Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.04.2003, Az.: 11 K 130/01

Haftung des Arbeitgebers für die von ihm einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer; Voraussetzungen für die Stellung als Arbeitnehmer; Abgrenzung zwischen selbstständig und unselbstständig Tätigen anhand der Gesamtumstände des Einzelfalls; Im Vertragsschluss liegender gemeinsamer Wille der Parteien als Indiz für die steuerrechtliche Bewertung einer Leistungserbringung; Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Dienstvertrag; Weisungsbefugnis des Auftraggebers hinsichtlich Art, Ort und/oder Zeit der Arbeit als wesentliches Merkmal zur Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
10.04.2003
Aktenzeichen
11 K 130/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 30265
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0410.11K130.01.0A

Fundstellen

  • DStR 2004, VIII Heft 51-52 (Kurzinformation)
  • DStRE 2005, 20-24 (Volltext mit amtl. LS)

Tatbestand

1

Strittig ist, ob die Klägerin in den Streitjahren 1996 bis 1999 zwei Mitarbeiter als Arbeitnehmer beschäftigt hat und von den an sie ausgezahlten Bezügen Lohnsteuerabzugsbeträge hätte einbehalten und abführen müssen.

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Die Klägerin betreibt einen Handel mit Personen- und Lastkraftwagen sowie einen Fahrzeugreparaturbetrieb. Sie beschäftigte in den Streitjahren zwei polnische Staatsbürger, S und R gegen Entlohnung auf Rechnungsbasis. Eine Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis hatten S und R für diese Jahre nicht.

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S hatte 1989 in Polen einen Gewerbebetrieb angemeldet, dessen Geschäftstätigkeit sich auf die Instandhaltung von Einfamilienhäusern, Kfz-Mechanik und Export-Import-Geschäfte erstreckte. Die Ausführung der gewerblichen Tätigkeiten erfolgte nach dieser Anmeldung am Ort des jeweiligen Auftraggebers. S ist in Polen sozialversicherungsrechtlich gemeldet und führte dort in den Streitjahren entsprechende Beiträge an die dortige Versicherungsanstalt ab. Für die erbrachten Fremdleistungen zahlte er an die polnische Finanzbehörde 10% der Rechnungssummen.

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R hatte am 2. Januar 1996 ein Einzelunternehmen unter der Bezeichnung Rin Polen angemeldet, dessen Geschäftsbereiche sich auf Warentransporte und Kfz-Reparaturen erstreckten. Zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörte laut Bilanz vom 21. August 1998 Firmenausrüstung, insbesondere ein Lieferwagen mit einem Buchwert von zusammen 50.000 PLN und ein Warenlager mit einem Ansatz von 30.000 PLN.

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Anfang März 1999 führte das Hauptzollamt O eine Firmenprüfung auf dem Gelände der Klägerin durch. S wurde bei einer Reparatur eines Lastkraftwagens angetroffen. Bei einer ersten informellen Befragung gab S gegenüber den Prüfern an, dass er seit etwa zwei Jahren für die Klägerin tätig sei. S käme immer auf telefonische Anforderung durch deren Geschäftsführer nach Deutschland, um hauptsächlich Lastkraftwagen zu reparieren. Pro Jahr halte sich S etwa 30 Wochen in Deutschland bei der Klägerin auf. Sein Stundenlohn betrage 22,00 DM. Für das Jahr 1998 habe er für über 35.000,00 DM Rechnungen an die Klägerin ausgestellt. Die Rechnungsbeträge würden in bar ausgezahlt. Umsatzsteuer werde in den Rechnungen nicht ausgewiesen. Die Klägerin halte für ihn eine Unterkunft auf dem Firmengelände bereit, als Gegenleistung repariere er dafür zusätzlich abends und am Wochenende in Notfällen weitere Lastkraftwagen.

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Gegen S wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und der Arbeit ohne erforderliche Arbeitserlaubnis eingeleitet. Bei der ersten Beschuldigtenvernehmung am gleichen Tag bestätigte S seine Angaben, die er gegenüber dem Prüfer bei seiner ersten Befragung gemacht hatte. Bei einer richterlichen Vernehmung am nächsten Tag erklärte er ergänzend, er liefere Dienstleistungen an die Klägerin. Seine Beschäftigung bestehe aus speziellen Arbeiten an Motoren und Getrieben. Dabei müsse er spezielle zeitliche Normen einhalten. Der Geschäftsführer habe in der Vergangenheit immer diverse Aufträge gesammelt und er sei dann nach telefonischer Anfrage für jeweils drei bis fünf Wochen nach Deutschland eingereist. Seine Zeit, in der er seine Aufträge bei der Klägerin abarbeite, könne er sich selbst einteilen. Es werde ihm nicht genau vorgeschrieben, wie er die Reparaturen an den einzelnen Fahrzeugen zu erledigen habe. Wenn er ein entsprechendes Getriebe oder einen Motor auseinander gebaut habe, teile er dem Geschäftsführer der Klägerin mit, was nun zu tun sei. Die notwendigen Ersatzteile besorge dann die Klägerin. In Polen würde er ebenfalls derartige Tätigkeiten für andere Auftraggeber ausführen und dabei ein Jahreseinkommen von etwa 3.000 Zloty erzielen.

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Bei einer Durchsuchung der Geschäftsräume der Klägerin, der Wohnung ihres Geschäftsführers und der Geschäftsräume ihres Steuerberaters wurden diverse Rechnungen des S aufgefunden. Aus ihnen ergab sich, dass S von Oktober 1996 bis Februar 1999 Einnahmen in Höhe von 87.000,00 DM aus der Tätigkeit bei der Klägerin erzielt hatte. In den Rechnungen wurden lediglich Arbeitsstunden erfasst. Die Abrechnungen erfolgten monatsweise, wobei pro Monat zwischen 63 und 330 Stunden erfasst wurden. Die Rechnungen datierten entweder auf den letzten Tag des jeweiligen Monats oder aber, sofern S nicht während des gesamten Monats bei der Klägerin tätig war, auf den letzten Arbeitstag. Die Rechnungen enthielten auch eine Quittung über den Erhalt des Rechnungsbetrags.

