Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.04.2003, Az.: 11 K 118/98

Einheitlich und gesonderte Feststellung bei Nutzung durch Miteigentümer bzw. Mitgesellschafter; Gesonderte Feststellung bei Beteiligung mehrerer Personen; Gemeinschaftliche Verwirklichung des Tatbestandes der Vermietung und Verpachtung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.04.2003
Aktenzeichen
11 K 118/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 17236
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0429.11K118.98.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 20.04.2004 - AZ: IX R 36/03

Fundstellen

  • DStR 2003, VIII Heft 36 (Kurzinformation)
  • DStRE 2003, 1122-1123 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2003, 1135-1137

Verfahrensgegenstand

Feststellungsbescheid 1985 und 1986

Tatbestand:

1

Streitig ist, ob und in welcher Höhe Einkünfte aus der Nutzung eines Grundstück steuerlich einheitlich und gesondert festzustellen sind.

2

Der Kläger erwarb durch Vertrag vom 10. September 1980 das Erbbaurecht an dem Grundstück X. Am 23. Dezember 1980 machte er der Klägerin, die die Schwester des Klägers ist, notariell das unwiderrufliche Angebot, ihr sämtliche Rechte aus dem Erbbaurechtsvertrag zur ideellen Hälfte zuübertragen. Die Übertragung sollte unentgeltlich erfolgen. Die Klägerin sollte mit allen Rechten und Pflichten in den Erbbaurechtsvertrag eintreten. Mit notarieller Urkunde vom 16. Juli 1986 nahm die Klägerin das Angebot vom 23. Dezember 1980 an.

3

Das Erbbaugrundstück wurde 1982 mit einem Einfamilienhaus bebaut. Dieses bewohnte in der Folgezeit der Kläger mit seiner Familie. Die Finanzierung des Bauvorhabens erfolgte über ein gemeinsames Bankkonto beider Geschwister.

4

Die Kläger reichten für die Jahre ab 1983 gesonderte und einheitliche Feststellungserklärungen für die Einkünfte aus dem Erbbaugrundstück ein. Die Einkünfte wurden dabei in der Weise erfasst, dass die Einkünfte, soweit sie auf die Klägerin entfielen, durch Einnahme-Überschuss-Rechnung und soweit sie auf den Kläger entfielen, nach § 21 a Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt wurden. Der Beklagte lehnte für die Jahre 1983 bis 1986 das Bestehen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ab und erließ für diese Jahre am 23. April 1987 bzw. am 13. Oktober 1988 negative Feststellungsbescheide.

5

Gegen diese Feststellungsbescheide legten die Kläger Einspruch ein und erhoben nach Erlass der Einspruchsbescheide für die Jahre 1983 und 1984 Klage.

6

Durch Urteile vom 11. April 1991 XI 361/86 und XI 362/86 entschied das Niedersächsische Finanzgericht für die Jahre 1983 und 1984, dass für das oben genannte Objekt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einheitlich und gesondert festzustellen seien. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts hatten die Kläger mündlich einen Mietvertrag geschlossen, wonach der Kläger auf Lebenszeit das Haus X bewohnen sollte. Gegen die Mietzinsforderungen der Klägerin wurde nach diesen Feststellungen mit Ansprüchen des Klägers gegen die Klägerin aus einem anderen Vermietungsobjekt aufgerechnet. Dabei handelte es sich um das Zweifamilienhaus Y, welches den Klägern ebenfalls zu je 1/2 gehörte. Dieses Objekt wurde von der Klägerin und ihrer Familie genutzt. Die Obergeschosswohnung wurde von dem Vater der Kläger genutzt.

7

Auf Grund der Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts erließ der Beklagte am 4. September 1992 für die Streitjahre 1985 und 1986 Feststellungsbescheide. Dabei wurden jedoch die Einkünfte abweichend von den eingereichten Feststellungserklärungen ermittelt. Nach Auffassung des Beklagten sei der Wert der Mietzinsforderungen in Höhe der ortsüblichen Miete des jeweilsüberlassenen Objektes zu erfassen, so dass sich abweichende Beträge zu den Erklärungen ergaben. Die Kläger sahen ihre Einsprüche als nicht erledigt an und rügten die abweichenden Ansätze der Mieteinnahmen.

8

Mit Schreiben vom 18. Juni 1996 bzw. 7. Oktober 1997 drohte der Beklagte eine verbösernde Entscheidung im Sinne einer Aufhebung der Feststellungsbescheide 1985 und 1986 an, da nach seiner Auffassung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des FG Münster, Urteil vom 6. Februar 1995 4 K 4456/92 F (EFG 1996, 235) die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine einheitlich und gesonderte Feststellung nicht erfüllt seien. Dazu haben sich die Kläger nicht geäußert. Daraufhin erließ der Beklagte am 6. Januar 1998 einen Einspruchsbescheid, indem die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung 1985 und 1986 vom 4. September 1992 aufgehoben wurden.

