Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 23.09.2013, Az.: 10 A 6042/12
Anspruch einer Gemeinde gegenüber der Landesbehörde für Statistik auf Berichtigung von Fehlern in einer Bundesstatistik
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 23.09.2013
- Aktenzeichen
- 10 A 6042/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 55272
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2013:0923.10A6042.12.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 BevStatG
- § 5 BevStatG
- § 6 BevStatG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine Gemeinde kann grundsätzlich beanspruchen, dass die Landesbehörde für Statistik Fehler in einer Bundesstatistik (hier: Fortschreibung des Bevölkerungsstandes) berichtigt, die auf Verstößen gegen die rechtlichen oder methodischen Vorgaben beruhen.
- 2.
Ein solcher Anspruch erstreckt sich nicht darauf, die Statistik anhand von Daten zu verändern, die nach den rechtlichen und methodischen Vorgaben nicht relevant sind.
- 3.
Eine Gemeinde kann deshalb weder die Anpassung der Bevölkerungsfortschreibung an den Stand ihres Melderegisters noch eine rückwirkende Berücksichtigung sogenannter Korrekturmeldungen beanspruchen.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die klagende Samtgemeinde begehrt eine Änderung der amtlichen Einwohnerstatistik des Landes Niedersachsen. Der Beklagte führt durch seinen Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie aufgrund von Art. 83 GG die Bundesstatistiken als eigene Angelegenheit durch. Hierzu gehören die Statistiken nach dem Gesetz über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes - Bevölkerungsstatistikgesetz -, namentlich die Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung, in der Eheschließungen, Geburten und Sterbefälle erfasst werden (§ 2 BevStatG), die Wanderungsstatistik, in der bei der An- und Abmeldung die Zu- und Fortzüge (Wohnungswechsel) der Einwohner erfasst werden (§ 4 BevStatG), und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes, bei der auf der Grundlage der jeweils letzten allgemeinen Zählung der Bevölkerung nach den Ergebnissen der Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung und der Wanderungsstatistik die Bevölkerung insgesamt sowie die deutsche Bevölkerung nach Geschlecht, Alter und Familienstand festzustellen ist (§ 5 BevStatG).
Die nach der Bundestatistik "Fortschreibung des Bevölkerungsstands" ermittelte Einwohnerzahl zum Stichtag 30. Juni des vergangenen Haushaltsjahres ist maßgeblich für die Verteilung und Berechnung der Zuweisungen nach dem Nds. Finanzausgleichsgesetz (§ 17 NFAG).
Für das Haushaltsjahr 2010 hat der Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie des Beklagten mit Bescheid vom 7. April 2010 gegenüber der Klägerin die Schlüsselzuweisungen und die Finanzausgleichsumlage ausgehend von einer Einwohnerzahl von 7.809 Einwohnern zum Stichtag 30. Juni 2009 festgesetzt. Die Klägerin erhält danach keine Schlüsselzuweisungen für Gemeindeaufgaben. Für Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises erhält sie Zuweisungen in Höhe von 127.057 Euro und muss im Gegenzug eine Finanzausgleichsumlage in Höhe von 1.010.472 Euro entrichten. Als Einwohnerzahl für die Mitgliedsgemeinde Marl der Klägerin wurde dabei gem. § 17 Satz 2 NFAG a. F. die durchschnittliche statistische Einwohnerzahl der vergangenen fünf Jahre von 545 Einwohnern zugrunde gelegt.
In einem vor der 1. Kammer des erkennenden Gerichts anhängigen Verfahren - Az. 1 A 1107/11 - greift die Klägerin diesen Festsetzungsbescheid an und begehrt die Neufestsetzung anhand der nach ihrer eigenen Fortschreibung ermittelten Einwohnerzahl zum Stichtag 30. Juni 2009. Bei Berücksichtigung dieser Einwohnerzahlen der Klägerin in Höhe von 8.023 Einwohnern bzw. der Gemeinde Marl in Höhe von 713 Einwohnern hätte die Klägerin für das Haushaltsjahr 2010 eine um insgesamt ca. 26.000 Euro geringere Zahlung im Finanzausgleich zu leisten.
