Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.11.1999, Az.: 6 K 547/95

Anpassung einer Rückstellung über ausdrücklich vereinbarte Gewinntantieme an die Ergebnisse einer Außenprüfung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
09.11.1999
Aktenzeichen
6 K 547/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 17992
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:1109.6K547.95.0A

Fundstellen

  • DStRE 2000, 805-807 (Volltext mit amtl. LS)
  • GmbHR 2000, 990-992 (Volltext mit red. LS)
  • NWB DokSt 2000, 1051

Tenor:

Unter Änderung des Körperschaftsteuerbescheides 1992 vom 4. Oktober 1994 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 28. August 1995 wird die Körperschaftsteuer auf den Betrag herabgesetzt, der sich unter Berücksichtigung weiterer Absetzungen für Abnutzungen in Höhe von 7.832,00 DM als abziehbare Betriebsausgabe ergibt. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 90 v.H. und der Beklagte zu 10 v.H. zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der der Klägerin zu erstattenden Kosten abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Streitig ist die Angemessenheit der Anschaffungskosten eines betrieblichen Personenkraftwagens (Pkw) sowie die Frage, ob die Rückstellung für eine dem Gesellschafter-Geschäftsführer zugesagte Gewinntantieme an das Ergebnis einer Außenprüfung anzupassen ist.

2

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 27. Januar 1989 gegründet wurde und ein Unternehmen zur Planung und zum Vertrieb von Förderanlagen betreibt. An dem Stammkapital von 50.000,00 DM ist der Gesellschafter D... H... mit 49.000,00 DM beteiligt. Er ist zugleich alleiniger Geschäftsführer der Klägerin. Nach § 4 des Anstellungsvertrages vom 1. Februar 1989 hat er Anspruch auf eine Tantieme, deren Bemessung durch Nachtragsvereinbarung vom 28. Dezember 1991 wie folgt geregelt wurde:

"Der Geschäftsführer erhält eine gewinnabhängige Tantieme in Höhe von 50 v.H. des von der Gesellschaft erzielten Reingewinns vor Abzug der Ertragsteuern."

3

Am 31. August 1992 erwarb die Klägerin einen Pkw Mercedes Roadster 500 SL zum Preis von 155.446,01 DM zuzüglich Umsatzsteuer, der dem Gesellschafter-Geschäftsführer sowohl für betriebliche Zwecke als auch zur privaten Nutzung überlassen wurde. Am 22. Mai 1998 wurde das Fahrzeug zu einem Preis von 43.103,45 DM zuzüglich Umsatzsteuer an einen Autohändler weiterveräußert. Die Fahrleistung belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 105220 km.

4

Für das Streitjahr 1992 ermittelte die Klägerin einen Jahresüberschuss von 25.950,51 DM (nach 77.062,05 DM im Vorjahr).

5

Im Anschluss an eine Außenprüfung, die in der Zeit zwischen dem 29. Juni und dem 13. Juli 1994 stattfand und sich auf die Jahre 1990 bis 1992 erstreckte, vertrat der Prüfer die Ansicht, dass die Aufwendungen für den Erwerb des Mercedes Roadster 500 SL unangemessen hoch gewesen seien und die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf den 90.000,00 DM übersteigenden Teil der Anschaffungskosten daher nach § 4 Abs. 5 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Verbindung mit § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nicht abziehbar seien. Die Anschaffungskosten des Fahrzeugs stünden nicht im Einklang mit den in der Vergangenheit erzielten Gewinnen von durchschnittlich 25.000,00 DM pro Jahr. Auch ein betriebliches Repräsentationsinteresse, das die Benutzung eines Fahrzeugs dieser Preisklasse rechtfertigen könne, sei nicht ersichtlich. Hauptauftraggeber der Klägerin sei die Firma S... in Griechenland, auf die ca. 74 v.H. des im Streitjahr erzielten Umsatzes entfallen seien. Geschäftsreisen dorthin habe der Gesellschafter-Geschäftsführer ausschließlich mit dem Flugzeug durchgeführt.

