Landgericht Verden
Urt. v. 16.08.2017, Az.: 8 O 331/16
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 16.08.2017
- Aktenzeichen
- 8 O 331/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53734
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Die Klage wird hinsichtlich des Antrags zu 1) in Höhe von 117 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz abgewiesen. Im Übrigen ist die Klage hinsichtlich des Klagantrages zu 1) dem Grunde nach gerechtfertigt.
Der Klagantrag zu 2) wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand:
Die Klägerin, ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen, verlangt von der Beklagten, einem Eisenbahnverkehrsunternehmen, mit der am 21. 11. 2016 zugestellten Klage Schadensersatz, weil ein Zug der Beklagten am 14. Februar 2013 auf der Eisenbahnstrecke ... entgleiste und im Bereich zwischen V. und H. erhebliche Schäden verursacht haben soll.
Die Beklagte verbrachte im Auftrag der A. GmbH, der Nebenintervenientin zu 1) (im Folgenden: NI 1) 20 leere Doppelstock- und Autotransportwagen von C: nach B.. Ob die P. GmbH, die Nebenintervenientin zu 2)(= NI 2), den Zug in C: zusammenstellte, ist streitig. Der Zugführer des Zuges, Herr R., musste das plangemäß im Bahnhof K. die Fahrtrichtung des Zuges wechseln. Er stellte den Zug im Gleis 25 des Bahnhofes K. ab, koppelte das Triebfahrzeug ab, fuhr um den Wagenpark herum und koppelte das Triebfahrzeug am anderen Ende der Wagen wieder an. Angesichts des geringen Gefälles des Hauptgleises von weniger als 2,5 % war es zulässig, die Wagen des Zuges für den Lokumlauf nur mit der Druckluftbremse zu sichern. Ob der Triebfahrzeugführer eine sogenannte Feststellbremse am Wagen 16 per Hand betätigt hat, ist streitig. Der Zug setzte seine Fahrt gegen 12:12 Uhr Richtung Hauptbahnhof B. über weitere ca. 14 km fort. Auf der Eisenbahnstrecke der Klägerin 1401 zwischen V. und H. entgleiste der Zug. Der Triebfahrzeugführer fuhr trotz Entgleisung noch eine gewisse Strecke weiter, wobei streitig ist, ob er die Entgleisung hätte bemerken müssen und können. Aufgrund der Entgleisung kam es zu einer automatischen Zwangsbremsung des Zuges, ob der Triebfahrzeugführer ebenfalls eine Schnellbremsung veranlasste, ist streitig.
Die Klägerin behauptet, insbesondere unter Bezugnahme auf den Untersuchungsbericht de Eisenbahnbundesamtes vom 11. 12. 2014 (K 1 = Bl. 41 - 82 d.A.), Ursache für die Entgleisung sei, dass der Triebfahrzeugführer am 16. Wagen des Zuges in K. die Feststellbremse/Handbremse angezogen habe, als er die Arbeiten für den Fahrtrichtungswechsel veranlasste. Dadurch sei es zur Blockade der dritten und vierten Achse des 16. Wagens gekommen. Erstmals hinter K. habe man Bruchstücke von abgefallenem Materialabtragungen und Spuren von Wärmeeintrag gefunden. Die Lauffläche der Räder des dritten und vierten Radsatzes des Wagens 16 sei abgeflacht gewesen. Auch der vierte Satz sei massiv geschädigt und blockiert gewesen, wobei allerdings der dritte Satz stärker geschädigt sei. Der Triebfahrzeugführer sei in Eile gewesen und habe vergessen, die angezogene Feststellbremse wieder zu lösen. Die Dauer des „Umkoppelns“ sei nur 29 Minuten. Der Triebfahrzeugführer habe auch die Entgleisung sofort bemerken müssen.
Durch die Entgleisung sei der Oberbau, die Leit- und Sicherungstechnik sowie die Oberleitungsanlage umfangreich beschädigt worden. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Klägerin wird auf die Anlage K 5 (Bl. 101-102 d. A.) Bezug genommen. Des Weiteren bezieht sich die Klägerin auf die Fotos in dem Anlageheft, Bl. 5 – 34 d. A.).