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Des Weiteren wurden bei der Durchsuchung Arbeitsberichte aufgefunden, die S in der Zeit von Oktober 1997 bis Februar 1998 gefertigt hatte. Nach den Aufzeichnung war S in der Zeit vom 13. Oktober bis 3. November 1997, vom 27. November bis 20. Dezember 1997, vom 5. Januar 1998 bis 24. Januar 1998, vom 7. Februar bis 3. April 1998, vom 20. April bis 16. Mai 1998, vom 2. Juni bis 4. Juli 1998, vom 13. August bis 19. September 1998, vom 5. Oktober bis 7. November 1998, vom 26. November bis 19. Dezember 1998, vom 7. Januar 1999 bis 6. Februar 1999 und vom 24. bis 25. Februar 1999 bei der Klägerin tätig. In diesen Arbeitsberichten dokumentierte S seine täglich ausgeführten Arbeiten. Dabei wurden auch Zeiten aufgeführt, in denen S mit einfachen Arbeiten - wie z.B. dem Aufräumen oder der Reinigung der Werkstatt, Aufräumung des Lagers,Ölwechseln, Scheibenwischerwechsel, Instandsetzung der Beleuchtung eines Kraftwagens oder der Reparatur von Bremsen - beschäftigt war. Auch diese Zeiten wurden der Klägerin mit einem Stundenlohnsatz von 22,00 DM in Rechnung gestellt. Ab März 1999 wurde für S eine Stempelkarte geführt, auf der die Zeiten seiner Anwesenheit vermerkt wurden.

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Die Auswertung der bei der Durchsuchung aufgefundenen Unterlagen ergab schließlich, dass die Klägerin auch R in der Zeit von Oktober 1997 bis März 1998 beschäftigt hatte. Die Abrechnung erfolgte monatsweise und auf Stundenbasis, wobei ein Stundensatz von 18,00 DM vereinbart worden war. Die Klägerin zahlte an R ein Gesamtentgelt in Höhe von 9.000,00 DM aus.

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Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfungüberprüfte der Beklagte die vom Hauptzollamt ermittelten Entgelte und stellte sie jahresweise als Lohnzahlungen an R und S fest. Bei R wurde zudem ein Sachbezug für das in den Jahren unentgeltlichüberlassene Zimmer auf dem Firmengelände nach den Werten der Sachbezugsverordnung angerechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom Mai 2000 verwiesen.

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Der Beklagte nahm die Klägerin als Arbeitgeberin für die nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer aus den Zahlungen an R und S als Haftende in Anspruch und erließ einen entsprechenden Haftungsbescheid. Der hiergegen von der Klägerin erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.

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Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, bei den beiden Beschäftigten handele es sich um selbstständige Subunternehmer, für die sie keine Lohnsteuerabzugsbeträge einbehalten müsse. R und S seien in den Streitjahren lediglich Aufträge erteilt worden. S habe in erster Linie LKW repariert. Dabei habe es sich um Arbeiten gehandelt, die nicht sofort hätten ausgeführt werden können. Es sei daherüblich, dass die Kunden auf die Erledigung der Aufträge zwei oder auch manchmal mehrere Wochen gewartet hätten. Nur S sei in der Lage gewesen, die komplizierten Reparaturen an den Getrieben der Fahrzeuge und bei Kühlaufliegern und Kofferfahrzeugen auszuführen. S sei auch für Arbeiten eingesetzt worden, die aufschiebbar waren, wie z.B. die Reparatur von Motoren, die einen erhöhten Ölverbrauch gehabt hätten. Die Klägerin habe die Aufträge gesammelt und dabei die Kunden so lange vertröstet, bis S wieder für sie hätte arbeiten können. Dies sei möglich gewesen, weil die Klägerin in erster Linie für Großkunden tätig sei, mit denen sie ein gutes Verhältnis habe. Wenn S einmal nicht greifbar gewesen sei, habe die Klägerin die Fahrzeuge teilweise nur provisorisch repariert und im Übrigen gewartet, bis S wieder in Deutschland gewesen sei. Die Klägerin habe S immer dann angefordert, wenn sich etwa vier bis fünf derartiger Aufträge angesammelt hätten. Die Abarbeitung der einzelnen Aufträge sei in Eigenregie durch R und S erfolgt, eine Weisungsgebundenheit bezüglich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit habe nicht bestanden. S habe teilweise bis zu 300 Stunden im Monat gearbeitet, während die Regelarbeitszeit eines normalen Arbeitnehmers bei etwa 160 Stunden läge. Zwar seien die Tätigkeiten überwiegend in der Werkstatt der Klägerin ausgeführt worden, jedoch sei es auch vorgekommen, dass die Arbeiten direkt beim Kunden erbracht worden seien. Sozialleistungen und eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall seien nicht vereinbart gewesen. Einen Urlaubsanspruch hätten S und R nicht gehabt.

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R und S hätten auch ein Entgeltrisiko tragen müssen. Die Klägerin habe bei den einzelnen Reparaturen zunächst die Zeiten überschlägig ermittelt, die sie selbst gegenüber den Kunden habe in Rechnung stellen können. Dabei habe sie mehrere Aufträge zu einer Mischkalkulation zusammengefasst. R und S seien ihre aufgewendeten Stunden nur insoweit vergütet worden, als diese von vornherein vereinbarten Zeiten nicht überschritten worden seien. Zudem seien sie nur für solche Arbeiten entlohnt worden, die zur Zufriedenheit der Klägerin ausgeführt worden wären. Bei Ausfallzeiten oder Nachbesserungsarbeiten hätten R und S kein Entgelt erhalten.