6

Die nicht abziehbaren Betriebsausgaben ermittelte der Prüfer wie folgt:

1992
DM
AfA Mercedes Raodster 500 SL lt. BpB23.316,00
abziehbare BA - 15 v.H. von 90.000,00 DM - 13.500,00
9.816,00
anteiliger Ansatz für die private Nutzung - 2.945,00 (30 %)
6.871,00
Umsatzsteuer 14 v.H. 961,00
nichtabziehbare Betriebsausgaben lt. Bp 7.823,00.
7

Unter Berücksichtigung dieser und weiterer - im Klageverfahren nicht mehr streitiger - Änderungen erhöhte sich der Steuerbilanzgewinn von 25.950,51 DM auf 81.633,20 DM. Eine Anpassung der für den Gesellschafter-Geschäftsführer gebildeten Tantiemerückstellung - die sich nach der Anlage zur Bilanz für das Streitjahr auf 63.730,00 DM belief - nahm der Prüfer nicht vor.

8

Unter dem 4. Oktober 1994 änderte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Körperschaftsteuerfestsetzung für das Streitjahr unter Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde von dem FA durch Einspruchsbescheid vom 28. August 1995 als unbegründet zurückgewiesen.

9

Hiergegen richtet sich die Klage.

10

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das FA die streitigen Aufwendungen auf den Mercedes Roadster zu Unrecht als unangemessen beurteilt und vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen habe. Die Nutzung eines derartigen Fahrzeuges durch den Gesellschafter-Geschäftsführer sei zum einen mit Rücksicht auf ihr - der Klägerin - Repräsentationsinteresse geboten gewesen. Sie betreibe ein "Ein-Mann-Unternehmen", bei dem der Geschäftsführer alle wesentlichen Tätigkeiten in eigener Person ausübe. Geschäftserfolg und Seriosität ihres Unternehmens würden von Kunden insbesondere an dessen Auftreten gemessen, so dass die Nutzung eines Fahrzeugs der gehobenen Klasse positive Wirkungen auf ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit habe. Dies gelte umsomehr, als sie nur über sehr bescheidene Geschäftsräume verfüge. Der Hinweis des FA, dass ihr Hauptauftraggeber seinen Sitz in Griechenland habe und Geschäftsreisen dorthin mit dem Flugzeug unternommen würden, verkenne, dass sie für eine Vielzahl von Auftraggebern im Inland und im benachbarten Ausland (Niederlande, Dänemark, Österreich und Belgien) tätig sei und Geschäftsreisen zu diesen Kunden von dem Geschäftsführer nahezu immer mit dem Pkw unternommen würden. Wegen des mit den weiten Reisen verbundenen Verkehrsrisikos sei die Nutzung eines Fahrzeugs mit hohem Sicherheitsstandard dringend geboten. Der von ihr angeschaffte Mercedes Roadster sei weltweit das einzige Fahrzeug mit Spezialreifen, die bei Höchstgeschwindigkeit und plötzlichem Luftverlust nicht von der Felge sprängen (sogenanntes Contityer-System). Diese Innovation sei ein Grund für die hohen Anschaffungskosten des Fahrzeugs.

11

Schließlich sei bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen auch der Umstand zu berücksichtigen, dass der von ihr angeschaffte Pkw einen erheblichen Wiederverkaufswert habe, wodurch sich auf die Gesamtdauer der Nutzung die Aufwendungen erheblich verminderten.

12

Außerdem macht die Klägerin geltend, dass die infolge der Betriebsprüfung eingetretene Gewinnerhöhung bei der Tantiemeberechnung zu berücksichtigen sei. Der "von der Gesellschaft erzielte Reingewinn vor Abzug von Ertragsteuern"sei der Gewinn, der sich unter Anwendung handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Bestimmungen ergebe, und zwar unabhängig davon, ob er von Anfang an durch den Steuerpflichtigen selbst oder erst im Rahmen der Betriebsprüfung durch das FA festgestellt worden sei.