Sämtliche Einrichtungen seien mit dem Boden fest verbunden und gehörten zur Gleisanlage. Sie sei Eigentümerin der Gleisgrundstücke. Die Klägerin legt dafür Grundbuchauszüge (Anlageheft, Bl. 38 ff. d. A.) vor. Es sei zwar grundsätzlich richtig, dass Einrichtungen der Eisenbahninfrastruktur zurückgebaut werden können, dies hindere aber nicht die Einordnung dieser Einrichtungen als wesentlicher Bestandteil, denn die Gegenstände verlören ihre Funktion, nämlich die Verkehrsfunktion. Insgesamt sei durch die Entgleisung ein Schaden von 3.002.652,65 € entstanden. Die Klägerin setzt sich 20 % von den Kosten als Mitverursacherbeitrag (als Eigentümerin des Schienennetzes) von der Klageforderung ab, verteilt dies anteilsmäßig auf jede einzelne Schadensposition und errechnet sich so einen Schaden in Höhe von 2.402.122,12 €. Außerdem macht sie einen Schadensbetrag in Höhe von 117,00 € netto geltend, da ihr Rechtsanwalt der die Ermittlungsakten habe anfordern müssen und nach Akteneinsicht Kopien gefertigt habe. Die Klägerin habe einen Betrag von 117,00 € netto an die Klägervertreter (Anlage K 9 = Bl. 115 d. A.) gezahlt.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.402.239,12 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 1.257.437,48 € seit dem 10. Januar 2014, auf 1.144.684,64 € seit dem 21. Januar 2015 und auf weitere 117,00 € seit Rechtshängigkeit,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin auf den von der Klägerin eingezahlten Gerichtskostenvorschuss für die Zeit von dem Eintritt der Rechtshängigkeit bis zur Stellung des Antrages auf Festsetzung der Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 104 Abs. 1 ZPO Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, insbesondere unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen G. vom 18. 4. 2016 ( B 2 = Bl. 291 - 298 d.A.), am 16. Wagen des Zuges sei die Feststellbremse nicht angezogen worden. Diese Annahme beruhe auf Vermutungen der EUB und der Beamten der Bundespolizei. Es sei unklar, aus welchem Grund der Radsatz blockiert sei. Im Übrigen habe die Begutachtung durch den von ihr beauftragten Sachverständigen G. (Bl. 291 – 298 d. A.) ergeben, dass die vierte Achse des 16. Wagens nicht blockiert gewesen sei. Die zwischen K. und B. aufgefundenen Bruchstücke könnten allenfalls eine Blockade der Räder bestätigen, nicht aber, dass die Handbremse angezogen war. Überdies müssten die herabgefallenen Stücke nicht von diesem Zug stammen. Als weitere und andere Möglichkeit für eine Blockade im Bereich des Wagens 16 käme ein Defekt des dritten Radsatzes, insbesondere an den Bremsklötzen/-sohlen in Betracht. Es könne auch sein, dass an der Bremssohle ein Stück abgebrochen sei und dieses in den oberen Bereich geraten sei, wobei das abgebrochene Teil wie ein Klemmkeil wirke. Mögliche Ursache sei daher insbesondere ein Produktmangel oder eine Vorschädigung des Wagens Nummer 16. Schließlich komme als Unfallursache auch ein Defekt an der Eisenbahninfrastruktur der Klägerin in Betracht, denkbar sei es, dass Gegenstände, die im Gleisbereich oder auf den Gleisen lägen, die Blockade des dritten Radsatz des Wagens Nummer 16 verursacht haben könnten.
Der Triebwagenführer habe die Feststellbremse nicht angezogen, er habe auch nach Bemerken der Entgleisung unverzüglich eine Schnellbremsung eingeleitet. Selbst wenn man davon ausgehe, dass diese nicht erfolgt sei, habe diese sich jedenfalls bei dem Unfall nicht ausgewirkt. Durch den Unfall sei kein Schaden entstanden. Die geltend gemachten Kosten seien nicht kausal auf den Unfall zurückzuführen.