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R und S hätten ihre Arbeiten auch eigenverantwortlich durchgeführt. Die Zeiteinteilung für die Ausführung der von der Klägerin erteilten Aufträge hätten die beiden selbstständig durchgeführt. Die notwendigen Ersatzteile habe zwar die Klägerin besorgt, dies aber nur, weil sie gegenüber den Händlern höhere Rabatte erhalten habe.

15

S sei nach Deutschland jeweils mit seinem eigenen Fahrzeug VW Bulli eingereist. In diesem Fahrzeug habe er sein eigenes Werkzeug mitgebracht. Auch habe er während der Jahre für andere Auftraggeber in Deutschland und Polen entsprechende Aufträge erledigt. Schließlich habe die Klägerin im Unterschied zu den übrigen von ihr beschäftigen Arbeitnehmern R und S keine Arbeitskleidung gestellt. Als Nachweis legt die Klägerin zwei Abrechnungen der A GmbH für August 1998 vor.

16

Die Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid vom xxx und den Einspruchsbescheids vom xxx aufzuheben.

17

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

18

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest. Ergänzend ist er der Auffassung, R und S seien in den Jahren in den organisatorischen Betrieb der Klägerin eingebunden gewesen. Sie hätten die Räumlichkeiten der Klägerin und auch deren Werkzeug genutzt, zumindest habe auch S auf die schweren Gerätschaften wie Hebebühnen, Gruben, Seilzüge usw. zurückgreifen müssen. Nebentätigkeiten für andere Auftraggeber seien schon auf Grund des Umfangs der Beschäftigung für die Klägerin laut der vorliegenden Arbeitsberichte nicht möglich gewesen. Der Umstand, dass die Klägerin das Material für die Reparaturen zur Verfügung gestellt habe, spreche ebenfalls für eine nichtselbstständige Beschäftigung der beiden Mitarbeiter. Die vorgelegten Rechnungen der Kleidungsfirma entfalteten demgegenüber keinerlei Aussagekraft, da R und S im abgerechneten Zeitraum nicht für die Klägerin tätig geworden seien. Eine unternehmerische Initiative hätten Rund S ebenfalls nicht entfalten können. Faktisch hätten die beiden keine Möglichkeit gehabt, die erteilten Aufträge zu verweigern. Ausweislich der Arbeitsberichte sei dies auch nicht vorgekommen. Der Umstand, dass R und S nach Untersuchung des jeweiligen Fahrzeugs ihre Diagnose an die Klägerin weitergegeben hätten, spreche nicht für eine Selbstständigkeit, weil ein solches Verfahren auch bei unselbstständigen Mechanikern unumgänglich sei. Schließlich seien nach den Arbeitsberichten im Vergleich zu den erteilten Rechnungen auch alle aufgeführten Arbeitsstunden abgerechnet worden. Die Stempelkarten wiesen keine Unterbrechungen außer die für Frühstücks- und Mittagspause auf. Der Umstand, dass die Mitarbeiter unabhängig von ihrer konkreten Tätigkeit einen pauschalen Stundenlohn erhalten hätten, spreche ebenfalls für ihre Stellung als Arbeitnehmer. Ein selbstständiger Unternehmer würde für qualifizierte Arbeiten einen höheren Betrag in Rechnung stellen.

19

Die Klägerin hat S als Zeugen in der mündlichen Verhandlung gestellt. Das Gericht hat S als Zeugen zu den Fragen, wie die Klägerin mit S vor Antritt der jeweiligen Aufenthalte in Deutschland Kontakt aufgenommen hat, wie die Absprachen zwischen beiden hinsichtlich der jeweiligen Reparaturarbeiten lauteten, wie die einzelnen Arbeiten von S durchgeführt wurden und welchen Tätigkeiten S in Deutschland und Polen neben der Arbeit für die Klägerin in den Streitjahren nachgegangen ist, vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom xxx verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

21

Der Lohnsteuerhaftungsbescheid und der Einspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht nach § 42 d Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) für die in den Streitjahren an R und S ausgezahlten Beträge als Haftende in Anspruch genommen. Auch der Ansatz eines geldwerten Vorteils für die Überlassung eines Zimmers an S als steuerpflichtiger Arbeitslohn erfolgte rechtmäßig. Die vom Beklagten im Haftungsbescheid getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden.

22

Gemäß § 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids setzt daher voraus, dass die polnischen Mitarbeiter der Klägerin als deren Arbeitnehmer tätig geworden sind. Gemäß § 1 Abs. 1 Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) erfordert die Stellung als Arbeitnehmer, dass jemand in privatem Dienst angestellt oder beschäftigt ist und aus diesem Dienstverhältnis Arbeitslohn bezieht.§ 1 Abs. 2 LStDV erläutert den Begriff des Dienstverhältnisses, indem er verlangt, dass die betreffende Person gegenüber ihrem Vertragspartner die Arbeitskraft schuldet, wobei dieses Merkmal dann vorliegt, wenn sie entweder unter dessen Leitung arbeitet oder in dessen Betrieb eingegliedert ist und seinen Weisungen zu folgen hat, ohne ein Unternehmerrisiko zu tragen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist bei der Abgrenzung zwischen selbstständig und unselbstständig Tätigen auf die Gesamtumstände des Einzelfalls abzustellen und die für und gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen (BFH-Urteile vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BStBl II 1985, 661; vom 18. Januar 1991 VI R 122/87, BStBl II 1991, 409; vom 24. Juni 1992 VI R 126/88, BStBl II 1993, 155). Die Gesamtabwägung aller Umstände ergibt im konkreten Fall, dass R und S als Arbeitnehmer der Klägerin anzusehen sind.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt dem Umstand, dass R und S in Polen Gewerbebetriebe unterhielten und die Tätigkeiten nach den dortigen steuerrechtlichen Vorschriften im Rahmen ihrer Unternehmen versteuerten, keine entscheidende Bedeutung zu. Ihre Stellung als Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 LStDV ist nach deutschem Steuerrecht zu beurteilen. Dabei ist es auch denkbar, dass ein Steuerpflichtiger eine gemischte Tätigkeit ausübt, er also einerseits gegenüber einigen Auftraggebern unternehmerisch tätig, gegenüber anderen aber in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt ist. Maßgebend sind insoweit die konkreten Umstände des Einzelfalls.