13

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Körperschaftsteuerbescheides 1992 vom 4. Oktober 1994 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheides vom 28. August 1995 die streitige AfA in Höhe von 7.832,00 DM als abziehbare Betriebsausgabe zu berücksichtigen und die Tantiemerückstellung für den Gesellschafter-Geschäftsführer um 50 v.H. des durch die Betriebsprüfung festgestellten Mehrgewinns zu erhöhen.

14

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15

Er hält an der Auffassung fest, dass die Anschaffungskosten des Mercedes Roadster unter Berücksichtigung der Ertragslage der Klägerin und des von der Nutzung des Fahrzeuges ausgehend Beitrages zum Geschäftserfolg unangemessen hoch seien und die AfA auf den 90.000,00 DM überschreitenden Teil der Anschaffungskosten vom Betriebsausgabenabzug auszuschließen sei.

16

Auch eine Erhöhung der Tantiemerückstellung mit Rücksicht auf den durch die Betriebsprüfung festgestellten Mehrgewinn komme nicht in Betracht. § 4 Abs. 1 Buchstabe b des Anstellungsvertrages in der Fassung des Nachtrages vom 28. Dezember 1991 enthalte keinen Hinweis darauf, dass die von der Klägerin ermittelte Tantieme nicht endgültig sein, sondern unter dem Vorbehalt späterer Berichtigungen der Firmensteuerbilanz (z.B. infolge einer Betriebsprüfung) stehen solle.

Gründe

17

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im übrigen ist sie nicht begründet.

18

1.

Entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Beurteilung sind die Absetzungen für Abnutzung auf den Mercedes Roadster 500 SL bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin in voller Höhe als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Da das Fahrzeug zu ihrem Betriebsvermögen gehört hat, sind diese Aufwendungen durch den Betrieb der Klägerin veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG). Entgegen der Ansicht des FA sind sie auch nicht - teilweise - nach § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift dürfen andere als die in § 4 Abs. 5 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, den Gewinn nicht mindern, soweit sie nach allgemeinen Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind. Die Vorschrift stellt eine Ausnahme vom Prinzip des § 4 Abs. 4 EStG sowie von dem Grundsatz dar, dass die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit betrieblicher Aufwendungen nicht von der Finanzbehörde oder dem Finanzgericht, sondern von dem Steuerpflichtigen selbst zu beurteilen ist. Daraus sowie aus dem Umstand, dass sich die Unangemessenheit der Aufwendungen aus der "allgemeinen" Verkehrsauffassung ergeben muss, folgt, dass der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG eng zu ziehen ist. Insbesondere können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Anschaffungskosten für ein Kraftfahrzeug nicht generell als unangemessen beurteilt werden, soweit gewisse absolute Betragsgrenzen überschritten werden. Für die Beurteilung der Unangemessenheit kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an (BFH-Urteile vom 8. Oktober 1987 IV R 5/85, BStBl II 1987, 853; vom 26. Januar 1988 VIII R 139/86, BStBl II 1988, 629). Neben einer krassen Unausgewogenheit zwischen Umsatz und Gewinn einerseits und der Höhe der Anschaffungskosten andererseits kann auch eine im Vordergrund stehende private Motivation die Unangemessenheit der Anschaffungskosten begründen. Für eine solche kann z.B. die Anschaffung eines für die geschäftlichen Zwecke des Steuerpflichtigen wenig geeigneten, aber für die Ausübung des Motorsports tauglichen Wagens (anstelle einer Limousine) oder auch der ständige Wechsel des Kraftfahrzeugs aus Liebhabergründen sprechen (BFH-Urteil in BStBl II 1987, 853, 855). Im Streitfall waren die Aufwendungen für die Anschaffung des Pkw zwar nicht unerheblich. Von einem krassen Missverhältnis kann aber entgegen der Beurteilung des FA nicht ausgegangen werden. Denn die für das Streitjahr abgezogene AfA von 23.316,00 DM machte nicht einmal ein Drittel des durch die Außenprüfung ermittelten Einkommens der Klägerin aus. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass das Fahrzeug für die Zwecke der betrieblichen Tätigkeit der Klägerin ungeeignet gewesen wäre. Vielmehr hat die Klägerin - wenn schon nicht zwingende, so doch - plausible Gründe dafür vorgetragen, weshalb die Anschaffung eines Fahrzeugs dieser Art von ihr für zweckmäßig gehalten wurde (Repräsentationsinteresse; Sicherheitsaspekte). Schließlich spricht die Tatsache, dass das Fahrzeug nahezu 6 Jahre im Betriebsvermögen der Klägerin verblieben ist, gegen eine vorrangig durch private Motive des Gesellschafter-Geschäftsführers veranlasste Anschaffung.