Mangels Haftung der Beklagten scheide auch der für die angeblich vorgenommene Akteneinsicht bei der Bundespolizei geltend gemachten Kosten in Höhe von 117,00 € aus.
Bei den Gleisanlagen und den weiteren Gegenständen handele es sich nicht um wesentliche Bestandteile der Grundstücke der Klägerin. Die Klägerin habe das Eigentum an den Schienengrundstücken nicht hinreichend dargelegt, es genüge nicht auf eine Vielzahl von Grundbuchauszügen zu verweisen. Außerdem seien Gleise, Weichen und Signale nicht fest mit dem Grund und Boden verbunden. Auch die Klägerin selbst trenne etwa bei Abschluss von sogenannten Infrastrukturanschlussverträgen gemäß § 13 AEG zwischen Grundstück und den Gleisanlagen. Nicht selten befänden sich auch die Betriebsanlagen der Klägerin auf Grundstücken, die nicht in ihrem Eigentum stünden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der prozessleitend geladenen Zeugen U. und D.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26. Juli 2017 (Bl. 438 – 441 d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist hinsichtlich des Klagantrages zu 1) nur in geringem Umfang entscheidungsreif (Dokumentenpauschale und Pauschale für Akteneinsicht), so dass insoweit Teilurteil ergehen konnte. Im Übrigen ist der Antrag zu 1), mit dem die Klägerin 80 % ihres Schadens geltend macht, dem Grunde nach gerechtfertigt (§ 304 ZPO).
Der Antrag zu 2) war durch Teilurteil abzuweisen, da der Klägerin Zinsen auf den eingezahlten Gerichtskostenvorschuss nicht zustehen.
I.
Der Klagantrag zu 1) ist im Wesentlichen dem Grunde nach begründet.
1. Soweit die Klägerin 2.402.239,12 € nebst Zinsen gegenüber der Beklagten geltend macht, steht ihr dem Grunde nach ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 Haftpflichtgesetz zu.
a) Die Beklagte betreibt, wie erforderlich, eine Schienenbahn im Sinne von § 1 Abs. 1 Haftpflichtgesetz. Die Beklagte ist unstreitig Eisenbahnverkehrsunternehmen, sie war verantwortlich für den Zug in seiner Gesamtheit und dieser Zug fuhr auf dem Netz der Klägerin.
b) Der später noch darzustellende Schaden entstand auch bei Betrieb des Zuges. Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass der Zug im Bereich des Hauptbahnhofes entgleiste. Damit liegt auch der erforderliche unmittelbare örtliche und zeitliche Zusammenhang zwischen Unfall und Betriebsvorgang vor.
c) Welches die Ursache für die Entgleisung des Zuges war, ist bei dem Anspruch aus § 1 Haftpflichtgesetz unerheblich. Entscheidend ist allein, ob der Schaden bei Betrieb eines Zuges entstanden ist, was – wie dargelegt – unstreitig der Fall ist. Auch wenn, wie die Klägerin im Kern behauptet, der Unfall durch die angezogene Feststellbremse verursacht worden ist, oder aber, wie von der Beklagten im Wesentlichen behauptet, durch einen eventuellen Vorschaden an dem Wagen Nummer 16, ändert dies nichts daran, dass der Unfall bei Betrieb passierte. Eine Beweisaufnahme zu der zwischen den Parteien streitigen Frage war daher nicht erforderlich.
2. Durch das Entgleisen des Zuges wurde auch umfangreich ein Schaden an dem Eigentum der Klägerin herbeigeführt. Für ein Grundurteil ist ausreichend eine hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit. Dass eine solche hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit besteht, hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer ergeben. Die Klägerin hat – entgegen der Auffassung der Beklagten – hinreichend substantiiert die generelle Schädigung und auch die Schädigung im Einzelnen dargelegt. Übersichtsmäßig ergibt sich dieses aus der Anlage K 5 (Bl. 101 – 102 d. A.), außerdem aus der Skizze (Anlageheft 1) sowie der vorgelegten Fotografien (Anlageheft, Bl. 2 f. d. A.). Da die Beklagte trotz Vorlage dieser Fotos und Hinweis der Kammer darauf bestand, dass durch den Unfall kein Schaden verursacht wurde, musste die Kammer zwei der klägerseits benannten Zeugen vernehmen, da sogar die Schadenswahrscheinlichkeit auch nach Hinweis der Kammer bestritten wurde.
