Landgericht Verden
Beschl. v. 03.07.2017, Az.: 3 T 71/17

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
03.07.2017
Aktenzeichen
3 T 71/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53723
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - AZ: VI ZB 34/17

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 22.5.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck vom 12.5.2017 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Beschwerdewert: Wertstufe bis 1000 EUR

Gründe

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck ist zwar statthaft und fristgerecht erhoben worden. Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung kann sie jedoch keinen Erfolg haben.

1. Der Kläger erwarb auf einer wohl betrügerisch betriebenen Internetseite eines nicht existenten Unternehmens „PeWe24“, vermeintlich ansässig in Osterholz-Scharmbeck, einen Grill. Trotz Bezahlung des Kaufpreises erfolgte keine Warenlieferung. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat die Ermittlungen gegen Unbekannt aufgenommen und in dem an den Kläger gerichteten Schreiben ausgeführt, dass zwar das Konto beschlagnahmt wurde, aber die handelnden Personen noch unbekannt seien. Die verwendeten Namen seien offensichtlich Aliasnamen, denen sich (derzeit) keine reale Person zuordnen lasse.

2. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann eine öffentliche Zustellung nicht in Betracht kommen. Diese ist nämlich nur dann möglich, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt ist. Vorliegend ist aber die Identität des Verkäufers insgesamt unbekannt und - wie bereits das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - hat der Kläger eine Klage gegen eine nicht existente Person erhoben, die insgesamt unzulässig ist. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss eine Klageschrift nämlich die Parteien des Rechtsstreits so genau bezeichnen, dass kein Zweifel an der Person besteht. Die Identität der Partei muss zweifelsfrei feststehen. Daran fehlt es vorliegend, denn die mutmaßlichen Gegner des Klägers sind auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden derzeit unbekannt und damit nicht identifizierbar.

Zwar führt der Kläger richtig aus, dass, wenn ein Kläger den wahren Namen des Beklagten nicht auf zumutbare Weise ermitteln kann, es daher ausnahmsweise auch zulässig sei, Klage gegen eine unbekannte Person zu erheben (LG Berlin, Urteil vom 21. April 1997 – 51 S 551/96 – juris). Denkbar ist daher grundsätzlich auch, lediglich die Firma zu verklagen, vgl. § 17 Abs. 2 HGB. Dies bedeutet indes nur, dass auf den wahren Namen der dahinter stehenden Person in Ausnahmefällen verzichtet werden kann. Voraussetzung bleibt, dass keine Zweifel an der Identität der Person, welche verklagt sein soll, auch im Nachhinein aufkommen können und dass aus der Parteibezeichnung im Rubrum heraus sich die betreffende Partei grundsätzlich – zumindest nachträglich – ermitteln lässt. Denn ein Titel ist zwecklos, wenn er zwar gegen eine im Rubrum benannte Person ergangen ist, diese im Rubrum benannte Person sich später indes nicht der Person mit der sich dahinter verbergenden Identität zuordnen lässt. Dies ist nicht nur für das Erkenntnisverfahren von Relevanz, sondern auch für das sich anschließende Zwangsvollstreckungsverfahren mit seinem Formalisierungsgrundsatz. Hier ist alleinig maßgebend die Parteibezeichnung im Rubrum.

Vorliegend wird vom Kläger diesbezüglich lediglich angegeben: „Herr M.H. (alias), dessen Aufenthaltsort unbekannt ist“. Dies genügt den obigen Anforderungen nicht. Denn es existieren in Deutschland mit Sicherheit mehrere Personen mit diesem Namen und zudem ist davon auszugehen, dass die Person, welche tatsächlich verklagt werden soll, einen anderen Namen trägt, da auch die Ermittlungsbehörden in Sachsen diesen Namen der tatverdächtigen Person nicht zuordnen konnten. Erforderlich nach Auffassung der Kammer wäre daher, in das Passivrubrum noch weitere Elemente aufzunehmen, welche eine eindeutige Identifizierung der verklagten Person im Nachhinein ermöglichen. Dabei ist auch zu beachten, dass im E-Mail-Verkehr zwischen dem Kläger und den für die Firma handelnden Personen auch der zweite Name P.W. genannt wurde. Auf die im Urteil des Landgerichts Berlin dargestellten Voraussetzungen wird Bezug genommen. Zudem wird verwiesen auf den Aufsatz von Mantz, NJW 2016, 2845 und die Entscheidung OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. Juli 2013 – 3 Ws 248/13 – juris).

Soweit vorliegend über die Frage der zulässigen Klageerhebung hinaus auch eine öffentliche Zustellung beantragt ist, stellt § 185 ZPO über § 253 ZPO hinaus weitere Anforderungen auf. Inwieweit auch bei einer bislang nicht identifizierten Person ein Zustellungsversuch stattgefunden haben muss (vgl. Zöller, ZPO, § 185 Rn. 4), kann mangels Vorliegens der obigen Voraussetzungen hier dahinstehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

4. Da die Entscheidung eine grundsätzliche Bedeutung hat und zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, hat die Kammer die Rechtsbeschwerde zugelassen, § 574 Abs. 1, 2 ZPO. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund relevant, da die Generalstaatsanwaltschaft Dresden in einem Rundschreiben an Betroffene Gläubiger darauf aufmerksam gemacht hat, dass diese ihre Rechte auf dem zivilprozessualen Weg zunächst anmelden müssen und sodann auf die arrestierte Geldsumme in Höhe von gut 46.000 EUR zur Befriedigung ihrer Rechte gegebenenfalls zugreifen können (vgl. §§ 111b ff. StPO, Bl. 18 ff. d.A.). Es besteht daher die nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit, dass andere Gerichte, welche aufgrund des Tatortprinzips auch am Wohnsitz von möglichen Geschädigten zuständig sind, anders entscheiden als die Kammer und daher anderen Geschädigten einen Zugriff auf das arrestierte Geld ermöglichen, welches gegebenenfalls vor Zugriffsmöglichkeit des Beschwerdeführers aufgebraucht sein könnte (Stichwort: Wettlauf der Gläubiger). Insbesondere ist dies auch relevant in Anbetracht des gewichtigen Arguments der Einheit der Rechtsordnung. Sollten die strafprozessualen Normen einen Gläubigerzugriff tatsächlich auch ohne Identifizierung des Täters und Schuldners für mögliche erachten und hierfür die Klage vor einem Zivilgericht als Voraussetzung anführen, so muss eine Klage vor einem Zivilgericht auch zumindest unter bestimmten Voraussetzungen zulässig und durchführbar sein, was gegebenenfalls auch die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung beinhaltet.