Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.06.2013, Az.: 6 K 357/12

Rückstellung von Bonusgutscheinen zur Verrechnung mit Entgelten aus zukünftigen Einkäufen im Ausgabejahr

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
03.06.2013
Aktenzeichen
6 K 357/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 44173
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2013:0603.6K357.12.0A

Fundstellen

  • NWB 2013, 3122
  • NWB direkt 2013, 987
  • RdW 2014, 618-619
  • StX 2013, 695-697
  • StuB 2014, 153

Amtlicher Leitsatz

Gutscheine zur Verrechnung mit Entgelten aus zukünftigen Einkäufen führen weder zu Verbindlichkeiten noch zu Rückstellungen im Ausgabejahr.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Steuerbescheid, der im Anschluss an Feststellungen einer Außenprüfung ergangen ist; streitig ist die bilanzielle Bildung einer Rückstellung für Bonusgutscheine.

2

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Handel mit Textilien und Waren aller Art ist. Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2000 gegründet. Am Stammkapital der Klägerin i.H.v. 25.000 € sind beteiligt A mit einem Geschäftsanteil von 12.500 EUR (entspricht 50 v.H.), B mit einem Geschäftsanteil von 12.400 EUR (entspricht 49,6 v.H.) sowie C mit einem Geschäftsanteil von 100 EUR (entspricht 0,4 v.H.). Als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer war im Streitjahr und ist aktuell A bestellt. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetztes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) unter Berücksichtigung eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres vom 1. Juli bis 30. Juni des Folgejahres.

3

Die Klägerin gab ab dem Kalenderjahr 2002 im Rahmen eines Kundenbindungsprogrammes halbjährlich Bonusgutscheine im Zusammenhang mit der Vergabe von Kundenkarten aus. Die Ermittlung des jeweiligen Gutscheinbetrags basierte auf dem Halbjahreseinkaufsumsatz des jeweiligen Kunden. Die Gutscheinbeträge waren in diesem Zusammenhang mit einer Rabatt-Staffelung von 3 - 7 v.H. verknüpft. Die Gutscheine wurden halbjährlich mit Werbeinformationen per Post an die Kunden versandt und konnten gegen Vorlage bei den nächsten Einkäufen eingelöst werden. Nach dem Inhalt der seit 2003 - 2009 ausgegebenen Gutscheine war eine Barauszahlung der Beträge nicht möglich. Wegen der Inhalte der von der Klägerin ausgegebenen Bonusgutscheine wird auf die in Kopie zu den Akten des Beklagten gelangten Gutscheinexemplare Bezug genommen (Bl. 179 - 181 der Betriebsprüfungsarbeitsakt zu Außendienst-Nr.: 911-09/11).

4

Die Klägerin reichte die Körperschaftsteuererklärung für 2009 am ... 2010 beim Beklagten ein. In dieser hatte sie einen Jahresüberschuss erklärt, zu dessen Ermittlung sie in der Bilanz zum 30. Juni 2009 eine Rückstellung für Bonusgutscheine i.H.v. 354.000 EUR angesetzt hatte. Diesen Betrag hatte die Klägerin mit Hilfe eines Warenwirtschaftsprogrammes wie folgt ermittelt:

5
Offene Bonusgutscheine per 30. Juni 2009
Gutscheine erstellt bis 2005, somit verjährt173.712,31 EUR
Gutscheine erstellt ab 2006496.375,35 EUR
netto417.122,14 EUR
Pauschaler Abschlag von 15 v.H. für nicht
in Anspruch genommene Gutscheine62.568,32 EUR
Differenz354.553,82 EUR
6

Wegen der Einzelheiten der Ermittlung der Rückstellung zum 30. Juni 2009 wird Bezug genommen auf die zu den Akten des Beklagten gelangte Aufstellung der Klägerin (Bl. 175 der Betriebsprüfungsarbeitsakte).