An der Glaubhaftigkeit der Zeugen U. und D. hat die Kammer keinen Zweifel. Der Zeuge U., sechs Tage später vor Ort, hat das Schadensbild geschildert, es habe Schienenfehler gegeben bis hin zur Weiche Nummer 47. Die Schienen hätten teilweise Risse, teilweise Aufplatzungen aufgewiesen. Herausgebrochen sei bei den Gleisen nichts gewesen, allerdings habe es Ausbrüche bei Weichen gegeben. Es seien auch Signale beschädigt gewesen, Oberleitungen hätten heruntergehangen, ein oder zwei Oberleitungsmasten seien beschädigt gewesen, des Weiteren die Bestandteile der Leit- und Sicherungstechnik. Sechs Weichen seien beschädigt gewesen, eine weitere sei selbst nicht beschädigt gewesen, dort hätten aber wegen des Ausbaus der anderen Weichen Reparaturarbeiten durchgeführt werden müssen. Auch Schwellen seien teilweise beschädigt gewesen, ob nun alle oder nur ein Teil, wisse er nicht. Der Zeuge D., zuständig insbesondere für den Bereich Oberleitung, hat die Schäden an den Oberleitungsmasten bestätigt, insbesondere an dem Querfeldmast Nummer 121. Er hat das geschildert, was die Zeugen auch anhand der Lichtbilder bestätigt haben, nämlich umgebrochene Oberleitungsmasten, Herabhängen von Oberleitungen u. ä.
Die Kammer hat keinen Anlass, an den Bekundungen dieser Zeugen zu zweifeln, so dass das weitere Erfordernis gemäß § 304 ZPO, nämlich die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes aufgrund der Beweisaufnahme feststeht. Die Diskussion darüber, welche einzelnen Teile nun beschädigt wurden, ist ohne Relevanz. Für ein Grundurteil ist es nicht erforderlich, die Beschädigung eines jeden einzelnen Teiles, wie von der Klägerin in der Klageschrift aufgeführt, festzustellen. Dies ist dem Betragsverfahren vorbehalten.
3. Die Beklagte haftet der Klägerin auch der Höhe nach unbegrenzt. Die Begrenzung auf 300.000,00 € gemäß § 10 Abs. 3 Haftpflichtgesetz greift nicht ein. Die geschädigten Gleisanlagen (Weichen, Schwellen, Gleise, Kleineisenschienendämpfer), die LST-Anlagen (insbesondere Signale) und die Oberleitungsanlagen sind wesentliche Bestandteile der Grundstücke der Klägerin. Gemäß § 10 Abs. 3 Haftpflichtgesetz gilt die Begrenzung auf 300.000,00 € aus § 10 Abs. 1 Haftpflichtgesetz nicht bei Beschädigungen von Grundstücken. Da Gegenstände beschädigt wurden, die wesentlicher Bestandteil der Grundstücke der Klägerin waren, greift die Begrenzung gemäß § 10 Abs. 3 Haftpflichtgesetz nicht zugunsten der Beklagten ein.
Ob ein Gegenstand wesentlicher Bestandteil eines Grundstückes ist (§ 94 BGB) richtet sich nach der Verkehrsanschauung. Wenn diese fehlt oder nicht festgestellt werden kann, ist entscheidend die natürliche Betrachtungsweise eines verständigen Beobachters, wobei Zweck und Wesen der Sache und ihre Bestandteile vom technisch-wirtschaftlichen Standpunkt aus zu beurteilen sind (BGH V ZR 231/10, zitiert nach juris, Rz. 11).
