglich um eine ratsinterne Maßnahme der Meinungsbildung und eine isolierte Feststellung und Missbilligung, dass der Kläger seine Verschwiegenheitspflicht verletzt hat, ohne dass eine darüber hinausgehende abschließende Regelung zu der Frage einer Ahndung als Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 20 Abs. 2 i.V.m. § 19 Abs. 4 S. 2 Nds. Landkreisordnung in der hier anzuwendenden Fassung vom 20. November 2001 (GVBl. S. 701) (NLO) getroffen wurde. Der Beschluss ist auch nicht als feststellender Verwaltungsakt zu werten, da er keine Feststellung mit einer einer Regelung vergleichbaren Verbindlichkeit trifft, an die der Beklagte bei der Festsetzung eines Ordnungsgeldes, der Stellung eines Strafantrags oder der Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen gebunden wäre (vgl. VG Minden, Urteil vom 10. Oktober 1982 - 10 K 811/81 -, NVwZ 1983, 495 (496)).

21

Des Weiteren ist der Kläger klagebefugt entsprechend der Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO. Diese Norm ist bei allgemeinen Leistungsklagen entsprechend anwendbar. Es muss ein eigenes Recht des klagenden Organs oder Organteils gegeben sein (vgl. zur kommunalverfassungsrechtlichen Feststellungsklage: BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1988 - 7 B 208/87 -, NVwZ 1989, 470 f.) Ein allgemeines Beanstandungsrecht lässt sich dagegen aus der Rechtsstellung als Kreistagsmitglied oder aus der Organeigenschaft nicht herleiten, das über die Verletzung von Mitwirkungspflichten hinaus in Anspruch genommen werden könnte (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 2. Oktober 1991 - 10 L 227/89 -, V.n.b.). Das Vorbringen des Klägers lässt die Möglichkeit erkennen, durch den gerügten Beschluss des Beklagten in seinen eigenen Mitgliedschaftsrechten als Ratsherr betroffen zu sein. Ihm steht wegen seiner organschaftlichen Stellung als Kreistagsmitglied ein Recht zu, als Mittler zwischen den Bürgern und den kommunalen Selbstverwaltungsorganen an der öffentlichen Diskussion und politischen Meinungsbildung mitzuwirken (vgl. VG Minden, a.a.O.). Des Weiteren ist das sinngemäß geäußerte Begehren, persönliche Genugtuung zu erfahren - der Kläger erklärte, ihm sei die Verletzung der Amtsverschwiegenheit in ehrverletzender Weise vorgeworfen worden -, schutzwürdig (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30. November 1993 – 10 L 5279/91 -, Rathaus und Recht, Ausgabe 6/04, S. 1 (1 f.)).

22

Die Klage ist außerdem begründet, da der Beschluss zwar formell, nicht aber materiell rechtmäßig ist und den Kläger auch in seinen Rechten verletzt.

23

Die Befugnis, einen Beschluss der vorliegenden Art grundsätzlich zu erlassen, ist gesetzlich zwar nicht ausdrücklich geregelt. Aus dem den kommunalen Gebietskörperschaften verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrecht kann jedoch für den Beklagten auch die Befugnis hergeleitet werden, sich zu Angelegenheiten, die die örtliche Gemeinschaft betreffen, zu äußern und ein damit zusammenhängendes Verhalten oder einen Vorgang zu würdigen, solange jedenfalls die einer Landkreisvertretung gezogenen Grenzen des Betätigungsfeldes und die Gesetzmäßigkeit ihres Handelns gewahrt bleiben (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30. November 1993, a.a.O. (2)).

24

Der Beschluss ist entgegen der Auffassung des Klägers formell rechtmäßig.

