Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.09.2012, Az.: 7 A 4182/12
Rechtsweg; Verstoß im Straßenverkehr; Verwarnung; Verweisung; Vorbeugender Rechtsschutz
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 28.09.2012
- Aktenzeichen
- 7 A 4182/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 44319
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 17a GVG
- § 40 VwGO
- § 56ff OWiG
- § 62 OWiG
- § 68 OWiG
Tenor:
Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Oldenburg verwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
Für das Begehren des Klägers ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 VwGO nicht eröffnet.
Dieses lautet nach der Klageschrift vom 16. August 2012 (Blatt 2 der Gerichtsakte) wörtlich,
"die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, gebührenpflichtige Verwarnungen gegen den Kläger wegen vermeintlichen Parkens im Halteverbot (Zeichen 283) an der linken Häuserseite des Objektes …, …, auszusprechen -
(Hilfsweise: Festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, an der besagten Örtlichkeit gebührenpflichtige Verwarnungen auszusprechen.)"
Gemäß § 40 Abs.1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg nur gegeben für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Letzteres ist hier der Fall. Für das Begehren des Klägers ist der Rechtsweg zum Amtsgericht eröffnet. Gemäß §§ 62 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 iVm. 68 Abs. 1 Satz 1 OWiG entscheidet das Amtsgericht in allen Bußgeldangelegenheiten. Dies gilt auch für das einem Bußgeldverfahren im Einzelfall vorangehende Verwarnungsverfahren gemäß §§ 56 ff OWiG.
Hinsichtlich des mit Blick auf Verwarnungen nach dem OWiG wegen Verstößen im Straßenverkehr - wie hier - gegebenen nachträglichen Rechtsschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht dies geklärt, soweit es wörtlich (BVerwG, Beschluss vom 5. März 1993 - 11 ER 400/93 - juris) festgehalten hat:
"Zwar wurde zu den "gebührenpflichtigen Verwarnungen", die auf der Grundlage des früheren § 22 StVG ergingen, allgemein die Auffassung vertreten, gegen die Erteilung einer solchen Verwarnung sei der Verwaltungsrechtsweg gegeben (vgl. BVerwGE 24, 8 [BVerwG 25.03.1966 - BVerwG VII C 157.64]). Die in § 56 OWiG 1968 geregelte "Verwarnung mit Verwarnungsgeld" gehört aber nach der in Rechtsprechung und Literatur heute herrschenden Ansicht zum Bußgeldverfahren im weiteren Sinne mit der Folge, daß die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verwarnung gemäß den §§ 62 und 68 OWiG dem Amtsgericht zugewiesen ist (vgl. z.B. Göhler, OWiG, 10. Aufl. 1992, § 56 Rdnr. 37; Karlsruher Kommentar <Wache>, OWiG, 1989, § 56 Rdnr. 26; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 31. Aufl. 1991, § 27 StVG Rdnr. 36, jeweils m.w.Nachw.)."
Auch für einen insoweit vorbeugenden Rechtsschutz, wie er hier mit Unterlassungs-, hilfsweise Feststellungsbegehren geltend gemacht wird, ist der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben (und der Rechtsweg zum Amtsgericht eröffnet), was zwar in der Kommentarliteratur abgelehnt wird, soweit es nämlich, allerdings ohne Nachweis aus der Rechtsprechung bei Kopp/Schenke (VwGO, Kommentar, 17. Aufl. 2011, Rdnr. 48 zu § 40) -noch- heißt, dass keine Zuständigkeit der "Strafgerichte" für "die (im Verwaltungsrechtsweg zulässige) Unterlassungsklage" gegen den von einer Behörde angekündigten ("angedrohten") Erlass eines Bußgeldbescheids anzunehmen sei. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, soweit bekannt, bejaht dies aber, wie zum Beispiel das Verwaltungsgericht Stuttgart, das dazu wörtlich auf Folgendes abstellt (Beschluss vom 18. August 2006 - 10 K 4317/05 -, juris):
"Die Anträge haben weder in der vom Antragsteller gewählten Form noch bei einer den Interessen des Antragstellers entsprechenden Auslegung des Gerichts - nämlich der Vermeidung eines Bußgeldes im beim Amtsgericht anhängigen Ordnungswidrigkeitenverfahren wie auch eines Widerrufs seiner Fahrschulerlaubnis - Erfolg.