Im Rahmen der Erfassung der Wanderungsstatistik werden die Wanderungsfälle anhand der Meldescheine erfasst, die die für die neue Wohnung zuständige Meldebehörde bei der Anmeldung ausstellt und gem. § 6 BevStatG monatlich an das für sie zuständige Statistische Landesamt weiterleitet. Die übermittelten Datensätze enthalten gem. § 4 BevStatG weder den Namen noch die bisherige Anschrift der wandernden Personen. Bei Wanderungen innerhalb des Bundeslandes verbucht das Statistische Landesamt sodann den Zu- und Fortzug bei den jeweiligen Gemeinden. Bei länderübergreifenden Wanderungen übermittelt es die Information über den Wegzug an das für den Wegzugsort zuständige Statistische Landesamt, das den Wegzug dann in der Wanderungsstatistik und schließlich in der Bevölkerungsfortschreibung für diesen Ort verbucht. Die Wegzugsgemeinden erhalten darüber regelmäßig durch das für sie zuständige Statistische Landesamt keine Nachricht; ihnen wird lediglich regelmäßig der Stand der Bevölkerungsfortschreibung mitgeteilt. Hiervon abweichend übermittelt der Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie des Beklagten der Klägerin seit September 2008 monatlich eine Auflistung der gemeldeten Fortzüge aus der Gemeinde Marl zur Überprüfung.
Neben der statistischen Erfassung der Meldescheine gleichen die Meldebehörden bei Anmeldevorgängen auch untereinander Daten ab. Nach § 28 Melderechtsrahmengesetz (MRRG) hat die für die neue Wohnung zuständige Meldebehörde bei einer Anmeldung die bisher zuständige Meldebehörde im Wege der sogenannten Rückmeldung über den Meldevorgang zu unterrichten. Die bisher zuständige Meldebehörde hat die übermittelten Daten unverzüglich zu verarbeiten und die für die neue Wohnung zuständige Meldebehörde innerhalb einer Woche über näher bezeichnete, im Melderegister gespeicherte Daten sowie über Abweichungen der von der für die neue Wohnung zuständigen Meldebehörde übermittelten Daten von den bisherigen Angaben zu unterrichten. Bis zum Jahr 2006 war diese Rückmeldung zwar vorgeschrieben, aber nicht technisch zwingend. Durch die Einführung eines standardisierten elektronischen Datenaustauschs zwischen den Meldebehörden zum Jahreswechsel 2007 kann ein Meldevorgang ohne Rückmeldung nicht abgeschlossen werden.
Das Verfahren im Meldewesen lässt es zu, fehlerhaft erfolgte Rückmeldungen nachträglich zu berichtigen. Die dabei ausgestellten berichtigten Meldescheine werden wie alle anderen Meldescheine an die Landesämter für Statistik übermittelt und dort erfasst. Aufgrund solcher Korrekturmeldungen ist die statistisch fortgeschriebene Einwohnerzahl der Gemeinde Marl zwischen den Stichtagen 30. Juni 2009 und 30. Juni 2010 von 499 auf 564 Personen gestiegen.
Unter dem 20. April 2010 beantragte die Klägerin bei dem Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie des Beklagten, zum Stichtag 30. Juni 2009 die Einwohnerzahl der Gemeinde Marl auf 713 und ihre eigene Einwohnerzahl auf 8.023 festzusetzen. Die statistisch fortgeschriebene Einwohnerzahl sei unrichtig, weil Fortzüge aus der Stadt Marl (NRW) statistisch der Klägerin zugeordnet worden seien.
