Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 09.10.2002, Az.: 2 A 462/01
Baugenehmigung; Gebühr; Herstellungswert; Rohbauwert; Verwaltungskosten; Windkraftanlage
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 09.10.2002
- Aktenzeichen
- 2 A 462/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43611
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 2 BauGebO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei Windkraftanlagen sind die Verwaltungsgebühren nach dem Herstellungswert zu berechnen.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe von Verwaltungsgebühren, die durch den Beklagten erhoben wurden.
Unter dem 01.11.2000 erteilte der Beklagte der Klägerin die Genehmigung zur Errichtung von fünf Windkraftanlagen des Typs Enercon E-66/18.70 (Baugenehmigung 63/Vol/00680/00/04).
Nachdem die Klägerin bereits mit Schreiben vom 19.04.2000 die Herstellungskosten einschließlich Rotor, Generator sowie elektrischer Bauteile auf ca. 2,8 Mio. DM je Windkraftanlage beziffert hatte, setzte der Beklagte mit Bescheid vom 08.11.2000 die Verwaltungskosten für sämtliche fünf Windkraftanlagen auf insgesamt 58.908,00 DM fest. Er berechnete die Verwaltungsgebühren nach Tarifstelle 1.1.2 des Gebührenverzeichnisses zur Baugebührenordnung (BauGO), Anlage 1. Nach der damals geltenden Fassung des Gebührenverzeichnisses zu Tarifstelle 1.1.2 betrugen die Gebühren 7,00 DM je angefangene 1.000,00 DM des Herstellungswertes, wenn der Rohbauwert nach Tarifstelle 1.1.1 „schwer bestimmbar“ ist. Der Beklagte berücksichtigte auch die Ermäßigung nach Anmerkung a) zu Nr. 1.1 des Gebührenverzeichnisses.
Die Klägerin legte am 02.03.2001 Widerspruch ein. Diesen begründete sie u.a. damit, sofern die Gebühren nach dem gesetzlich nicht verankerten Merkmal des äußeren Erscheinungsbildes der Windkraftanlage berechnet würden, sei jedenfalls nicht berücksichtigt worden, dass es sich bei einer Windkraftanlage um eine Maschine zur Erzeugung von Windenergie handele. Lediglich zur Erreichung dieses Zweckes bedürfe die Anlage eines Fundamentes und eines Turmes. Schon bei dem Drehkranz und der Rotoranlage handele es sich um unverzichtbare Bestandteile der Maschine. Die Maschine werde mit dem Turm lediglich verschraubt und könne jederzeit problemlos abgebaut werden. Der Rohbauwert sei mithin eindeutig zu bestimmen. Sofern von dem Herstellungswert auszugehen sei, dürften jedenfalls nicht die gesamten Herstellungskosten zugrunde gelegt werden. Zudem seien die Gebühren angesichts des Bearbeitungsaufwandes der Baubehörde unangemessen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2001 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies die Bezirksregierung auf das Urteil des Nds. OVG vom 28.03.1994 (6 L 4747/92), wonach bei Windkraftanlagen der Herstellungswert, also Tarifstelle 1.1.2 des Gebührenverzeichnisses der BauGO, die Grundlage der Gebührenberechnung darstellen müsse. In Anlage 2 zur BauGO seien Windkraftanlagen nicht aufgeführt, so dass der Rohbauwert danach nicht bestimmt werden könne. Eine Berechnung sei aber auch nicht nach § 3 Abs. 2 BauGO möglich, da eine Rohbauabnahme i.S.v. § 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 NBauO nicht möglich sei. Auch die Kosten des Generators und die der elektrischen und elektronischen Bauteile gehörten zu den Herstellungskosten. Die Verwaltungsgebühr betrage im Verhältnis zum Wert der Anlagen lediglich 0,42 %. Die BauGO verlange einen Gebührensatz von 0,7 % des Herstellungswertes. Das Äquivalenzprinzip sei deshalb nicht verletzt.