In der vom Antragsteller gestellten Form sind die Anträge bereits deshalb unzulässig, weil der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten (§ 40 Abs. 1 VwGO) nicht eröffnet ist. Mit seinem ersten Antrag möchte der Antragsteller erreichen, dass der Antragsgegnerin ein bestimmtes Verhalten, nämlich der Erlass eines Bußgeldbescheides, untersagt wird. Ob die zuständige Ordnungsbehörde ein bestimmtes Verhalten als bußgeldbewehrt ansieht und daher einen Bußgeldbescheid erlässt, fällt allein in ihre Kompetenz und kann durch präventive gerichtliche Entscheidungen nicht beeinflusst werden. In Bußgeldstreitigkeiten ist allein nachträglicher Rechtsschutz im Wege des Einspruchs (§ 67 OWiG) und bei dessen Erfolglosigkeit vor den Amtsgerichten (§§ 68 Abs. 1, 69 Abs. 2) mit dem Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zum OLG (§ 79 OWiG) vorgesehen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 07.05.1987 - 3 C 53.85 -, BVerwGE 207, 209 = NVwZ 1988, 430). Diesen Rechtsschutz nimmt der Antragsteller im vorliegenden Fall auch in Anspruch. Ein darüber hinausgehender individueller Rechtschutz vor der Entscheidung darüber, ob ein Bußgeldbescheid erlassen wird oder nicht, ist gesetzlich nicht vorgesehen und von Rechts wegen, insbesondere unter dem Gerichtspunkt der allgemeinen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, auch nicht geboten. Da die Anträge 2 bis 4 lediglich als Unterpunkte des ersten Antrags, nämlich als in Antragsform gefasste Erläuterungen, aus welchem Grund die Antragsgegnerin aus Sicht des Antragstellers das Verhängen von Bußgeldern unterlassen möge, zu verstehen sind, können sie nicht vom ersten Antrag getrennt behandelt werden. Sie teilen daher dessen Schicksal.
Der Zweck des vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart anhängig gemachten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ist es erkennbar, zum einen den dem Antragsteller drohenden Bußgeldbescheid abzuwenden und zum anderen die Antragstellerin davon abzubringen, weitere Bußgeldbescheide in derselben Sache zu erlassen oder ihm sogar die Fahrschulerlaubnis zu entziehen. Hinsichtlich beider Ziele ist dieses Eilverfahren jedoch auch dann, wenn die von ihm gestellten Anträge diesen Zwecken entsprechend ausgelegt werden (§ 88 VwGO), nicht zulässig.
... Soweit daraus aber die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Sanktionen im Rahmen der Überwachung unmittelbar folgt, könnte darin ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis gesehen werden, nämlich das subjektive öffentliche Recht des Antragstellers, durch die Antragsgegnerin nicht zu Unrecht mit Sanktionen belegt zu werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 43 Rdnr. 11 und 13: Feststellung des Rechts, sich in bestimmter Weise zu verhalten).