Bei Zugrundelegung dieser Betrachtungsweise sind die streitgegenständlichen Gegenstände wesentlicher Bestandteil der Grundstücke der Klägerin.
aa) Die Klägerin hat, worauf die Kammer hingewiesen hat, dass Eigentum an den Grundstücken durch Vorlage der Grundbuchauszüge nachgewiesen. Aus sämtlichen Grundbuchauszügen ergibt sich auch in Abteilung I die Nutzung als Bahngelände, sodass daraus zwanglos die Nutzung für Schienen gefolgert werden kann. Soweit die Beklagte dies ins Blaue hinein bestreitet, ist dies nicht ausreichend. Die Beklagte kann sich selbst Grundbucheinsicht in Abteilung I verschaffen, wenn sie an dem Inhalt der Grundbuchauszüge zweifelt. Über den Verlauf der Bahnstrecke, der den Parteien ohnehin aufgrund der Untersuchungen zur Unfallursache bekannt ist, kann die Beklagte sich ergänzend anhand handelsüblicher Pläne Kenntnis verschaffen und hat daher die Möglichkeit, substantiiert zu bestreiten. Dies gilt hier umso mehr, als der Schadensbereich vollständig im Bereich S. bis hin zum Hauptbahnhof liegt, so dass ein Stadtplan von B. ausreichend ist. Damit steht aufgrund der Grundbuchauszüge fest, dass sich sämtliche geschädigten Teile auf Grundstücken befanden, die sich im Eigentum der Klägerin befinden.
bb) Wie fest nun die Verbindung zu dem Grundstück ist oder nicht, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, neben der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, ob abgetrennte Teile noch in bisheriger Art, eventuell auch mit Verbindung anderer Sachen, wirtschaftlich weiter genutzt werden können. Entscheidend ist damit die Funktion der Gleise, Weichen, Signale usw. als Teil eines Gesamtverkehrsnetzes. Dementsprechend hat das Landgericht Braunschweig (Bl. 194-195 d. A.) zutreffend entschieden, dass diese Teile losgelöst vom Grundstück unbrauchbar sind.
cc) Soweit die Klägerin selbst unterschiedliche Nutzungsentgelte für Grundstück und Schienennetz in Rechnung stellt, besagt dies nichts für die Wertung im Rahmen von § 94 BGB. Vertragliche Regelungen einzelner Parteien ändern nichts an der Verkehrsanschauung. Dementsprechend ist es auch gleichgültig, ob teilweise Gleise des Gesamtschienennetzes der Klägerin über fremde Grundstücke verlaufen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
dd) Soweit die Beklagte sich schließlich auf eine ältere Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die diese mit falschem Aktenzeichen zitiert (Bl. 241 f. d. A.), bezieht, hilft dies der Beklagten nicht weiter. Zum einen hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung nicht darüber entschieden, ob zentrale Teile des Gesamtschienennetzes der Deutschen Bundesbahn wesentlicher Bestandteil eines Grundstückes sind oder nicht. Es handelt sich um ein Gleis, das allein auf einem Fabrikgrundstück zu Anlieferungszwecken verläuft und dort endet. Es Ist nicht zentraler Bestandteil des Gesamtschienennetzes. Dass dieses Fabrikgleis ohne große Probleme abbaubar ist, dürfte naheliegend sein, denn es ist eben nicht zentraler Bestandteil eines Gesamtschienennetzes. Überdies dürften dieses Einzelschienen, anders als die Schienen heutzutage, die im innerstädtischen Bereich verlaufen, nicht verschweißt gewesen sein. Der Bundesgerichtshof hat zeitlich nach dem beklagtenseits zitierten Urteil entschieden, dass Gleise wesentliche Bestandteile des Grundstückes sind (BGH NJW 1983, 567 f. [BGH 04.11.1982 - VII ZR 65/82], zitiert nach juris, Rz. 15), nämlich mit dem Grund und Boden fest verbundene Sachen. Darüber hinaus verweist der Bundesgerichtshof auf die Entscheidung BGH Baurecht 1972,172. Es ist daher keineswegs so, dass die Auffassung des BGH im Gegensatz zur hiesigen Auffassung steht. Auch im Schrifttum werden ganz überwiegend die Gleise jedenfalls der Deutschen Bundesbahn als wesentlicher Bestandteil des Grundstückes angesehen (MüKo-Stresemann, 7. Aufl., § 94, Rz. 14, Soergel-Maly, BGB, 13. Aufl., § 94, Rz. 6) in Abgrenzung zu Gleisanlagen auf einem Fabrikgrundstück (a.a.O., Rz. 9). Soweit im Übrigen Gleise nicht als wesentliche Bestandteile im Sinne von § 94 BGB angesehen werden (Staudinger 2016, § 94 BGB, Rz. 9) beziehen sich diese Ausführungen, soweit sie überhaupt differenziert sind, wiederum auf das Fabrikanschlussgleis, zu dem sich bereits das Reichsgericht (JW 1928, 561) geäußert hat. Ein solches liegt hier aber nicht vor, sondern ein Bestandteil des Netzes der Klägerin, und zwar auf einer Hauptstrecke.
