Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 05.09.2012, Az.: 5 A 1368/11

Bestattung; Kindeswohlgefährdung; Sorgerechtsentzug; Unbilligkeit

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
05.09.2012
Aktenzeichen
5 A 1368/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44456
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die behördliche Anordnung der Urnenbestattung gegenüber der leiblichen Tochter des Verstorbenen ist ausnahmsweise unbillig, wenn dem Verstorbenen (gleichzeitig mit dem anderen Elternteil) das Sorgerecht gemäß § 1671 Abs. 5 GBG a.F. (i.d.F. des Gesetzes vom 18. Juli 1957, BGBl. I S. 609) gerichtlich entzogen worden war, weil damit sinngemäß eine Kindeswohlgefährdung durch das Verhalten des Verstorbenen festgestellt worden war.

Gestörte oder zerrüttete Familienverhältnisse, fehlende Bindung und vernachlässigte familiäre Pflichten begründen allein ebenso wenig eine Unbilligkeit, wie das Ausschlagen des Erbe des Verstorbenen.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung der Bestattung ihres verstorbenen Vaters.

Die am … August 1968 geborene Klägerin ist die Tochter des am 30. April 2011 in B. verstorbenen Herrn K.. Der Verstorbene hinterlässt noch zwei weitere Söhne. Den Bruder der Klägerin, Herrn K. (geb. am ... Juli 1967 in B.) sowie den Halbbruder der Klägerin, Herrn K. (geb. am ... Dezember 1978 in V.). Der Verstorbene war zum Zeitpunkt seines Ablebens von allen seinen Ehefrauen geschieden. Zu seinen Kindern unterhielt er keinen Kontakt. Er hatte auch keine Unterhaltsleistungen erbracht.

Die Klägerin kam mit ihrem Bruder, Herrn K., sowie zwei weiteren Halbgeschwistern mütterlicherseits 1970 in ein Kinderheim, nachdem ihre Mutter sie und die eben genannten Geschwister bei ihren Großeltern, den Eltern des Verstorbenen, ausgesetzt hatte. Anschließend ist das Sorgerecht auf ihre Tante, Frau S. - die Schwester des Verstorbenen -, übertragen worden. Bei dieser hatte die Klägerin mit ihrem Bruder bis ca. 1975 gewohnt. Im Anschluss zogen sie zu ihren Großeltern.

Die Beklagte erfuhr am 5. Mai 2011 von dem Tod des Verstorbenen und bemühte sich etwaige Bestattungspflichtige aufzufinden. Nachdem sie Angehörige innerhalb der gesetzlichen Frist für die Bestattung nicht ermitteln konnte, veranlasste sie am 6. Mai 2011 die Einäscherung des Verstorbenen, die am 18. Mai 2011 erfolgte. Mit Bescheid vom 19. Mai 2011 ordnete die Beklagte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gegenüber der Klägerin an, die Urne mit den Ascheresten des Verstorbenen bis spätestens zum 18. Juni 2011 auf eigene Kosten beisetzen zu lassen. Zudem drohte sie die Ersatzvornahme an, ohne die Höhe der gegebenenfalls zu tragenden Kosten zu beziffern. Nachdem die Klägerin dem nicht nachkam, veranlasste die Beklagte die Beisetzung der Urne am 12. Juli 2011. Die Kosten der Bestattung belaufen sich auf ca. 1.994,-- Euro.

Nachdem die Klägerin Kenntnis von dem Tod ihres Vaters erlangt hat, hat sie die Erbschaft ausgeschlagen.

Die Beklagte hat mit Bescheiden vom 6. Dezember 2011 gerichtet an den Bruder der Klägerin, Herrn K., und vom 11. April 2012 gerichtet an den Halbbruder der Klägerin, Herrn K., diese zur Zahlung der Bestattungskosten aufgefordert. Die Kostenheranziehungsbescheide sind mittlerweile in Bestandskraft erwachsen. Beide Brüder haben noch keine Zahlungen getätigt. Die Beklagte betreibt nunmehr gegenüber Herrn K. die Vollstreckung.