7

Der Beklagte folgte zunächst den Angaben der Klägerin in der Steuererklärung und erließ am ... 2010 einen Bescheid für 2009 über Körperschaftsteuer. Der Bescheid erging unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

8

In der Zeit vom 31. März 2011 bis 8. Juni 2011 führte das Finanzamt D bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die die Jahre 2006 bis 2009 umfasste. Im Rahmen dieser Außenprüfung überprüfte der mit der Prüfung beauftragte Betriebsprüfer unter anderem den bilanziellen Ansatz der Rückstellung für Bonusgutscheine. Er gelangte zu der Ansicht, dass der Ansatz der Rückstellung mangels rechtlicher Entstehung und wirtschaftlicher Verursachung vor dem Bilanzstichtag nicht zulässig sei. Er nahm insoweit Bezug auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 24. August 2009 (9 K 547/05, [...]), welches zu Dienstleistungsgutscheinen eines Friseursalons ergangen war.

9

Wegen der Einzelheiten der Feststellung wird auf Tz. 16 des Berichts über die Außenprüfung vom 10. Oktober 2011 Bezug genommen (Bl. 56 ff. der Berichtsakte; Bl. 418 ff. der Betriebsprüfungsarbeitsakte).

10

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ am ... 2011 einen geänderten Bescheid für 2009 über Körperschaftsteuer; die Bescheidänderung stützte der Beklage auf § 164 Abs. 2 der AO.

11

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin form- und fristgerecht Einspruch ein. Sie wandte sich gegen die Nichtberücksichtigung der Rückstellung und begehrte nunmehr den Ansatz einer Rückstellung für Bonusgutscheine i.H.v. 291.500 EUR (entspricht 70 v.H. des Nettobetrags der am 30. Juni 2009 noch offenen, nicht verjährten Bonusgutscheine). Zur Begründung äußerte sie die Ansicht, das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 24. August 2009 (9 K 547/05, a.a.O.) sei nicht einschlägig. Bei der Klägerin sei eine wesentlich stärkere Kundenbindung festzustellen als bei einem Friseursalon. Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Verpflichtung im Altjahr und Einlösung der Gutscheine im nächsten Jahr sei im Streitfall erheblich stärker. Auch ein Erwerber des Gesamtbetriebs würde mit Sicherheit die gewährten Bonusgutscheine im Rahmen der Bemessung eines Gesamtkaufpreises berücksichtigen. Wirtschaftlich seien die Bonusgutscheine somit dem Entstehungsjahr und nicht dem Jahr der Inanspruchnahme zuzuordnen. Im Rahmen der Außenprüfung hätte man sich zwischenzeitlich auf einen Abschlag für Nichteinlösung von Gutscheinen i.H.v. 30 v.H. verständigt.

12

Der Geschäftsführer der Klägerin habe Ende Oktober 2011 seine Kunden angeschrieben, auf alte Bonusgutscheine verwiesen und auch eine Barauszahlung für Gutscheine der letzten Jahre, wahrscheinlich ab 2003, als Option dem Kunden ermöglicht. Im Oktober seien die Bonusgutscheine für das erste Halbjahr 2011 ausgegeben worden, auf denen erstmals der Hinweis enthalten sei, dass die Gutscheine auch bar ausgezahlt werden könnten. Ergänzend legte die Klägerin eine Kopie eines Gutscheins für das erste Halbjahr 2011 vor (Bl. 7 des Rechtsbehelfshefters des Beklagten).