Die Klägerin hat am 02.08.2001 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, ein Rohbauwert sei bei Windkraftanlagen durchaus zu bestimmen. § 80 Abs. 1 Nr. 2 NBauO stelle für die Abnahme der baulichen Anlagen auf die Vollendung der „tragenden Teile“ ab. Bei Windenergieanlagen gehörten zu den tragenden Teilen das Fundament und der Rohrturm. Es sei sinnvoll, diese für die Standsicherheit der Anlagen wichtigen Bauteile zu prüfen, bevor der Drehkranz, das Maschinenhäuschen und die Rotoren aufgesetzt würden.
Die Herstellungskosten beliefen sich für eine Windkraftanlage auf lediglich 50 % der mit dem Schreiben vom 19.04.2000 genannten Herstellungskosten in Höhe von 2,8 Mio. DM je Windkraftanlage. Die Gesamtherstellungskosten einer Windenergieanlage würden maßgeblich von der technischen Ausstattung (z.B. Generator, Bremse, Kupplung, Welle, Nabe etc.) bestimmt, die selbst keiner bauaufsichtlichen Prüfung unterlägen. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf § 5 der Prüfungseinschränkungsverordnung (vom 06.06.1996, Nds. GVBl. S. 287). Daraus ergebe sich, dass sich Bauabnahmen nicht auf die Anforderungen erstreckten, deren Einhaltung nicht zu prüfen sei. Den Wert von 50 % der Herstellungskosten hat die Klägerin in Anlehnung an den Windenergie-Erlass verschiedener Ministerien in Nordrhein-Westfalen bestimmt. Sie verweist insoweit auf Ziffer 4.4.1 des Erlasses.
Auf der Grundlage des von ihr ebenfalls im Schreiben vom 19.04.2000 genannten Rohbauwertes in Höhe von 415.000,00 DM je Windkraftanlage ergeben sich Verwaltungsgebühren in Höhe von 20.858,00 DM für sämtliche fünf Windkraftanlagen.
Die Klägerin beantragt deshalb,
den Bescheid des Beklagten vom 08.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 11.07.2001 insoweit aufzuheben, als darin Verwaltungsgebühren in Höhe von mehr als 20.858,00 DM festgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er stützt sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig und trägt ergänzend vor, die bauliche Anlage sei i.S.v. § 80 Abs. 1 Nr. 3 NBauO erst fertiggestellt, wenn sie in Benutzung genommen werden könne. Dieses sei bei einer Windkraftanlage erst nach dem Einbau von elektrischen und elektronischen Bauteilen der Fall, so dass diese Geräteteile bei der Berechnung des Herstellungswertes zu berücksichtigen seien.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht zu Verwaltungskosten in Höhe von 58.908,00 DM für die Genehmigung zur Errichtung von fünf Windkraftanlagen des Typs Enercon E 66/18.70 herangezogen. Der Bescheid des Beklagten vom 08.11.2000 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 11.07.2001 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu Verwaltungskosten für Amtshandlungen der Bauaufsicht ist die Baugebührenordnung (vom 18.01.1998, Nds. GVBl. S. 3). Die Höhe der Gebühren ergibt sich aus dem Gebührenverzeichnis (Anlage 1) und den Anlagen 2 bis 5 zur BauGO (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BauGO). Der Beklagte ist hier rechtmäßig davon ausgegangen, dass der Rohbauwert einer Windkraftanlage im Sinne der Tarifstelle 1.1.2 des Gebührenverzeichnisses zur BauGO schwer bestimmbar ist. Deshalb musste der Herstellungswert in Ansatz gebracht werden.
