Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.04.2003, Az.: 7 K 349/00

Berücksichtigung eines Gewinns aus Gewerbebetrieb in einem Einkommensteuerbescheid; Vorliegen oder Nichtvorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels; Definition Gewerbebetrieb ; Abgrenzung private Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb ; Folgen einer Veräußerung von weniger als vier Objekten (Drei-Objekt-Grenze)

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
02.04.2003
Aktenzeichen
7 K 349/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 28563
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0402.7K349.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 15.03.2005 - AZ: X R 36/04

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1997

Tatbestand

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Streitig ist, ob ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt.

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Die Kläger sind Eheleute und wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Diplom-Ingenieur und die Klägerin Apothekerin.

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Der Kläger war zunächst von 1992 bis 1995 Geschäftsführer einer Firma in W und danach als Erfinder bzw. Gutachter tätig. Zum 01.10.1996 übernahm er abermals eine Geschäftsführertätigkeit in F.

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Die Klägerin, die 1992 noch in B Pharmazie studierte, arbeitete nach Beendigung ihres Studiums im Jahre 1994 zunächst als Angestellte in einer Apotheke in D, bis sie 1996 die ...apotheke in B übernahm.

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Zum 01.07.1996 zogen die Kläger in ihr 1993 erworbenes, bis dahin vermietetes Zweifamilienhaus in B um.

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Der Kläger veräußerte in den Jahren 1996, 1997 und 1999 insgesamt vier Grundstücke, die er jeweils weniger als fünf Jahre vor dem Veräußerungszeitpunkt angeschafft bzw. bebaut hatte. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Veräußerungen:

ObjektKaufBauArt der NutzungVerkauf
EFH W06.06.1982Selbst31.12.1988
EFH M19881988Selbst27.02.1992
Haus W31.07.1992Selbst, z.T. vermietet10.09.1996
ZFH B01.12.1993Vermietet, ab 01.07.1996 selbst
RH W1993, unbebaut01.11.1995Vermietet01.06.1997
RH W1993, unbebaut01.11.1995Vermietet01.04.1997
RH W1993, unbebaut01.11.1995Vermietet15.03.1999
Unbebaut, B04.07.1998Selbst
RH O (Kl.)15.11.1998
RH O (Kl.‘in)15.11.1998
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Der Beklagte nahm mit Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 26.07.1999 einen gewerblichen Grundstückshandel des Klägers an und erfasste für die beiden in 1997 verkauften Objekte einen Gewinn von 101.563,00 DM als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

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Das hiergegen gerichtete Rechtsbehelfsverfahren blieben erfolglos. Mit Einspruchsbescheid vom 01.08.2000 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger vom 13.08.1999 als unbegründet zurück.

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Dagegen erhoben die Kläger Klage, mit der sie sich weiterhin gegen die Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels des Klägers wenden. Bei der Anschaffung bzw. Herstellung der vorbezeichneten Objekte habe der Kläger keine bedingte Absicht zur alsbaldigen Veräußerung gehabt. Das 1992 zur Selbstnutzung erworbene Haus in W, ..., sei 1996 nur wegen des Umzugs in eine näher am Arbeitsplatz der Klägerin gelegene Wohnung und damit aus Sachzwängen verkauft worden. Im Übrigen wäre eine Fremdvermietung auf Grund des baulichen Zuschnitts des Hauses nur schwer oder gar nicht möglich gewesen. Was die 1995 mit drei Reihenhäusern bebauten Grundstücke in W, ..., anbelangen, hätten diese nach den Vorstellungen der Kläger langfristig vermietet werden sollen. Dieses habe sich jedoch als schwierig herausgestellt. Wegen entstandener Mietausfälle und dadurch bedingter Rechtsanwaltskosten seien die Häuser dann 1997 bzw. 1999 verkauft worden. Des Weiteren spreche gegen eine bedingte Veräußerungsabsicht bei Herstellung der Reihenhäuser, dass erst zwei Jahre danach eine Teilungserklärung vorgenommen worden sei. Ursprünglich hätte das Grundstück mit einem Vierfamilienhaus als Vermögensanlage zur Altersversorgung bebaut werden sollen. Dieses Bauvorhaben sei jedoch nicht genehmigt worden. Auf Grund der Veräußerung der vorstehenden Reihenhäuser hätten die Kläger dann als Ersatz weitere Reihenhäuser 1998 in O erworben. Diese seien als Vermögensanlage zur langfristigen Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu ihrer Alterssicherung angeschafft worden.

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Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 26.07.1999 in der Form des Einspruchsbescheids vom 01.08.2000 dahingehend zu ändern, dass keine Einkünfte des Klägers aus einem gewerblichen Grundstückshandel angesetzt werden, hilfsweise, insoweit einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 26.084,00 DM zu berücksichtigen.

