Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.07.2011, Az.: 15 UF 85/11
Rechtstellung des biologischen Vaters im Hinblick auf eine mögliche Vaterschaftsanfechtung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.07.2011
- Aktenzeichen
- 15 UF 85/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 29589
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0722.15UF85.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 23.03.2011 - AZ: 612 F 5376/10
Rechtsgrundlagen
- § 1600 Abs. 1 Nr. 2, 4 BGB
- § 1598a BGB
Fundstellen
- FamRZ 2012, 564
- FuR 2012, 146-147
Amtlicher Leitsatz
1. Der Senat teilt die Auffassung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2007, 538, 540), dass das eingeschränkte Recht zur Anfechtung der Vaterschaft das Elternrecht des potentiellen biologischen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht verletzt.
2. Im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft durch den potentiellen biologischen Vater sind vor der Einholung eines Abstammungsgutachtens die weiteren Anfechtungsvoraussetzungen festzustellen.
3. Der potentielle biologische Vater hat im Rahmen seiner Wahrnehmungsmöglichkeiten konkrete Tatsachen dafür vorzutragen, dass zwischen dem rechtlichen Vater und seinem Kind eine sozialfamiliäre Beziehung nicht besteht.
Tenor:
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 23. März 2011 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Antragsteller hat die den Beteiligten zu 2 und 3 im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.
III. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.
IV. Den Beteiligten zu 3 wird ratenlose Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin UnverferthFischer, Hannover, bewilligt.
Gründe
1. Die Beteiligten streiten um die Abstammung des Beteiligten zu 2.
Die Beteiligte zu 2 wurde am 7. November 2008 geboren. Der Beteiligte zu 3 hat seine Vaterschaft mit Zustimmung der Beteiligten zu 3 beim Standesamt Hannover am 8. Juli 2010 anerkannt. Die Beteiligten zu 3 haben am 19. August 2010 die Ehe geschlossen, nachdem sie zuvor seit April 2001 zusammen gewohnt hatten und nach einer Trennung im Dezember 2004 seit Oktober 2007 wieder zusammen leben. Vor einigen Jahren haben sie gemeinsam ein Haus gekauft.
Der Antragsteller macht geltend, dass er mit der Beteiligten zu 3 in der gesetzlichen Empfängniszeit eine intime Beziehung gehabt habe und versichert dies an Eides statt. In einer email der Beteiligten zu 3 an den Beteiligten zu 1 schrieb diese am 2. Oktober 2008 u .a.: "Meinst du, so kommst du zu deinem test. Wenn ich es nicht will, geschieht gar nichts. Damit das mal langsam klar ist. Scheiß auf meine Vorsätze, wenn es nicht anders geht werde ich meinem Kind wenn es alt genug ist die Wahrheit sagen und dann soll sie sich selbst mit dir auseinandersetzen, falls die anderen beiden net der Vater sind."
Der Antragsteller hat erstinstanzlich im Erörterungstermin vom 7. März 2011 beantragt festzustellen, dass die Beteiligte zu 2 nicht von dem Beteiligten zu 3 abstammt, sondern der Antragsteller der Vater des Kindes ist, sowie hilfsweise die Beteiligten zu 2 und 3 zu verpflichten, einer Abstammungsuntersuchung zuzustimmen.
Im angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht diese Anträge u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, dass nach der Vermutungsregelung in § 1600 Abs. 4 BGB davon auszugehen sei, dass zwischen dem Beteiligten zu 3 und der Beteiligten zu 2 eine sozialfamiliäre Beziehung bestehe, sodass mangels einer gesetzlichen Prüfungsreihenfolge der Tatbestandsvoraussetzungen keine Veranlassung bestehe, die biologische Abstammung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen aufzuklären. Die vom Antragsteller vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken an der gesetzlichen Regelung hat das Amtsgericht nicht geteilt.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein erstinstanzliches Begehren weiter und beruft sich darauf, dass nur die gelebte sozialfamiliäre Beziehung schützenswert sei. Hiervon sei nach den Aus bzw. Umzügen der Beteiligten zu 3 mit der Beteiligten zu 2 sowie dem Bezug von Unterhaltsvorschussleistungen nicht auszugehen. Darüber hinaus habe das Amtsgericht weder die email der Beteiligten zu 3 noch die etwa zwei Jahre nach der Geburt der Beteiligten zu 2 erfolgte Heirat hinreichend gewürdigt.
2. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Dem Antragsteller steht ein Recht zur Anfechtung der Vaterschaft des Beteiligten zu 3 nicht zu.
Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB kann der potenzielle biologische Vater die bestehende rechtliche Vaterschaft anfechten, wenn er an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, eine sozialfamiliäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind nicht besteht und der Anfechtende der leibliche Vater des Kindes ist.
a) Der Antragsteller hat in der mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2010 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung erklärt, dass er in der gesetzlichen Empfängniszeit vom 12. Januar bis zum 10. Mai 2008 der Kindesmutter beigewohnt habe und er davon ausgehe, der leibliche Vater von J. zu sein, zumal ihm eine intime Beziehung der Kindesmutter zu anderen Männern in dieser Zeit nicht bekannt sei.
b) Der Senat kann es vorliegend dahin stehen lassen, ob die Beteiligte zu 3 und der Antragsteller eine intime Beziehung hatten.
Für eine solche - von der Beteiligten zu 3 jedoch in Abrede genommenen - Beziehung mag zwar sprechen, dass diese in ihrer email vom 2. Oktober 2008 davon ausgegangen zu sein scheint, der Antragsteller könne als Vater ihrer Tochter in Betracht kommen. Denn zum einen lehnt sie in dieser email einen Abstammungstest ab und zum anderen soll sich ihre Tochter, wenn diese alt genug ist und von ihrer Mutter die Wahrheit erfahren hat, selbst damit auseinander setzen, ob der Antragsteller ihr Vater sei. Dabei hat die Beteiligte zu 3 im Oktober 2008 wohl nicht ausgeschlossen, dass neben dem Antragsteller zwei andere Männer als Vater von J. in Betracht kommen ("die anderen beiden net der Vater sind").
Gleichwohl bedarf weder dieser Umstand noch die tatsächliche biologische Abstammung der Aufklärung durch den Senat, weil beide Aspekte für das Anfechtungsrecht des Antragstellers nicht von Bedeutung sind.
Denn entgegen der Auffassung des Antragstellers im Schriftsatz vom 14. Februar 2011 kann aus der gesetzlichen Regelung nicht darauf geschlossen werden, dass unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen einer sozialfamiliären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind im Anfechtungsverfahren die biologische Abstammung in jedem Fall mangels einer Rangfolge der Anfechtungsvoraussetzungen festzustellen sei. Dem steht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die genetische Abstammung grundsätzlich erst nach einem Erörterungstermin im Wege der Beweisaufnahme zu klären ist, um ungerechtfertigte Grundrechtseingriffe zu verhindern (FamRZ 1998, 955, 956). Aus diesem Grund soll das Gericht gemäß § 175 Abs. 1 FamFG vor einer Beweisaufnahme über die Abstammung die Angelegenheit in einem Termin, zu dem das persönliche Erscheinen der verfahrensfähigen Beteiligten angeordnet werden solle, erörtern (vgl. SchulteBunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 2. Aufl. Rn. 7 zu § 175 FamFG). Demgemäß hatte das Amtsgericht mit Verfügung vom 26. Januar 2011 Termin zur Anhörung auf den 7. März 2011 anberaumt, zu dem jedoch die geladenen Beteiligten zu 3 nicht erschienen waren.
Vor diesem Hintergrund sind vor einer Beweisaufnahme im Wege des Sachverständigengutachtens die weiteren Anfechtungsvoraussetzungen festzustellen (vgl. MünchKommZPO/CoesterWaltjen/Hilbig, Rn. 5 zu § 177 FamFG. Staudinger/Rauscher, 2011, Rn. 47 zu § 1600 BGB). Darüber hinaus würde anderenfalls die tatbestandliche Begrenzung des § 1600 Abs. 2 und 4 BGB zum Schutz einer bestehenden Familiengemeinschaft umgangen, wenn ein Abstammungsgutachten in jedem Fall einzuholen wäre. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Verpflichtung zur Amtsermittlung nach § 26 FamFG, da diese durch § 177 Abs. 1 FamFG nur eingeschränkt gilt (vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG, 16. Aufl., Rn. 3 zu § 177.
MünchKommZPO/CoesterWaltjen/Hilbig, Rn. 3 ff. zu § 177 FamFG. SchulteBunert/Weinreich/Schwonberg, aaO., Rn. 12 zu § 177 FamFG).
Dem Antragsteller steht ein Recht zur Anfechtung der bestehenden rechtlichen Vaterschaft deswegen nicht zu, weil weder dargetan noch erwiesen ist, dass zwischen dem Beteiligten zu 3 als rechtlichem Vater und der Beteiligten zu 2 eine sozialfamiliäre Beziehung nicht besteht. Eine solche Beziehung besteht nach § 1600 Abs. 4 BGB, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat (Satz 1), wovon idR auszugehen ist, wenn er mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat (Satz 2). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2008, 1821) ist insoweit zwischen der unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutung des § 1600 Abs. 4 Satz 1 BGB einerseits und der widerlichen Vermutung des Satzes 2 zu unterscheiden.
Allerdings obliegt es dem Antragsteller konkrete Anhaltspunkte vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass eine sozialfamiliäre Beziehung nicht besteht, denn ein einfaches Bestreiten einer solchen Beziehung ist nicht ausreichend (vgl. BGH FamRZ 2007, 538, 539. Helms/Kieninger/Rittner, Abstammungsrecht in der Praxis, Rn. 122 ff., 127). Dabei hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass es dem Antragsteller faktisch nicht unmöglich ist, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen (FamRZ 2007, 537, 540), indem er nach außen in Erscheinung tretende Umstände oder andere Indizien (vgl. Aufstellung bei SchulteBunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 3. Aufl., Rn. 18 zu § 171 FamFG) vorträgt. Anderenfalls muss vortragen, dass er nicht ansatzweise Einblick in die Beziehung nehmen kann (vgl. BGH FamRZ 2008, 1821, 1822).
Nach dem vom Antragsteller nicht substantiiert bestrittenen Vorbringen der Beteiligten zu 3 leben diese seit Oktober 2007 dauerhaft zusammen, nachdem zuvor eine Beziehung bereits von August 2000 bzw. April 2001 (Bezug einer gemeinsamen Wohnung) bis Dezember 2004 bestanden hatte. Ihre Beziehung hat sich nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 3 durch die Schwangerschaft weiter verfestigt. Dass zwischen den beiden Beteiligten zu 3 nach der Geburt von J. keine Lebensgemeinschaft bestanden hatte, hat der Antragsteller weder behauptet noch konkret dargetan. Vielmehr hat er im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 25. Januar 2011 vorgetragen, dass er gerade nicht belegen kann, dass zwischen der Beteiligten zu 2 und dem rechtlichen Vater keine sozialfamiliäre Beziehung besteht.
Seinem weiteren Vorbringen in der Beschwerdeinstanz, die Beteiligte zu 3 sei allein mit der Beteiligten zu 2 aus der bisherigen gemeinsamen Wohnung ausgezogen, sind die Beteiligten zu 3 in der Beschwerdeerwiderung damit entgegen getreten, dass die Familie zusammen umgezogen sei. Über sein Vorbringen in der Beschwerdebegründung sowie im Schriftsatz vom 21. Juni 2011 hinaus hätte der Antragsteller nähere und für ihn erkennbare Umstände vortragen müssen und können, dass die von ihm behaupteten Umzüge gerade nicht gemeinsam erfolgt sind oder etwa aufgrund der jeweiligen Klingelschilder von einer dauerhaften Trennung ausgegangen werden kann. Das einfache Bestreiten ist nicht ausreichend, denn insoweit hätten eigene Wahrnehmungen über den alleinigen neuen Wohnort dargestellt werden können. Insoweit obliegt es dem Senat auch nicht im Rahmen des § 177 Abs. 1 FamFG von Amts wegen aufzuklären, ob eine sozialfamiliäre Beziehung besteht. Vielmehr kann sich das Gericht auf die Anhörung der Beteiligten und des Jugendamts sowie die unter Beweis gestellten Behauptungen des Anfechtenden beschränken (vgl. Staudinger/Rauscher, 2011, Rn. 44a zu § 1600 BGB).
Vor diesem Hintergrund sprechen sowohl die Lebensgemeinschaft der Beteiligten zu 3 sowie deren (spätere) Eheschließung dafür, dass der Beteiligte zu 3 für die Beteiligte zu 2 tatsächlich Verantwortung getragen hat bzw. weiterhin trägt. Dass die Beteiligten zu 3 erst etwa 1 3/4 Jahre nach der Geburt von J. die Ehe geschlossen haben, nachdem die Vaterschaft am 8. Juli 2010 anerkannt worden war, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Der Antragsteller hat seinen Anfechtungsantrag auch darauf gestützt, dass ihn die Beteiligte zu 3 "ihm seine leibliche und rechtliche Vaterschaft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bewusst streitig" mache. Hierzu führte er jedoch nur an, dass sie seine Anfragen auf Übersendung einer Urkunde über die Vaterschaftsanerkennung durch einen anderen Mann oder auf Durchführung einer außergerichtlichen Abstammungsuntersuchung abgelehnt habe. Hierdurch wird indes nicht deutlich, dass der Antragsteller persönlich für die Beteiligte zu 2 tatsächlich Verantwortung übernehmen will, denn seit der Geburt ließ der Antragsteller nahezu zwei Jahre vergehen, bis er sich wieder mit Schreiben vom 23. Juni 2010 wegen der Klärung der Abstammung an die Beteiligte zu 3 gewandt hat. Dabei lehnt die Beteiligte zu 3 jeden persönlichen Kontakt zum Antragsteller nachdrücklich ab und stuft das vorliegende Verfahren als stalking ein.
Auch der Umstand, dass die Beteiligten zu 3 mit ihrer Tochter nach dem Auszug aus der Einwohnermeldedatei vom 1. April bis zum 11. Juni 2011 unter der Adresse xxx gemeldet waren und seit dem 11. Juni 2011 wieder unter ihrer vorangegangenen Adresse xxx leben, steht dem nicht entgegen, weil dadurch eine tatsächliche Beziehung des Beteiligten zu 3 zur Beteiligten zu 2 nicht infrage gestellt wird.
c) Mit dem Bundesgerichtshof (FamRZ 2007, 538, 540) teilt der Senat nicht die Auffassung des Antragstellers, das eingeschränkte Recht zur Anfechtung einer bestehenden rechtlichen Vaterschaft verletze vorliegend in verfassungswidriger Weise das Elternrecht des potenziellen biologischen Vaters.
Dabei geht der Antragsteller in der Beschwerdebegründung ebenfalls davon aus, dass die "gelebte soziale Familie" schutzwürdig sei, nimmt indes eine solche jedoch vorliegend in Abrede. Bei der Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Beteiligten ist auch das "im Regelfall zu vermutende Interesse des Kindes am Erhalt seines Status (...) und der Abwehr von Störungen seiner fortbestehenden oder zumindest für längere Zeit vorhanden gewesenen sozialfamiliären Beziehung (...)" maßgeblich zu berücksichtigen. Dem Elternrecht des leiblichen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG steht darüber hinaus "das mindestens gleichwertige Interesse des rechtlichen Vaters gegenüber, der diese Rechtsstellung bereits einnimmt und die sich daraus ergebende Verantwortung auch wahrnimmt (vgl. BGH FamRZ 2007, 538, 540 unter Bezugnahme auf BVerfG FamRZ 2003, 816, 818 f.). Nimmt der rechtliche Vater die aus seinem Elternrecht folgende Verantwortung - nach dem Erkenntnisstand bei Abschluss des Anfechtungsverfahrens - wahr, so liegt es im Gestaltungsbereich des Gesetzgebers diesem Mann die alleinige rechtliche Elternschaft zuzuweisen "unabhängig davon, ob sich die Elternverantwortung auf Abstammung oder auf Rechtszuweisung gründet".
Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Anfechtungsrecht zwischen dem rechtlichen Vater und dem potenziellen biologischen Vater, wie sie der Antragsteller im Schriftsatz vom 14. Februar 2011 ausführlich rügt, liegt nicht vor. Dies liegt bereits darin begründet, dass letzterer häufig - wie auch vorliegend - nicht mit dem Kind und dessen Mutter zusammenlebt, während bei der durch Ehe begründeten Vaterschaft hiervon ausgegangen werden kann. Weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (FamRZ 2003, 816, 820) die biologische Abstammung wie die bestehende sozialfamiliäre Verantwortungsgemeinschaft gleichermaßen verfassungsrechtlich Schutz genießen und bei deren Auseinanderfallen keine starre Gewichtung aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleiten ist, besteht insoweit kein Rangverhältnis zwischen der biologischen und der sozialen Elternschaft. Der Gesetzgeber kann den Interessen des Kindes und seiner rechtlichen Eltern am Erhalt einer bestehenden sozialen Familie gegenüber dem Interesse des leiblichen Vaters, als Vater auch rechtlich anerkannt zu werden, den Vorrang einräumen. Dass sich der biologische Vater im Fall einer späteren Anfechtung durch das Kind Regressansprüchen ausgesetzt sieht, ohne zuvor die Vaterrolle ausgeübt haben zu können, ist entgegen der vom Antragsteller vertretenen Auffassung Reflex der gesetzlichen Anfechtungsregel, jedoch nicht ein bestimmendes Abwägungskriterium.
Mit Beschluss vom 13. Oktober 2008 (FamRZ 2008, 2257, 2258) hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass die gesetzliche Regelung zum Anfechtungsrecht des potenziellen biologischen Vaters verfassungsgemäß ausgestaltet ist. Denn neben dem Recht auf Kenntnis eines Mannes, ob ein Kind von ihm abstammt, sind sowohl das Interesse des Kindes an der Stabilität seiner rechtlichen und sozialfamiliären Zuordnung als auch das Interesse von Mutter und Kind vor Preisgabe persönlicher Daten und Offenlegung intimer Begebenheiten zu schützen.
Auch unter dem Gesichtspunkt, dass das Anfechtungsrecht des potenziellen biologischen Vaters durch das Verhalten der Kindesmutter und eines anderen Mannes ausgeschlossen werden kann, indem eine bestehende Beziehung zum möglichen leiblichen Vater abgebrochen oder dessen Entstehung verhindert wird (vgl. Helms FamRZ 2010, 1, 5 f.. Staudinger/Rauscher, 2011, Rn. 12 zu
§ 1600 BGB), führt vorliegend zu keiner anderen Beurteilung. Denn nach dem Sach und Streitstand ist von einer gelebten Beziehung des rechtlichen Vaters zu seiner Tochter auszugehen.
Eine andere Beurteilung ist vorliegend auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGHMR (FamRZ 2011, 269 = JAmt 2011, 215) zu dem ebenfalls durch eine sozialfamiliäre Beziehung eingeschränkten Umgangsrecht des biologischen Vaters gerechtfertigt. Hiernach verletzt § 1685 Abs. 2 BGB das Recht des biologischen Vaters auf Familienleben aus Art 8 EMRK. Auch wenn die bestehende familiäre Beziehung zwischen den Eltern und einem Kind schutzwürdig ist, so ist danach das Interesse des Kindes an einem Kontakt zum potenziellen biologischen Vater zu berücksichtigen, sodass auch eine Kindeswohlprüfung zu erfolgen habe.
Auf das hier streitige Anfechtungsrecht des Antragstellers kann diese Rechtsprechung nicht ohne weiteres übertragen werden. Zum einen sind die Abwägungen für ein Umgangsrecht auf der einen Seite und im Rahmen einer statusrechtlichen Entscheidung auf der anderen Seite zu unterscheiden. Zum anderen war im Fall des EuGHMR die biologische Abstammung der Kinder vom dem Umgang begehrenden Mann erwiesen. Diese steht vorliegend jedoch gerade im Streit, sodass dem Gesichtspunkt der bestehenden sozialfamiliären Beziehung gegenüber dem Recht auf Kenntnis der Abstammung ein anderes Gewicht beizumessen ist.
d) Auch der Hilfsantrag, mit dem der Antragsteller die Ersetzung der Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der Abstammung gemäß § 1598a Abs. 2 BGB begehrt, ist ebenfalls nicht begründet.
Eine Verbindung der Abstammungssachen nach § 169 Nr. 4 FamFG einerseits sowie nach § 169 Nr. 2 FamFG andererseits steht § 179 Abs. 1 FamFG nicht entgegen, weil hiernach Abstammungssachen, die dasselbe Kind betreffen, miteinander verbunden werden können (vgl. SchulteBunert/Weinreich/Schwonberg, aaO., Rn. 2 und 4 f. zu § 179 FamFG). Nach der gesetzlichen - vom Bundesverfassungsgericht (FamRZ 2008, 2257 f.) nicht beanstandeten - Regelung des § 1598a BGB ist dem potenziellen biologischen Vater ein Recht zur Klärung der Abstammung nicht eröffnet.
Wenn im Schrifttum (Wellenhofer FamRZ 2008, 1185. Helms FamRZ 2010, 1, 7) die Regelung insoweit als verfassungswidrig beurteilt wird, als dem potenziellen biologischen Vater auch unter den Voraussetzungen seines Vaterschaftsanfechtungsrechts nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB kein Anspruch auf Klärung der Abstammung zugesprochen wird, führt dies vorliegend deswegen zu keiner weitergehenden Rechtsstellung des Antragstellers, weil nicht erwiesen ist, dass zwischen dem Beteiligten zu 3 und der Beteiligten zu 2 eine sozialfamiliäre Beziehung i.S.v. § 1600 Abs. 2 und 4 BGB nicht besteht.
3. Der Senat sieht von einer erneuten Anhörung der Beteiligten (§ 175 Abs. 1 FamFG) ab, weil hierzu im Hinblick auf die unzureichenden Anhaltspunkte für eine fehlende sozialfamiliäre Beziehung kein Anlass besteht (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG).
4. Ein Grund, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, weil der Senat die Frage des Nichtbestehens einer sozialfamiliären Beziehung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im vorliegenden Einzelfall beurteilt hat. Daher kommt der Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 FamGKG.
Dr. Schwonberg
Jarzyk