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Für die Einordnung von S und R als Arbeitnehmer der Klägerin sprechen zunächst die der Beschäftigung zu Grunde liegenden vertraglichen Beziehungen zwischen ihnen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann der im Vertragsschluss liegende gemeinsame Wille der Parteien als Indiz für die steuerrechtliche Bewertung einer Leistungserbringung herangezogen werden, wobei in erster Linie auf die tatsächliche Durchführung abzustellen ist (vgl. BFH-Urteile vom 20. Februar 1979 VIII R 52/77, BStBl II 1979, 414; vom 20. April 1988 X R 40/81, BStBl II 1988, 804, 807 f.; vom 24. Juli 1992 VI R 126/88, BStBl II 1993, 155; Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, Loseblattsammlung, Stand: August 2002, § 19 EStG Anm. 75). Die zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträge können nicht als Werkverträge im Sinne des § 631 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eingeordnet werden, sondern sind als Dienstverträge nach § 611 BGB zu qualifizieren. Der Werkvertrag hat wie der Dienstvertrag eine entgeltliche Arbeitsleistung zum Inhalt. Nach der Dogmatik des BGB ist das entscheidende Abgrenzungskriterium, dass bei einem Dienstvertrag das bloße Bewirken, die Arbeitsleistung als solche, beim Werkvertrag dagegen die Herbeiführung eines fest umrissenen Leistungsgegenstands, ein gegenständlich erfassbares Arbeitsergebnis geschuldet wird (vgl. auch BGH-Urteil vom 1. Februar 2000 X ZR 198/97, NJW 2000, 1107). Zwar hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe entsprechende Reparaturaufträge gesammelt, die von ihrenübrigen Mitarbeitern nicht ausgeführt hätten werden können und diese dann zur Erledigung an S vergeben. Auch S hat diese Darstellung in seiner Aussage bestätigt, allerdings ergänzend ausgeführt, dass er - während er auf die notwendigen Ersatzteile warte - auch andere Reparaturen für die Klägerin ausgeführt habe. Bei Antritt der einzelnen Fahrten haben nach seiner Aussage nur etwa drei bis vier Aufträge festgestanden. Aus diesem Vortrag lässt sich entnehmen, dass der Anlass für die Beschäftigung von S und R über mehrere Wochen hinweg sicherlich in der Ausführung einzelner, vorher genau bestimmter Reparaturarbeiten gelegen hat. Die tatsächliche Erledigung weiterer Arbeiten durch S, die keinerlei besondere berufliche Qualifikationen voraussetzten, spricht aber dafür, dass die Parteien von vornherein vereinbart hatten, dass S während seiner Zeiten in Deutschland alle anfallenden Arbeiten, die die Klägerin ihm zuwies, erledigte. Für diese Deutung ist auch der Umstand bedeutsam, dass sich S in Deutschland nicht um weitere Aufträge von dritter Seite bemühte, weil er wusste, dass seine gesamte Arbeitskraft von der Klägerin in Anspruch genommen werden würde. Erst wenn nach mehreren Wochen gar keine Arbeit bei der Klägerin mehr vorhanden war, kehrte er nach Polen zurück. Eine eher laufende Tätigkeit statt der Erbringung eines von vornherein abgestimmten fest umrissenen Leistungsgegenstands ist aber typisch für einen Dienstvertrag (BGH-Urteile vom 1. Februar 2000 X ZR 198/97, a.a.O. und vom 18. Oktober 2001 III ZR 265/00, NJW 2002, 595).

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Gegen die Einordnung von R und S als Arbeitnehmer der Klägerin kann die Klägerin nicht geltend machen, dass die beiden nach dem Vertrag keinen Anspruch auf Urlaub bzw. Lohnfortzahlung hatten. Die Aufnahme derartiger Regelungen gehört nicht zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern ein solches hat regelmäßig zur Folge, dass Urlaubs - und Lohnfortzahlungsansprüche entstehen können (BFH-Urteil vom 24. Juli 1992 VI R 126/88, BStBl II 1993, 155, 157).

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R und S unterlagen bei der Durchführung ihrer Arbeiten in der Werkstatt der Klägerin in hinreichendem Umfang den Weisungen ihres Geschäftsführers. Die Weisungsbefugnis des Auftraggebers hinsichtlich Art, Ort und/oder Zeit der Arbeit bildet ein wesentliches Merkmal zur Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses; sie schafft die für das Dienstverhältnis charakteristische persönliche Abhängigkeit, und zwar sowohl bei wirtschaftlicher Eingliederung des Beschäftigten in den Organismus des Arbeitgeberbetriebs wie auch ohne eine solche Eingliederung, weil der Beschäftigte unter der Leitung des Auftraggebers steht (BFH-Urteile vom 21. Juli 1972 VI R 188/69, BStBl II 1972, 738; vom 14. Dezember 1978 I R 121/76, BStBl II 1979, 188). Eine weit gehende Entscheidungsbefugnis in der Durchführung der Arbeit steht dabei der Annahme eines Dienstverhältnisses nicht entgegen (BFH-Urteile vom 11. November 1971 IV R 241/70, BStBl II 1972, 213; vom 20. Februar 1979 VIII R 52/77, BStBl II 1979, 414). Entscheidendes Kriterium für das Vorliegen von Weisungsgebundenheit ist, ob die dem Beauftragten nach der Eigenart der Tätigkeit zukommende Bewegungsfreiheit Ausfluss seines eigenen Willens oder aber Ausfluss des Willens des Auftraggebers ist. In letzterem Fall liegt eine Arbeitnehmerstellung vor.

