Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.11.1999, Az.: 2 K 646/95

Beschwer bei Steuerfestsetzung auf Null; Möglichkeit der Umdeutung eines Einspruchs

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.11.1999
Aktenzeichen
2 K 646/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 18000
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:1117.2K646.95.0A

Fundstellen

  • DStRE 2000, 585-586 (Volltext mit amtl. LS)
  • KFR 2000, 292

Tatbestand

1

Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) den Einkommensteuerbescheid 1991 und/oder den Verlustfeststellungsbescheid ändern muß und ob dabei die Höhe des Veräußerungsverlustes der Klägerin aus einer liquidierten GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführerin die Klägerin war, zu erhöhen ist.

2

Die Klägerin errichtete im Jahre 1987 als alleinige Gesellschafterin die "GmbH", die einen Flugdienst u.a. auf die Insel unterhielt. Die Klägerin war auch Geschäftsführerin der "GmbH". Die Gesellschaft erwirtschaftete jedoch nur Verluste. Der Flugbetrieb wurde im August 1988 eingestellt. Die Klägerin veräußerte im nächsten Jahr das Fluggerät. Die Bank, die sowohl die Einlage als auch das Fluggerät finanziert hatte, nahm die Klägerin aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft, eingegangen für Schulden der GmbH bei der Bank, in Anspruch. Die Klägerin und ihr Ehemann nahmen daraufhin im Juni 1989 bei dieser Bank ein Darlehen über 260.000,00 DM auf. Damit wurden u.a. die Bürgschaftsverpflichtung getilgt und andere private Verbindlichkeiten umgeschuldet. Durch Beschluß der Gesellschafterversammlung im Jahre 1991 wurde die Gesellschaft schließlich aufgelöst.

3

In ihrer Einkommensteuererklärung 1991 machte die Klägerin einen Liquidationsverlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 89.230,00 DM aus dem Verlust der Beteiligung an der GmbH geltend. Das FA erkannte davon lediglich 50.000,00 DM, die verlorene Einlage, an. Der Einkommensteuerbescheid 1991 erging am 12. Juli 1993 und setzte die Einkommensteuer mit null DM fest. Der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug ./. 77.766,00 DM. Dagegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch (Einzelheiten siehe Einspruchsschreiben vom 05.08.1993, Einspruchsakte Bl. 1). Sie machte geltend, der Veräußerungsverlust sei um 39.230,00 DM höher festzusetzen. In dieser Höhe sei sie, die Klägerin, durch die selbstschuldnerische Bürgschaft zugunsten der GmbH von der Bank in Anspruch genommen worden.

4

Das FA erließ während des laufenden Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer nach § 10 d EStG auf den 31. Dezember 1991. Dabei legte das FA diesem Bescheid ebenfalls lediglich den bereits im Einkommensteuerbescheid errechneten negativen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 77.766,00 DM zugrunde, es berücksichtigte also auch hierbei nicht den von der Klägerin geltend gemachten Mehrbetrag an Verlust gem.§ 17 EStG in Höhe von (weiteren) 39.230,00 DM.

5

Der Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig. Später wies das FA den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1991 als unzulässig zurück, da die Klägerin durch einen auf null DM lautenden Bescheid nicht beschwert sei. Dagegen richtet sich die Klage, die nach dem Willen der Klägerin auch den Verlustfeststellungsbescheid umfassen solle.

6

Die Klägerin ist der Ansicht, das FA müsse den Verlustfeststellungsbescheid ändern, da jedenfalls der Einkommensteuerbescheid noch nicht bestandskräftig sei und eineÄnderung gemäß § 10 d Abs. 3 Satz 5 EStG erfolgen müsse. Feststellungsbescheide seien danach auch dann zu ändern, wenn eine Änderung des Einkommensteuerbescheides mangels Auswirkung unterbleibe. Solange der Einkommensteuerbescheid geändert werden könne, müsse auch der Verlustfeststellungsbescheid noch geändert werden. Im übrigen sei der Klägerin der höhere Veräußerungsverlust tatsächlich entstanden.

7

Die Klägerin beantragt,

im Einkommensteuerbescheid 1991 und im Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.1991 einen Verlust gem.§ 17 EStG in Höhe von insgesamt 89.230,00 DM zugrunde zu legen, ferner unter Berücksichtigung von Zinszahlungen als nachträgliche Betriebsausgaben einen Verlust aus Gewerbebetrieb von insgesamt 91.364,00 DM.