19

2.

Im übrigen ist die Klage nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die für den Gesellschafter-Geschäftsführer gebildete Tantiemerückstellung an den durch die Außenprüfung ermittelten höheren Steuerbilanzgewinn angepasst wird. Nach der für das Streitjahr maßgeblichen Nachtragsvereinbarung vom 28. Dezember 1991 hatte der Geschäftsführer Anspruch auf "eine gewinnabhängige Tantieme in Höhe von 50 v.H. des von der Gesellschaft erzielten Reingewinns vor Abzug der Ertragsteuern". Der Wortlaut dieser Regelung enthält keine ausdrückliche Regelung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage. Weder bestimmt er ausdrücklich, dass sich der Tantiemebetrag endgültig nach dem von der Klägerin im Rahmen ihres Jahresabschlusses ermittelten Reingewinn richten soll, noch stellt er ausdrücklich eine Verbindung zwischen der Tantieme und dem der Besteuerung zugrunde gelegten Steuerbilanzgewinn her. Der Umstand, dass die Tantieme nach § 4 des Anstellungsvertrages in der ursprünglichen und insoweit durch die Nachtragsvereinbarungen vom 29. Juni 1990 und 28. Dezember 1991 nicht geänderten Fassung vom 1. Februar 1989"mit der Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft" fällig sein sollte, spricht aber dafür, dass sich der Tantiemebetrag endgültig nach den im Rahmen des Jahresabschlusses ermittelten Reingewinn der Klägerin richten sollte. Anderenfalls hätten sowohl die Klägerin als auch ihr Gesellschafter-Geschäftsführer unter Umständen über Jahre oder Jahrzehnte hinweg - nämlich bis zur endgültigen Bestands- bzw. Rechtskraft der von dem FA zu erlassenen Steuerbescheide - mit der Möglichkeit von Nach- bzw. Rückforderungen rechnen müssen. Die mit einem solchen Schwebezustand für beide Seiten verbundene Unsicherheit kann nach Ansicht des Senats nur dann als gewollt angesehen werden, wenn sie in der zugrundeliegenden Tantiemevereinbarung - wie dies in der Praxis gelegentlich auch geschieht - ausdrücklich vorgesehen ist.

20

Da es im Streitfall an einer solchen ausdrücklichen Regelung fehlt, ist das FA zu Recht davon ausgegangen, dass die für den Gesellschafter-Geschäftsführer gebildete Tantiemerückstellung nicht an den durch die Außenprüfung festgestellten höheren Steuerbilanzgewinn anzupassen ist.

21

3.

Das Einkommen der Klägerin ist daher - unter entsprechender Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung - um die von der Außenprüfung als nicht abziehbar beurteilten Betriebsausgabe 7.823,00 DM zu mindern (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Berechnung der sich daraus ergebenden Körperschaftsteuerfestsetzung konnte gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen werden. Im übrigen ist die Klage abzuweisen.

22

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung in Verbindung mit § 151 Abs. 1 und 3 FGO.