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Die Mitarbeiter R und S unterlagen der Weisungsbefugnis der Klägerin hinsichtlich des Orts und der Zeit der zu erledigenden Arbeiten. S erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass er immer dann, wenn die Klägerin genügend Arbeit habe, nach Deutschland gekommen sei. Bei Antritt der Fahrten habe er nicht gewusst, wann er wieder nach Polen zurückkehren würde. Sein wirtschaftliches Interesse habe darin bestanden, für die Klägerin möglichst lange zu arbeiten. Zwar ergibt sich aus diesem Vortrag, dass S sich nicht rechtlich verpflichtete, für einen bestimmten Zeitraum nach den Anweisungen der Klägerin zu arbeiten. Auf der anderen Seite begab er sich wegen seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Klägerin faktisch der Möglichkeit, den Einsatz seiner Arbeitskraft und dessen Modalitäten selbst zu bestimmen. Die Entscheidung etwa, ob, wann und wie lange er seine Arbeitskraft erbrachte, lag nicht in seiner Hand. Sie hing vielmehr von den Interessen und Bedürfnissen der Klägerin und deren Auftraggebern ab. S nahm jede ihm zugewiesene Arbeit an, wobei die Dauer der Beschäftigung sich nach der Auftragslage für die Klägerin und damit nach ihren Bedürfnissen richtete. Die Klägerin bestimmte somit durch die weitere laufende Zuweisung der einzelnen Reparaturaufträge und sonstigen Arbeiten die Verweildauer ihrer polnischen Mitarbeiter in Deutschland. Die wirtschaftliche Entscheidung über den Einsatzes von R und S traf allein die Klägerin. Diese konnten die Annahme der Aufträge faktisch nicht steuern, weil sie auf Grund der wirtschaftlichen Gegebenheiten keine Aufträge ablehnen konnte. Dies wird auch dadurch belegt, dass S nach seiner Aussage wegen der fehlenden Vorhersehbarkeit der jeweiligen Beschäftigungsdauer in Polen Aufträge verlor, dies aber hinzunehmen bereit war, weil die Bezahlung durch die Klägerin attraktiver war. Die Klägerin hat die polnischen Mitarbeiter ferner angewiesen, die zu erledigenden Arbeiten in ihrer Werkstatt bzw. bei ihren Auftraggebern auszuführen und nicht etwa in Polen, obwohl dort die Betriebsstätten ihrer Mitarbeiter lagen.

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Gegen die Weisungsgebundenheit von R und S spricht entgegen der Ansicht der Klägerin nicht der Umstand, dass der Geschäftsführer S bei der Ausführung von Reparaturen an Kühlaufliegern, Kofferfahrzeugen und bestimmten Getrieben keine Weisungen hinsichtlich der Art und Weise der erforderlichen Arbeiten erteilt hat, weil ihm hierzu die notwendigen Fachkenntnisse fehlten. Die weit gehende Entscheidungsbefugnis eines Mitarbeiters im fachlichen Bereich, also bei der Durchführung der Arbeit, steht der Annahme eines Dienstverhältnisses nicht entgegen. Maßgeblich für die Beurteilung der Weisungsgebundenheit ist nämlich das Innenverhältnis zum Auftraggeber, die Frage also, wer die wirtschaftlichen Entscheidungen über den betrieblichen Ablauf trifft (BFH-Urteil vom 20. Februar 1979 VIII R 52/77, BStBl II 1979, 414). S hat hierzu in seiner Aussage ausgeführt, dass er nach der Demontage eines Getriebes feststelle, welche Teile ersetzt werden müssten, und er dann zusammen mit dem Geschäftsführer der Klägerin darauf achte, dass die dabei entstehenden Kosten für die Kunden der Klägerin "passen müssten", also wirtschaftlich vernünftig aufgewendet seien. Die konkreten Reparaturarbeiten erfolgen daher in Rücksprache mit der Klägerin, die dabei ihre wirtschaftlichen Interessen umsetzt. Durch die Zuweisung anderer laufender Arbeiten - z.B. die Ausführung einfacher Reparaturen an Personenkraftwagen, Scheibenwischerwechsel, Ölwechseln oder Aufräumen des Lagers - hat die Klägerin ihre Weisungsbefugnis entsprechend ihren organisatorischen Belangen ausgeübt, S ist diesen Weisungen nach den vorgefundenen Arbeitsberichten auch nachgekommen (vgl. zu diesem Aspekt BFH-Urteil vom 24. Juli 1992 VI R 126/88, BStBl II 1993, 155, 157). Schon die Qualität dieser einfacheren Tätigkeiten führt nach der Rechtsprechung zur Annahme einer Weisungsabhängigkeit, weil der Tätige bei einfachen Arbeiten kaum eine eigene Initiative entfalten kann und deshalb besonders den Weisungen des Auftraggebers unterliegt (BFH-Urteil vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BStBl II 1985, 661, 663).