13

Der Einspruch hatte keinen Erfolg; der Beklagte wies diesen durch Einspruchsbescheid vom ... 2012 als unbegründet zurück. Zu diesem Zeitpunkt waren die vorbehaltslosen Festsetzungen der Jahre 2006 bis 2008 bestandskräftig geworden. Im Rahmen der Begründung blieb der Beklagte bei seiner Ansicht, der Ansatz einer Rückstellung für die Bonusgutscheine komme nicht in Betracht. Die Verpflichtung, aus dem Bonusgutscheine einen Preisabschlag zu gewähren, entstehe rechtlich erst, wenn sich auch der Gutscheininhaber zur Abnahme einer weiteren Leistung verpflichte. Im Jahr der Gutscheinausgabe sei die Verpflichtung zu einem Preisabschlag noch nicht wirtschaftlich verursacht. Die Gewährung des Preisabschlags sei mit einem weiteren Kauf von Waren verknüpft gewesen. Die Grundsätze aus dem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 24. August 2009 (9 K 547/05, a.a.O.) seien auf den Streitfall übertragbar. Eine stärkere Kundenbindung als bei einem Friseursalon sei weder feststellbar noch streiterheblich. Dass die Klägerin im Jahr 2011 Bonusgutscheine mit der Option auf Barauszahlung ausgegeben habe bzw. eine Option für ältere Bonusgutscheine den Kunden ermöglicht habe, sei für die Beurteilung des Sachverhalts im Jahre 2009 nicht relevant.

14

Hiergegen hat die Klägerin am ... 2012 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Verwaltungsvorverfahren. Ergänzend nimmt sie zu dem inzwischen ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. September 2012 (IV R 45/09, BStBl II 2013, 123) Stellung. Sie ist der Ansicht, dass dieses Urteil auf den Streitfall nicht anwendbar sei. Hinsichtlich der Gutscheine der Klägerin sei in diesen zwar bis 2010 darauf verwiesen worden, dass keine Barauszahlung möglich sei, "sie wäre aber auf Verlangen des Kunden erfolgt". Entgegen des Vorbringens im Einspruchsverfahren und in der Klageschrift stellt die Klägerin dar, dass ein Anschreiben der Kunden durch den Geschäftsführer der Klägerin mit Hinweis auf die Bareinlösung alter Gutscheine im Jahr 2011 nicht erfolgt ist.

15

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

16

den Bescheid für 2009 über Körperschaftsteuer vom ... 2011 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom ... 2012 mit der Maßgabe zu ändern, dass der Ansatz einer Rückstellung für Bonusgutscheine zum 30. Juni 2009 i.H.v. 291.500 EUR steuerlich berücksichtigt wird.

17

Der Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Er hält an seiner dem Einspruchsbescheid zugrunde liegenden Rechtsauffassung fest und verweist insoweit auf die dortigen Ausführungen. Ergänzend nimmt er Bezug auf das Urteil des BFH vom 19. September 2012 (IV R 45/09, a.a.O.).

20

Durch Beschluss des Senats vom 4. April 2013 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden (§ 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO; Schriftsatz der Klägerin vom 24. Mai 2013, Blatt 55 der Gerichtsakte; Schriftsatz des Beklagten vom 21. Mai 2013, Blatt 54 der Gerichtsakte).

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist unbegründet.

22

Der angefochtene Bescheid für 2009 über Körperschaftsteuer vom 10. November 2011 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 30. August 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte ist zutreffend ausgegangen, dass im Zusammenhang mit den von der Klägerin ausgegebenen Bonusgutscheinen zum 30. Juni 2009 weder eine Verbindlichkeit noch eine Rückstellung auszuweisen ist.

23

1. Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin als GmbH zur Ermittlung des Einkommens in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die "handelsrechtlichen" GoB ergeben sich vornehmlich aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB).

24

a) Der Beklagte hat zu Recht die von der Klägerin gebildete Rückstellung für die Verpflichtung aus ausgegebenen Bonusgutscheinen zum 30. Juni 2009 nicht anerkannt.

25

aa) Nach § 240 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1 HGB hat der Kaufmann zu Beginn seines Handelsgewerbes und in der Bilanz für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres u.a. seine Verbindlichkeiten (Schulden) vollständig auszuweisen. Eine Verbindlichkeit verkörpert eine dem Inhalt und der Höhe nach bestimmte Leistungspflicht, die erzwingbar ist und zudem eine wirtschaftliche Belastung darstellt (BFH-Urteile vom 6. April 2000 IV R 31/99, BFH/NV 2000, 1161; vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BStBl II 2004, 126 [BFH 18.12.2003 - I R 17/02]). Ist eine bestehende Verbindlichkeit der Höhe nach ungewiss, ist sie unter den Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten i.S. des § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB auszuweisen (BFH-Urteil vom 20. Oktober 2004 I R 11/03, BStBl II 2005, 581).

