Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.03.2009, Az.: 12 LA 199/07
Arbeiten, einfache; Instandhaltung; Luftfahrtgerät; Wartung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.03.2009
- Aktenzeichen
- 12 LA 199/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 45310
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:0316.12LA199.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 14.03.2007 - AZ: 2 A 344/05
Rechtsgrundlagen
- 6 Nr 2
- 9 I 3 LuftBO
- 14 II
- 16 I LuftGerPV
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Austausch, die Montage und Demontage der Ventile von Gasflaschen für Heißluftballone erst im Zuge der Jahresprüfung des Luftfahrzeugs der Überprüfung bedürfen. Demgegenüber vertritt die Beklagte die Auffassung, eine solche Prüfung sei unmittelbar nach den entsprechenden Arbeiten und noch vor der Inbetriebnahme der Druckgasbehälter erforderlich.
Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Feststellungsklage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Bei einfachen Kontrollen und Arbeiten im Rahmen der Wartung könne die Nachprüfung zusammengefasst bei der Jahresnachprüfung durchgeführt werden. Bei den streitgegenständlichen Arbeiten des Klägers handele es sich um solche einfachen Arbeiten. Die von der Beklagten zur Stützung ihrer Rechtsansicht angeführte Vorschrift des § 16 Abs. 1 der Verordnung zur Prüfung von Luftfahrgerät (LuftGerPV) enthalte demgegenüber keine Aussagen hinsichtlich des Zeitpunktes der Nachprüfung nach einer Wartung und auch aus den von ihr angeführten Verordnungen (EG) Nr. 1702/03 und (EG) Nr. 2041/2003 ließe sich nicht das Gebot einer früheren Überprüfung entnehmen. Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung.
Gründe
II.
Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
1. Zur Begründung von ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils macht die Beklagte geltend, das Verwaltungsgericht habe den Begriff der "einfachen Kontrollen und Arbeiten im Rahmen der Wartung" nach § 9 der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (LuftBO) sowie den Bedeutungsgehalt des § 16 Abs. 1 LuftPersVG verkannt. Ferner sei es zu Unrecht davon ausgegangen, die Verordnung (EG) Nr. 1702/2003 Abschnitt M sei bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen. Diese Einwände greifen nicht durch.
a) Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei den hier streitgegenständlichen Arbeiten um "einfache Kontrollen und Arbeiten im Rahmen der Wartung" i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO handelt und danach die Nachprüfung nach der Verordnung zur Prüfung von Luftfahrtgerät (LuftGerPV) erst mit der Jahresendprüfung erforderlich ist, ist nicht zu beanstanden. Soweit die Beklagte meint, bei der Auslegung des Begriffes der "einfachen Kontrollen und Arbeiten im Rahmen der Wartung" i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO müsse - statt auf die technische Ausführung - auf die mögliche Beeinträchtigung der Luftverkehrssicherheit abgestellt werden, überzeugt dies nicht. Zwar dürfte es nicht ausreichen, dass die betreffenden Arbeiten i.S.d. § 6 LuftBO "bei der Wartung" durchzuführen sind, sondern es ist - mit dem Verwaltungsgericht - davon auszugehen, dass sich das Merkmal "einfach" in § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO nicht nur auf die "Kontrollen", sondern auch auf die "Arbeiten bei der Wartung" erstreckt, mithin § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO "einfache Arbeiten" voraussetzt. Andernfalls bedürfte es nämlich der Begrenzung auf "einfache Kontrollen und Arbeiten im Rahmen der Wartung" nicht. Vielmehr hätte der Verordnungsgeber ohne weiteres Tatbestandsmerkmal an § 9 Abs. 1 Satz 2 LuftBO anknüpfen können "in diesem Fall"), denn danach ist die Befugnis sachkundiger Personen ohnehin auf die "Wartung einschließlich kleinerer Reparaturen" begrenzt.
