Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.07.2011, Az.: 6 U 24/11

Höhe des Anspruchs eines verarmten Schenkers bei teilweisem Wegfall der Bereicherung infolge Belastung des geschenkten Grundstücks mit einem Wohnrecht

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.07.2011
Aktenzeichen
6 U 24/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 37014
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2011:0721.6U24.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 03.02.2011

Amtlicher Leitsatz

Ist auf Seiten des Erwerbers eines Grundstücks, der dem verarmten Schenker wegen Unmöglichkeit teilweiser Herausgabe des Grundstücks Wertersatz geschuldet hätte (§ 528 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 2 Fall 1 BGB), die Bereicherung infolge unentgeltlicher Belastung des Grundstücks mit einem Wohnungsrecht wertmäßig weggefallen, richtet der Anspruch des Schenkers sich, auch wenn der Wert des Grundstücks unter Berücksichtigung der Belastung bei Entstehen des Anspruchs die Leistung von Wertersatz wieder zuließe, auf Herausgabe des Grundstücks mit der Belastung. Stattdessen kann der Schenker Wertersatz von dem Inhaber des Wohnungsrechts entsprechend § 822 BGB verlangen, wenn dessen Wert den Unterhaltsbedarf des Schenkers übersteigt.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 3. Februar 2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.418,83 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Berufung ist unbegründet.

2

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Wertersatz in Höhe von 12.418,83 € für das Grundstück, das E. S. ihrer Schwiegertochter R. und diese ihrem Sohn, dem Beklagten, übertragen hat, aus übergeleitetem Recht E. S. als verarmter Schenkerin (§ 528 Abs. 1 Satz 1 Fall 1, § 818 Abs. 2 Fall 1, § 822 BGB, § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die Verpflichtung R. S. zum Wertersatz gegenüber ihrer Schwiegermutter ist nicht aus dem Grunde ausgeschlossen, dass sie das Erlangte unentgeltlich ihrem Sohn zugewendet hat, sondern war es schon vor Übertragung des Grundstücks auf den Beklagten aufgrund Vertrages vom 24. Oktober 2007, weil R. S. schon vorher nicht mehr bereichert war (§ 818 Abs. 3 BGB).

3

1. Auch wenn die Forderungen, die durch die in Abt. III Nr. 3 des Grundbuchs eingetragene Grundschuld gesichert waren und zu deren Erfüllung R. S. sich ihrer Schwiegermutter gegenüber vertraglich verpflichtet hatte, nicht mehr valutiert haben sollten, hatte das Grundstück nur einen Schenkwert von 96.200 DM. Dessen Schenkung zu dem von den Vertragspartnern angegebenen Wert von 200.000 DM war mit der Auflage an die Beschenkte verbunden, der damals 71 Jahre alten Schenkerin ein Wohnungsrecht zu bestellen, das 103.800 DM wert war. Der von den Vertragschließenden genannte Jahreswert des Rechts von 12.000 DM war mit dem für die Berechtigte maßgeblichen Vervielfältiger von 8,650 gemäß Anlage 9 zu § 14 des Bewertungsgesetzes in der damals gültigen Fassung zu multiplizieren.

4

2. Der Schenkwert von 96.200 DM ist entfallen, indem R. S. im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit der ihr gemachten Schenkung ihrem Ehemann, dem Sohn E. S., ein 152.760 DM wertes Wohnungsrecht zugewandt hat.

5

a) Bei gleichem Jahreswert (12.000 DM) galt für den seinerzeit 51 Jahre alten Ehemann der Vervielfältiger von 12,730 gemäß Anlage 9 zu § 14 des Bewertungsgesetzes in der damals gültigen Fassung.

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b) Der Wert dieser Schenkung ist nicht zu reduzieren aus dem Grunde, dass sich das Wohnungsrecht des Ehemanns R. S. nicht auf das gesamte Haus bezog. Dies ist bereits dadurch berücksichtigt, dass dem Wohnungsrecht nur der Wert zugrunde gelegt wird, mit dem die Parteien des Übertragungsvertrages dieses bezifferten und gegen den sich der Kläger nicht wendet.

7

3. Unerheblich ist, wenn der Beklagte das Grundstück ohne die Belastung übertragen erhalten hätte, die zum Wegfall der Wertbereicherung auf Seiten R. S. geführt hat, ferner, ob der Wert des Geschenks an den Beklagten denjenigen der ihm gemachten Auflagen in einem Maße überstieg und noch heute übersteigt, das die Leistung eines Wertersatzes von 12.418,83 € zuließe.

8

a) Nachträgliche Veränderungen des Wertes des Bereicherungsgegenstandes (Grundstück) und dessen Belastungen, die den Wegfall der wertmäßigen Bereicherung bewirkt haben, ändern nichts daran, dass die Verpflichtung zum Wertersatz ausgeschlossen ist, weil die Bereicherungsempfängerin schon, indem sie ihrem Ehemann das Wohnungsrecht einräumte, wertmäßig nicht mehr bereichert war (§ 818 Abs. 3 BGB). Die R. S. verbliebene Bereicherung bleibt auf den Bereicherungsgegenstand (Grundstück) beschränkt. Das Gesetz sieht nicht vor, dass Wertveränderungen nach Wegfall der Bereicherung einen Anspruch auf Wertersatz von neuem begründen.

9

b) Der Kläger kann von dem Beklagten wegen des Wegfalls der Wertbereicherung nur Übereignung des Grundstücks mit den ihm - dem Beklagten - zur Auflage gemachten Lasten (Wohnungsrechte E., R. und W. S.) sowie der übernommenen Belastung (Grundschuld zugunsten der Kreissparkasse M.) verlangen zuzüglich Wertersatz wegen teilweiser Unmöglichkeit der Herausgabe infolge Belastung des Grundstücks durch den Beklagten zugunsten der Eheleute K. in Gestalt der Zahlung des zur Ablösung dieser Grundschuld erforderlichen Betrages, jedoch nur Zug um Zug gegen Befreiung von der Verbindlichkeit, deren entsprechende Forderung die Grundschuld sichert.

10

c) Stattdessen kann der Kläger Wertersatz von W. S. fordern (entsprechend § 822 BGB). Dieser hat, was R. S. von der Schenkerin E. S. erlangt hat (das Grundstück), teilweise von R. S. unentgeltlich erlangt, indem diese ihm einen Teil des Wertes des Grundstücks durch Bestellung des Wohnungsrechts zu seinen Gunsten unentgeltlich zugewandt hat, und die teilweise Herausgabe des Geschenks (Wohnungsrecht), das mehr wert ist als die von der verarmten Schenkerin benötigten 12.418,83 €, ist nicht möglich (§ 818 Abs. 2 Fall 1 BGB). Die nur teilweise Aufgabe des Wohnungsrechts durch W. S. gegenüber R. S. scheidet aus.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

12

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 ZPO.

13

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.