Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 29.10.2002, Az.: 3 B 73/02
Ashkali; ethnische Minderheit; Kosovo; Roma; Sozialhilfeleistungen; Ägypter
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 29.10.2002
- Aktenzeichen
- 3 B 73/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41892
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 AsylbLG
- § 123 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Auch nach dem Erlass des Nds. Innenministeriums vom 18.06.2002 sind die freiwillige Ausreise und aufenthaltsbeendende Maßnahmen für Roma (hier: "Ägypter") aus dem Kosovo aus humanitären Gründen iSv § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht möglich.
Tenor:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ab dem 01.10.2002 vorläufig Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in entsprechender Anwendung des BSHG zu gewähren.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. aus S. bewilligt.
Gründe
I. Die Antragsteller begehren Leistungen analog dem Bundessozialhilfegesetz gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG. Die Antragsteller zu 1) und 2) reisten zusammen mit ihren Kindern, den Antragstellern zu 3-5 (der Antragsteller zu 6) wurde in Deutschland geboren) im Dezember 1989 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten erfolglos Asylanträge. Dazu trugen sie vor, jugoslawische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit, geboren in Pec, zu sein. Nach Abschiebung und Wiedereinreise im Januar 1992 wurden mehrere Asylfolgeanträge, bei denen sich die Antragsteller weiterhin auf die albanische Volkszugehörigkeit beriefen, abgelehnt. Die Entscheidungen wurden, soweit sie angefochten waren, verwaltungsgerichtlich bestätigt (vgl. Urt. des Verwaltungsgerichts Braunschweig zu den Az. 7 A 7584/94 und 7 A 7307/97). Die Antragsteller erhielten, da ihre Ausreise nicht möglich war, seitens des Antragsgegners Duldungen.
Im Rahmen der Durchführung eines weiteren Asylfolgeverfahrens gaben die Antragsteller 1999 erstmals an, Roma und als solche von den Albanern im Kosovo verfolgt worden zu sein. In dem der Ablehnung dieses Asylfolgeantrages nachfolgenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig (7 A 263/99) erklärten sie Ashkali zu sein. Die Klage wurde mit Urteil vom 07.12.1999 abgewiesen. Nach Vorlage von Bescheinigungen des R. Verein e.V. M. und einer Bescheinigung von P. zu ihrer Eigenschaft als Roma wurde ein weiterer gestellter Asylfolgeantrag im Mai 2000 abgelehnt. Die daraufhin erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig wurde mit Urteil vom 24.07.2000 (7 A 198/00) abgewiesen.
Am 08.08.2000 beantragten die Antragsteller, die seit ihrer Einreise Leistungen nach dem BSHG bzw. dem AsylbLG beziehen, Leistungen analog dem BSHG gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG. Zur Begründung beriefen sie sich darauf, Roma aus dem Kosovo zu sein und aus diesem Grund nicht in den Kosovo zurückkehren zu können. Mit Bescheid vom 02.10.2001 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass im Fall der Antragsteller zwar die zeitliche Voraussetzung des § 2 AsylbLG gegeben sei. Demgegenüber sei jedoch die tatsächliche Zugehörigkeit zum Volk der Roma, welche einer Ausreise entgegenstünde, nicht nachgewiesen. Die vorgelegten Bescheinigungen der S.D. R. U., von Herrn H. (P.) und dem Verein R. e.V. seien nicht eindeutig anerkannt und könnten als einziges Beweismittel für die Volkszugehörigkeit nicht ausreichen. Dies gelte insbesondere, da die Antragsteller bis 1999 immer die albanische Volkszugehörigkeit angegeben hätten und erstmals im Juni 1999 behauptet hätten, Ashkali und Roma zu sein. Dagegen haben die Antragsteller am 08.10.2001 Widerspruch erhoben, der mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 20.03.2002 zurückgewiesen wurde.
Am 26.03.2002 haben die Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und gleichzeitig Klage gegen den Bescheid vom 02.10.2001 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2002 erhoben (3 A 72/02). Zur Begründung tragen sie vor, sie hätten sich stets als Teil der albanischen Bevölkerung betrachtet und nach albanischen Sitten gelebt. Von ihrem Herkommen, ihrer Physiognomie und ihrer Lebensweise her seien sie jedoch Roma.
Die Antragsteller beantragen nunmehr (wörtlich),
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen ab Antragstellung bis auf weiteres Hilfeleistungen in entsprechender Anwendung des BSHG unter Anrechnung der bereits bewilligten Leistungen zu gewähren.
ihnen im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens Prozesskostenhilfe für die erste Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt Siering zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt unter Verweis auf die angefochtenen Bescheide,
die Anträge zurückzuweisen.