Die Auslegung des Verwaltungsgerichts, eine "einfache Arbeit" i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO liege vor, begegnet gleichwohl keinen Bedenken. Schon der Wortlaut legt es nahe, bei der Abgrenzung einer "einfachen" von einer "schwierigen" Arbeit auf die Art der Arbeit abzustellen und nicht - wie die Beklagte geltend macht - auf die Auswirkungen, die eine Arbeit auf die Lufttüchtigkeit hat. Außerdem knüpft der Verordnungsgeber auch an anderer Stelle an die Ausführung der Arbeit an, nämlich mit welchen (einfachen oder komplexen) Mitteln die Arbeit sie durchgeführt werden kann (§ 6 Nr. 2 LuftBO) ohne zu berücksichtigen, welche Auswirkungen diese unter Umständen hat. Ausweislich der Begründung zu § 9 der LuftBO hat der Verordnungsgeber bei der Befugnis zur Durchführung der Instandhaltungsarbeiten bewusst zum einen an die "Art der Instandhaltung" und zum anderen an die "Art des Luftfahrtgerätes" angeknüpft und "die für die Sicherheit des Luftverkehrs bedeutsamsten Arbeiten auf anerkannte luftfahrttechnische Betriebe beschränkt" (vgl. BR-Drs. 592/69 S. 4). Wohl wegen des unterstellten geringeren Risikopotentials hat er dann aufgrund einer typisierenden Bewertung vorgesehen, dass "Wartungen und kleinere Reparaturen ... an kleinerem Luftfahrtgerät ... auch von sachkundigen Personen vorgenommen" werden dürfen (vgl. BR-Drs. 592/69 S. 4), "große Reparaturen" i.S.d. § 8 LuftBO (und die Überholung nach § 7 LuftBO) dagegen nur in anerkannten luftfahrttechnischen Betrieben zulässig sind. Wenn der Verordnungsgeber vor diesem Hintergrund dann aber bei der Abgrenzung der "kleinerer Reparatur" von der "großen" einzig auf die Art der Mittel "mit einfachen Mitteln" § 6 Nr. 2 LuftBO) abstellt, so spricht Überwiegendes dafür, dass auch bei der Auslegung des vergleichbaren Tatbestandsmerkmals "einfache Arbeit" i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO die Schwierigkeit der technischen Ausführungen und nicht die (konkreten) Auswirkungen auf die Lufttüchtigkeit maßgebend sein sollen. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, bei dieser Betrachtung unterfielen alle bei der Wartung durchzuführenden Arbeiten i.S.d. § 6 LuftBO zugleich § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO und durch das Merkmal "einfach" erfolge gerade keine Begrenzung mehr. Anders als § 6 Nr. 2 LuftBO erfasst § 6 Nr. 1 nämlich sämtliche planmäßigen Kontrollen und Arbeiten unabhängig davon, ob diese mit "einfachen Mitteln" ausgeführt werden können. Zudem ist bei dieser Betrachtung nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall auch "mit einfachen Mitteln" i.S.d. § 6 Nr. 2 LuftBO vorgenommene Arbeiten hinsichtlich der technischen Ausführung komplex und deshalb nicht als "einfache Arbeit" i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO anzusehen sind.
b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts werden auch durch den Hinweis der Beklagten auf die Verordnung (EG) Nr. 1702/2003 (Amtsblatt L 243/6) nicht geweckt. Dabei kann dahinstehen, ob eine EG-Verordnung aus dem Jahr 2003, die in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht und hier - auch nach Auffassung der Beklagten - nicht einschlägig ist, überhaupt als Auslegungskriterium der aus dem Jahre 1970 stammenden LuftBO zu dienen geeignet ist. Die überzeugenden Darlegungen des Verwaltungsgerichts, aus der dortigen Definition der Reparatur lasse sich für die Auslegung des § 9 Abs. 1 LuftBO schon deshalb nichts herleiten, weil die Verordnung (EG) Nr. 1702/2003 selbst zwischen Reparaturen und - im vorliegenden Fall einschlägigen - Instandhaltungsarbeiten unterscheidet, werden durch den Vortrag der Beklagten nicht ernsthaft in Frage gestellt. Soweit die Beklagte geltend macht, auch wenn bestimmte Reparaturen wegen Anhang Teil 21 Hauptabschnitt A Abschnitt M 21A.431c) der Verordnung als Instandsetzungsarbeiten anzusehen seien und deshalb keiner Genehmigung bedürften, so handele es sich "in rechtlicher Hinsicht" gleichwohl um Reparaturen mit der Folge, dass die in 21A.435a) genannten Kriterien anwendbar seien, so überzeugt dies nicht. Die Verordnung befasst sich in dem hier relevanten Abschnitt M mit Reparaturen und legt gemäß 21A.431a) "durch den vorliegenden Abschnitt" das Verfahren zur Genehmigung von Reparaturverfahren sowie die Rechte und Pflichten der Antragsteller und der Inhaber solcher Genehmigungen fest. Wenn aber nach 21A.431c) der Verordnung bestimmte Reparaturen als Instandhaltungsarbeiten gelten und deshalb gerade keiner Genehmigung bedürfen, kann aus dem "vorliegenden Abschnitt" - und somit auch der von der Beklagten angeführten Regelung 21A.435a) - für sie auch nichts hergeleitet werden.
