Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.04.2003, Az.: 7 K 11311/99
Einkommensteuerbefreiung für die Erhöhung des Betriebsvermögens durch den Schuldenerlass nach einer Sanierung; Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 66 Einkommensteuergesetz (EStG); Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns nach einer Zwangsversteigerung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.04.2003
- Aktenzeichen
- 7 K 11311/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 28469
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0416.7K11311.99.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 12.10.2005 - AZ: X R 42/03
Rechtsgrundlage
- § 3 Nr. 66 EStG
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1985
Amtlicher Leitsatz
Keine steuerfreie Sanierung nach § 3 Nr. 66 EStG wegen fehlender Sanierungseignung, wenn das Unternehmen nicht fortgeführt wird.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 468.657 DM nach § 3 Nr. 66 Einkommensteuergesetz als Sanierungsgewinn steuerfrei zu belassen ist.
Die Klägerin hat im Jahre 1981 das Hotel T. in Bad H. übernommen. Infolge des Rückgangs der Belegung sind in den Folgejahren Verluste entstanden. Anfang 1985 leitete die Deutsche Bank das Zwangsversteigerungsverfahren ein, welches auch durchgeführt wurde. Die Verbindlichkeiten aus dem Hotelbetrieb konnten aus dem Versteigerungserlös nicht gedeckt werden. Die Deutsche Bank hat im Jahre 1987 auf ihre Forderungen in Höhe von 716.000 DM gegen Zahlung von 30.000 DM verzichtet. Der Beklagte hat am 15. Juli 1998 die betrieblichen Steuerschulden erlassen. Nach wie vor hat die Klägerin weitere Verbindlichkeiten in Höhe von 750.000 DM.
Gegen die Einkommensteuerfestsetzung 1985 legte die Klägerin Einspruch ein, der mangels Begründung durch Bescheid vom 23. März 1999 zurückgewiesen wurde.
Mit der dagegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, der vom Beklagten angesetzte Veräußerungsgewinn in Höhe von 468.657 DM sei als steuerfreier Sanierungsgewinn nach § 3 Nr. 66 EStG zu qualifizieren. Sie trägt vor, wenn es nicht zu einem Gläubigerverzicht gekommen wäre, sei sie bis an ihr Lebensende auf einen Lebensunterhalt in Höhe des pfändungsfreien Betrages ihres Gehaltes angewiesen gewesen. Dabei hätten zum damaligen Zeitpunkt noch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ihren beiden Kindern bestanden, die sich in Schule und Ausbildung befunden hätten. Vermutlich hätte sie auch später nach der vom Arbeitgeber ausgesprochenen Rationalisierungskündigung ihres Arbeitsplatzes von Sozialhilfe leben müssen. Tatsächlich sei die Klägerin auch für zwei Jahre arbeitslos gewesen und habe Arbeitslosengeld vom Arbeitsamt G. bezogen.
Von Anfang an seien die Verhandlungen mit den beiden Gläubigern, Deutsche Bank und Finanzamt, unter der Maßgabe der "Sanierung" der Klägerin geführt. Im angestrebten und auch erreichten Ziel des Forderungsverzichtes sollte erreicht werden, dass die Klägerin gegen Zahlung eines bestimmten Betrages von ihren Verbindlichkeiten, die aus ihrer Unternehmertätigkeit entstanden seien bzw. mit ihnen zusammenhingen, entpflichtet werde. Mit dem Erlass der Verbindlichkeiten von Deutscher Bank und Finanzamt sei eine steuerfreie unternehmerbezogene Sanierung vorgenommen worden. Die Klägerin hat dazu eine Erklärung der Deutschen Bank vom 30. Oktober 2000 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass durch die Zahlung des vereinbarten Betrages "unsere Forderung" gegen die Klägerin "zur Erledigung" gekommen sei. Hintergrund des geschlossenen Vergleiches sei zum einen gewesen, der Klägerin einen finanziellen Neuanfang zu ermöglichen und zum anderen, die Restforderung nach Zwangsversteigerung des Hotelobjekts durch Vergleich zu erledigen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid für 1985 in der Fassung des Bescheids vom 17. Mai 2001 mit der Maßgabe zuändern, dass die angesetzten Veräußerungsgewinne gemäß § 16 EStG in Höhe von 468.657 DM als steuerfreie Sanierungsgewinne gemäß § 3 Nr. 66 EStG qualifiziert werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Voraussetzungen einer Sanierung im Sinne von § 3 Nr. 66 EStG für nicht gegeben. Die Steuerfreiheit nach dieser Vorschrift setze voraus, dass das Unternehmen sanierungsbedürftig sei, die Schuld oder die Schulden ganz oder teilweise erlassen würden, die Gläubiger in einer Absicht handelten, die geschäftliche und finanzielle Gesundung des Schuldners herbeizuführen und dass der Schuldenerlass geeignet sei, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Die Steuerfreiheit setze voraus, dass sämtliche oben genannten Voraussetzungen erfüllt seien.