Unter dem 30.09.2002 hat das ICMPD-IOM Kosovo I. P. die Personalien der Antragstellerin zu 2) im Kosovo sowie die "ägyptische“ Herkunft der Antragsteller zu 1) und 2) bestätigt (Bl. 84 ff. der GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und der Bezirksregierung Braunschweig Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Beratung.
II. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Da nach Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die vorläufige Regelung grundsätzlich die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf, kann eine Verpflichtung zur Zahlung und Übernahme von Geldleistungen, wie sie im vorliegenden Fall begehrt wird, im einstweiligen Anordnungsverfahren in der Regel nur ausgesprochen werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für einen entsprechenden Anspruch (Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht sind und weiterhin glaubhaft gemacht wird, dass die begehrte Hilfe aus existenzsichernden Gründen so dringend notwendig ist, dass der Anspruch mit gerichtlicher Hilfe sofort befriedigt werden muss und es deshalb nicht zumutbar ist, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund).
Ein Anordnungsgrund, d.h. die Erforderlichkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile (§ 123 Abs. 1 VwGO), ergibt sich hier für die laufenden Leistungen ab Beginn des Monats der gerichtlichen Entscheidung aus der Art der begehrten Leistungen. Zwar erhalten die Antragsteller derzeit Leistungen nach den §§ 3 ff. AsylbLG, wobei gegen die Regelung der §§ 1, 3, 6 und 9 AsylbLG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, insbesondere mit diesen Leistungen die Mindestvoraussetzung eines menschenwürdigen Lebens gewährleistet sind (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 27.06.1997 - 12 L 5709/96 - in Nds. Rpfl. 1997, 269; BVerwG, B. v. 29.09.1998 - 5 B 82.97 - in NVwZ Beil. 1999, 669). Gleichwohl besteht regelmäßig ein Anordnungsgrund, wenn - wie hier - ein Anspruch auf (höhere) Leistungen bzw. Geldleistungen in Höhe der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz glaubhaft gemacht ist (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 27.11.1986 - 4 OVG B 153/86 - und OVG Lüneburg, B. v. 14.09.2000 - 4 M 3027/00 - zum AsylbLG). Dem Hilfebedürftigen ist es nach dieser ständigen Rechtsprechung, der sich die Kammer auch für das AsylbLG angeschlossen hat (vgl. B. v. 15.04.1997 - 3 B 3073/97 -), nicht zuzumuten, sich bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mit geringeren oder gekürzten oder andersartigen Leistungen zur Sicherung des laufenden Lebensunterhaltes zufriedenzugeben.
Allerdings besteht kein Anordnungsgrund dafür, den Antragstellern rückwirkend die begehrten Leistungen zu bewilligen. Insoweit sind die Antragsteller auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zu verweisen (3 A 72/02).
Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsanspruch dahingehend glaubhaft gemacht, dass ihnen gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG i.d.F. des Gesetzes vom 25.08.1998 - BGBl. I S. 2505 ff. - abweichend von der Regelung der §§ 3-7 AsylbLG Leistungen in entsprechender Anwendung des BSHG zu gewähren sind. Nach § 1 Abs. 1 AsylbLG ist das BSHG auf Leistungsberechtigte entsprechend anzuwenden, die über die Dauer von insgesamt 36 Monaten, frühestens beginnend am 01. Juni 1997, Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben, wenn die Ausreise nicht erfolgen kann und aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen.
Zwischen den Beteiligten ist nicht umstritten, dass die Antragsteller zu den Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Nr. 5 AsylbLG gehören und dass sie die Wartezeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG von 36 Monaten erfüllen.
Die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG sind ebenfalls gegeben.
Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AsylbLG müssen, damit die Privilegierung des Leistungsberechtigten eintreten kann, dergestalt vorliegen, dass weder die „freiwillige“ Ausreise noch aufenthaltsbeendende Maßnahmen erfolgen können, weil humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 17.01.2001 – 4 M 4422/00 -). Die selbständige Bedeutung sowohl der freiwilligen Ausreisemöglichkeit als auch der Möglichkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen hat die erkennende Kammer bereits für § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG a.F. angenommen (vgl. B. v. 05.05.1997 - 3 B 3131/97 -, ebenso Nds. OVG, B. v. 27.01.1997 - 12 M 264/97 - und VGH Baden-Württemberg, B. v. 22.11.1995 - 6 S 1347/95 - in FEVS 46, 410, 411; a.A. u.a. Nds. OVG, B. v. 20.01.1997 - 4 M 7062/96 -).