Da damit wesentliche Bestandteile des Grundstückes der Klägerin beschädigt wurden, greift die Haftungsbegrenzung auf 300.000,00 € nicht ein.
4. Gemäß § 13 Abs. 1 Haftpflichtgesetz steht die Klägerin für den Schaden in Höhe von 20 % selbst ein, im Übrigen die Beklagte.
a) Der Anteil der Klägerin in Höhe von 20 % ist, für den Betreiber des Schienennetzes üblich, wenn - wie hier - das Schienennetz keine Mängel oder besondere Gefahrenquellen hat. Die Kammer sieht auch keinen Anlass, vorliegend davon abzuweichen.
b) Der eindeutig überwiegende und größere Teil der Verursachung liegt auf Seiten der Beklagten. Dafür ist es nicht erforderlich, die streitige Unfallursache im Einzelnen abzuklären. Eine Beweisaufnahme durch Zeugen und Sachverständige ist nicht erforderlich.
Soweit substantiierter Vortrag beider Parteien vorliegt, kommt als Schadensursache nur eine Ursache in Betracht, die im Verantwortungsbereich der Beklagten liegt. Dabei kommt es auf Verschuldensgesichtspunkte nicht an. Die erste mögliche Ursache ist, dass tatsächlich ein Fehler des Triebfahrzeugführers vorgelegen hat Dieser Fehler (Anziehen der Handbremse/Weiterfahrt bei gezogener Bremse) liegt zweifelsfrei im Verantwortungsbereich der Beklagten. Dasselbe gilt für einen angeblichen Vorschaden oder Materialfehler an dem Wagen. Dabei ist es ohne Relevanz, dass der Wagen von der Nebenintervenientin 1) der Beklagten zur Verfügung gestellt wurde. Da die Beklagte den Zug führte, ist sie auch für die Sicherheit und den Zustand der Wagen verantwortlich.
Eine weitere Ursache (nämlich dass die Handbremse schon in C: angezogen worden ist), dürfte auch nach Auffassung der Beklagtenseite fernliegend sein. Selbst wenn dieses so wäre und tatsächlich, was bestritten ist, die NI 2 den Zug in C: zusammengestellt hätte, ist dies für die Haftungsverteilung im Rahmen von § 13 Haftpflichtgesetz ohne Relevanz, denn auch dann, wenn die Beklagte die NI 2 mit der Zusammenstellung beauftragt hätte, entlastet sie das im Verhältnis zu der Klägerin nicht.
c)Soweit die Beklagte sich schließlich auf das von ihr vorgelegte Gutachten G. bezieht, ergeben sich auch aus diesem Gutachten nur Ursachen, die im Verantwortungsbereich der Beklagten liegt. Der Sachverständige führt zusammenfassend aus, dass auch Möglichkeiten bestehen, dass auch andere Ursachen die Blockade des dritten Radsatzes am Wagen 16 herbeigeführt haben können. Er legt dies auch im Einzelnen dar und bezeichnet als Ursache für die Blockade insbesondere einen Defekt des dritten Radsatzes. Einwirkungen von außen durch Dritte schließt er, die Beklagte und auch die Klägerin aus.