8

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Das FA ist der Ansicht, der bestandskräftige Verlustfeststellungsbescheid könne auch nach § 10 d Abs. 3 Satz 5 EStG nicht mehr geändert werden.

Gründe

10

Die Klage ist unbegründet.

11

Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Bescheidüber die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1991 nach § 10 d Abs. 3 Satz 5 EStG geändert wird.

12

a)

Die Klage gegen den Feststellungsbescheid nach § 10 d EStG auf den 31. Dezember 1991 ist unzulässig, da der Bescheid bereits bestandskräftig ist und auch ein Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid nicht durchgeführt worden ist (§ 44 Abs. 2 FGO).

13

Der von der Klägerin vor dem Erlaß des Verlustfeststellungsbescheides eingelegte Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1991 läßt sich nicht in einen Einspruch auch gegen den (späteren) Verlustfeststellungsbescheid umdeuten. Dazu geben weder der Text des Einspruchsschreibens noch die übrigen Umstände Anlaß.

14

Die Klägerin hätte den Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug auf den 31. Dezember 1991 selbst mit Einspruch anfechten müssen, um ihre Rechte zu wahren (vgl. auch BFH-Urteil vom 9. Dezember 1998, XI R 62/97, abgedruckt im Finanzrundschreiben -FR- 1999, S. 542). Da sie dies unterlassen hat, muß sie die Rechtswirkungen dieses Bescheides nunmehr auch gegen sich gelten lassen.

15

b)

Soweit sich die Klage auch gegen den Einkommensteuerbescheid 1991 richtet ist die Klage ebenfalls unzulässig, da die Klägerin durch den Bescheid nicht beschwert ist (§ 40 Abs. 2 FGO). (BFH-Urteil vom 09.12.1998 XI R 62/97, noch nicht veröffentlicht).

16

Eine Beschwer liegt nur vor, wenn der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. In diesem Sinne besteht bei einer "Null-Regelung" - wie im Streitfall - bis auf wenige Ausnahmefälle keine Beschwer (Schwarz -Dumke, FGO, § 40 Rn. 53 m.w.N.). Eine Klagebefugnis ist nur dann gegeben, wenn der Bescheid in anderen Bereichen nachteilige Wirkungen entfallen könnten (Schwarz -Dumke, aaO.). Solche Wirkungen können im Streitfall jedoch nicht eintreten. Dies folgt aus § 10 d Abs. 3 Satz 5 EStG. Zwar können in eng begrenzten Einzelfällen auch Feststellungen über die Besteuerungsgrundlagen in Einkommensteuerbescheiden für andere Verwaltungsakte, insbesondere auf anderen Rechtsgebieten, Bindungswirkung entfalten und eine Beschwer kann auch dann bestehen, wenn der Bescheid die Einkommensteuer selbst mit 0,00 DM festsetzt (vgl. BFH, Urteil vom 20.12.1994 IX R 124/92, BStBl II 1995, 624 für BAföG). Für die Verlustfeststellung besteht eine solche Bindungswirkung jedoch nicht. Andernfalls wäre die Vorschrift des§ 10 Abs. 3 Satz 5 EStG überflüssig, denn dann bestände auch bei einem auf 0,00 DM lautenden Einkommensteuerbescheid eine "steuerliche Auswirkung" (Beschwer, siehe auch v. Groll, Kirchhoff/Söhn § 10 d, B. 229). Der Einkommensteuerbescheid 1991 erzeugt keine nachteiligen Wirkungen auf den Verlustfeststellungsbescheid 1991. Die beiden Bescheide stehen nämlich nach der gesetzlichen Regelung in § 10 d EStG nicht im Verhältnis von Grundlagen- zu Folgebescheid zueinander (Herrmann-Heins,§ 10 d, grüne Blätter, V 3., Meyer DStR 1989, 238, 241; a.A. offenbar Schmidt-Heinicke, § 10 d Anm. 29:"Folgebescheid").

17

Die Revision wird zugelassen, da eine Entscheidung des BFH klarstellende Bedeutung zum Verhältnis von Einkommensteuer- und Verlustfeststellungsbescheid gem. § 17 Abs. 3 EStG haben dürfte.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.