Die Antragsteller haben hinreichend glaubhaft gemacht, zur Volksgruppe der Roma bzw. Ashkali aus dem Kosovo zu gehören. Dies ergibt sich aus den von den Antragstellern vorgelegten Unterlagen und insbesondere der im gerichtlichen Verfahren erfolgten Befragung des ICMPD-IOM Kosovo I. P.. Nach der Auskunft des Kosovo I. P. vom 30.09.2002 (Bl. 84 ff. der Gerichtsakte) sind die Antragsteller zu 1) und 2) "ägyptischer“ Herkunft. Bei den sog. Ägyptern handelt es sich um eine besondere Gruppe aus dem Kosovo. Insoweit wird der Begriff „Roma“ als Oberbegriff für die verschiedenen Gruppen der Roma aus dem Kosovo, nämlich Roma, Ashkali und Ägypter, verwendet (vgl. Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Information über die Bundesrepublik Jugoslawien/Kosovo „Roma, Ashkali und Ägypter, Aktuelle Situation, Verfahren, Rechtsprechung“, Stand: März 2002, S. 4). Die Gruppe der Ägypter differenziert sich ausdrücklich von den übrigen Roma und Ashkali und weist spezielle Besonderheiten auf (vgl. insoweit Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Information über die Bundesrepublik Jugoslawien/Kosovo, „Albaner und Roma im Kosovo, Kultur, Geschichte und Identität“, Stand: Februar 2000, S. 14 ff.). Die dort gemachten Ausführungen zu der Gruppe der Ägypter stimmen auch mit den Angaben der Antragsteller überein. So haben die Antragsteller angegeben, aus Pec zu stammen, was für die Antragstellerin zu 2) durch das Kosovo I. P. ausdrücklich bestätigt wurde und wo ausweislich der genannten Unterlagen ein Siedlungsgebiet der Ägypter ist. Darüber hinaus spricht für die Zugehörigkeit zu der Gruppe der „Ägypter“ auch, dass die Antragsteller kein Romanes, sondern albanisch sprechen, was ebenfalls für diese Gruppe typisch ist (vgl. Bl. 38 der Beiakte).
Als Roma bzw. „Ägypter“ stehen sowohl einer freiwilligen Ausreise der Antragsteller als auch aufenthaltsbeendenden Maßnahmen derzeit humanitäre Gründe entgegen. Nach Runderlassen des Nds. Innenministeriums vom 13.06.2001 und 13.12.2001 sollen nach der vom Bundesministerium des Innern mit der UNMIK getroffenen Vereinbarung über zwangsweise Rückführungen in den Kosovo solche nur stattfinden, wenn es sich um Personen handelt, die nach internationalen Maßstäben nicht schutzbedürftig sind. Angehörige von ethnischen Minderheiten sind nach diesen Vereinbarungen ausdrücklich von einer Abschiebung ausgenommen. Hintergrund der fehlenden Rückübernahmewilligkeit der UNMIK-Verwaltung im Kosovo und der deswegen bestehenden tatsächlichen Unmöglichkeit einer Abschiebung von Angehörigen ethnischer Minderheiten in den Kosovo sind Gesichtspunkte eines humanitären Minderheitenschutzes, die nicht auf das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinne der strengen Anforderungen der Rechtsprechung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG abstellen (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 26.07.2001 – 12 LB 1854/01 -). Die humanitären Gründe für Angehörige von ethnischen Minderheiten aus dem Kosovo, die Hintergrund für die genannten Erlasse und für das Absehen von Abschiebemaßnahmen sind, ergeben sich aufgrund folgender Umstände: Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 21.11.2000 können trotz einer erhöhten KFOR-Präsenz Übergriffe auf Angehörige dieser Volksgruppe selbst in deren ethnischen Enklaven nicht immer zuverlässig verhindert werden. Auch der Bericht des UNHCR und der OSZE zur „Beurteilung der Situation ethnischer Minderheiten im Kosovo“ vom 26. März 2001 zeigt zahlreiche Übergriffe auf Angehörige von Minderheiten und ihr Eigentum auf und gelangt zu der Einschätzung, es sei zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage im Berichtzeitraum gekommen. Nach der Darstellung des Auswärtigen Amtes vom 08.05.2001 kann von einer flächendeckenden Bedrohung der Roma nicht gesprochen werden, jedoch ist die Versorgung mit Lebensmitteln nach der Stellungnahme des UNHCR vom 06.11.2000 an VG Schleswig problematischer als für albanische Volkszugehörige. Nach dieser Stellungnahme unterstützt der UNHCR den Betrieb geschützter Buslinien, um die Bewegungsfreiheit für die Roma und Ashkali zu verbessern und auch ihnen den Zugang zu Lebensmittelmärkten und anderen Einrichtungen der Grundversorgung zu ermöglichen. Ebenso bereitet die medizinische Versorgung erhebliche Schwierigkeiten (vgl. im Einzelnen zur Lage der Roma im Kosovo Urt. d. OVG Lüneburg v. 12.06.2001 – 8 L 516/97 -). Dieser Situation, die nach der genannten Entscheidung des OVG Lüneburg zwar nicht die Annahme eines Abschiebungshindernisses im Sinne des § 53 AuslG rechtfertigt, hat die UNMIK-Verwaltung und im Anschluss daran die Exekutive in der Bundesrepublik Deutschland aus humanitären Gründen dadurch Rechnung getragen, dass Roma und Ashkali während der Geltung der oben genannten Erlasse nicht in den Kosovo abgeschoben wurden.