c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts werden auch nicht geweckt durch den Vortrag der Beklagten, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, § 16 Abs. 1 LuftGerPV gebe keinen Aufschluss hinsichtlich des Nachprüfungszeitpunktes nach Wartungsarbeiten. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich zwar nicht - wie die Beklagte geltend macht - aus § 16 Abs. 1 LuftGerPV wohl aber aus § 14 Abs. 2 LuftGerPV das Gebot einer fortlaufenden Kontrolle entnehmen lässt. Gemäß § 14 Abs. 2 LuftGerPV erfolgen nämlich Nachprüfungen bei der Instandhaltung und der Änderung des Luftfahrtgeräts nach § 16. Gleichwohl ist - mit dem Verwaltungsgericht - davon auszugehen, dass eine Nachprüfung bei den streitgegenständlichen Arbeiten erst bei der Jahresendprüfung erfolgen muss. Der hier einschlägige § 9 Abs. 1 S. 3 LuftBO ist nämlich als spezielle Regelung zu § 14 Abs. 2 LuftGerPV zu werten. § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO geht schon dem Wortlaut nach davon aus, dass grundsätzlich eine Pflicht zur unverzüglichen Nachprüfung besteht und nur unter den engen, dort normierten Voraussetzungen "einfache Kontrollen und Arbeiten", "in diesem Fall") davon abweichend die Nachprüfungen bei der Jahresendprüfung zusammengefasst werden können. Mit der Verweisung auf die Bestimmungen der Betriebsordnung für Luftfahrtgerät bezieht auch § 16 Abs. 1 LuftGerPV die Sonderregelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO ausdrücklich in den Regelungszusammenhang ein.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Soweit die Beklagte zur Begründung insoweit geltend macht, es sei eine Auslegung der anzuwendenden Rechtsnormen unter Berücksichtigung europäischer Rechtsnormen erforderlich, ist dieser Vortrag schon nicht geeignet, besondere rechtliche Schwierigkeiten i.S.d. § 124a Abs. 4 Satz 3 VwGO darzulegen. Die Auslegung der anzuwendenden Rechtsnormen ist jeder richterlichen Rechtsanwendung immanent und europäische Normen sind - wie unter 1. dargelegt - für die Auslegung gerade nicht relevant. Davon abgesehen sind besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache auch anderweitig nicht zu erkennen.
3. Der von der Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und zumindest einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (st. Rspr.d. Sen.). Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag der Beklagten schon deshalb nicht gerecht, weil er zur Begründung dieses Merkmals schon keine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert. Darüber hinaus ist auch dann nicht von einer grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auszugehen, wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, diese hielte es für klärungsbedürftig, wie der Begriff der "einfachen Arbeit" i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftBO zu definieren sei. Wann eine Arbeit als "einfach" im Sinne dieser Vorschrift einzustufen ist, ist nämlich einer fallübergreifenden Klärung nicht zugänglich, sondern hängt jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Dementsprechend hat auch das Verwaltungsgericht keine abstrakte Feststellungen zur Frage der "einfachen Arbeit" getroffen, sondern die Montage und Demontage von Ventilen von Gasflaschen in Heißluftballonen in diesem Einzelfall als "einfach" bewertet. Selbst wenn man schließlich zugunsten der Beklagten davon ausgeht, diese habe in einer den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise die Frage als klärungsbedürftig aufgeworfen, ob bei der Auslegung des Merkmals "einfache Arbeit" neben der technischen Ausführung auch die potentielle Berührung der Lufttüchtigkeit zu berücksichtigen ist, so verhilft auch dies dem Antrag nicht zum Erfolg. Diese Frage lässt sich nämlich - wie unter 1. dargelegt - anhand der Norm (hier der Verordnung) beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).