Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.04.2003, Az.: 2 K 303/01

Gewährung von Eigenheimzulage ; Wirtschaftliches Eigentum bei Bauten auf fremdem Grund und Boden; Begriff des wirtschaftlichen Eigentums; Dem Nutzungsberechtigten zuzurechnender Ertrag des Anbaus

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
23.04.2003
Aktenzeichen
2 K 303/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 14361
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0423.2K303.01.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 04.11.2004 - AZ: III R 13/04

Fundstellen

  • DStR 2003, XVII Heft 37 (Kurzinformation)
  • DStRE 2003, 1169-1170 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2003, 1285-1287

Verfahrensgegenstand

Eigenheimzulage ab 2000

Redaktioneller Leitsatz

Steht einer Person das Nutzungsrecht an einem Gebäude zu, welches auf fremdem Grund und Boden errichtet wird, so besteht für diese Person ein Anspruch auf Eigenheimzulage, sofern sie wirtschaftliche Eigentümerin des Gebäudes ist.

Tatbestand:

1

Streitig ist, ob der Klägerin ab dem Streitjahr 2000 Eigenheimzulage für einen von ihr genutzten Anbau zusteht.

2

Die Klägerin, geb. 1917, errichtete auf dem Grundstück ihrer Tochter M in S einen Anbau an das Haus ihrer Tochter. Diesen Anbau finanzierte sie aus eigenen Mitteln. Der Anbau hatte einen eigenen Zugang von außen, war aber auch durch eine Tür mit der Wohnung der Tochter verbunden. Der Anbau bestand aus Flur, WC, Dusche, einem Abstellraum und einem Wohnschlafraum. Er hatte eine Wohnfläche von 24,92 qm, hinzu kam eine Nutzfläche für einen Abstellraum und eine Garage von 23,02 qm. Die Herstellungskosten betrugen mehr als 100.000,00 DM. Der Anbau war im Streitjahr 2000 fertig gestellt und ab Fertigstellung von der Klägerin bewohnt. Er war auf ihre Wohnbedürfnisse als Pflegebedürftige zugeschnitten. Die Pflege übernahm die Tochter der Klägerin.

3

Die Klägerin beantragte am 3. August 2000 Eigenheimzulage für den Anbau. Auf dem Antragsformular gab sie folgende Erklärung ab:

"Vor Beginn des auf meine Kosten zu erstellenden Anbaus ist mit meiner Tochter als Eigentümerin des Grundstücks mein Dauerwohnrecht vereinbart worden. Meine Tochter und mein Sohn, die auch dort wohnen, sind meine Alleinerben."

4

Der Beklagte lehnte die Gewährung von Eigenheimzulage mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht Eigentümerin des Grundstücks, auf dem der Anbau errichtet sei.

5

Die Klägerin legte Einspruch ein, den sie mit der bereits auf dem Antragsformular abgegebenen Erklärung begründete. Die Tochter der Klägerin bestätigte als Grundstückseigentümerin die getroffene Vereinbarung. Der Beklagte wies den Einspruch mit der Begründung aus dem Ablehnungsbescheid als unbegründet zurück.

6

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin meint, Eigenheimzulage stehe ihr zu, da sie Herstellerin der von ihr genutzten Wohnung sei. Sie habe die Baukosten getragen und habe ein Nutzungsrecht. Dieses Nutzungsrecht dauere über ihren Tod hinaus an und gehe auf ihre Erben über.

7

Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2002 legte die Klägerin erstmalig eine schriftliche vom 13. März 2001 datierende Nutzungsvereinbarung vor. Danach habe die Klägerin ein lebenslanges und vererbliches Nutzungsrecht für den von ihr genutzten Anbau. Wegen des Wortlauts und der Einzelheiten wird auf Bl. 36 der Gerichtsakte verwiesen.

8

Das Gericht hat der Klägerin aufgegeben darzulegen, ob und, wenn ja, wo sich in dem Anbau eine Küche oder Kochgelegenheit befindet und ein Vorhandensein nachzuweisen, z.B. durch Kaufbelege für Kücheneinrichtung. Hierfür hat das Gericht der Klägerin eine Frist nach § 79b Abs. 2 FGO bis zum 5. April 2003 gesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 23. Februar 2003 verwiesen.

9

Die Klägerin hat daraufhin eine Zeichnung vorgelegt, in dem eine Küchenzeile mit Herd, Spüle und Kühlschrank eingezeichnet sind. Weiterhin legte sie eine Rechnung über den Kauf einer Spüle sowie die Einrichtung der Anschlüsse vor.

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Die Klägerin beantragt,

wie erkannt zu entscheiden.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Er hält an seiner Auffassung fest, der Klägerin stehe Eigenheimzulage nicht zu, da sie weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin des von ihr bewohnten Anbaus sei. Es fehle bereits an einer eindeutigen Vereinbarung über das Nutzungsrecht, da diese nicht schriftlich getroffen sei. Aber selbst ein obligatorisches Nutzungsrecht begründe kein wirtschaftliches Eigentum, da die Nutzungsberechtigte den Eigentümer nicht für den Zeitraum der Nutzbarkeit von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen könne. Der Beklagte meint ferner, das Nutzungsrecht der Klägerin ende spätestens mit ihrem Tod. Der dann verbleibende Restwert des Anbaus müsse von der Grundstückseigentümerin nicht ausgeglichen werden. Die Klägerin habe mit der Grundstückseigentümerin nur ein lebenslanges Nutzungsrecht vereinbart. Sie habe damit einen Bereicherungsanspruch der Erben ausgeschlossen. Der Bereicherungsanspruch der Erben sei nämlich abdingbar.

13

Der Beklagte hält zudem die mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2002 vorgelegte Nutzungsvereinbarung für rückdatiert und deshalb für unerheblich.

14

Das Gericht hat die Bauakten zum Verfahren beigezogen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht die Gewährung von Eigenheimzulage versagt.

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Der Klägerin steht die Eigenheimzulage als wirtschaftlicher Eigentümerin des von ihr errichteten Anbaus zu.

17

Die Förderung nach dem EigZulG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im eigenen Haus oder eine eigene Eigentumswohnung hergestellt oder angeschafft hat (§ 2 Abs. 1 EigZulG). Er muss Eigentümer des begünstigten Objekts sein. In Fällen, in denen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum (hier: am Gebäude) nichtübereinstimmen, steht die Förderung dem wirtschaftlichen Eigentümer (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO -) zu (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 12. April 2000, X R 69/98, BFH/NV 2000, 1331, m.w.N.).

18

Im Streitfall ist die Tochter der Klägerin als Grundstückseigentümerin zivilrechtlich auch Eigentümerin des Anbaus geworden, weil die Klägerin diesen weder in Ausübung eines dinglichen Rechts noch zu einem vorübergehenden Zweck (§ 95 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) errichtet hat (§§ 93, 94, 946 BGB). Die Klägerin ist aber wirtschaftliche Eigentümerin des Anbaus geworden.

19

Die von der Rechtsprechung zu § 39 AO entwickelten Grundsätze zum Begriff des wirtschaftlichen Eigentums gelten auch im Rahmen des EigZulG (zu § 10e EStG BFH-Urteile vom 21. Mai 1992, X R 61/91, BFHE 168, 261, BStBl. II 1992, 944, vom 20. September 1995, X R 94/92, BFHE 178, 429, BStBl. II 1996, 186 und vom 18. Juli 2001, X R 23/99, BStBl. II 2002, 281). Wirtschaftlicher Eigentümer ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Einen wirtschaftlichen Ausschluss in diesem Sinn nimmt die Rechtsprechung an, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch besteht oder der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (vgl. die Nachweise in den BFH-Urteilen in BFHE 182, 104, BStBl. II 1998, 97, und vom 12. April 2000, X R 20/99, BFH/NV 2001, 9). Wegen der weiteren Darstellung der Voraussetzungen für die Begründung wirtschaftlichen Eigentums wird auf die Ausführungen im BFH-Urteil vom 18. Juli 2001, X R 23/99, a.a.O. verwiesen.

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Substanz und Ertrag des Anbaus sind der Klägerin als Nutzungsberechtigter zuzurechnen. Zwar dürfte sie, auch auf Grund ihres Alters, den von ihr errichteten Anbau nicht bis zu dessen wirtschaftlichem Verbrauch nutzen können, weil dieser als Massivbau eine Nutzungsdauer von mindestens 50 Jahren hat. Nach dem Ableben der Klägerin stehen jedoch Substanz und Ertrag des Anbaus den Erben der Klägerin, nämlich voraussichtlich ihren beiden Kindern, zu. Wollte die Tochter der Klägerin als Grundstückseigentümerin den Anbau allein für sich nutzen, so müsste sie ihren Bruder, den Miterben, entsprechend entschädigen.

21

Dieser die steuerliche Zurechnung eines Gebäudes auf Grund wirtschaftlichen Eigentums rechtfertigende Entschädigungsanspruch kann sich aus einer Vereinbarung oder aus dem Gesetz - insbesondere nach Bereicherungsrecht - ergeben. So hat der BFH seine frühere Auffassung, dass ein Anspruch nach §§ 951, 812 BGB die Zurechnung eines auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäudes auf den Bauenden nicht rechtfertigt (vgl. zuletzt Senatsurteil in BFHE 182, 104, BStBl. II 1998, 97), mit Urteil vom 18. Juli 2001, X R 23/99, a.a.O. aufgegeben. Auf die dortigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.