26

bb) Verbindlichkeiten hatte die Klägerin wegen der Ausgabe der Gutscheine nicht auszuweisen, weil die darauf beruhenden Verpflichtungen im jeweiligen Ausgabejahr dem Grunde nach ungewiss waren (vgl. BFH-Urteile vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BStBl II 1989, 359; vom 17. Dezember 1998 IV R 21/97, BStBl II 2000, 116). Denn die Belastung der Klägerin hing davon ab, ob die Inhaber der Gutscheine in der Zeit nach dem Bilanzstichtag weitere Einkäufe unter Vorlage der Bonusgutscheine tätigen würden. Eine isolierte Einlösung der Gutscheine war nach dem Inhalt der Gutscheine und der Kenntnis der Kunden nicht möglich, weder durch Barauszahlung noch durch Eintausch gegen eine Sachleistung. Darin unterscheidet sich der vorliegende Streitfall von dem Urteilsfall des BFH vom 22. November 1988 (VIII R 62/85, a.a.O.), in dem der BFH bei der Ausgabe von Gutmünzen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gewisse Verbindlichkeiten angenommen hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, eine Barauszahlung "wäre aber auf Verlangen des Kunden erfolgt". Denn insoweit hätte es sich um eine Kulanzleistung der Klägerin gehandelt, die erst nach dem Bilanzstichtag 30. Juni 2009 entstanden wäre. Ein Anspruch der Kunden auf Barauszahlung der Gutscheine und damit eine rechtliche Verpflichtung der Klägerin auf Barauszahlung bestand zum Bilanzstichtag 30. Juni 2009 nicht.

27

Vorliegend war im Ausgabejahr der Gutscheine noch ungewiss, ob und in welcher Höhe der jeweilige Kunde in der Folgezeit die Gutscheine im Rahmen eines weiteren Einkaufs einlösen würde.

28

cc) Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten waren wegen der Gutscheine nicht zu bilden.

29

(1) Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach, deren Höhe zudem ungewiss sein kann (u.a. BFH-Urteil vom 8. September 2011 IV R 5/09, BStBl II 2012, 122). Der Schuldner muss ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen, und die Geltendmachung der Verpflichtung muss nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag wahrscheinlich sein (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 17. Februar 1993 X R 60/89, BStBl II 1993, 437; vom 30. April 1998 III R 40/95, BFH/NV 1998, 1217, m.w.N.; vom 17. Dezember 1998 IV R 21/97, BStBl II 2000, 116, unter 3. d bb der Gründe, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen (BFH-Urteil vom 30. Januar 2002 I R 68/00, BStBl II 2002, 688).

30

Schließlich muss die ungewisse Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht sein, wobei in der Rechtsprechung des BFH nicht abschließend geklärt ist, ob das Erfordernis der wirtschaftlichen Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag auch für rechtlich entstandene und nur der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten gilt (BFH-Urteil vom 19. September 2012 IV R 45/09, BStBl II 2013, 123).

31

(2) Die Klägerin durfte wegen der Gutscheine keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden, weil die darauf beruhenden Verbindlichkeiten im Ausgabejahr weder rechtlich entstanden und nur der Höhe nach ungewiss noch wirtschaftlich verursacht waren. Denn sie beinhalteten einen Preisnachlass nicht für bereits bezogene, sondern für künftige Leistungen der Klägerin.

32

(a) Der Anspruch aus den Gutscheinen war rechtlich unselbstständig. Denn er knüpfte zwingend an die Inanspruchnahme einer Leistung in den Folgejahren an und setzte die Entstehung eines Zahlungsanspruchs der Klägerin voraus. Diese Voraussetzungen waren zum Bilanzstichtag 30. Juni 2009 noch nicht erfüllt. Das Entstehen der entsprechenden Verbindlichkeit war dem Grunde nach ungewiss (s. oben). Der Tatbestand, an den die Leistungspflicht - die Verrechnung des im Gutschein ausgewiesenen Betrages - geknüpft war, war damit im Ausgabejahr noch nicht verwirklicht; die Verpflichtung war daher in dem für die Bilanzierung maßgeblichen Sinne rechtlich noch nicht entstanden (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2010 I R 103/08, BStBl II 2010, 614, unter II.2.c aa der Gründe). Die Bildung einer Rückstellung wegen einer rechtlich bereits entstandenen, der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit kam daher nicht in Betracht.