25

Für das Verfahren zum Beschluss einer Missbilligung enthält die NLO zwar keine ausdrücklichen Verfahrensvorschriften. Auch ein Rückgriff auf die Strafprozessordnung und das Ordnungswidrigkeitengesetz ist nicht möglich, da eine Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit in der Regel weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit darstellt (vgl. VG Minden, a.a.O.). Zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zählt aber das Recht auf ein faires Verfahren. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs gesetzlicher Regelungen darf der Einzelne deshalb nicht zum bloßen Objekt von Entscheidungen des Staates oder in diesem Zusammenhang vergleichbarer Einrichtungen werden, auch wenn er lediglich die Verletzung von Rechten als Mitglied eines kommunalen Verfassungsorgans geltend machen kann. Ihm muss insbesondere die Möglichkeit gegeben werden, vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen zu können. Dies setzt voraus, dass der Betroffene von dem Sachverhalt und dem Verfahren, in dem dieser verwertet werden soll, überhaupt Kenntnis erhält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2000 - 1 BvR 321/96 -, NJW 2000, 1709 (1710); BVerwG, Beschluss vom 31. August 2000 - 11 B 30.00 -, NVwZ 2001, 94 (95); unklar Thiele, Rathaus und Recht, Ausgabe 6/04, S. 3 (4), der ausführt, die Anhörung des Ratsmitglieds, dessen Verhalten gerügt werden solle, sei nicht zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit des Missbilligungsbeschlusses). Angesichts der Tatsache, dass ein Kreistag nur beschränkte Ermittlungsmöglichkeiten hat, können an die Sachverhaltsfeststellung allerdings keine sehr hohen Anforderungen gestellt werden (vgl. VG Minden, a.a.O.). Außerdem ist zu beachten, dass die Verletzung der Anhörungspflicht nicht die Rechtswidrigkeit/Unwirksamkeit eines Beschlusses eines kommunalen Verfassungsorgans zur Folge hat, wenn die Anhörungsberechtigten dem betreffenden Organ trotz unterlassener Anhörung ihre Stellungnahmen zu den beabsichtigten Regelungen so umfassend zu Gehör gebracht haben, dass das Organ bei seiner Beschlussfassung die Argumente der Anhörungsberechtigten in gleicher Weise mit bedenken und verwerten konnte wie aufgrund einer ordnungsgemäßen Anhörung (vgl. Nds. StGH, Urteil vom 3. Juni 1980 - StGH 2/79 -, juris, danach veröff. in DVBl 1981, 214).

26

Ausgehend von diesem Maßstab ist das Fehlen einer formalen Anhörung des Klägers vor der Beschlussfassung unschädlich. Der Beklagte hat durch Vorlage des Schreibens der Unternehmensberatung vom 22. Juli 2002 die danach getätigten Äußerungen des Klägers gegenüber der Unternehmensberatung eindeutig benannt, nämlich (sinngemäß) die Weitergabe von in der Sitzung des B.-Ausschusses aufgezeigten Bedenken an der Glaubhaftigkeit des von der Unternehmensberatung erstellten Zahlenmaterials und somit an der eventuellen Realisierung der Modernisierung und Erweiterung des Heimes. Der Kläger hatte auch hinreichend Gelegenheit, sich im Vorfeld des Beschlusses des Beklagten gegenüber den übrigen Kreistagsmitgliedern zu dem Vorwurf zu äußern und hat dies auch getan. Der Sachverhalt war sowohl ihm als auch den übrigen Mitgliedern des Beklagten hinreichend bekannt. Zunächst hatte sich der Kreisausschuss am 10. September 2002 mit der Angelegenheit befasst, wobei den Mitgliedern ein Schreiben der A.-Kreistagsgruppe vom 8. September 2002 vorlag, und das Protokoll wurde dem Kläger zugesandt. Die A.-Kreistagsgruppe, der der Kläger angehört, befasste sich in diesem Schreiben, das überdies den übrigen Mitgliedern des Beklagten zuging, ausführlich mit der Angelegenheit. Auch das allen Mitgliedern des Beklagten zugegangene Schreiben der A.-Kreistagsgruppe 11. November 2002 an die Bezirksregierung ..., damit diese in der Angelegenheit kommunalaufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen den Landkreis ergreifen sollte, wurde den Kreistagsabgeordneten zur Kenntnis gebracht. Darüber hinaus äußerte sich der Kläger in mindestens zwei Presseartikeln knapp zwei Wochen vor dem Beschluss zu der Angelegenheit. Schließlich ist es rechtlich unerheblich, dass der Kreisausschuss dem Beklagten noch empfohlen hatte, gegen den Kläger ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten. Denn der Kläger hätte damit rechnen müssen, dass der Beklagte auch eine ihn - den Kläger - weniger belastende und insoweit für ihn vergleichsweise „positivere“ Maßnahme beschließen könnte.