Die erkennende Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 28.03.1994 (6 L 4747/92). Hier hat das OVG angenommen, dass ein Rohbauwert bei Windkraftanlagen nicht bestimmbar sei und dazu ausgeführt:
„Eine Definition des gebührenrechtlichen Rohbauwertes bietet § 3 BauGO. Nach dessen Absatz 1 ist der Rohbauwert für bestimmte, in der Anlage 2 zur BauGO genannte Gebäude nach deren Bruttorauminhalt zu errechnen, der mit dem in der Anlage genannten Faktor zu vervielfältigen ist. Zu diesen Gebäuden gehört die Windkraftanlage nicht. Für die nicht in der Anlage 2 genannten Gebäude und sonstigen baulichen Anlagen ist der Rohbauwert nach § 3 Abs. 2 BauGO nach den Kosten zu ermitteln, die im Zeitpunkt der Genehmigung für die Herstellung aller bis zur Rohbauabnahme fertigzustellenden Arbeiten und Lieferungen erforderlich sind; dazu gehören insbesondere auch die Kosten für Erdarbeiten, Abdichtungen, Dachdeckungsarbeiten, Klempnerarbeiten, Gerüste, Baugrubensicherung, Baustelleneinrichtung und Kosten für die einen Standsicherheitsnachweis erfordernden Bauteile. Die Rohbauabnahme ihrerseits ist nach § 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 NBauO die Abnahme der baulichen Anlage nach Vollendung der tragenden Teile, der Schornsteine, der Brandwände und der Dachkonstruktion; es müssen dabei alle für die Standsicherheit, den Brandschutz sowie den Schall- und Wärmeschutz wesentlichen Teile der Anlage zugänglich sein. Die Rohbauabnahme hat danach zu erfolgen, bevor die dabei zu prüfenden – konstruktiv wichtigen – Bauteile durch den Innenausbau und die Putzarbeiten verdeckt werden, so dass sie bei der Schlussabnahme nicht mehr beurteilt werden könnten (Grosse-Suchsdorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 5. Aufl., Rn. 6 zu § 80). Eine derartige, der Schlussabnahme vorangehende Rohbauabnahme der Windkraftanlage des Klägers ist nicht möglich. Damit fehlt es auch an einem „Rohbauwert“, an dem die Genehmigungsgebühr anknüpfen könnte. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann bei der Windkraftanlage nicht zwischen der Errichtung der konstruktiv wichtigen Teile und einem nachfolgenden Innenausbau unterschieden werden. Zu den konstruktiv wichtigen Teilen gehören nicht nur das Fundament und der Rohrturm, sondern ebenso der auf dem Turm befindliche Drehkranz, das Maschinenhäuschen und die Rotoranlage. Der dazugehörige Drehkranz, das Maschinenhäuschen und die Rotoren bestimmen dementsprechend auch die Anforderungen an die Statik mit. (Alles zusammen bildet schließlich das äußere Erscheinungsbild der Windkraftanlage.)
Der Senat vermag dem Kläger auch nicht darin zu folgen, dass nur das Fundament und der Rohrturm der Anlage Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens sein konnten und auch gewesen sind. Bei der planungsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Überprüfung der Zulässigkeit von Windkraftanlagen sind diese in ihrer Gesamtheit, insbesondere einschließlich der Rotoranlage zu würdigen.
