Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.11.1999, Az.: 12 K 69/96

Erneuerung Hafenanlage; Abgrenzung Herstellungskosten; Erhaltungsaufwendungen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.11.1999
Aktenzeichen
12 K 69/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 34576
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1999:1129.12K69.96.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Zum Begriff der Herstellungskosten i. S. von § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB.

  2. 2.

    Ist ein Wirtschaftsgut so sehr abgenutzt, dass es unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß), so wird durch Instandsetzungsarbeiten selbst unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt.

  3. 3.

    War eine Hafenanlage (Steganlage und Bollwerke) so zerstört, dass eine wirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich war, so sind die Kosten der Wiederherstellung der Hafenfunktion und der Hafenanlage Herstellungskosten.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Eigentümerin des A-Hafens in X. Der Sporthafen wurde von dem Großvater der Klägerin in den Jahren 1931 bis 1971 aufgebaut. Zu DDR-Zeiten hatte der Hafen seine wirtschaftliche Grundlage verloren. Ende 1989 war die Hafenfunktion restlos zerstört. Bollwerke und Stege waren verrottet. Der Hafen war versandet. Die Hafenwerkstatt war als Autoreparaturwerkstatt zweckentfremdet. Die Gebäude und Bootshallen im Hafen befanden sich in einem baufälligen Zustand. Die Klägerin wandte für die Sanierung und Wiederherstellung der total zerstörten Hafenanlage und deren Funktionsfähigkeit erhebliche finanzielle Mittel auf. So wurden u.a. die alten Steg- und Uferanlagen mit Bindepfählen demontiert und entsorgt. Die Uferanlage wurde durch die Installation neuer Bollwerke generalüberholt. Neue Steganlagen wurden geliefert und montiert und neue Bindepfähle und Rohre wurden eingerammt. Gebäude, Wasserflächen und Steganlagen verpachtete die Klägerin zum Betrieb einer Hafensportanlage an den Kläger.

2

Die Aufwendungen für die Erneuerung der Steganlagen und Hafenbollwerke in Höhe von ... DM (1991) und ... DM (1992) behandelte die Klägerin als sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand. Im Anschluss an eine Außenprüfung beurteilte das beklagte Finanzamt (FA) die Aufwendungen als Herstellungsaufwand und ließ bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung lediglich Absetzungen für Abnutzung zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu. Gegen die entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide legten die Kläger Einspruch ein. Sie vertraten die Auffassung, bei den Bollwerken und Steganlagen handele es sich nicht um selbständige Wirtschaftsgüter. Das Wirtschaftsgut sei der Hafen, der durch die Erneuerung von Bollwerken und Stegen instand gesetzt worden sei.

3

Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück.

4

Mit ihrer Klage legen die Kläger ein Gutachten des Deutschen Wissenschaftlichen Steuerinstituts der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vor, auf das inhaltlich Bezug genommen wird (Bl. 13 ff. Gerichtsakte). Uferbollwerke und Steganlagen seien nur Nebenanlagen des Wirtschaftsgutes Grund und Boden. Das Fehlen von Uferbollwerken und Steganlagen würde dem als Hafen genutzten Grundstück ein negatives Gepräge geben. Die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Nebenanlagen hätten dienende Funktion, vergleichbar normalen Grundstückseinfriedungen, die der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 15. Dezember 1977 VIII R 121/73,BStBl II 1978, 210als Teile eines Mietwohngrundstücks beurteilt habe.

5

Die Kläger beantragen,

  1. die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin um ... DM für 1991 und um ... DM für 1992 unter Gegenrechnung der AfA lt. Bp. zu vermindern und die Einkommensteuer für 1991 und 1992 entsprechend herabzusetzen.

6

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

7

Sowohl Uferbollwerke als auch Steganlagen seien als selbständige Wirtschaftsgüter zu beurteilen. Sie seien für sich allein nutzbar und ihnen komme jeweils für sich allein eine Funktion zu, zu deren Erfüllung es der Existenz der anderen Wirtschaftsgüter nicht bedürfe. Für die selbständige Bewertbarkeit spreche auch die Erfassung der Vorrichtungen in den amtlichen Abschreibungstabellen.

8

Aber auch bei Annahme eines einheitlichen Wirtschaftsgutes "Sporthafen" könne die Klage keinen Erfolg haben. Nach den Angaben der Klägerin bestehe das einheitliche Wirtschaftsgut "Sporthafen" neben dem nicht abnutz- und abschreibbaren Grund und Boden (mit Gewässer) aus den streitigen Uferbollwerken und den Steganlagen als einzigen abnutzbaren Bestandteilen. Beide seien aber nach den unbestrittenen Feststellungen der Außenprüfung neu hergestellt worden. Sämtliche abnutzbaren Bestandteile des vermeintlich einheitlichen Wirtschaftsgutes "Sporthafen" seien mithin neu hergestellt worden. Von der Instandsetzung eines Wirtschaftsgutes könne daher keine Rede sein. Aber auch wenn man das Wirtschaftsgut "Sporthafen" nicht in seine abnutzbaren und nicht abnutzbaren Bestandteile aufteile, sondern in seiner Gesamtheit betrachte, komme man zum gleichen Ergebnis. Denn dieses Wirtschaftsgut sei nach Angaben der Kläger restlos zerstört gewesen und habe völlig neu hergestellt werden müssen.