d)Soweit die Beklagte ohne jeden Anhaltspunkt behauptet, ein Defekt an den Schienen oder ein auf den Schienen liegender Gegenstand könne auch die Entgleisung und damit den Schaden verursacht haben, ist der Vortrag ohne Substanz. Die Beklagte verkennt zunächst, dass bei der Abwägung im Rahmen von § 13 Haftpflichtgesetz die Partei, die sich auf einen Umstand beruft, der den Verursachungsanteil des anderen erhöhen könnte, darlegungs- und beweisbelastet ist. Hier handelt es sich ersichtlich um Angaben ins Blaue hinein aus prozesstaktischen Gründen. Anhaltspunkte für ein Defekt der Schienen oder Gegenstände auf den Schienen gibt es nicht. Konkretes trägt dazu die Beklagte nicht vor. Auch der von der Beklagten beauftragte Sachverständige hat diese schlichten Möglichkeiten nicht in Erwägung gezogen, was bereits zeigt, dass eine solche Verursachung aus sachverständiger Sicht ohnehin ausscheidet. Jedenfalls aber hätte es näheren Vortrages dazu bedurft, dass und in welchem Bereich ein Gegenstand auf den Schienen gelegen bzw. in welchem Bereich welcher Defekt an den Schienen vorgelegen haben soll. Wegen des unsubstantiierten Vortrags der Beklagten liefe die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus . Die Beklagte legt nur eine theoretische, denkbare Möglichkeit dar, was nicht ausreichend ist.
e) Bei der gebotenen Gesamtabwägung ist der deutlich überwiegende Verursachungsanteil der Beklagten abzuwägen gegen das nicht den Unfall verursachende Schienennetz der Klägerin, dass keine Fehler aufwies. Dies rechtfertigt die Quote von 80 zu 20 zu Lasten der Beklagten.
5. Soweit die Klägerin 117,00 € Anwaltskosten, insbesondere Kopierkosten geltend macht, ist sie für diese Position beweisfällig. Sie legt zwar die Rechnung für die Fotokopierkosten vor, die sie der Klägerin berechnet haben will. Da beklagtenseits aber bestritten ist, dass die Klägerin überhaupt Akteneinsicht genommen hat und Kopien angefertigt hat, die Klägerin dafür keinen Beweis antritt, ist sie insoweit beweisfällig, so dass in Höhe von 117,00 € nebst darauf entfallender Zinsen seit Rechtshängigkeit die Klage entscheidungsreif ist und bereits jetzt abzuweisen ist.
6. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 3. 8. 2017 gibt keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten. Die Auffassungen der Beklagten teil das Gericht nicht.
II.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen auf den Gerichtskostenvorschuss, wie mit dem Antrag zu 2) geltend gemacht, zu. Der Anspruch ist zunächst durch die Spezialregelung in § 104 ZPO ausgeschlossen. Es mag zwar ein Schadensersatzanspruch aus § 286 BGB darüberhinaus möglich sein (entgangener Zins).
Die pauschale gesetzliche Zinsregelung gemäß § 288 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB kann aber nicht Grundlage eines Schadensersatzanspruches sein. Zwar ist ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch neben einem prozessualen nicht von vornherein ausgeschlossen, doch erfordert ein Antrag auf dieser Grundlage, dass die Voraussetzungen einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage für Kostenerstattung vorliegen. Hinsichtlich des Antrages der Klägerin bedarf es mithin neben dem Nachweis einer Verzugslage auch der Nachweis des eingetretenen Schadens. Ein solcher ist nicht hinreichend dargelegt. Der Schaden kann allenfalls in einer konkreten Aufwendung von Zinsen, z. B. durch Kreditaufnahme oder Kontoüberziehung liegen. Dazu fehlt Vortrag.
Mithin war der Antrag zu 2) abzuweisen.
III.
Das Gericht hat, soweit die Sache noch nicht entscheidungsreif war, Grundurteil gemäß § 304 ZPO erlassen. Es bedarf noch einer Beweisaufnahme zur Schadenshöhe.