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R und S waren in den Betrieb der Klägerin eingegliedert. Dieses Merkmal erfordert, dass der Arbeitnehmer die Tätigkeit im Interesse des Betriebs des Arbeitgebers ausführt und in seinen betrieblichen Ablauf integriert ist. Für die betriebliche Integration von R und S ist zunächst die Dauer der jeweiligen Beschäftigungen von Bedeutung. Ist ein Beschäftigungsverhältnis auf längere Dauer angelegt, so ist dies ein Indiz für die betriebliche Eingliederung des Mitarbeiters in den Betrieb seines Auftraggebers, bei nur kurzer zeitlicher Berührung der betrieblichen Sphäre ist dagegen die Eingliederung des Beauftragten besonders sorgfältig zu prüfen (vgl. BFH-Urteile vom 10. September 1976 VI R 80/74, BStBl II 1977, 179, 180; vom 20. Februar 1979 VIII R 52/77, BStBl II 1979, 414, 415; vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BStBl II 1985, 661, 663). Im vorliegenden Fall haben S und R jeweils für mehrere Wochen und nicht nur gelegentlich, etwa für einen oder mehrere Tage bei der Klägerin gearbeitet. Sie waren während dieser Zeit ausschließlich für die Klägerin tätig. Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach dem tatsächlichen Ablauf das Beschäftigungsverhältnis zumindest bei S trotz der Unterbrechungen von jeweils etwa zwei Wochen offenbar faktisch auf lange Sicht angelegt war, weil die Klägerin wegen ihrer Großkunden auf seine regelmäßige Mitarbeit angewiesen war (vgl. zum Aspekt der tatsächlichen Durchführung bei der Bestimmung der Dauer eines Dienstverhältnisses BFH-Urteil vom 4. Dezember 1975 IV R 180/72, BStBl II 1976, 292, 293). Ihre organisatorische Eingliederung in den Betrieb der Klägerin war zur Überzeugung des Gerichts schon deshalb erforderlich, weil sichergestellt werden musste, dass ihre übrigen Mitarbeiter und die beiden polnischen Mitarbeiter nebeneinander die Werkstatt und dabei insbesondere die schweren Werkzeuge, wie z.B. eine Hebebühne, Messgeräte oder einer Grube nutzen konnten. Die mit der Gestellung des schweren Werkzeugs in der Werkstatt einher gehende Koordinationsaufwand für die Klägerin spricht unabhängig von der Tatsache, dass S auch sein im VW-Transporter mitgeführtes eigenes Werkzeug benutzte, für seine Eingliederung in den Betrieb des Klägers. Auch der Umstand, dass S während seiner mehrwöchigen Beschäftigung zu Tätigkeiten herangezogen wurde, die im Betrieb üblicherweise und regelmäßig anfallen und ebenso von den übrigen Arbeitnehmern der Klägerin hätten erledigt werden können, ist als zusätzliches Indiz zu werten (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1968 VI R 56/67, BStBl II 1969, 71, 72). Dass die Klägerin ihren polnischen Mitarbeitern darüber hinaus nach ihrem Vortrag keine Arbeitskleidung zur Verfügung stellte, kann das Ergebnis nicht beeinflussen, weil dieses Indiz gegenüber den Argumenten, die für ihre Eingliederung sprechen, von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Anm. 79). Ohnehin konnte die Klägerin ihre diesbezügliche Behauptung nicht nachweisen.

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R und S hatten kein unternehmerisches Risiko zu tragen, das ihrer Einordnung als Arbeitnehmer der Klägerin entgegenstünde. Ein eigenes Unternehmerrisiko trägt, wer sich auf eigene Rechnung und Gefahr betätigt und die Höhe der Einnahmen wesentlich durch eine Steigerung seiner Arbeitsleistung oder durch die Herbeiführung eines besonderen Erfolgs beeinflussen kann (BFH-Urteil vom 20. Februar 1979 VIII R 52/77, BStBl II 1979, 414, 415). Mit einem Unternehmerrisiko korrespondiert die Unternehmerinitiative, also das Bemühen, seine Leistungen am Markt mehreren Interessen anzubieten und so die Einnahmen zu erhöhen.

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Die Art der zwischen der Klägerin und den beiden polnischen Mitarbeitern vereinbarten Vergütung ist als gewichtiges Indiz für ein fehlendes unternehmerisches Risiko und damit spiegelverkehrt auch für eine fehlende unternehmerische Initiative zu werten. R und S wurden unabhängig von der Qualität ihrer jeweiligen zu verrichtenden Arbeiten nach einem festen Stundensatz entlohnt. Sie konnten daher die Höhe ihrer Einnahmen nicht dadurch steigern, dass sie besonders qualifizierte Tätigkeiten für die Klägerin ausführten. Somit konnte es den beiden letztlich auch egal sein, für welche Arbeiten sie im Einzelfall eingeteilt wurden, entscheidend für sie war nur, überhaupt zu arbeiten. Die Höhe der von ihnen monatlich zu erzielenden Gesamtvergütung war deshalb nur von der Entscheidung der Klägerin abhängig, entscheidende Bemessungsgrundlage war nicht der Erfolg der Tätigkeit, sondern der Umfang der erbrachten Arbeitsleistungen. Der Umstand, dass R und S durch die Steigerung ihrer täglichen Arbeitszeit die Höhe ihrer Einnahmen beeinflussen konnten, spricht demgegenüber nicht für ein besonderes unternehmerisches Risiko, denn diese Möglichkeit steht auch Arbeitnehmern durch die Ableistung von Überstunden offen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang nur, dass die Klägerin den Umfang der Arbeit und damit auch ihre Verdienstmöglichkeiten verbindlich vorgab und ihnen damit die Möglichkeit genommen war, durch einen größeren oder geringeren Arbeitseinsatz den Erfolg ihrer Tätigkeit zu beeinflussen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 1980 I R 17/78, BStBl II 1980, 303, 304).