Die Klägerin hat am 21. Juni 2011 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Beiden Elternteilen sei das Sorgerecht wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen worden. Zudem habe die Beklagte bereits zwei Kostenschuldner bezüglich der Bestattungskosten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 19. Mai 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und trägt ergänzend vor: Sie habe zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides keine Kenntnis von der Entziehung des Sorgerechts gehabt. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, entfalle die Bestattungspflicht nur in den Fällen, in denen das elterliche Sorgerecht gestützt auf die §§ 1666, 1666a BGB dauerhaft entzogen wurde. Hier sei das Sorgerecht dem Verstorbenen lediglich anlässlich einer Scheidung entzogen worden.

Das Gericht hat am 23. August 2012, durch die mit der Beweisaufnahme beauftragte Berichterstatterin, gemäß Beschluss vom 9. Juli 2012 Beweis durch Vernehmung der Zeugin S. erhoben. Wegen ihrer Einlassungen im Einzelnen wird auf dieSitzungsniederschrift über den Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage und zur Beweisaufnahme vom 23. August 2012 Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Sitzungsniederschrift über den Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage und zur Beweisaufnahme vom 23. August 2012 sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) entschieden werden konnte, ist begründet.

Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist zulässig. Obwohl der Verstorbene bereits auf Veranlassung der Beklagten beigesetzt wurde, hat sich der angefochtene Bescheid vom 19. Mai 2011 noch nicht erledigt. Denn die in ihr getroffene Anordnung der Bestattung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 Nds. Bestattungsgesetz (Nds. BestattG) hat noch rechtliche Wirkung. Sie beinhaltet die Feststellung der Bestattungspflicht der Klägerin, die Voraussetzung für einen Kostenersatzanspruch der Beklagten gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 Nds. BestattG gegen die Klägerin ist.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Beklagte hat zu Unrecht gegenüber der Klägerin die Bestattung ihres verstorbenen Vaters angeordnet.

Rechtsgrundlage für den Anordnungsbescheid der Beklagten vom 19. Mai 2011 ist § 8 Abs. 3 Nr. 2 Nds. BestattG. Danach haben für die Bestattung der verstorbenen Personen - sofern kein vorrangig heranzuziehender Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner vorhanden ist - die Kinder zu sorgen. Die von dem Verstorbenen rechtskräftig geschiedenen Ehefrauen gehören nicht (mehr) zum Kreis der Bestattungspflichtigen. Somit war die Klägerin als leibliches Kind des Verstorbenen grundsätzlich zur Bestattung nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 Nds. BestattG verpflichtet. Unbeachtlich ist, ob weitere gleichrangige Bestattungspflichtige vorhanden sind. In diesem Zusammenhang weist die Beklagte zutreffend auf die gesamtschuldnerische Haftung eines jeden von (möglicherweise) mehreren Kostenschuldnern hin.

Die Bestattungspflicht gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 Nds. BestattG setzt allein die Eigenschaft als Kind des Verstorbenen voraus. Insoweit kommt es grundsätzlich nicht auf ein tatsächlich bestehendes persönliches Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen an. Die Bestattungspflicht ist allein Ausfluss des familienrechtlichen Verhältnisses zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen.Bestattungspflichtig sind demnach auch nicht die Erben, sondern allein die Angehörigen, selbst wenn – wie hier – auf die Erbschaft verzichtet wurde. Die Bestimmung der Bestattungspflicht anhand objektiver Verwandtschaftsverhältnisse ist sachgerecht, da die Bestattungspflicht der Gefahrenabwehr dient. Ihre Bestimmung muss sich an objektiven Maßstäben orientieren, weil die zuständigen Gemeinden nicht innerhalb der Bestattungsfrist Ermittlungen und Untersuchungen über die tatsächlich bestehenden persönlichen Verhältnisse zwischen den Angehörigen und dem Verstorbenen durchführen und ggf. verifizieren können (vgl. für die entsprechend lautende Landesvorschrift: OVG Saarland, Urteil vom 27. Dezember 2007 - 1 A 40/07 -, juris). Die Bestattungspflicht der Kinder des Verstorbenen entfällt nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen OVG deshalb nur in eng begrenzten Ausnahmefällen. Zu Recht weist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es für das ausnahmsweise Entfallen der Bestattungspflicht nicht ausreicht, dass das Sorgerecht des Verstorbenen anlässlich einer Scheidung auf den anderen Elternteil übertragen worden ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 1. August 2008 - 8 LB 55/07 -).