Die Bemessung der Gebühr nach dem Herstellungswert verstößt auch nicht gegen übergeordnete Grundsätze wie das Äquivalenzprinzip und das Gleichbehandlungsgebot. Das Äquivalenzprinzip ist nur dann verletzt, wenn die Gebühr zu der bauaufsichtsbehördlichen (Genehmigungs-)Leistung in einem groben Missverhältnis stehen würde und damit der dem Verordnungsgeber zukommende Regelungsspielraum als überschritten anzusehen wäre (BVerwG, Urt. v. 16.09.1981 – 8 C 48.81 -, KStZ 1982, 69; Senatsurt. v. 04.08.1989 – 6 OVG A 136/87 -, OVGE 41, 433 = dng 1990, 302; sowie vom 25.06.1990 – 6 L 36/89 -, Vnb). Bei einem Gebührensatz von 7,-- DM/1000,-- DM des Herstellungswertes, das bei einem Objekt von knapp 400.000,-- DM zu einer Gebühr von lediglich 2.765,-- DM führt, ist ein derartiges Missverhältnis nicht anzunehmen. Die einheitliche Bemessung der Gebühr nach dem Herstellungswert dient schließlich dazu, dem Gleichheitsgrundsatz genüge zu tun. Dass Bauaufsichtsbehörden in Niedersachsen bislang teilweise niedrigere Gebühren als in dem Tarif vorgesehen erhoben haben, begründet keinen Anspruch des Klägers darauf, dass gegen ihn der strikte und keiner Ermessensausübung zugängliche gebührenrechtliche Gesetzesbefehl außer Anwendung bleiben müsste.“
Die Klägerin vermochte mit ihrer Argumentation diese überzeugenden Ausführungen nicht zu widerlegen.
Der Beklagte hat zu Recht die von der Klägerin angegebenen Herstellungskosten in Höhe von 2,8 Mio. DM je Windkraftanlage als Herstellungswert im Sinne der Tarifstelle 1.1.2 des Gebührenverzeichnisses zur BauGO zugrunde gelegt. Soweit die Gebühr nach dem Herstellungswert zu berechnen ist, sind die Kosten zugrunde zu legen, die im Zeitpunkt der Genehmigung für alle bis zu einer Schlussabnahme fertig zu stellenden Arbeiten und Lieferungen entstehen werden (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGO). Die Schlussabnahme erfolgt gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 3 NBauO nach der Fertigstellung der baulichen Anlage. Deshalb steht außer Frage, dass die Herstellungskosten hier 2,8 Mio. DM je Windkraftanlage betragen haben. Diese Angaben stammen von der Klägerin selbst und sie hat sie auch nicht durch entsprechende Belege widerlegt. Nur mit den elektrischen und elektronischen Bauteilen ist eine Windkraftanlage fertig gestellt. Nur dann kann eine solche Anlage in Betrieb genommen werden. Ihre Kosten sind deshalb mit zu berücksichtigen. Soweit im laufenden Verfahren ein niedrigerer Wert angegeben worden ist, enthält die Berechnung dieses Wertes offenbar nicht die für die Funktionsfähigkeit einer Windkraftanlage notwendigen technischen Einrichtungen. Nach dem Niedersächsischen Verwaltungskostengesetz ist es unzulässig, lediglich die Hälfte der Herstellungskosten einer Windenergieanlage bei der Kostenberechnung anzusetzen. Nordrhein-Westfalen hat hier einen auf das Land beschränkten Erlass verfasst, der für die niedersächsische Landesverwaltung ebenso wenig Gültigkeit hat, wie er bei der gerichtlichen Entscheidung mit zu berücksichtigen wäre. Dass in Niedersachsen ein entsprechender Erlass existieren könnte, ist nicht vorgetragen.
Weitere Einwendungen gegen die Höhe der Gebühr sind nicht erhoben. Rechtsfehler bei der Festsetzung im Übrigen sind nicht ersichtlich. Das Gebührenverzeichnis zur BauGO sieht mit der Tarifstelle 1.1.2 eine um 30 % geringere Gebühr als für die Tarifstelle 1.1.1 vor. Damit ist berücksichtigt, dass in den Herstellungswert auch Beträge einfließen, die für die von der Baubehörde abgenommene Bauteile der baulichen Anlage nicht konstituierend sind. Das Gebührenverzeichnis trägt also dem Umstand Rechnung, dass Gegen-stand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren nicht alles ist, was den wirtschaftlichen Wert einer Windkraftanlage ausmacht. Damit ist diesem Gesichtspunkt ausreichend Rechnung getragen.
Ergänzend wird im Übrigen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides verwiesen
(§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung gemäß §§ 124 a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich.