Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.07.2011, Az.: Not 7/11
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 15.07.2011
- Aktenzeichen
- Not 7/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 20024
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0715.NOT7.11.0A
Rechtsgrundlagen
- GBO § 12
- GBO § 133
- GBV § 43
- BNotO § 14
Fundstellen
- MittBayNot 2012, 65-66
- ZfIR 2011, 732
Amtlicher Leitsatz
Die bloße Bitte eines Maklers um Grundbucheinsicht berechtigt den Notar ohne nähere Prüfung eines berechtigten Interesses nicht zur Einholung eines Grundbuchauszugs im automatisierten Abrufverfahren (Bestätigung von Not 26/10).
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung einer Disziplinarverfügung und des sie bestätigenden Widerspruchsbescheids. Mit der Disziplinarverfügung wurde gegen den Kläger ein Verweis wegen der unberechtigten Einsichtnahme in das elektronische Grundbuch in sechs Fällen verhängt.
Aufgrund einer turnusmäßigen Überprüfung der Amtsgeschäfte wirft der Beklagte dem Kläger, in sechs Fällen unberechtigt Einsichtnahme in das elektronische Grundbuch genommen zu haben, weil dies für andere als die in § 43 Abs. 2 GBV geregelten Zwecke erfolgt sei. Dabei handelt es sich um Einsichtnahmen in die Grundbücher der Eigentümer B. M. am 5. Januar 2009, S. Ma. am 26. Januar 2009, H. und R. Sch. am 27. Januar 2009, H.J. C. am 12. März 2009, R. N. am 18. März 2009 und U. K. am 2. Juni 2009. Die Grundbuchauszüge sind von verschiedenen Maklern beim Notar abgefragt worden. Die Beurkundung eines Kaufvertrags hat nicht beim Kläger, sondern bei einem anderen Notar stattgefunden. Der Kläger hat mittlerweile Gebühren für die Einsichtnahme in das elektronische Grundbuch erhoben.
Der Beklagte hat nach Einleitung des nichtförmlichen Disziplinarverfahrens mit Bescheid vom 4. Januar 2010 einen Verweis verhängt. Zur Begründung hat er angegeben, es liege ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 und 3 BNotO vor. Der Kläger habe die Grundbuchauszüge "auf Zuruf" an die Makler übersandt oder übersenden lassen. Diese Auszüge seien ohne jeden Berechtigungsnachweis des Anfordernden und ohne Aufnahme eines Vermerks über die Person und des Berechtigten, den Zeitpunkt und den Grund des Ersuchens übersandt. Ein Auftrag für ein notarielles Amtsgeschäft habe nicht vorgelegen. Das hiergegen vom Kläger eingelegte Rechtsmittel hat der Präsident des Oberlandesgerichts Celle mit dem Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2011 zurückgewiesen. Den Notaren, die an dem automatisierten Abrufverfahren für elektronisch geführte Grundbücher teilnehmen, sei die Einsicht nur gestattet, wenn es sich um eine notarielle Angelegenheit handele und ein berechtigtes Interesse i. S. v. § 12 GBO bestehe. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. der Notar habe die ihm obliegende Prüfung vor Nutzung des Abrufverfahrens nicht durchgeführt. Es habe kein Auftrag eines Eigentümers vorgelegen, sondern die Bitte eines Maklers, der behauptet habe, vom Eigentümer einen Verkaufsauftrag erhalten zu haben. Der vom Kläger vorgelegte Vermerk der Bundesnotarkammer vom 26. Mai 2010 gebe für die Entscheidung nichts her. Die von der Bundesnotarkammer vertretene Auffassung, eine Einsicht sei auch ohne Zusammenhang mit einer notariellen Amtstätigkeit gestattet, werde nicht geteilt. Dem Notar obliege nicht die Entscheidung über die Berechtigung eines Begehrens von Antragstellern auf Grundbucheinsicht.
Der Kläger hat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 4. Februar 2011 Klage erhoben. Er vertritt unter Bezugnahme auf die Entscheidung des erkennenden Notarsenats vom 24. August 2010 (Not 9/10) die Auffassung, er habe eine notarielle Amtshandlung vorgenommen, da er auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege tätig geworden sei. Die Grundstückseigentümer hätten die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke verkaufen wollen und zu diesem Zwecke Makler eingeschaltet. Auf der Grundlage des von den Eigentümern erteilten Maklerauftrags seien diese - die Makler - an den Kläger in seiner Eigenschaft als Notar herangetreten, um Grundbuchabschriften anzufordern. Ein konkreter notarieller Auftrag im Sinne eines Beurkundungs oder Beglaubigungsgeschäftes sei nicht erforderlich. Vielmehr ergebe sich aus § 43 Abs. 2 GBV, dass der Eigentümer immer ein berechtigtes Interesse habe und es im Übrigen der Darlegung eines berechtigten Interesses durch den Notar nicht bedürfe. Einen "Grundbuchservice auf Zuruf" eines Maklers habe er nicht betrieben.
Der Kläger stellt den Antrag,
die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts Stade vom 4. Januar 2010 (Az.: ...) sowie den Widerspruchsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vom 31. Januar 2011 (Az.: ...) aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die von ihm erlassene Disziplinarverfügung sowie den Widerspruchsbescheid.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat gegen den Kläger zu Recht einen Verweis wegen der unberechtigte Einsichtnahme in das elektronische Grundbuch in sechs Fällen verhängt. Es liegt ein Dienstvergehen wegen des Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 und 3 BNotO vor.
Ein Notar hat gem. § 14 Abs. 1 BNotO sein Amt getreu seinem Eide zu verwalten. Gem. § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO hat er jedes Verhalten zu vermeiden, dass den Anschein eines Verstoßes gegen die ihm gesetzlich auferlegten Pflichten erzeugt. Hiergegen hat der Kläger verstoßen. Der Kläger hat den Anschein erweckt, er nehme die gesetzlichen Vorgaben nicht ernst, indem er ohne weitere Nachprüfung des Vorliegens eines berechtigten Interesses in sechs Fällen einen Grundbuchauszug im automatisierten Abrufverfahren eingeholt hat.
I.
1. Grundsätzlich ist gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GBO die Einrichtung eines automatisierten Verfahrens zulässig, sofern sichergestellt ist, dass der Abruf von Daten die nach den oder aufgrund der §§ 12 und 12a GBO zulässige Einsicht nicht überschreitet. Gem. § 133 Abs. 2 S. 2 BNotO darf die Genehmigung u. a. nur an Notare erteilt werden. Unter diesen Voraussetzungen ist das uneingeschränkte automatisierte Abrufverfahren nur geeignet, wenn ein berechtigtes Interesse für die Einsichtnahme in das Grundbuch nicht dargelegt zu werden braucht (Demharter, GBO, 27. Auflage, § 133 Rdnr. 4. Senat, Beschluss vom 24. August 2010, Az: Not 9/10 - aus juris).
Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein berechtigtes Interesse wird jedem zugeschrieben, dem ein Recht am Grundstück oder an einem Grundstücksrecht zusteht (Demharter, aaO., § 12 Rdnr. 8). Dem Eigentümer ist grundsätzlich die Einsicht gestattet (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Auflage, Rdnr. 524). § 43 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Abs. 1 GBV gestattet u. a. Notaren die Grundbucheinsicht, ohne dass es der Darlegung eines berechtigten Interesses bedarf. Dies wird damit begründet, dass bei Notaren das berechtigte Interesse aus deren Tätigkeit in Ausübung der Amtspflicht folgt (Schöner/Stöber, aaO., Rdnr. 527). Dies hat zur Folge, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 43 GBV eine Prüfung der berechtigten Interessen entfällt. ein berechtigtes Interesse muss aber vorhanden sein (Schöner/Stöber, aaO., Rdnr. 528. Demharter, aaO., § 12 Rdnr. 15. Senat, Az: Not 9/10). Dabei kann ein tatsächliches, vor allem wirtschaftliches Interesse genügen (Demharter, aaO., § 133 Rn. 9). Eine Einsichtnahme ist nicht statthaft, wenn sie lediglich aus Neugier oder zu unbefugten Zwecken erfolgen soll. Auch dem Immobilienmakler wird ein allgemeines Recht auf Grundbucheinsicht zu versagen sein (Demharter, aaO., § 133 Rn. 12). Er darf nur mit Vollmacht des Eigentümers Einsicht in das Grundbuch nehmen (Schöner/Stöber, aaO., Rn 525. Senat, Az: Not 26/10, Urteil vom 03. März 2011 - aus juris).
2. Der Kläger hat in sechs Fällen auf Anforderung zweier Makler Grundbuchauszüge im automatisierten Verfahren abgerufen und den Maklern zur Verfügung gestellt. Dies ist für sich genommen kein durch § 12 GBO gerechtfertigtes und nach § 43 GBV nicht weiter darlegungsberechtigtes Abrufverfahren, da der Makler kein entsprechendes Einsichtsinteresse hat. Der Kläger hat sich nach den obigen Maßstäben nicht davon vergewissert, ob tatsächlich eine Vollmacht der Eigentümer zur Einsichtnahme in das Grundbuch vorlag. Soweit die den Kläger beauftragenden Makler dies behauptet haben, hätte dies dem Kläger nicht ausreichen dürfen, um im Wege des automatisierten Abrufverfahrens im elektronischen Grundbuch einen Auszug zu erstellen und den Maklern zu übermitteln.
Soweit der Kläger behauptet, die Eigentümer hätten die Makler um Beiziehung eines Grundbuchauszuges gebeten, hat er sich in keinem einzigen Fall mit den Eigentümern in Verbindung gesetzt oder sich sonst im Einzelfall von der Zustimmung des betreffenden Eigentümers verlässlich überzeugt. Es lag beim Abruf des Grundbuchauszuges durch den Kläger (oder seiner Angestellten) nur die nicht näher verifizierte bloße Behauptung der Makler vor, sie seien vom Eigentümer beauftragt worden. Dies macht allerdings, auch wenn es sich bei den Maklern nach Behauptung des Klägers um seriöse, ihm bekannte Makler handeln soll, eine Prüfung der für den Einzelfall erklärten Zustimmung des Eigentümers nicht entbehrlich. Es ist nicht auszuschließen, dass bei der Einsichtnahme ein berechtigtes Interesse nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO tatsächlich nicht bestand, selbst wenn der Kläger darauf vertraut haben mag, die um die Einsicht bittenden Makler oder deren Mitarbeiter würden sich korrekt verhalten und nur dann um Grundbucheinsicht nachsuchen, wenn ein entsprechender konkreter Auftrag der Eigentümer um Grundbucheinsicht vorlag oder ein konkretes Urkundsgeschäft bevorstand. Denn es ist nicht auszuschließen, dass auch sonst seriöse Makler wegen des nahe liegenden Eigeninteresses an Gelegenheiten zu Nachweismaklertätigkeiten auch ohne Auftrag des Verkäufers an einer Kenntnis des Grundbuchs interessiert sein könnten.
Es tritt hinzu, dass in den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fällen auch keine notarielle Beurkundung eines Kaufvertrages beim Kläger erfolgt ist, die Grundbucheinsicht also auch nicht im Rahmen eines beim Kläger beabsichtigten Urkundsgeschäftes erfolgt ist.
Der Senat folgt mit dieser Entscheidung seiner bereits im Verfahren Not 26/10 geäußerten Auffassung. Dort wie hier ging es darum, dass der betroffene Notar das automatisierte Abrufverfahren für das elektronische Grundbuch auf Bitte von Maklern nutzte, um Grundbuchauszüge zu erstellen. ob ein dahinter stehender konkreter Auftrag des jeweiligen Eigentümers stand, hatte er sich nicht vergewissert.
Soweit der Kläger auf ein seit August 2009 verwendetes Formular zum Nachweis der Vollmachtserteilung durch die Eigentümer oder andere Berechtigte zur Beschaffung eines Grundbuchauszuges verweist, ist dies für die Entscheidung nicht maßgeblich, da die in Rede stehenden Fälle vor der Verwendung dieses Formulars erfolgt sind.
Der Kläger kann sich zur Begründung seiner Klage nicht auf die Ausführungen des Senats in dem Verfahren Not 9/10 berufen. Der Senat setzt sich zu dieser Entscheidung auch nicht in Widerspruch. Im Verfahren Not 9/10 hatte sich der klagende Notar persönlich davon überzeugt, dass der Steuerberater von der Eigentümerin zur Einholung des Grundbuchauszuges beauftragt war. er kannte im Übrigen die tatsächlichen Verhältnisse und war wegen eines bereits erfolgten Urkundsvorgangs mit diesen vertraut. Darüber hinaus hatte es sich auch um die Interessenwahrnehmung sowohl der Eigentümerin als auch der Bank gehandelt, da es um eine Umschuldung ging. somit war der Notar nicht nur einseitig tätig, sondern handelte im Interesse mehrerer Beteiligten.
Der Senat kann deswegen - so wie im Verfahren 9/10 - ausdrücklich offen lassen, ob die Befugnis des Notars zur Grundbucheinsicht im uneingeschränkten Abrufverfahren sich daraus ergibt, dass der Eigentümer des Grundstücks entsprechend beauftragt oder ob darüber hinaus für den Notar erkennbar weitere Umstände vorliegen müssen, aus denen sich ein notarielles Amtsgeschäft ergibt.
Es bedarf aus diesem Grund auch keiner Erörterung, ob die Argumentation der Widerspruchsbehörde im Hinblick auf die Gesetzesinitiative des Bundesrates in sich schlüssig ist.
3. Der Kläger hat zumindest fahrlässig gehandelt. Er hätte erkennen und wissen können, dass eine Einsichtnahme in das elektronische Grundbuch nur auf Bitte eines Maklers nicht gerechtfertigt ist. Diese haben nicht ohne weiteres ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme. Ob den Bitten der Makler entsprechende Aufträge der Eigentümer zugrunde lagen, hat der Kläger nicht weiter erforscht. Der Hinweis des Klägers auf die Stellungnahme der Bundesnotarkammer verfängt nicht. Der dem Kläger gemachte Vorwurf geht dahin, dass die Bitte eines Maklers die Erteilung eines Grundbuchauszuges nicht rechtfertigt. Die Bundesnotarkammer vertritt hingegen nicht die Ansicht, dass ein Notar auf die bloße Bitte eines Maklers das automatisierte Abrufverfahren nutzen dürfe. Vielmehr ist die Bundesnotarkammer der Ansicht, dass jedenfalls bei der Erteilung von Einsicht für den Eigentümer das Grundbuchamt keinen Ermessenspielraum hat und daher der Notar ohne weiteres im automatisierten Abrufverfahren einen Grundbuchauszug einholen könne. Dies ist auf das Einsichtsersuchen eines Maklers nicht übertragbar.
Das dem Kläger vorgeworfene Dienstvergehen ist keine Bagatelle. Der Beklagte hat zu Recht darauf abgestellt, der Kläger habe quasi einen "Maklerservice" in der Hoffnung auf spätere Urkundsaufträge geboten, die sich in den vorliegenden Fällen zerschlagen hat. Der Notar hat durch diese Vorgehensweise zumindest den Anschein erweckt, er würde auf bloßen Zuruf den Maklern ohne Prüfung einer Vollmacht der betreffenden Eigentümer Grundbuchauszüge zur Verfügung stellen. Dies war insbesondere aus Sicht des Klägers geeignet, sich für eine spätere notarielle Beurkundung ins Gespräch zu bringen.
Der Beklagte hat zutreffend im nichtförmlichen Disziplinarverfahren entschieden. Ausführungen zur Angemessenheit des Verweises sind entbehrlich, da dieser ohnehin die mildeste Disziplinarmaßnahme darstellt.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 111 b Abs. 1 BNotO, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 111 b Abs. 1 BNotO, § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Der Senat sieht keinen Anlass zur Zulassung der Berufung gemäß § 111 d Satz 1 BNotO, § 124 Abs. 2 i. V. m. § 124 a Abs. 1 VwGO.