Jedoch verkennt die Beklagte, dass hier kein dem zitierten Senatsbeschluss vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, sondern ein Ausnahmefall von der Bestattungspflicht im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung. Die Kammer ist überzeugt, dass dem Verstorbenen das Sorgerecht über die Klägerin wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen wurde und sich die Bestattungspflicht der Klägerin im Lichte der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 1. August 2008 – 8 LB 55/07 –, juris Rn. 20) als unzumutbar und unverhältnismäßig erweist. Danach entfällt die Bestattungspflicht zwar nicht allein deswegen, weil die Familienverhältnisse gestört oder gar zerrüttet waren bzw. sind (Beschluss vom 4. April 2008 - 8 LA 4/08 -), etwa seit Jahrzehnten jedwede familiäre Bindung zwischen dem Bestattungspflichtigen und dem Verstorbenen fehlt (Beschluss vom 19. Mai 2003 - 8 ME 76/03 -) oder der Verstorbene seine Unterhaltspflichten gegenüber dem Bestattungspflichtigen nicht erfüllt hat (vgl. Beschluss vom 13. Juli 2005 - 8 PA 37/05 -).

Jedoch wird der § 8 Abs. 3 Nr. 2 Nds. BestattG in den Fällen des Entzugs der elterlichen Gewalt wegen Gefährdung des Kindeswohls (§§ 1666, 1666 a BGB) teleologisch reduziert (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18. Dezember 2006 - 8 LA 131/06 -; Beschluss vom 1. August 2008 - 8 LB 55/07 -). Denn die gesetzlich geregelte Bestattungspflicht leitet sich aus dem Recht und der Pflicht im Rahmen der sog. „Totenfürsorge“ ab, die wiederum Ausfluss des familienrechtlichen Verhältnisses ist, dass den Verstorbenen bei Lebzeiten mit den Überlebenden verbunden hat, und das über den Tod hinaus fortdauernd gegenüber dem toten Familienmitglied Pietät und Pflege seines Andenkens gebietet (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18. Dezember 2006 - 8 LA 131/06 -). In dem Sonderfall des Entzugs des Sorgerechts gemäß §§ 1666, 1666a BGB entfällt die Bestattungspflicht, da ein solcher Sorgerechtsentzug ein schwerwiegendes Fehlverhalten der Eltern und eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls voraussetzt, wodurch das Eltern-Kind-Verhältnis beiderseits grundlegend zerstört ist (vgl. Nds. OVG a.a.O.).

Davon ausgehend sind hier besondere Umstände gegeben, die die Bestattungspflicht der Klägerin entfallen lassen. Die Kammer ist überzeugt, dass die elterliche Sorge dem Verstorbenen spätestens im Jahr 1972 wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen und in der Folgezeit auch nicht wieder erteilt worden ist. In den 70er Jahren wurde im Falle einer Scheidung in der Regel die elterliche Gewalt auf einen Elternteil übertragen. Gemäß § 1671 Abs. 1 BGB a.F. (i.d.F. des Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des Bürgerlichen Rechts vom 18. Juli 1957 <BGBl. I S. 609>) hatte das Vormundschaftsgericht zu bestimmen, welchem Elternteil die elterliche Gewalt über ein gemeinschaftliches Kind zustehen soll. Ergänzend bestimmte § 1671 Abs. 4 BGB a.F., dass die elterliche Gewalt in der Regel einem Elternteil allein übertragen werden sollte. Da die Übertragung des Sorgerechts von einem Elternteil auf den anderen - im Scheidungsfall - den gesetzlichen Regelfall darstellte, kann dieser Fall des Sorgerechtsentzugs keinen Sonderfall darstellen, der das Entfallen der gesetzlichen Bestattungspflicht rechtfertigt. Eine Übertragung des Sorgerechts anlässlich der Scheidung auf einen Elternteil ließ und lässt nicht den Schluss auf eine grundlegende, die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht aufhebende Zerstörung des Verhältnisses zwischen dem nicht mehr sorgeberechtigten Elternteil und seinem Kind zu (Nds. OVG, Beschluss vom 1. August 2008 - 8 LB 55/07 -). Ein solcher Sachverhalt, lag dem von der Beklagten zitierten Senatsbeschluss des Niedersächsischen OVG zugrunde.