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Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte hält an der Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels fest, da seiner Ansicht nach die sog. Drei-Objekts-Grenze zur Abgrenzung privater Vermögensverwaltung von gewerblicher Tätigkeit überschritten worden sei. Aus dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erwerb bzw. Bebauung und Veräußerung der vorbenannten Objekte könne auf eine bedingte Veräußerungsabsicht des Klägers geschlossen werden. Dieses gelte auch dann, wenn die Grundstücke zunächst vermietet oder selbst genutzt worden seien. Denn bei Kauf oder Errichtung der Gebäude müsse nicht bereits eine feste Verkaufsabsicht bestanden haben. Der Verkauf des Hauses in W, ..., im Zusammenhang mit einem neuen Arbeitsplatz des Klägers in F sei nicht zwingend gewesen. Der Umzug der Kläger in ihr Zweifamilienhaus in B habe zwar nahe gelegen, da dieser für die Klägerin eine Verkürzung ihrer Wegstrecke zu ihrem Arbeitsplatz bedeutet habe. Ein offensichtlicher Sachzwang für die Veräußerung sei aber aus den Gesamtumständen nicht erkennbar. So sei es nicht nachvollziehbar, weshalb dieses Objekt, welches teilweise vermietet gewesen sei, nunmehr nicht vollständig vermietet worden sei. Dieses gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Verkauf zur Finanzierung eines entsprechenden Ersatzobjekts nicht notwendig gewesen sei. Des Weiteren habe der Kläger auch nicht die bedingte Verkaufsabsicht bezüglich der im Jahre 1995 erbauten und 1997 bzw. 1999 verkauften Reihenhäuser in W durch den Hinweis auf die schlechte Vermietbarkeit widerlegt. Schließlich würden Hinweise für eine Fortsetzung der gewerblichen Tätigkeit des Klägers vorliegen. Aus dem Erwerb weiterer Reihenhäuser im Jahre 1998 könne geschlossen werden, dass der Kläger weiterhin auf dem Immobiliensektor tätig sein werde.

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Wegen des weiter gehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 02.04.2003 Bezug genommen.

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Dem Gericht haben die für die Kläger bei dem Beklagten geführten Einkommensteuerakten 1997 unter der Steuernummer ... vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zum Teil begründet.

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Der Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 26.07.1999 ist dahingehend zu ändern, dass für den Kläger ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von nur 26.084,00 DM anzusetzen ist. Dieser Betrag ist nach der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten unstreitig.

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Entgegen der klägerischen Ansicht betreibt der Kläger einen gewerblichen Grundstückshandel und erzielt insoweit Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).

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Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG eine selbstständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen ist. Darüber hinaus darf es sich bei der Tätigkeit nicht um private Vermögensverwaltung handeln (BFH, Beschluss vom 03.07.1995 GrS 1/93, BStBl. 1995 II S. 617).

19

Bei der Auslegung der in § 15 Abs. 2 EStG genannten Merkmale ist das "Bild des Gewerbetreibenden" heranzuziehen (BFH, Beschluss vom 10.12.2001 GrS 1/98, BStBl. 2002 II S. 291). So wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (BFH, a.a.O., BStBl. 1995 II S. 617). Zur Konkretisierung dieser Unterscheidung im Bereich des gewerblichen Grundstückshandels hat der BFH die sog. Drei-Objekt-Grenze eingeführt (BFH, Urteil vom 09.12.1986 VIII R 317/82, BStBl. 1988 II S. 244). Danach liegt kein gewerblicher Grundstückshandel vor, wenn weniger als vier Objekte veräußert werden. Je geringer der Umfang von Anschaffungen und Veräußerungen, desto weniger ist anzunehmen, dass der Zweck der Vermögensmehrung durch Umschichtung (Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte) im Vordergrund steht. Dabei trägt eine zahlenmäßige Begrenzung auf drei Wohneinheiten der gebotenen Vereinfachung Rechnung. Werden hingegen innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs - in der Regel fünf Jahre - zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf mindestens vier Objekte veräußert, kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, weil die äußeren Umstände den Schluss zulassen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (BFH, Urteil vom 18.09.1991 XI R 23/90, BStBl. 1992 II S. 135; Urteil vom 11.03.1992 XI R 17/90, BStBl. 1992 II S. 1007). Objekte im Sinne der sog. Drei-Objekt-Grenze können nicht nur Ein- und Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen, sondern auch Mehrfamilienhäuser und Gewerbebauten sein. Insoweit kommt es weder auf die Größe und den Wert des einzelnen Objekts noch auf dessen Nutzungsart an (BFH, Urteil vom 18.05.1999 I R 118/97, BStBl. 2000 II S. 28; Urteil vom 15.03.2000 X R 130/97, BStBl. 2001 II S. 530). Die sog. Drei-Objekt-Grenze gilt nicht nur in den Fällen der Anschaffung, sondern in der Regel auch in den Fällen der Bebauung und der anschließenden Veräußerung (BFH, a.a.O., BStBl. 2002 II S. 291). Nur wenn eindeutige Anhaltspunkte gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht sprechen, ist trotz Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze ein gewerblicher Grundstückshandel nicht anzunehmen (BFH, a.a.O., BStBl. 2002 II S. 291). Andererseits können auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten besondere Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen (BFH, a.a.O., BStBl. 2002 II S. 291).