27

Der angegriffene Beschluss ist aber materiell rechtswidrig.

28

Offen bleiben kann, ob der Beschluss schon nicht in hinreichendem Maße bestimmt ist. Ihm selbst lässt sich nicht entnehmen, welches konkrete Verhalten des Klägers Grundlage des Beschlusses war. Der Beklagte stellte nur fest, dass der Kläger die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gemäß § 20 NLO verletzt habe, und missbilligte dessen Verhalten. Selbst die im Protokoll über die Sitzung des Beklagten am 26. November 2002 (sinngemäß) genannte Weitergabe von Informationen aus einer nichtöffentlichen Ausschusssitzung an die Unternehmensberatung könnte nicht ausreichend sein. Erst dem Vorbringen des Beklagten im Klageverfahren lässt sich eindeutig entnehmen, dass dem Kläger konkret vorgeworfen wurde, eine Äußerung des D.-Fraktionsvorsitzenden in der Sitzung des B.-Ausschusses unter Nennung seines Namens an die Unternehmensberatung weitergegeben zu haben. Der Beklagte hat geltend gemacht, das Schreiben vom 22. Juli 2002 sei eindeutig und nehme ausdrücklich auf eine Mitteilung des Klägers Bezug. Die Äußerungen „Bedenken an der Glaubwürdigkeit“ und „durch Sie geäußerte Fragwürdigkeit“ belegten eindeutig, dass sich die Unternehmensberatung durch die Äußerung des D.-Fraktionsvorsitzenden in ihrer Reputation getroffen gefühlt habe.

29

Denn unabhängig von den vorstehenden Ausführungen zur hinreichenden Bestimmtheit ist der angegriffene Beschluss jedenfalls deshalb zu beanstanden, weil der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen nicht sachgerecht ausübte.

30

Gemäß § 35 Abs. 3 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 NLO hat ein Kreistagsabgeordneter über die ihm hierbei bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch Gesetz oder dienstliche Anordnung vorgeschrieben oder der Natur der Sache nach erforderlich ist, Verschwiegenheit gegen jedermann zu wahren; dies gilt auch für die Zeit nach der Beendigung dieser Tätigkeit (Satz 1). Die Vorschriften der Landkreisordnung über die Verschwiegenheitspflichten von Mandatsträgern dienen nicht nur dazu, die Interessen Einzelner an der Geheimhaltung bestimmter Umstände zu wahren, sondern sollen in ganz wesentlichem Umfang auch die Arbeit der entsprechenden Gremien und der Verwaltung erleichtern, die sich in bestimmten Angelegenheiten unbefangener und umfassender äußern können, wenn sie nicht damit rechnen müssen, dass ihre schriftlichen oder mündlichen Ausführungen einem unübersehbaren Personenkreis zugänglich werden können (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12. November 1990 - 15 K 3472/89 -, juris, danach veröffentlicht in EStT NW 1991, 215; Engel in KVR, NLO, Komm., § 20 Rdnr. 1).