Gründe

9

Die Klage ist unbegründet. Der Beklage hat die streitigen Aufwendungen zutreffend als Herstellungsaufwand beurteilt.

10

1. Herstellungskosten im Sinne von § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese handelsrechtliche Begriffsbestimmung gilt ebenso für das Steuerrecht, und zwar auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (BFH-Urteil vom 10. Mai 1995 IX R 62/94, BStBl II 1996, 639).

11

Instandsetzungsaufwendungen können jeweils nach den unterschiedlichen Tatbestandsmerkmalen des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB als Herstellungskosten zu beurteilen sein. Ist das Wirtschaftsgut so sehr abgenutzt, dass es unbrauchbar geworden ist (Vollverschleiß), so wird durch die Instandsetzungsarbeiten selbst unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt.

12

Aufwendungen zur Verbesserung eines Wirtschaftsgutes sind nur dann Herstellungskosten, wenn es sich um eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung handelt. Ursprünglicher Zustand im Sinne von § 255 Abs. 2 Satz 1 Alternative 3 HGB ist der Zustand im Zeitpunkt der Herstellung oder, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut erworben hat, im Zeitpunkt des Erwerbs. Eine solche wesentliche Verbesserung liegt nicht schon dann vor, wenn Bestandteile eines Wirtschaftsgutes durch zeitgemäße neue ersetzt werden, auch dann nicht, wenn an dem Wirtschaftsgut als ganzem Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten ausgeführt werden. Maßnahmen, die zwar das Wirtschaftsgut als Ganzes betreffen, es aber lediglich in einen ordnungsgemäßen Zustand entsprechend seinem ursprünglichen Zustand erhalten oder diesen Zustand in zeitgemäßer Form wiederherstellen (substanzerhaltende Bestandteilserneuerungen) bewirken noch keine wesentlichen Verbesserungen. Dabei ist unerheblich, ob die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen objektiv erforderlich waren oder subjektiv für erforderlich gehalten wurden. Vielmehr ist eine Verbesserung dann wesentlich, wenn - nach objektiven Maßstäben - über die zeitgemäße Erneuerung hinaus der Gebrauchswert des Wirtschaftsgutes im Ganzen deutlich erhöht wird. Die Aufwendungen können zu Herstellungskosten führen, wenn sie über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung hinausgehen und dadurch der Gebrauchswert des Wirtschaftsgutes gegenüber dem ursprünglichen Zustand deutlich erhöht und die Verbesserung damit insgesamt im Sinne von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB wesentlich wird (BFH, BStBl II 1996, 639 [BFH 10.05.1995 - IX R 62/94] mit weiteren Nachweisen).

13

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die streitigen Aufwendungen zutreffend als Herstellungsaufwand beurteilt worden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Sporthafen und seine Bestandteile als einheitliches Wirtschaftsgut oder die Stege und Bollwerke als selbständige Wirtschaftsgüter bewertet werden.

14

a) Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass auch bei Annahme eines einheitlichen Wirtschaftsgutes "Sporthafen" die aufgewendeten Kosten für Stege und Hafenbollwerke nicht als Erhaltungsaufwendungen beurteilt werden können. Nach Angaben der Kläger war die Hafenfunktion restlos zerstört. Eine wirtschaftliche Nutzung war nicht möglich. Bollwerke und Stege waren verrottet. Der Hafen war versandet. Zur Wiederherstellung der Hafenfunktion wurden die maroden Steganlagen und Hafenbollwerke demontiert und entsorgt. Die Uferanlage wurde generalüberholt. Neue Steganlagen wurden geliefert und montiert, neue Rohre und Bindepfähle wurden eingerammt. Durch diese und weitere Baumaßnahmen wurde die Gebrauchsfähigkeit des Hafens, nach eingetretenem Vollverschleiß, wiederhergestellt. Die Aufwendungen führen zu Herstellungskosten.

15

b) Die steuerrechtliche Einordnung der Aufwendungen ändert sich nicht bei Bewertung der Hafenbollwerke und Stege als selbständige Wirtschaftsgüter. Die Altanlagen waren vollständig verbraucht. Sie sind entfernt und durch neue Bollwerke und Stege ersetzt worden. Steuerrechtlich liegt darin eine Neuherstellung der Wirtschaftsgüter. Die Aufwendungen sind Herstellungsaufwand.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.