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Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und Anhörung der Kläger steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt. Durch die vier Veräußerungen innerhalb von weniger als fünf Jahren beteiligte sich der Kläger selbstständig und nachhaltig am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Dabei handelte er mit Gewinnerzielungsabsicht, da er bereits bei Anschaffung (Haus W) bzw. Errichtung (Reihenhäuser W) der Häuser eine bedingte Veräußerungsabsicht hatte. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Erwerb bzw. Bebauung und Veräußerung der Objekte legt nach den Regeln der Lebenserfahrung die Annahme einer bedingten Verkaufsabsicht beim Kauf bzw. der Errichtung der Objekte nahe (BFH, Beschluss vom 10.07.2002 X B 141/01, BFH/NV 2002, S. 1453), wenn sich nicht aus anderen - ganz besonderen Umständen - zweifelsfrei eine von Anfang an fehlende Verkaufsabsicht ergibt (BFH, a.a.O., BStBl. 2002 II S. 291). Der Kläger bestreitet zwar das Vorhandensein einer bedingten Veräußerungsabsicht ohne dieses aber bewiesen zu haben. Insoweit trägt der Steuerpflichtige jedoch die objektive Beweislast (BFH, Urteil vom 09.07.2002 IX R 47/99, BFH/NV 2002, S. 1392; a.a.O., BFH/NV 2002, S. 1453). Hinsichtlich des Verkaufs des Hauses in W wendet der Kläger ein, dieses 1992 zur Selbstnutzung erworbene Haus sei 1996 nur wegen des Umzugs in eine näher am Arbeitsplatz der Klägerin gelegene Wohnung und damit aus Sachzwängen veräußert worden. Gegen eine bedingte Veräußerungsabsicht können zwar offensichtliche Sachzwänge wie beruflich bedingte örtliche Veränderungen oder der Umzug in eine näher am Arbeitsplatz gelegene Wohnung sprechen (BFH, Urteil vom 23.04.1996 VIII R 27/94, BFH/NV 1997, S. 170). Vorliegend bestand aber kein offensichtlicher Sachzwang für den Kläger. Es ist zwar nachvollziehbar, dass die Kläger in ihr Haus in B umgezogen sind, nachdem die Klägerin dort die ...apotheke übernommen hat. Ein Sachzwang, der unbedingt den Hausverkauf erforderte und nicht dessen Vermietung hätte genügen lassen, ist aber nicht ersichtlich, zumal auch kein Hausfinanzierungsbedarf bestand. Des Weiteren behauptet der Kläger, eine Fremdvermietung sei auf Grund des baulichen Zuschnitts des Hauses nur schwer oder gar nicht möglich gewesen. Die bedingte Veräußerungsabsicht kann jedoch nicht durch Berufung auf schlechte Vermietbarkeit ausgeräumt werden (BFH, Beschluss vom 16.03.1999 IV B 2/98, BFH/NV 1999, S. 1320). Dasselbe gilt für die 1997 und 1999 erfolgte Veräußerungen der 1995 gebauten drei Reihenhäuser in W im Hinblick auf den Vortrag des Klägers, die Häuser seien wegen zahlreicher Mietausfälle einhergehend mit zu führenden Mietprozessen letztlich verkauft worden. Auch die Behauptung des Klägers, das ursprünglich ungeteilte Grundstück in W habe mit einem Vierfamilienhaus als Vermögensanlage zur Altersvorsorge bebaut werden sollen, spricht nicht gegen eine bedingte Veräußerungsabsicht. Selbst wenn Immobilien ursprünglich zur Alterssicherung erworben worden waren, folgt hieraus noch nicht, dass beim Erwerb des Grundstücks nicht die Absicht bestanden hätte, den Grundbesitz bei einer sich bietenden günstigen Gelegenheit zu veräußern (BFH, Beschluss vom 12.02.1998 X B 109/97, BFH/NV 1998, S. 1083). Schließlich wird das Bild des Klägers von einem Gewerbetreibenden noch dadurch unterstrichen, dass er 1998 weitere Reihenhäuser in O käuflich erworben hat.

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Im Hinblick darauf, dass für den Kläger ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von unstreitig 26.084,00 DM anzusetzen ist, war der Klage zum Teil stattzugeben. Im Übrigen war sie abzuweisen.

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Der Senat hat dem Beklagten nach § 102 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgegeben, die Einkommensteuer 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

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Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).