31

Ihrer Natur nach bedürfen grundsätzlich alle Gegenstände der Geheimhaltung, die in nichtöffentlicher Sitzung behandelt worden sind (vgl. Engel, a.a.O., Rdnr. 11; zur Sitzung eines Stadtrates: OVG Münster, Urteil vom 24. April 2001 - 15 A 3021/97 -, NVwZ-RR 2002, 135 (136) („gleichsam automatische Einbeziehung in die Verschwiegenheitspflicht“); zur Sitzung eines Gemeinderates ähnlich („grundsätzlich ein starkes Indiz“): VGH München, Beschluss vom 29. Januar 2004 - 4 ZB 03.174 -, juris, danach veröff. in BayVBl. 2004, 402 f., und Urteil vom 23. März 1989 - 4 B 86.02994 -, NVwZ 1989, 182 (183)). Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob eine Sache richtigerweise im öffentlichen Teil zu verhandeln gewesen wäre. Denn dieser - hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit der Entscheidung eventuell wesentliche - Fehler ändert nichts daran, dass tatsächlich eine nichtöffentliche Sitzung durchgeführt wurde. Die fehlerhafte formelle Behandlung kann deshalb nicht dazu führen, dass die Sitzung in eine öffentliche oder gar in eine „Nichtsitzung“ umgedeutet wird und somit der Schutzgedanke des § 20 Abs. 1 NLO entfällt (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 24. November 1976 - 7 A 46/75 -, juris, danach veröffentlicht in AS RP-SL 14, 356; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12. November 1990 a.a.O.; Engel, a.a.O., Rdnr. 11; a.A. zur vergleichbaren Vorschrift in der Nds. Gemeindeordnung: Behrens in KVR-NGO, Komm., Stand: Dez. 2004, § 25 Rdnr. 12 und 14, weil eine Pflicht zur Geheimhaltung nicht vom Rat oder Ausschuss beschlossen werden könne). Dabei kann aus den unten genannten Gründen offen bleiben, ob sich die Verschwiegenheitspflicht in diesen Fällen im Hinblick auf den Vertrauensschutz der Ratsmitglieder nur auf den Gang des Verfahrens und das Abstimmungsverhalten bezieht (so Thiele, NGO, a.a.O., § 25 Erl. 3, zur vergleichbaren Vorschrift in der Nds. Gemeindeordnung).

32

In Sitzungen vorbereitender Ausschüsse kommt gemäß § 47a Abs. 1 i.V.m. § 41 Abs. 1 NLO ein Ausschluss der Öffentlichkeit in Betracht, wenn ihn das öffentliche Wohl oder berechtigte Interesse Einzelner erfordern. § 41 Abs. 1 NLO findet entsprechend Anwendung, weil die Sitzungen der Ausschüsse nach § 22 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Beklagten in der am 1. August 2002 in Kraft getretenen Fassung (GO) (s. § 24 GO) öffentlich sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass § 4 Abs. 2 GO nicht anwendbar ist, weil die Möglichkeit, abstrakt-generell für bestimmte „Gruppen von Angelegenheiten“ den Ausschluss der Öffentlichkeit anzuordnen, durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung, der Niedersächsischen Landkreisordnung und des Niedersächsischen Meldegesetzes vom 19. März 2001 abgeschafft wurde (GVBl. 2001, S. 112) (s. § 41 Abs. 1 NLO). Bei der Nichtöffentlichkeit der Sitzungen von (vorbereitenden) Ausschüssen i.S.v. § 47 NLO ist zu berücksichtigen, dass insbesondere die Vertraulichkeit von Ausschussberatungen nicht in demselben Maße in Konflikt mit dem Prinzip der demokratischen Öffentlichkeitsbeteiligung steht, wie dies der Fall ist, wenn abschließend eine öffentliche Erörterung einer wesentlichen Angelegenheit dem Kreistag verschlossen bliebe. Ausschüsse werden nur vorbereitend tätig (§ 47 Abs. 1 NLO). Bei der vorbereitenden Tätigkeit für die Beschlussfassung in öffentlicher Sitzung des Kreistags liegt der Zweck der Nichtöffentlichkeit der Beratungen gerade darin, die sachliche Erörterung der anstehenden Probleme zu fördern und die Bildung sachgerechter Kompromisse zu erleichtern. Bei Durchbrechung der Vertraulichkeit der vorbereitenden Verhandlungen bestünde die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass die bei jeglicher kontroversen Sachbehandlung im demokratischen Prozess notwendige vorbereitende Arbeit von vornherein aus den in der Landkreisordnung selbst vorgesehenen demokratisch verfassten Gremien ausgelagert und in den vorinstitutionellen Raum angesiedelt würde. Zur Erhaltung der vorbereitenden Sacharbeit der Ausschüsse ist die Wahrung der Vertraulichkeit der Beratungen ein wichtiges Element. Anders als bei Verletzungen des Öffentlichkeitsprinzips in der Plenarsitzung des Kreistags steht das einzelne Mitglied auch in diesem Fall nicht unmittelbar in dem Konflikt zwischen der Wahrung der Verschwiegenheit und der Wahrnehmung seines Mandats, das darauf gerichtet ist, durch Beteiligung an der öffentlichen Debatte die Kontrolle der Kreispolitik durch den Wahlbürger überhaupt erst zu ermöglichen. Es kann ihm in der Regel angesonnen werden, die Vertraulichkeit zunächst zu wahren, da bei den genannten wichtigen Angelegenheiten die öffentliche Beschlussfassung im Plenum noch aussteht und die Beteiligung des Kreistagsmitglieds an der öffentlichen Debatte noch möglich ist (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 13. Juni 1995 - 7 A 12186/94 -, NVwZ-RR 1996, 685 (686)).