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Die Art der Abrechnung ist ebenfalls typisch für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin führte hierzu aus, sie habe bei den einzelnen anstehenden Reparaturen zunächst die Zeiten überschlägig ermittelt, die sie selbst gegenüber den Kunden habe in Rechnung stellen können. Dabei habe sie mehrere Aufträge zu einer Mischkalkulation zusammengefasst. Den polnischen Mitarbeitern seien ihre aufgewendeten Stunden nur insoweit vergütet worden, als diese von vornherein vereinbarten Zeiten nicht überschritten worden seien. Die Vereinbarung eines festen nach Stunden bemessenen Honorars für eine bestimmten Erfolg ist zwar als Indiz für ein unternehmerisches Risiko des Auftragnehmers zu werten. Im konkreten Fall aber hat sich dieses Risiko für R und S nach der tatsächlichen Durchführung der vertraglichen Absprachen nicht ausgewirkt. So wurden die tatsächlich erbrachten Stunden auch dann zum Monatsende abgerechnet, wenn der Reparaturauftrag noch nicht abgeschlossen war, somit noch nicht feststand, ob der vertraglich vereinbarte Erfolg eintreten würde. Ein Vergleich zwischen den von S erstellten monatlichen Rechnungen mit seinen Arbeitsberichten in der Zeit von Oktober 1997 bis Dezember 1998 ergibt überdies, dass Kürzungen der geleisteten Stundenzahlen nicht vorgenommen worden sind. 1999 war der Klägerin überdies eine Zuordnung der durch die Stempelkarten nachgewiesenen Stunden zu den einzelnen Reparaturleistungen des S nicht mehr möglich, weil dort nur die an den einzelnen Tagen insgesamt erbrachten Zeiten dokumentiert wurden. Hätte die Klägerin von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen wollen, überlange Reparaturarbeiten auf das vorher vertraglich vereinbarte Maß zu kürzen, hätte sie auf eine Einzelabrechnung bestehen müssen und sich nicht mit dieser Methode der Arbeitszeiterfassung einverstanden erklären dürfen. Eine monatliche Abrechnung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer nach der Anzahl der in der Abrechnungsperiode tatsächlich geleisteten Stundenzahl unabhängig vom Stand der einzelnen Arbeiten spricht aber eher für ein unselbstständiges Dienstverhältnis.

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Als weiteres Indiz für das Vorliegen eines unselbstständigen Dienstverhältnisses in diesem Zusammenhang ist die fortlaufende Gestellung der Unterkunft für S durch die Klägerin auf ihrem Firmengelände zu werten. Derartige Sachbezüge kommen meistens nur bei Arbeitsverhältnissen vor (vgl. Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, § 19 Anm. 78 "Ausgestaltung der Entlohnung").

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R und S haben während ihrer Beschäftigungszeiten in Deutschland auch keine unternehmerische Initiative entfaltet. Sie haben sich nicht um Aufträge anderer Personen in Deutschland bemüht, sondern jeden Auftrag, der ihnen von der Klägerin erteilt wurde, sofort angenommen (vgl. BFH-Urteile vom 2. Februar 1968 VI R 127/65, BStBl II 1968, 430, 431 und vom 30. Mai 1996 V R 2/95, BStBl II 1996, 493, 495). Der Umfang der von ihnen zu leistenden Tätigkeiten, der ihren wirtschaftlichen Erfolg ausmacht, wurde allein von der Klägerin bestimmt und hing nur mittelbar von ihrer Tüchtigkeit ab, da die beiden Mitarbeiter keine Möglichkeit hatten, sich anderweitig neue Aufträge auf eigene Initiative zu beschaffen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14. Dezember 1978 I R 121/76, BStBl II 1979, 188, 189; Urteil des FG Hamburg vom 27. August 1991 I 301/87, EFG 1992, 279, rkr.). Dasäußere Erscheinungsbild der Tätigkeit von R und S, dem ebenfalls maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 1974 VI R 40/72, BStBl II 1974, 720 und vom 10. September 1976 VI R 80/74, BStBl II 1977, 178, 180; Urteil des FG Hamburg vom 27. August 1991 I 301/87, a.a.O.) spricht auch gegen ihre Unternehmereigenschaft. Nach dem äußeren Eindruck, insbesondere auch aus der Sicht der Kunden der Klägerin, stellte sich die Arbeit von R und S als unselbstständiger Teil der Leistung der Klägerin dar. Die Tätigkeit von R und S erschien als abhängig ausgeübt, fremdbestimmte Arbeit, die durch Einbindung in die betriebliche Organisation der Klägerin ohneÜbernahme eines Unternehmerrisikos gekennzeichnet war, weil die Kunden einen Unterschied zwischen der Tätigkeit von R und S für die Klägerin und der der R und S übrigen Mitarbeiter der Klägerin nicht feststellen konnten.