Zwar sind die genannten Erlasse vom 03.12.2001 und 13.06.2001 mit dem Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 18.06.2002 (45.31-12235/12-38-3) basierend auf einem Beschluss der Innenministerkonferenz aufgehoben worden. Dabei ist die Innenministerkonferenz ausweislich des Erlasses davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine zwangsweise Rückführung ethnischer Minderheiten in den Kosovo noch im Laufe des Jahres 2002 gegeben sein werden. Nach telefonischer Auskunft des Niedersächsischen Innenministeriums gegenüber der Berichterstatterin stellt sich die tatsächliche Situation demgegenüber nach wie vor so dar, dass derzeit eine Rückführung ethnischer Minderheiten in den Kosovo unmöglich ist, da die UNMIK-Verwaltung im Kosovo nicht zustimmt. Ob in der Zukunft eine Zustimmung erteilt wird, hängt von den nach Auskunft des Niedersächsischen Innenministeriums im November 2002 stattfindenden Verhandlungen zwischen der UNMIK-Verwaltung und dem Bundesministerium des Innern unter Beteiligung von wahrscheinlich zwei Ländervertretern ab. Vor diesem Hintergrund ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung davon auszugehen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu Lasten der Antragsteller aus humanitären Gründen nicht möglich sind.
Neben der Voraussetzung, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus den humanitären Gründen des letzten Halbsatzes des § 2 Abs. 1 AsylbLG derzeit zu Lasten der Antragsteller nicht möglich sind, ist auch die weitere Voraussetzung, dass eine freiwillige Ausreise derzeit nicht zuzumuten ist, gegeben. Denn auch insoweit bestehen Ausreisehindernisse aus den im 2. Halbs. des § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten Gründen. Obwohl grammatikalisch nicht eindeutig ist, ob sich der letzte Halbsatz des § 2 Abs. 1 AsylbLG auch auf die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise bezieht, entspricht ein solcher Bezug doch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung (vgl. Nds. OVG, B. v. 17.01.2001, a.a.O.). Danach soll die leistungsrechtliche Angleichung an das höhere Niveau der Sozialhilfe zwar die Ausnahme bilden, bei Vorliegen bestimmter humanitärer, rechtlicher oder persönlicher Voraussetzungen aber eine einheitliche Behandlung der Leistungsberechtigten erfolgen - unabhängig davon, ob lediglich aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder aber auch die freiwillige Ausreisemöglichkeit aus diesen Gründen eingeschränkt sind. Eine freiwillige Ausreise im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG ist aber dann nicht möglich, wenn sie für den Ausländer unzumutbar ist (OVG Lüneburg, B. vom 06.10.2000 – 4 M 3278/00 -). Auch eine freiwillige Ausreise ist den Antragstellern im vorliegenden Verfahren nicht zumutbar; denn die genannten Erlasse des Niedersächsischen MI haben zum Hintergrund, dass Angehörigen von ethnischen Minderheiten eine Rückkehr aus humanitären Gründen nicht zugemutet werden soll. Diese Gründe gelten auch für eine freiwillige Ausreise.
Dementsprechend ist der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern ab dem 01.10.2002 vorläufig Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG in entsprechender Anwendung des BSHG zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.