33

Die Offenbarung von in nichtöffentlicher Ausschusssitzung gewonnenen Erkenntnissen kommt dann als letzte Möglichkeit in Betracht, wenn bei der notwendigen Abwägung zwischen den für die Geheimhaltung sprechenden Belangen einerseits und dem Prinzip der Öffentlichkeitsbeteiligung im demokratisch organisierten Gemeinwesen andererseits auch angesichts des Grundrechts der Meinungsfreiheit des Mandatsträgers die formale Behandlung der Angelegenheit zurückzutreten hat, weil es um die Öffentlichkeit wesentlich berührende Fragen geht. Folgt nach den Planungen eines Kommunalparlaments auf die vertrauliche Erörterung bei der Vorbereitung in den Ausschüssen nicht die öffentliche Debatte im Plenum, sondern ist dort ebenfalls eine Behandlung in nichtöffentlicher Sitzung vorgesehen, so fehlt für das einzelne Mitglied die Gelegenheit zur Teilnahme an der öffentlichen Debatte. Denjenigen Gegenständen, die bei einer dem Kommunalrecht und dem Verfassungsrecht entsprechenden Behandlung in öffentlicher Debatte hätten preisgegeben werden müssen, kann nicht eine Geheimhaltungsbedürftigkeit der Natur der Sache nach zugesprochen werden. Das Mitglied des Kommunalparlaments hat jedoch zunächst anderweitig auf Abhilfe zu dringen, insbesondere dem Ausschuss Gelegenheit zur Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zu geben und ggf. die Aufsichtsbehörde wegen der drohenden Rechtsverletzung zu informieren (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 13. Juni 1995, a.a.O.; vgl. zur Ratssitzung: BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 1989 - 7 B 123.88 -, NVwZ 1989, 975 (975); VGH München Urteil vom 23. März 1989, a.a.O.; Behrens, a.a.O., Rdnr. 3).

34

Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass eine Missbilligung im Ermessen des zuständigen Organs steht. Dabei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30. November 1993, a.a.O. (S. 3)).

35

Ausgehend von diesen Maßstäben braucht die Kammer in diesem Einzelfall nicht abschließend zu entscheiden, ob der Kläger durch sein Verhalten seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit verletzte.