9

Hiergegen erhoben die Kläger erneut Klage.

10

Sie tragen vor, der Beklagte habe entgegen den Ausführungen im Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 11. April 1991 keine Feststellungsbescheide für die Jahre 1985 und 1986 erlassen. Die Berufung auf das Urteil des FG Münster sei nicht zulässig, da dieses Urteil nicht rechtskräftig sei. Weiterhin seien auch die erklärten Mieten anzusetzen, da das Niedersächsische Finanzgericht in seinem Urteil den mündlich abgeschlossenen Mietvertrag als rechtswirksam angesehen habe.

11

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der negativen Feststellungsbescheide in Gestalt der Einspruchsbescheide vom 6. Januar 1998 für die Jahre 1985 und 1986 Feststellungsbescheide auf der Grundlage der abgegebenen Feststellungserklärungen zu erlassen.

12

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte trägt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vor, dass nicht von einem wirtschaftlichen Eigentum der Klägerin ausgegangen werden könne. Auch sei das Mietverhältnis zwischen den Geschwistern nicht anzuerkennen, wenn das Mietverhältnis über die gesamte Lebensdauer des Angehörigen bestehen solle. In jedem Fall sei aber eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nicht vorzunehmen, da die Kläger nicht gemeinschaftlich den Tatbestand der Vermietung verwirklicht hätten.

Entscheidungsgründe

14

I.

Die Klage ist unbegründet.

15

Der Beklagte hat zu Recht durch die Einspruchsentscheidung die Feststellungsbescheide vom 4. September 1992 aufgehoben, so dass die negativen Feststellungsbescheide vom 23. April 1997 (für das Streitjahr 1985) und vom 13. Oktober 1988 (für das Streitjahr 1986) wieder wirksam sind.

16

1)

Der Beklagte durfte eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nicht durchführen.

17

a)

Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 a Abgabenordnung (AO) werden Einkünfte gesondert festgestellt, wenn an ihnen mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist das zu bejahen, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung verwirklichen und dadurch Einkünfte erzielen (BFH, Urteil vom 7. April 1987 IX R 103/85, BStBl II 1987, 707; Urteil vom23. Juni 1992 IX R 182/87, BStBl II 1992, 972) Hierzu zählen neben Personengesellschaften auch Miteigentumsgemeinschaften (BFH, Urteil vom 7. Oktober 1986 IX R 167/83, BStBl II 1987, 322; Urteil vom 12. November 1985 VIII R 240/81, BStBl II 1986, 296; Urteil vom 26. Januar 1999 IX R 17/95, BStBl II 1999, 359). Sichergestellt werden soll hierdurch eine einheitliche Sachbehandlung hinsichtlich der Art, Höhe und Zurechnung von Einkünften (BFH, Urteil vom 12. November 1985 IX R 85/82, BStBl II 1986, 239). Von einer gemeinschaftlichen Verwirklichung des Tatbestandes der Vermietung und Verpachtung kann jedoch nicht ohne Weiteres in allen Fällen ausgegangen werden, in denen das Mietobjekt in Miteigentum steht oder sich im Eigentum einer Personengesellschaft befindet.

18

aa)

In der Rechtsprechung der Finanzgerichte ist umstritten, ob in den Fällen der Vermietung eines bebauten Grundstücks, das im Eigentum mehrerer Personen steht, durch die Gemeinschaft bzw. Gesellschaft an einen Miteigentümer oder Gesellschafter eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte zu erfolgen hat. Nach Auffassung des FG Münster (Urteil vom 6. Februar 1995 4 K 4456/92 F, EFG 1996, 235), des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 27. Juni 2001 12 K 421/00, EFG 2002, 533) und des Niedersächsischen FG (Urteil vom 20. Juli 2000 14 K 280/97, EFG 2001, 336, Revision eingelegt: Az. IX R 83/00) kommt eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nicht in Betracht, wenn der Vermietungsvorgang, soweit er auf den nutzenden Miteigentümer oder Gesellschafter entfällt, eine Umqualifizierung erfährt, denn der Vermietungsvorgang stellt sich bei diesem Miteigentümer oder Gesellschafter in Höhe seines Miteigentumsanteils bzw. ideellen Anteils an der Gesamthand als "Eigennutzung" dar.