Hier hat die Klägerin jedoch hinreichend nachgewiesen, dass das Sorgerecht dem Verstorbenen nicht nur anlässlich der Scheidung im Sinne von § 1671 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 BGB als damaliger gesetzlicher Regelfall auf den anderen Elternteil – die Mutter – übertragen worden ist. Vielmehr ist die Kammer überzeugt, dass dem Verstorbenen das Sorgerecht wegen Gefährdung des Kindeswohls entzogen worden ist. Ob dieser Sorgerechtsentzug auf § 1666 BGB a.F. oder § 1671 Abs. 5 BGB a.F. gestützt wurde, kann letztlich offen bleiben, da beiden Regelungen Sachverhalte zu Grunde lagen, die sich heute nach den §§ 1666, 1666a BGB bemessen würden. Gemäß § 1671 Abs. 5 BGB a.F. konnte die elterliche Gewalt über das Kind der sich trennenden Elternteile auf einen Vormund oder Pfleger übertragen werden. Voraussetzung für eine solche Übertragung war, dass der Entzug des Sorgerechts beider Elternteile und die Übertragung auf einen Pfleger bzw. Vormund erforderlich waren, um eine Gefahr für das geistige oder leibliche Wohl oder für das Vermögen des Kindes abzuwenden. Das sind hohe Anforderungen, die sich den Voraussetzungen des damaligen § 1666 BGB a.F. - Sorgerechtsentzug wegen Gefährdung des Kindeswohls - nähern (vgl. Palandt, BGB, Kommentar, 31. Auflage 1972, § 1671 Rn. 5). Der einzige Unterschied zu dem damaligen Entzug des Sorgerechts wegen Gefährdung des Kindeswohls gemäß § 1666 BGB a.F. war, dass der Sorgerechtsentzug gemäß § 1671 Abs. 5 BGB a.F. kein Verschulden der Eltern an der Kindeswohlgefährdung erforderte (vgl. Palandt, BGB, Kommentar, 31. Auflage 1972, § 1671 Rn. 5). Damit erfasste der § 1671 Abs. 5 BGB a.F. über den § 1666 BGB a.F. hinaus weitere Fälle, die heute den Sorgerechtsentzug nach § 1666 BGB wegen Gefährdung des Kindeswohls, rechtfertigen würden. Denn heute kommt es nach der obergerichtlichen Rechtsprechung auf ein schuldhaftes Fehlverhalten im Rahmen des Sorgerechtsentzugs wegen Gefährdung des Kindeswohls gemäß § 1666 BGB nicht an (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 4 UF 228/10 -, II-4 UF 228/10; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Mai 2011 - II-2 UF 64/10 -, juris).

Dass dem Verstorbenen das Sorgerecht nicht lediglich anlässlich einer Scheidung gemäß § 1671 Abs. 1 BGB a.F., sondern wegen Gefährdung des Kindeswohls im Sinne des § 1671 Abs. 5 BGB oder § 1666 BGB a.F. entzogen worden ist, hat die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. Dies ergibt sich - mangels Vorhandenseins aussagekräftiger Urkunden - aus dem Inhalt der Aussage der Zeugin S. und den Verwaltungsvorgängen der Beklagten.