… Erstens sind die ordentlichen Gerichte - hier das Amtsgericht - dazu aufgerufen und berufen, im Rahmen der Prüfung der Berechtigung eines Bußgeldbescheides auch die verwaltungsrechtlichen Vorfragen in den Blick zu nehmen und über das objektive Vorliegen eines Verstoßes ebenso zu entscheiden, wie dies durch den Antragsteller vom Verwaltungsgericht begehrt wird. Dass die Sachnähe bei den Verwaltungsgerichten größer sei (so VGH Kassel, Urteil vom 17.12.1985 - 9 UE 2162/85 -, NVwZ 1988, 445, 446 [BVerwG 10.12.1987 - BVerwG 5 C 32/85], zustimmend Lässig, NVwZ 1988, 410, 411 [BVerwG 07.05.1987 - BVerwG 3 C 53.85]), mag aus praktischer Sicht plausibel klingen, ist aber kein rechtliches Argument. Zweitens wäre das Amtsgericht durch einen - unterstellt: dem Antragsteller günstigen - Beschluss des Verwaltungsgerichts in keiner Weise gebunden. Darüber, ob ein Bußgeldbescheid zu Recht ergangen ist, entscheidet allein das zuständige Strafgericht (BVerwG, Urteil vom 13.01.1969 - 1 C 86.64 -, BVerwGE 31, 177-181 = Buchholz 310 § 43 Nr. 31; Dickersbach, GewArch 1989, 41, 48 und Fn. 54 m.w.Nachw.). Selbst wenn eine Bindung an die Frage nach dem verwaltungsrechtlich Zulässigen - als Vorfrage - angenommen würde (so Lässig, NVwZ 1988, 411, 412), so würde diese Annahme nicht zum Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses führen, denn diese Bindungswirkung könnte allein von einem - der Rechtskraft fähigen - Urteil, nicht aber von einem Beschluss als Ergebnis eines Eilverfahrens ausgehen, der nicht in gleicher Weise in Rechtskraft erwächst, sondern immer unter dem Vorbehalt des Ergebnisses der Hauptsache steht (Kopp/Schenke, a.a.O., § 123 Rdnr. 41 f.).
Auch dass vom Bundesverwaltungsgericht bei drohender Sanktionierung eines bestimmten Verhaltens ein rechtlich relevantes besonderes Interesse an einer vorbeugenden Feststellung bejaht worden ist (Urteil vom 13.01.1969 - I C 86.64 -, BVerwGE 31, 177-181 = Buchholz 310, § 43 VwGO Nr. 31), kann im konkreten Fall nicht zur Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses führen. In jenem Urteil wird die Zulässigkeit einer vorbeugenden Feststellungsklage deshalb bejaht, weil die dortige Klägerin ein berechtigtes Interesse daran habe, die Klärung der gegen die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens erhobenen Zweifel, deretwegen ihr ein Strafverfahren angedroht worden ist, „in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren und nicht auf der Anklagebank“ zu erleben. Zum einen ist das Ordnungswidrigkeitenverfahren, das nicht „kriminelles“ sondern bloßes „Verwaltungs“-Unrecht zum Gegenstand hat, mit dem Stigma einer „Anklagebank“ (1969!) nicht zu vergleichen, und zum anderen kann dem Antragsteller das Bußgeldverfahren durch die inhaltliche Bescheidung des vorliegend anhängigen Antrags nicht erspart werden, denn es war bereits beim Amtsgericht anhängig, bevor der Antragsteller einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht stellte (vgl. dazu VG Frankfurt, Urteil vom 11.02.1987 - III/1 - 1447/86 -, NVwZ 1988, 470).
… Hier käme - unabhängig von der Frage ihrer Zulässigkeit - als Hauptsache allein eine vom Antragsteller noch zu erhebende vorbeugende Feststellungsklage in Betracht, …
Hinsichtlich künftig drohender Bußgeldbescheide ist auf die Ausführungen zum laufenden Bußgeldverfahren zu verweisen. …."
So liegt der Fall hier.
Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG und wegen der ausdrücklich nach § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG erhobenen Rüge der Beklagten ist gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG über den Rechtsweg im Beschlusswege zu befinden, nach zudem nun übereinstimmenden Anträgen beider Seiten der Verwaltungsrechtsweg für unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit an das Amtsgericht Oldenburg zu verweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt gemäß § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG dem Amtsgericht Oldenburg vorbehalten.