Hauptmotiv der Deutschen Bank sei nach erfolgter Zwangsversteigerung der Hotelpension T. die Tatsache, dass die Bank keine Möglichkeit zur Fortführung der Geschäftsbeziehung gesehen habe und sie deshalb bemüht gewesen sei, die Geschäftsbeziehung so glimpflich wie möglich zu beenden. Aus der Sicht der Bank möge die Möglichkeit eines finanziellen Neuanfangs für die Klägerin ein untergeordneter Nebenzweck gewesen sein, der aber wegen der Beendigung der Geschäftsbeziehung keine Rolle mehr gespielt habe.
Im Übrigen fehle es an der Sanierungsbedürftigkeit wie der Sanierungseignung. Ein Unternehmen ist sanierungsbedürftig, wenn es nach objektiven Umständen ohne die Sanierungsmaßnahme nicht möglich gewesen wäre, das Unternehmen auf Dauer nach kaufmännischen Gesichtspunkten rentabel und ertragsfähig fortzuführen. Vorausgesetzt wird also ein bestehendes Unternehmen. Im vorliegenden Fall sei jedoch das Unternehmen der Klägerin im Zeitpunkt des Schuldenerlasses bereits abgewickelt gewesen, denn das Hotel war zwangsversteigert. Die Frage der Sanierungsbedürftigkeit sei dabei unternehmensbezogen, nicht unternehmerbezogen zu beurteilen. Das entspreche der Rechtsprechung des BFH. Zweck des § 3 Nr. 66 EStG sei es nämlich, das leidende Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens insbesondere als Einkunftsquelle des Unternehmers und seiner Arbeitnehmer zu unterhalten.
Der Beklagte hat durch Bescheid vom 17. Mai 2001 antragsgemäß eine Zusammenveranlagung durchgeführt. Dieser Bescheid ist Gegenstand des Verfahrens geworden.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Nach § 3 Nr. 66 EStG sind Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, von der Einkommensteuer befreit. Die Steuerfreiheit setzt voraus, dass das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, dass Schulden ganz oder teilweise erlassen werden, dass die Gläubiger in der Absicht handeln, die geschäftliche und finanzielle Gesundung des Schuldners herbeizuführen und dass der Schuldenerlass geeignet ist, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist das Vorliegen eines steuerfreien Sanierungsgewinnes zu verneinen (BFH-Urteil vom 28. März 2000 VIII R 43/99, BFH/NV 2000, 1330).
Im Streitfall steht außer Frage, dass das Unternehmen Hotelpension T. nicht mehr sanierungsfähig ist, da es zwangsversteigert ist. Die Klägerin begehrt die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns unter dem Gesichtspunkt der unternehmerbezogenen Sanierung.
Ein steuerfreier Sanierungsgewinn unter dem Gesichtspunkt der so genannten unternehmerbezogenen Sanierung scheidet im Streitfall aus. Der BFH hat zwar mehrfach entschieden, dass es für die Sanierungseignung genüge, wenn der Forderungserlass einem Einzelunternehmer oder einem persönlichen Gesellschafter die Möglichkeit bietet, nach Aufgabe des Unternehmens als Angestellter oder in irgend einer anderen Form wirtschaftlich weiter zu bestehen, ohne von den bisherigen Schulden beeinträchtigt zu sein (BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 64/85, BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810). Allerdings hat der BFH in diesen Fällen lediglich das Erfordernis der Sanierungseignung unternehmerbezogen gesehen. Dagegen hat er bei der Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit, das heißt der Existenzbedrohung durch Überschuldung o.ä., auf die Verhältnisse des Unternehmens abgestellt. Eine Sanierungsbedürftigkeit ist im Streitfall nicht mehr gegeben, da das Unternehmen - jedenfalls in der Hand der Klägerin - nicht mehr existiert.
Das gefundene Ergebnis verstößt weder gegen den Zweck des § 3 Nr. 66 EStG noch führt es zu unbilligen Ergebnissen. Die Rechtsprechung hat den Sinn und Zweck der Vorschrift darin gesehen, das Not leidende Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens insbesondere als Einkunftsquelle des Unternehmers und seiner Arbeitnehmer erhalten bleiben soll (BFH-Urteil vom 7. Februar 1985 IV R 177/83, BFHE 143, 531, BStBl II 1985, 504). Darüber hinaus gehend hatte der BFH in Bezug auf die unternehmerbezogene Sanierung ausgeführt, durch die Steuerbefreiung der Sanierung solle der Erlass von Forderungen begünstigt werden, die nicht mehr vollwertig seien, jedoch den Schuldner in seiner Existenz bedrohten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.