Mit Schreiben vom 28. August 2012 lehnte der Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie den Antrag ab. Eine Nachprüfung habe ergeben, dass die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes entsprechend den geltenden Bestimmungen erfolgt sei. Die Werte der Wanderungsstatistik würden nicht eigenmächtig durch die Statistikbehörde festgesetzt, sondern anhand der Anmeldungen bei den Meldebehörden erfasst. Es sei möglich, dass Gemeinden im gesamten Bundesgebiet Zuzüge aus der Stadt Marl in Nordrhein-Westfalen fälschlich mit dem Gemeindeschlüssel der Gemeinde Marl signiert hätten und entsprechende Meldescheine ausgestellt und erfasst worden seien. Dies setze aber voraus, dass die Gemeinde Marl zuvor die obligatorischen Rückmeldungen nicht beanstandet habe. Diese veranlasse zwar zwischenzeitlich vermehrt die Korrektur fehlerhafter Abmeldungen, die Korrekturmeldungen könnten jedoch nicht rückwirkend statistisch erfasst werden.
Am 24. Oktober 2012 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag,
den Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie des Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28.08.2012 auf ihren Antrag vom 20.04.2012 die nach § 17 des Niedersächsischen Finanzausgleichsgesetzes maßgebliche Einwohnerzahl zum Stichtag 30.06.2009 für die Gemeinde Marl auf 730 Einwohner festzusetzen und - dementsprechend - ihre Einwohnerzahl auf 8.023 Einwohner festzusetzen.
Sie sieht sich durch die Ablehnung der rückwirkenden Korrektur der Einwohnerzahl in ihren Rechten verletzt. Der Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie des Beklagten habe in seinem Bescheid selbst ausführlich dargelegt, wie die unrichtige Bevölkerungsstatistik zustande gekommen sei und zugleich begründet, dass die Fehler nicht auf einem schuldhaften Versehen beruhten. Sie sei durch die objektiv unrichtige Einwohnerzahl betroffen, weil sie im Rahmen des Finanzausgleichs erheblich höhere Zahlungen leisten müsse, als sie angesichts ihrer tatsächlichen Einwohnerzahl leisten müsste. Schon das falsche Zahlenergebnis begründe einen Rechtsanspruch auf Korrektur der Bevölkerungsfortschreibung, der sich rechtsdogmatisch aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten herleiten lasse.
Sie begehre kein "eigenmächtiges" Handeln des Beklagten, sondern lediglich die Überprüfung der amtlichen Statistik. Der Beklagte könne nicht jegliche Änderung mit dem Argument der Rechtssicherheit ablehnen. Während einzelne korrigierte Meldescheine laufend in die Statistik eingearbeitet werden könnten, versage dieses Korrekturmodell bei Fehlbuchungen in größerer Anzahl. Der Beklagte müsse einen "insgesamt systemgerechten Zustand" herbeiführen, indem er die Auswirkungen der fehlerhaften Meldescheine innerhalb der Statistik beseitige.
Die Klägerin habe sich um eine Korrektur der irrtümlich zu ihren Lasten ergangenen Abmeldungen bemüht und dabei insgesamt 169 Fälle beanstandet. Bisher seien jedoch nur 88 Fälle korrigiert worden. Die Klägerin erhalte weder Kenntnis darüber, ob die betroffenen Gemeinden entsprechende Korrekturmeldungen abgegeben hätten, noch könne sie die betroffenen Gemeinden zur Abgabe von Korrekturmeldungen zwingen. Eine Großstadt habe es ihr gegenüber schriftlich ausdrücklich abgelehnt, Korrekturmeldungen abzugeben, weil hierzu kein Bedarf gesehen werde. Solches Verhalten der zuständigen Meldebehörden könne nicht zu Lasten der Klägerin gehen.
Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung beantragt die Klägerin nunmehr,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 28.08.2012 auf ihren Antrag vom 20.04.2012 zum Stichtag 30.06.2009 die nach § 17 des Niedersächsischen Finanzausgleichsgesetzes maßgebliche Einwohnerzahl für die Gemeinde Marl auf 665 Einwohner festzusetzen und - dementsprechend - ihre Einwohnerzahl zum 30.06.2009 auf 7.975 Einwohner festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine rückwirkende Änderung der Bevölkerungsstatistik. Hierzu fehle dem Beklagen schon eine Regelungsbefugnis, denn die Bevölkerungsfortschreibung sei keine Regelung im Sinne eines Verwaltungsakts, sondern lediglich die Bekundung amtlichen Wissens in der Form schlicht-hoheitlichen Handelns.
Die streitgegenständliche Bundesstatistik "Fortschreibung des Bevölkerungsstands" sei ausgehend von der Volkszählung 1987 anhand der Wanderungsstatistik fehlerfrei ermittelt worden. Die von der Klägerin anhand ihres eigenen Melderegisters ermittelte und als "richtig" geltend gemachte Einwohnerzahl sei nicht maßgeblich.
Das Melderegister der Klägerin und die statistische Bevölkerungsfortschreibung seien schon systematisch nicht vergleichbar. Denn das Ergebnis der Volkszählung 1987, auf dessen Grundlage die Bevölkerungsfortschreibung erfolge, sei zwar den Gemeinden nachrichtlich mitgeteilt worden. Es sei aber kein Abgleich der Melderegister erfolgt, weil die Rückspielung von Einzeldatensätzen unzulässig sei. Zwischen der statistischen Bevölkerungsfortschreibung und den Einwohnerzahlen nach den Melderegistern bestünden deshalb bis heute Differenzen. Keines der Systeme könne zudem beanspruchen, die tatsächliche Einwohnerzahl genau abzubilden.
Fehler in den für die Wanderungsstatistik ausgewerteten Meldescheinen könnten nicht durch eine isolierte Festsetzung der fortgeschriebenen Bevölkerungszahl, sondern allein aufgrund berichtigter Meldescheine kompensiert werden. Die Klägerin bzw. ihre Mitgliedsgemeinde Marl hätten jedoch offenbar fehlerhafte Rückmeldungen nicht korrigieren lassen. Mit Schreiben vom 20. Februar 2009 sei der Klägerin eine Auflistung der Fortzüge aus der Gemeinde Marl von Januar 2000 bis August 2008 mit der Bitte übersandt worden, diese zu prüfen und unklare Fälle mit den aufnehmenden Gemeinden zu klären. Seit September 2008 habe die Klägerin die für die Gemeinde Marl in der Wanderungsstatistik verarbeiteten Fortzüge monatlich zur Kenntnis und Prüfung erhalten, ohne dass sie dem Beklagten in der Folge Korrekturen mitgeteilt habe. Erst im Januar 2010 habe sie sich wieder gemeldet und einen weiteren Bevölkerungsrückgang beanstandet.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt sämtlicher Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
I. Soweit die Klägerin mit ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag die Änderung der Bevölkerungsstatistik in geringerem Umfang begehrt als (ursprünglich) schriftsätzlich beantragt, liegt darin eine stillschweigende Klagerücknahme. Das Verfahren ist insofern in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 Satz 3 VwGO einzustellen.
II. Mit dem auf Verpflichtung des Beklagten zum Erlass eines Festsetzungsbescheides gerichteten Klageantrag ist die Klage unzulässig, denn sie ist in dieser Fassung nicht statthaft.
1. Das Klagebegehren der Klägerin kann mit einer Verpflichtungsklage nicht erreicht werden, weil sich diese Klageart auf den Erlass eines Verwaltungsaktes richtet. Die streitgegenständliche Bundesstatistik ist jedoch nicht als Verwaltungsakt, sondern - wie veröffentlichte amtliche Statistiken im Regelfall - als bloße Bekundung amtlichen Wissens in der Form schlicht-hoheitlichen Handelns einzustufen, da ihr ein eigener Regelungscharakter fehlt. Sie ist selbst nicht geeignet, subjektive Rechte Betroffener zu begründen, aufzuheben, abzuändern oder verbindlich festzustellen und greift selbst nicht in Rechtspositionen Dritter ein.
Dass andere gesetzliche Vorschriften - wie unter anderem das Niedersächsische Gesetz über den Finanzausgleich - ihrerseits Rechtsfolgen an die statistisch fortgeschriebene Einwohnerzahl anknüpfen, begründet lediglich mittelbare Auswirkungen, nicht aber einen unmittelbaren Regelungscharakter der Bevölkerungsfortschreibung selbst. Auch die Mitteilung der statistisch fortgeschriebenen Einwohnerzahl zu einem bestimmten Stichtag zum Vollzug anderer gesetzlicher Vorschriften stellt angesichts dessen keine Regelung dar.
2. Dem erkennbaren Rechtsschutzbegehren der Klägerin entsprechend ist der Antrag jedoch in einen allgemeinen Leistungsantrag umzudeuten. Dass die Klägerin diese Fassung ihres Begehrens nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat, zeigt schon der Umstand, dass sie die Klage nach Erörterung der Rechtslage nicht mehr gegen den Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie des Beklagten, sondern gegen den Beklagten selbst richtet. Denn während der Landesbetrieb gem. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 8 Abs. 2 Nds. AGVwGO für eine Verpflichtungsklage passivlegitimiert wäre, ist der Beklagte der richtige Klagegegner für eine Leistungsklage, die gegen denjenigen Rechtsträger zu richten ist, der nach den Vorgaben des materiellen Rechts zur Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs verpflichtet ist (vgl. Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, Rn. 11 zu § 78; BVerwG, Urteil vom 28.8.2003 - BVerwG 4 C 9.02 -, [...] Rn. 7).
III. Als statthafte und auch im Übrigen zulässige allgemeine Leistungsklage ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Änderung der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes. Ein solcher Anspruch ist jedoch Voraussetzung für den Erfolg der allgemeinen Leistungsklage (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.1.1999 - BVerwG 8 B 164.90 -, [...] Rn. 4).
1. Dem Anspruch steht allerdings nicht schon entgegen, dass die für die Durchführung der streitgegenständlichen Bundesstatistiken maßgeblichen Rechtsvorschriften - das Bevölkerungsstatistikgesetz, das Bundesstatistikgesetz und das Niedersächsische Landesstatistikgesetz - keine Bestimmungen über die Berichtigung von Statistiken enthalten oder dahingehende Ansprüche Dritter formulieren.
Die Kammer geht vielmehr davon aus, dass ein Anspruch auf Berichtigung einer fehlerhaft geführten Statistik dann bestehen kann, wenn gesetzliche Vorschriften an diese Statistik konkrete Rechtsfolgen knüpfen, die ihrerseits konkrete Rechte oder Pflichten für den Einzelnen begründen. Denn solche Rechtsfolgen gehen materiell über eine bloße Reflexwirkung hinaus (aA.: VG Cottbus, Urteil vom 27.6.2013 - 1 K 951/10 -, [...] Rn. 46); sie treten in der Regel auch ein, ohne dass die Richtigkeit der zugrundeliegenden statistischen Daten noch einmal geprüft würde. Entsprechend kann ihnen regelmäßig auch die Unrichtigkeit der zugrundeliegenden statistischen Daten nicht entgegengehalten werden (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 29.10.1999 - 2 L 80/98 -, [...] Rn. 17).
Die Bedeutung, die der amtlichen Statistik damit zukommt, begründet höchste Ansprüche an die Genauigkeit und den Wahrheitsgehalt der bereitgestellten Daten. Ihnen kann die Statistik nur gerecht werden, wenn sie objektiv und neutral (§ 1 Satz 2 BStatG) und auf der Grundlage der jeweils sachgerechten Methoden (§ 2 Abs. 3 BStatG) geführt wird.
Neben der - selbstverständlichen - Verpflichtung der die Statistik führenden Behörden, die Statistik den geltenden rechtlichen und methodischen Vorgaben entsprechend zu führen, bestehen deshalb sowohl die Befugnis als auch eine Verpflichtung der Behörden, im gleichen Rahmen auch Fehler in der Statistik zu beseitigen, sobald diese erkannt werden.
Diese Berichtigung kann auch derjenige beanspruchen, der aufgrund einer fehlerhaften Statistik mittelbar Rechtsnachteile dadurch erleidet, dass gesetzliche Vorschriften ohne weitere Prüfung an die Daten der Statistik anknüpfen. Denn er macht nicht lediglich einen allgemeinen Normenvollziehungsanspruch geltend, den ihm die Rechtsordnung verwehrt (vgl. BVerfG, Urteil vom 12.9.2012 - 2 BvE 6/12, 2 BvR 1390/12, 2 BvR 1421/12, 2 BvR 1438/12, 2 BvR 1439/12, 2 BvR 1440/12 -, [...] Rn. 95), sondern ist in seiner eigenen Rechtsstellung dadurch betroffen, dass sich die fehlerhaften Daten der Statistik zwar erst durch einen weiteren Vollzugsschritt, dabei aber ohne inhaltliche Prüfung auf seine rechtlich geschützten Interessen auswirken. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts Cottbus, dass der Anspruch an die Richtigkeit und Verlässlichkeit der amtlichen Statistik nur im allgemeinen öffentlichen Interesse bestehe und nicht wenigstens auch zugunsten einer aufgrund konkreter Daten der Statistik mittelbar betroffenen Gemeinde (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 27.6.2013 - a. a. O. -, Rn. 57), teilt die Kammer angesichts dessen nicht.
2. Ein solchermaßen hergeleiteter Anspruch kann sich jedoch nur darauf richten, eine unter Verstoß gegen die rechtlichen oder methodischen Vorgaben erstellte und deshalb fehlerhafte Statistik ihrerseits methodengerecht und entsprechend der für sie maßgebenden materiell-rechtlichen Vorgaben zu berichtigen.
Nach diesem Maßstab kann die Klägerin die begehrte Änderung der Statistik nicht beanspruchen, weil weder diese im vorgenannten Sinne fehlerhaft ist noch die begehrte "Berichtigung" ihrerseits methodengerecht und mit den rechtlichen Vorgaben des Bevölkerungsstatistikgesetzes vereinbar wäre.
a. Dass die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes unter Verstoß gegen die maßgeblichen rechtlichen Vorschriften oder methodenwidrig erfolgt ist, ist nicht ersichtlich.
Nach § 5 BevStatG sind bei der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes auf der Grundlage der jeweils letzten allgemeinen Zählung der Bevölkerung nach den Ergebnissen der Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung und der Wanderungsstatistik die Bevölkerung insgesamt sowie die deutsche Bevölkerung nach Geschlecht, Alter und Familienstand festzustellen. Dahingehende Fehler - etwa bei der Übertragung der Ergebnisse der zugrundeliegenden Statistiken - sind weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar.
Die Einwände der Klägerin richten sich vielmehr gegen das Ergebnis der zugrundeliegenden Wanderungsstatistik. Für diese werden gem. § 4 BevStatG bei der An- und Abmeldung die Zu- und Fortzüge (Wohnungswechsel) sowie Änderungen des Wohnungsstatus erfasst. Hierzu sind gem. § 6 BevStatG seitens der Meldebehörden Ausfertigungen der Meldescheine an die Landesbehörden für Statistik zu übersenden. Diese sind Gegenstand der Auswertung. Dass dabei Meldescheine nicht, unvollständig oder unrichtig erfasst wurden, hat die Klägerin ebenfalls weder behauptet noch ist es sonst ersichtlich.
Die Klägerin meint vielmehr, die Wanderungsstatistik sei "objektiv falsch", weil die ihr zugrunde liegenden Meldescheine materiell unrichtig seien, indem sie fehlerhaft Fortzüge zulasten der Klägerin auswiesen. Damit verkennt die Klägerin die Aufgabe und die Funktionsweise der Wanderungsstatistik. Diese Statistik soll zwar die Wanderungsbewegung der Bevölkerung abbilden, dient darin aber der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes, der wiederum auf dem Ergebnis der letzten Volkszählung beruht. Wie bei der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes und der Volkszählung erfolgt deshalb auch bei der Wanderungsstatistik kein inhaltlicher Abgleich der erfassten Tatbestände mit den Melderegistern oder den tatsächlichen Verhältnissen. Die Wanderungsstatistik erfasst vielmehr die Meldungen über Wanderungsvorgänge, nicht aber die tatsächlichen Vorgänge selbst. Entsprechend wird sie nicht dadurch unrichtig, dass ein Meldeschein einen tatsächlichen Wanderungsvorgang nicht zutreffend wiedergibt, solange dieser Meldeschein seinem tatsächlichen Inhalt entsprechend statistisch erfasst wird. Dies räumt mittelbar auch die Klägerin ein, wenn sie die Unrichtigkeit des "Gesamtsystems" geltend macht, die sich bei einer Betrachtung zeige, die über das System der Bevölkerungsstatistiken hinaus auch das Meldewesen einbeziehe.
b. Der damit geltend gemachte Anspruch auf Änderung der Wanderungsstatistik aus systemübergreifenden Richtigkeitserwägungen lässt sich nicht auf eine Anspruchsgrundlage stützen, die selbst gerade aus den Grundsätzen der Objektivität und der Neutralität und den daraus folgenden Geboten der Rechtskonformität und der Methodengerechtigkeit hergeleitet ist.
aa. Denn schon die rechtlichen Vorgaben für die Erstellung der Wanderungsstatistik sehen die Erfassung anderer Tatbestände als der Meldescheine nicht vor. Das ergibt sich zweifelsfrei aus § 6 BevStatG, der wiederum § 4 BevStatG konkretisiert. Der Grundsatz der Objektivität und das Gebot der Methodengerechtigkeit wiederum stehen einer Änderung der Wanderungsstatistik entgegen, die auf gesetzlich nicht vorgesehenen, externen Erkenntnisquellen beruht. Die von der Klägerin angestrebte Änderung im Sinne einer "Richtigkeit des Gesamtsystems" führte dazu, Probleme des Subsystems "Meldewesen" innerhalb des Subsystems "Statistik" zu lösen. Das Subsystem "Statistik" ist jedoch durch die strengen Vorgaben der Objektivität, Neutralität und Methodengerechtigkeit ein in sich geschlossenes System.
bb. Die Klägerin kann deshalb nicht verlangen, dass die Wanderungsstatistik und dem folgend die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes in dem Umfang geändert wird, in dem sie fehlerhaft erfasste Wanderungsfälle zwar beanstandet hat, diese aber noch nicht durch berichtigte Meldescheine korrigiert worden sind. Denn die beanstandete Differenz findet nicht in den vorliegenden Meldescheinen und Korrekturmeldungen Niederschlag, sondern besteht zwischen dem eigenen Melderegister der Klägerin und den Mitteilungen des Landesbetriebs für Statistik und Kommunikation des Beklagten über die statistisch erfassten Fortzüge. Keine dieser Erkenntnisquellen hat die Wanderungsstatistik zu erfassen.
Änderungen der Statistik kann die Klägerin nur dadurch erreichen, dass sie innerhalb des Subsystems "Meldewesen" weiter auf die Korrektur der fehlerhaften Meldungen hinwirkt und so Tatbestände herbeiführt, die in der Wanderungsstatistik berücksichtigt werden können und müssen. Nur so lässt sich im Übrigen auch die von der Klägerin angestrebte "Richtigkeit des Gesamtsystems" erreichen. Die von der Klägerin begehrte Änderung der Bevölkerungsstatistiken ohne vorherige Korrektur der Meldevorgänge hätte dagegen die Inkonsistenz gleich zweier Systeme zur Folge. Die durch die begehrte Änderung entstehende Unrichtigkeit der Statistiken wäre auch nicht durch eine Art "Fehlerkongruenz" auf die schlichte Kompensation der Fehler innerhalb des Meldewesens begrenzt. Denn die Klägerin begehrt nur die Änderung ihrer eigenen Einwohnerzahl, nicht auch eine entsprechende Verringerung der Einwohnerzahl der Stadt Marl, die bei der statistischen Erfassung korrigierter Meldescheine erfolgen würde. Damit würde die Wanderungsstatistik und mit ihr die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes bundesweit nicht nur methodisch, sondern auch materiell unrichtig, weil sie einen tatsächlich nicht eingetretenen Bevölkerungszuwachs auswiese.
cc. Entsprechendes gilt für das Begehren der Klägerin, die bereits korrigierten Meldescheine nicht erst ab dem Zeitpunkt ihres Eingangs bei den Landesämtern für Statistik, sondern schon ab dem Zeitpunkt des tatsächlichen Zu- und Fortzugs zu erfassen. Die Wanderungsstatistik und mit ihr die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes sind bis zum Zeitpunkt des Eingangs eines korrigierten Meldescheins nicht unrichtig, weil sie den zuvor eingereichten (materiell unrichtigen) Meldeschein inhaltlich zutreffend erfasst und gezählt haben. Auch insoweit ist nach den unmissverständlichen rechtlichen Vorgaben des § 6 BevStatG nicht der tatsächliche Wanderungsvorgang statistisch zu erfassen, sondern der Meldeschein.
Außerdem hätte auch eine rückwirkende Änderung der Bevölkerungszahl zur Folge, dass Wanderungsstatistik und Fortschreibung des Bevölkerungsstandes gleichermaßen nicht nur methodisch, sondern - zumindest vorübergehend - auch materiell unrichtig würden. Schon denklogisch ist kein konkretes Datum bestimmbar, zu dem ein unrichtig gemeldeter Fortzug "nicht erfolgt" ist. Das Datum des tatsächlichen Fortzugs in die andere Gemeinde mag anhand des Anmeldevorgangs ermittelbar sein, es wird aber nicht in der Wanderungsstatistik erfasst. Vielmehr könnte rückwirkend allenfalls auf den Zeitpunkt zurückgegriffen werden, zu dem der unrichtige Meldeschein statistisch erfasst worden ist. Das ist im Fall der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes der letzte Tag des jeweiligen Berichtsmonats (vgl. Nr. 1.2 des Qualitätsberichts des Statistischen Bundesamts zur Fortschreibung des Bevölkerungsstandes (S. 3), abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Qualitaetsberichte/Bevoelkerung/Bevoelkerungsfortschreibung.pdf, zuletzt abgerufen am 11.10.2013). Die Verbuchung eines Wanderungsfalls in der zugrundeliegenden Wanderungsstatistik erfolgt in dem Monat, in dem die Bearbeitung von dem zuständigen Statistischen Landesamt (nach Prüfung und ggf. Klärung der fehlerhaften oder fehlenden Angaben) abgeschlossen wird (vgl. Nr. 1.3 des Qualitätsberichts des Statistischen Bundesamts zur Wanderungsstatistik (S. 3), abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Qualitaetsberichte/Bevoelkerung/Wanderungsstatistik.pdf, zuletzt abgerufen am 11.10.2013). Zwischen einem Wanderungsfall und seiner statistischen Erfassung können dadurch mehrere Wochen liegen.
Würde eine Korrekturmeldung schon ab dem Zeitpunkt des Wanderungsfalls (das heißt mangels tatsächlichen Fortzugs: ab dem Zeitpunkt der Anmeldung am Zuzugsort) erfasst, hätte dies nicht nur den "Ausgleich" einer zuvor erfassten, tatsächlich nicht eingetretenen Abmeldung zur Folge, sondern eine "Überkompensation" dahingehend, dass die statistische Einwohnerzahl der Klägerin um einen Einwohner erhöht würde, bevor sie überhaupt aufgrund der unrichtigen Abmeldung reduziert wurde. Die statistisch fortgeschriebene Einwohnerzahl wäre deshalb für den Zeitraum zwischen dem tatsächlichen Wanderungsfall und seiner statistischen Erfassung vorübergehend um einen Einwohner zu hoch. Der gleiche Effekt träte dadurch ein, dass die Korrekturmeldungen im Übrigen methodisch richtig erst zum Zeitpunkt ihres Vorliegens zulasten der Gemeinden verbucht würden, aus denen der Fortzug tatsächlich erfolgt ist.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
V. Die Berufung ist gem. § 124 a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Rechtsfrage, ob und in welchem Umfang eine Gemeinde die Änderung der Bevölkerungsstatistiken verlangen kann, über den konkreten Fall der Klägerin hinaus grundsätzliche Bedeutung hat und obergerichtlich bisher nicht abschließend geklärt ist.