19

Soweit gegen die Entscheidung des FG Münster vom 6. Februar 1995 Revision eingelegt wurde, hatte diese keinen Erfolg (BFH, Urteil vom 26. Januar 1999 IX R 17/95, BStBl II 1999, 360). Gleichwohl hatte der BFH die hier interessierende Frage nach dem Erfordernis einer gemeinsamen Feststellung ausdrücklich offen gelassen (BFH, Urteil vom 26. Januar 1999, a.a.O. unter 2.).

20

Nach Auffassung des FG Thüringen (Urteil vom 14. August 2001 IV 999/00, n.v.) hat das FA in diesen Fällen ein Wahlrecht, ob es die Einkünfte einheitlich und gesondert feststellt oder im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des einkünfteerzielenden Miteigentümers oder Gesellschafters erfasst.

21

Nach Ansicht des Niedersächsischen FG im Urteil vom 11. April 1991 ist auf Grund der gemeinschaftlichen Verfügung der Mitberechtigten über das Objekt von einer gemeinschaftlichen Verwirklichung des Tatbestands der Vermietung und Verpachtung auszugehen.

22

bb)

Auch kommt eine gemeinschaftliche Vermietung nicht in Betracht, wenn ein Miteigentümer oder Gesellschafter in seinem Namen einen Mietvertrag mit einem Gesellschafter bzw. Miteigentümer oder einem Dritten abschließt, sodass in diesen Fällen nur von Einkünften dieses Miteigentümers bzw. Gesellschafters ausgegangen werden muss (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Januar 1997 1 K 1616/95, EFG 1997, 1436; FG Münster, Urteil vom 7. Februar 1996 11 K 2465/94 F, EFG 1996, 861; Kunz in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht (Loseblatt), § 180 Tz. 41; Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung (Loseblatt), § 180 Tz. 30; Tipke/Kruse, Abgabenordnung. Finanzgerichtsordnung (Loseblatt), § 180 Tz. 45). Damit unterbleibt auch in diesen Fällen eine einheitliche und gesonderte Feststellung.

23

b)

Der erkennende Senat schließt sich im Ergebnis der ersten Ansicht unter aa) an, die auch in der Literatur Rückhalt findet (Tipke/Kruse, a.a.O.), denn soweit ein Miteigentümer bzw. Gesellschafter als Mieter der Gemeinschaft bzw. Gesellschaft das Objekt nutzt, liegt hinsichtlich des Miteigentumsanteils bzw. des ideellen Anteils eine Eigennutzung vor, die nur bis 1986 fiktiv einer Einkünftebesteuerung nach § 21 a EStG unterlag. Der Senat kann jedoch offen lassen, ob im vorliegenden Streitfall eine Vermietung durch die Kläger gemeinschaftlich erfolgte (so im Ergebnis die Entscheidung des Niedersächsischen FG im Urteil vom 11. April 1991) oder eine Vermietung durch die Klägerin im eigenen Namen (so wohl der Inhalt des mündlich geschlossenen Mietvertrages zwischen Klägerin und Kläger). In beiden Fällen kommt eine einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte nach der unter aa) und bb) genannten Rechtsprechung, soweit sie vom Senat für richtig gehalten wird, nicht in Betracht.

24

Der Kläger erzielte somit allein in seiner Person Einkünfte aus § 21 a EStG, während die Klägerin, wennüberhaupt, allein aus ihrem Rechtsverhältnis zum Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Der Senat kann im Streitfall damit auch offen lassen, ob überhaupt ein steuerlich anzuerkennendes Mietverhältnis entstanden ist.

25

2)

Die Aufhebung der Feststellungsbescheide vom 4. September 1992 durch die Einspruchsentscheidung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil eine Teilbestandskraft dieser Bescheide eingetreten ist. Die Kläger haben ihre Einsprüche, die sie schon vor Erlass der Feststellungsbescheide vom 4. September 1992 gegen die negativen Feststellungsbescheide eingelegt haben, nur im Hinblick auf die Höhe der Einkünfte auch nach Erlass der Feststellungsbescheide weiterhin aufrechterhalten. Dadurch haben sich aber nicht die Einsprüche als selbstständiges Verwaltungsverfahren gegen die negative Feststellung als solche durch Abhilfe erledigt. Die einzelnen Feststellungen in einem Feststellungsbescheid können zwar gesondert angefochten werden. Sie sind aber nicht Gegenstand eigenständiger Verwaltungsakte, die selbstständig bestandskräftig werden können (BFH, Beschluss vom 10. September 1997 VIII B 55/96, BFH/NV 1998, 282, 283).

26

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).