Die glaubwürdige Zeugin hat glaubhaft ausgeführt, dass die Klägerin ca. im Jahr 1970 von ihrer Mutter mitsamt ihrem Bruder, K., sowie zwei weiteren Halbgeschwistern mütterlicherseits eines abends einfach vor der Haustür der Großeltern der Klägerin - der Eltern des Verstorbenen - ausgesetzt worden ist. Nachdem diese die Polizei benachrichtigt hatten, sind die Kinder zunächst in ein Kinderheim gekommen. Die Großeltern wollten die Klägerin sowie ihren Bruder, Herrn K., aus dem Kinderheim holen, jedoch konnte ihnen aufgrund ihres bereits hohen Alters das Sorgerecht nicht zugesprochen werden. Die Zeugin erklärte sich als älteste verheiratete Tochter bereit, das Sorgerecht zu übernehmen und die Klägerin sowie ihren Bruder zunächst aufzunehmen. Anschließend sind diese zu den Großeltern gezogen.

Diese Aussage bestätigt den klägerischen Vortrag, wonach dem Verstorbenen nicht lediglich anlässlich einer Scheidung gem. § 1671 Abs. 1 BGB a.F., sondern wegen Gefährdung des Kindeswohls das Sorgerecht entzogen worden ist. Auch unter Berücksichtigung des durch die Verwaltungsvorgänge der Beklagten dokumentierten Zeitgeschehens, stellt sich der Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts so dar, dass das Sorgerecht auf die Zeugin wegen Gefährdung des Kindeswohls übertragen worden ist. Die Zeugin hat glaubhaft erläutert, dass zu dem Zeitpunkt, als die Mutter der Klägerin diese samt ihrer Geschwister vor der Haustür der Eltern des Verstorbenen ausgesetzt hatte, der Verstorbene zwar nicht auffindbar, jedoch noch nicht von der Mutter getrennt und geschieden war. Die Aussetzung soll ca. im Jahr 1970 erfolgt sein. Ausweislich des Familienbuchsauszugs wurde die Ehe des Verstorbenen aber erst im September 1972 geschieden (Bl. 20 d. BA B). Insofern ist die Kammer überzeugt, dass der Verstorbene - bis zur Übertragung des Sorgerechts auf die Zeugin - dieses innehatte und es ihm nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt anlässlich der Scheidung gem. § 1971 Abs. 1 BGB a.F. entzogen worden war. Ob nun das Sorgerecht auf die Zeugin bereits vor Scheidung beider Elternteile gemäß § 1666 BGB a.F. oder erst anlässlich der Scheidung gemäß § 1671 Abs. 5 BGB a.F. übertragen wurde, kann aus den oben erwähnten Gründen dahinstehen. Jedenfalls ist das Gericht überzeugt, dass das Sorgerecht des Verstorbenen über die Klägerin nicht nur anlässlich einer Scheidung gemäß § 1671 BGB a.F., sondern zu ihrem Wohle entzogen worden ist.

An der Glaubhaftigkeit der Aussage besteht für die Kammer kein Zweifel. Sie ist auch vor dem Hintergrund des klägerischen Vortrags und der seitens der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge plausibel. Die Zeugin konnte auf Nachfrage nachvollziehbar erklären, warum über die Sorgerechtsübertragung keine Urkunden mehr vorhanden sind. Sie hat erklärt, dass sich die entsprechenden gerichtlichen Urkunden in B. befanden. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die Klägerin und ihr Bruder vorwiegend bei ihren Großeltern in B. gewohnt haben, plausibel. Um die Verwaltung der Dokumente hatte sich ihre jüngere Schwester gekümmert. Nachdem diese vor 2 Jahren verstorben war, hatte ihr Ehemann alle Dokumente - vermutlich auch die die Klägerin betreffenden Schreiben - ungesichtet entsorgt. Auch die vereinzelten Erinnerungslücken der Zeugin sind aufgrund des vergangenen Zeitraums von ca. 40 Jahren nachvollziehbar und stellen in der Aussagepsychologie allgemein anerkannte Realitätskennzeichen dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO. Der Streitwert war gem. § 52 Abs. 1 GKG auf 2.000,00 € festzusetzen.