22

Bei der vom zivilrechtlichen Eigentum abweichenden Zurechnung nach den Grundsätzen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 ist auf den "regulären Verlauf" und folglich darauf abzustellen, dass der Vertrag wie vereinbart durchgeführt wird (BFH-Urteil in BFHE 182, 104, BStBl. II 1998, 97, m.w.N.). Nach der mündlichen Vereinbarung der Klägerin mit ihrer Tochter, die später auch schriftlich niedergelegt und bestätigt wurde, stand der Klägerin die lebenslange alleinige Nutzung des Anbaus zu. Nach dem Tode der Klägerin sollte das Nutzungsrecht auf ihre Erben, nämlich ihre beiden Kinderübergehen. Die Vereinbarung ist insoweit eindeutig. So stand von Anfang fest, dass zu Lebzeiten der Klägerin niemand anderes als die Klägerin selbst den Anbau nutzen durfte. Aber auch nach deren Ableben sollte nicht etwa der Grundstückseigentümer das Nutzungsrecht erwerben. Zwar sollte die Tochter der Klägerin ein Mitnutzungsrecht erhalten, aber nicht als Grundstückseigentümerin sondern als Miterbin. Daneben sollte der Sohn der Klägerin ebenfalls ein Mitnutzungsrecht erwerben. Der Sohn der Klägerin war jedoch überhaupt nicht Grundstückeigentümer. Weder die Tochter der Klägerin als Grundstückseigentümerin noch ein gedachter fremder Grundstückseigentümer, der das Grundstück erwerben würde, könnte über den von der Klägerin errichteten Anbau verfügen, solange dieser nutzbar sein würde, ohne hierfür eine Entschädigung an die Nutzungsberechtigten entrichten zu müssen. Bei der rechtlichen Beurteilung der Vereinbarung ist ferner zu berücksichtigen, dass diese unter rechtlich nicht vorgebildeten Personen geschlossen wurde und die Klägerin bereits 83 Jahre alt und pflegebedürftig war. Deshalb sind nicht geregelte Einzelheiten, z.B. die ausdrückliche Regelung einer Entschädigung für den Fall der Verfügung über den Anbau, für die Anerkennung der Vereinbarung unschädlich. Die fehlenden Regelungen können nämlich durch ergänzende Vertragsauslegung bzw. die gesetzliche Regelung ersetzt werden.

23

Der Klägerin steht die Eigenheimzulage für den Anbau ab dem Streitjahr 2000 zu. Zwar ist nach § 2 Abs. 2 EigZulG auch der Ausbau oder die Erweiterung einer vorhandenen Wohnung begünstigt. In Fällen wirtschaftlichen Eigentums ist es jedoch erforderlich, dass der Anbau eine selbstständige Wohnung ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 2001, X R 82/95, BStBl. II 2001, 481). So reicht für die Gewährung einer Eigenheimzulage nicht aus, wenn eine vorhandene Wohnung lediglich erweitert wird, aber nur der Anbau im wirtschaftlichen Eigentum des Anspruchsberechtigten steht. Die Klägerin war zwar nicht wirtschaftliche Eigentümerin der an den Anbau angrenzenden Wohnung der Tochter. Der von der Klägerin errichtete Anbau war aber eine selbstständige Wohnung. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998, X R 157/95, BStBl. II 1999, 91) und Rz. 3 des BMF-Erlasses vom 10. Februar 1998 (BStBl. I 1998, 190) ist der Begriff der Wohnung im EigZulG im bewertungsrechtlichen Sinn zu verstehen. Danach ist eine Wohnung eine Zusammenfassung mehrerer Räume, die nach außen abgeschlossen sind und wenigstensüber ein Bad oder Dusche und WC sowie eine Küche oder Kochgelegenheit verfügen. Der Anbau war nach außen abgeschlossen und selbstständig durch eine Haustür erreichbar. Dort war ein WC und eine Dusche sowie eine Kochgelegenheit vorhanden. Dies belegen die Anschaffung der Spüle, die vorhandenen Anschlüsse, die vorgelegte Bauzeichnung sowie die insoweit glaubhaften Ausführungen des Prozessbevollmächtigten, der die örtlichen Verhältnisse kannte.

24

Weiterhin ist glaubhaft, dass die Klägerin den Anbau schon im Streitjahr 2000 zu eigenen Wohnzwecken nutzte, ihr also für dieses Jahr schon eine Zulage zustand (§ 10 EigZulG). Die Wohnung war im Dezember 2000 fertig gestellt und nutzbar. So hatte die Klägerin am 22. Dezember 2000 rd. 100.000,00 DM gezahlt und nur unwesentliche weitere Zahlungen in den Jahren 2001 und 2002 geleistet. Bei einer Ortsbesichtigung durch die Gemeinde S am 22. Januar 2001 war die Wohnung bereits genutzt. Nach den insoweit glaubhaften Ausführungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung war die Klägerin noch im Dezember 2000 in den fertig gestellten Anbau eingezogen. Es entspricht zudem der Lebenserfahrung, dass die Klägerin auf Grund ihrer Pflegebedürftigkeit ein Interesse daran haben musste, so schnell wie möglich in die für sie errichtete behindertengerechte Wohnung einzuziehen und damit ihre Tochter zu entlasten.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.