36

Denn selbst wenn man eine Pflichtverletzung des Klägers annähme, übte der Beklagte sein Ermessen bei der Beschlussfassung nicht sachgerecht aus. Vielmehr ist die Missbilligung des Klägers unangemessen gewesen und verstieß damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

37

Der Beklagte hätte vor der Beschlussfassung in seine Überlegungen mit einbeziehen müssen, dass es schon zum damaligen Zeitpunkt bei objektiver Betrachtung nicht ersichtlich war - und im Übrigen auch im Klageverfahren vom Beklagten nicht in ausreichendem Maße dargelegt worden ist -, dass der Kläger gegenüber der Unternehmensberatung konkret den Namen des damaligen D.-Fraktionsvorsitzenden nannte. Im Schriftsatz des Beklagten vom 15. September 2004 heißt es sinngemäß - wie oben bereits teilweise ausgeführt wurde - die Äußerungen „Bedenken an der Glaubwürdigkeit“ und „durch Sie geäußerte Fragwürdigkeit“ belegten eindeutig, dass sich die Unternehmensberatung durch die Äußerung des damaligen D.-Fraktionsvorsitzenden in ihrer Reputation getroffen gefühlt habe. Dieser habe in der Sitzung des B.-Ausschusses hinsichtlich der Unternehmensberatung dargelegt, dass jene nicht die für die betreffende Angelegenheit erforderliche Sachkunde besitze. Das Vorbringen stützt sich aber offensichtlich nur darauf, dass es in dem Schreiben der Unternehmensberatung insbesondere heißt „durch Sie geäußerte Fragwürdigkeit“. Insoweit ist dem damaligen D.-Fraktionsvorsitzenden als Adressaten des Schreibens vom 22. Juli 2002 bei isolierter Betrachtung zwar zuzugeben, dass er den Inhalt dieses Schreibens unter Berücksichtigung der von ihm abgegebenen Erklärungen dahingehend verstehen musste, der Kläger habe gegenüber der Unternehmensberatung im Zusammenhang mit der Weitergabe der Kritik auch seinen Namen genannt. Die Unternehmensberatung richtete die Aussage „durch Sie geäußerte Fragwürdigkeit“ jedoch nicht an den damaligen D.-Fraktionsvorsitzenden persönlich, sondern pauschal an alle Adressaten. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Unternehmensberatung inhaltlich identische Schreiben an den Landkreis - vertreten durch den Landrat - und - wie sich dem Akteninhalt entnehmen lässt - an alle Kreistagsfraktionen - offensichtlich vertreten durch die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden - schickte. Diesen wesentlichen Gesichtspunkt hat der Beklagte nicht berücksichtigt. Hätte er insoweit Gewissheit haben wollen, wäre möglicherweise in Betracht gekommen, den Unternehmensberater vor der Beschlussfassung zu befragen. So aber war die getroffene Maßnahme unverhältnismäßig.

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Darüber hinaus hätte der Beklagte in Rechnung stellen müssen, dass die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Unternehmensberatung dazu diente, der Beurteilung der sich im Zusammenhang mit dem Kreisalten- und Pflegeheim stellenden Fragen eine breitere Tatsachengrundlage zu geben. In diesem Zusammenhang hätte er zu berücksichtigen gehabt, dass die Stellungnahme der Unternehmensberatung vom 5. Juni 2002 - wie bereits ausgeführt - bereits zum Gegenstand der Sitzung des B.-Ausschusses gemacht worden war, und dass der B.-Ausschuss insoweit ebenfalls ein Interesse daran hätte haben können, eine ergänzende Stellungnahme der Unternehmensberatung einzuholen. Dabei ist von Bedeutung, dass die Stellungnahme auch Gegenstand der Sitzung des Kreisausschusses am 18. Juni 2002 war. Einem Vermerk in dem Verwaltungsvorgang lässt sich entnehmen, dass sie in dieser Sitzung durch den Betriebsleiter erläutert wurde. Außerdem ergibt sich aus dem Verwaltungsvorgang, dass man eine fernmündliche Stellungnahme des Bezirksverbandes ... zu der Frage einholte, ob es sich bei der Unternehmensberatung um Fachleute auf dem Sektor Alten- und Pflegeheime handele.