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Schließlich haben R und S zur Durchführung ihrer Tätigkeiten auch keinen nennenswerten Kapitaleinsatz erbracht, der für ihre Unternehmereigenschaft sprechen könnte. Das für die Reparaturen erforderliche Material wurde ihnen von der Klägerin gestellt, das mit dem Einkauf verbundene Risiko einer Fehlinvestition wurde ihnen somit abgenommen (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 1979 VII R 97/77, BStBl II 1980, 301, 302). Die Einlassung der Klägerin, nur sie habe bei den Großhändlern einen entsprechenden Rabatt beim Einkauf erhalten können, sodass dieses Verfahren sinnvoll gewesen sei, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Bei der Ausführung von Reparaturarbeiten im Rahmen eines Werkvertrags ist die Gestellung des erforderlichen Materials durch den Werkunternehmer üblich, sein Risiko ist es, dieses Material kostengünstig zu erlangen. Gegen die Unternehmereigenschaft spricht ferner der Umstand, dass die Klägerin für die Ausführung der Arbeiten in Deutschland den Mitarbeitern ihre Werkstatt zur Verfügung gestellt hat und dies, obwohl dort ihr "normaler" Betrieb mit den übrigen Mitarbeitern fortgesetzt werden musste. Die Gestellung des schweren Arbeitsgeräts durch die Klägerin ist ebenfalls als Indiz für die unselbstständige Beschäftigung der Mitarbeiter zu werten (vgl. Pflüger, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, § 19 Anm. 79 "Arbeitsgerät" bzw. "Büro"), da es sich insofern um bei der selbstständigen Ausführung von Kfz-Reparaturen typischerweise vorkommende kapitalintensive Wirtschaftsgüter handelt.

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Das Gericht hat schließlich dem Umstand, dass S für Schäden, die er bei der Reparatur an dem Eigentum der Kunden der Klägerin verursachte, von dieser zur Haftung herangezogen worden ist, nicht ein solches Gewicht eingeräumt, dass er im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände gegenüber den bereits ausgeführten Wertungen zu einer selbstständigen Beschäftigung von S führen würde. Die Haftung für eigenes Verschulden des Beschäftigten kommt auch bei Arbeitsverhältnissen vor und spricht nur dann für Selbstständigkeit, wenn die Haftung über den bei Dienstverhältnissen der betreffenden Art üblichen Rahmen deutlich hinausgeht (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1992 VI R 126/88, BStBl II 1993, 155, 157). Der Klägerin ist dabei allerdings zuzugeben, dass nach den Grundsätzen der betriebsbezogenen Arbeit Arbeitnehmer bei der Ausführung derartiger Arbeiten einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber von einer Inanspruchnahme durch den Dritten haben, sofern sie den Schaden nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt haben (vgl. Putzo, in: Palandt, BGB, 62. Aufl. 2003, § 611 Rdnr. 157). Die Verschärfung der Schadensersatzpflicht des S gegenüber der Klägerin spricht deshalb für ein von ihm zu tragendes unternehmerisches Risiko, wobei dieser Aspekt gegenüber den anderen Gesichtspunkten, die für eine unselbstständige Tätigkeit sprechen, zurücktritt.

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Die Klägerin ist in den Streitjahren Arbeitgeberin von R und S gewesen. Arbeitgeber ist derjenige, dem der Arbeitnehmer in seinem geschäftlichen Willen untergeordnet ist oder in dessen geschäftlichen Organismus und nach dessen Weisungen sich der Arbeitnehmer zu verhalten hat. Kennzeichnend für den Begriff des Arbeitgebers ist die wirtschaftliche Stellung, die ihn berechtigt und befähigt, einen Arbeitnehmer einzustellen, zu entlassen und über seine Arbeitskraft zu verfügen (BFH-Urteil vom 17. Februar 1995 VI R 41/92, BStBl II 1995, 390, 391 f.). Im konkreten Fall hat die Klägerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, die einzelnen Aufträge an R und S erteilt, ihnen ihre Werkstatt und ihr schweres Gerät zur Verfügung gestellt und ihnen den vereinbarten Lohn gezahlt.

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Der Beklagte die in den Streitjahren an R und S zugeflossenen Löhne zutreffend berechnet. Neben den durch die Rechnungen der beiden ausgewiesenen Lohnzahlungen ist auch die unentgeltliche Gestellung der Unterkunft an S als Arbeitslohn zu berücksichtigen. Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im privaten Dienst gewährt werden. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden. Entscheidend ist nur, dass sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind, d.h. sie müssen nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt werden und als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit anzusehen sein (BFH-Urteil vom 22. März 1985 VI R 170/82, BStBl II 1985, 529, 530). Die Klägerin hat S während seiner Beschäftigung in Deutschland eine Unterkunft von 6 qm als Schlafplatz zur Verfügung gestellt. Dieser Vorteil ist als Sachbezug S im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zugeflossen, weil die Möglichkeit der Übernachtung auf dem Gelände der Klägerin einen wirtschaftlichen Vorteil darstellt, der ihm nur deshalb gewährt wurde, weil er dort beschäftigt war. Dass die Klägerin mit der Gestellung der Unterkunft möglicherweise auch das Ziel verfolgte, S in seiner Nähe zu haben, um jederzeit auf ihn zugreifen zu können,ändert an diesem Zusammenhang nichts, denn diese Zielsetzung hätte sich wie bei R auch dadurch erreichen lassen können, dass dieser sich in der Nähe zum Betrieb ein entsprechendes Zimmer angemietet hätte. Die Bewertung des Sachbezugs hat der Beklagte rechtmäßig unter Anwendung der Werte aus der Sachbezugsverordnung (SachBezV) ermittelt (§ 8 Abs. 2 Satz 6, 7 EStG), wobei er zutreffend berücksichtigt hat, dass es sich bei dem zur Verfügung gestellten Zimmer nicht um eine Wohnung im Sinne des § 4 SachBezV, sondern lediglich um eine Unterkunft nach § 3 SachBezV handelte (vgl. dazu Birk, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG-KStG, § 8 Anm. 129).

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Die Ermessensentscheidung im Haftungsbescheid des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die vorrangige Inanspruchnahme der Klägerin als Haftende gegenüber den beiden Arbeitnehmern ist, wie im Bescheid ausgeführt, schon deshalb sachgerecht, weil der Beklagte auf sie wegen ihres Wohnsitzes außerhalb der Bundesrepublik Deutschland nur unter erschwerten Bedingungen zugreifen könnte.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.