33

(b) Die mit den Gutscheinen versprochene Verrechnung mit künftigen Zahlungsansprüchen der Klägerin wurde nicht bereits durch das Versprechen im Ausgabezeitpunkt, sondern erst durch den Einkauf in den Folgejahren wirtschaftlich verursacht. Denn sie bezog sich (nur) auf das Entgelt für die künftige Leistung der Klägerin. Der Anspruch auf Preisermäßigung bzw. Verrechnung kann wirtschaftlich aber nicht schon früher verursacht sein als das Geschäft, auf das er sich bezieht. Insofern unterscheidet sich der Streitfall auch von dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 4. Dezember 1959 (III 317/59 S, BStBl III 1960, 80) zu Grunde liegt. Denn die Ausgabe der Rabattmarken im damaligen Urteilsfall betraf die Gewährung eines Nachlasses auf schon getätigte Einkäufe; dem entsprechend war der Rabattbetrag mit dem Erreichen des Mindesteinkaufs auszuzahlen. Ein solcher Anspruch wurde den Kunden im Streitfall nicht eingeräumt.

34

(c) Der Umstand, dass die Klägerin Gutscheine nur an solche Kunden ausgab, die zuvor eine Leistung in Anspruch genommen hatten, rechtfertigt es nicht, die erst für eine künftige Leistung versprochene Preisminderung bzw. Verrechnung wirtschaftlich schon der früheren, voll bezahlten Leistung zuzuordnen. Denn die in der Folgezeit entstehende Verpflichtung zur Bezahlung eines Entgelts und - daran anknüpfend - die Preisminderung bzw. Verrechnung setzte voraus, dass eine weitere Leistung in Anspruch genommen und der Gutschein vorgelegt wurde. Insofern verhält es sich ähnlich wie in dem vom BFH mit Urteil vom 6. Dezember 1978 (I R 35/78, BStBl II 1979, 262) entschiedenen Fall, wonach der Anspruch auf verbilligten Nachbezug von Rohstoffen nicht wirtschaftlich verursacht ist, solange die Berechtigung und der Abschluss eines neuen Vertrages nicht nachgewiesen waren.

35

b) Eine Berücksichtigung der streitigen Beträge als passive Rechnungsabgrenzungsposten kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 19. September 2012 IV R 45/09, a.a.O.). Nach § 250 Abs. 2 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sind auf der Passivseite als Rechnungsabgrenzungsposten Einnahmen vor dem Abschlussstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Diese Voraussetzungen sind im Jahr der Gutscheinausgabe nicht erfüllt. Die Kunden haben den "normalen" Preis für die in Anspruch genommenen Leistungen bezahlt. Sie erhielten die Gutscheine von der Klägerin als Zugabe. Das entsprach auch dem Verständnis der Klägerin, die die Gutscheine als Dankeschön für die Treue der Kunden ausgegeben hat. Damit lässt sich nicht vereinbaren, einen Teil des Entgelts für die im Ausgabejahr bezogene Leistung dem Gutschein bzw. einer im begünstigten Zeitraum des Folgezeitraums in Anspruch genommenen Leistung zuzuordnen.

36

c) Der Beklagte war auch berechtigt, den Bescheid für 2009 über Körperschaftsteuer vom 5. August 2010 nach § 164 Abs. 2 AO zu ändern. Die Körperschaftsteuerfestsetzung für 2009 war durch diesen Bescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt, so dass mit Bescheid vom 10. November 2011 eine Änderung der Festsetzung nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen konnte.

37

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.