Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.06.2013, Az.: 6 KO 7/13

Bemessung des Streitwerts bei einer Klage gegen die Ablehnung der Wiederbestellung als Steuerberater

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
12.06.2013
Aktenzeichen
6 KO 7/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 44172
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2013:0612.6KO7.13.0A

Amtlicher Leitsatz

Bei einer Klage gegen die Ablehnung der Wiederbestellung als Steuerberater ist der Streitwert mit 25.000 zu bemessen, wenn neben dem Erhalt der aus der steuerberatenden Tätigkeit resultierenden Vorteile nicht auch der Erhalt des Wertes der für den Aufbau einer Steuerberaterpraxis getätigten Aufwendungen im Vordergrund des Interesses steht.

Tenor:

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Erinnerungsführer. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

1

(Überlassen von Datev)

I.

2

Der Erinnerungsführer erhob am 13. August 2012 Klage gegen den Bescheid über die Ablehnung der Wiederbestellung als Steuerberater.

3

Die Erinnerungsgegnerin und Beklagte vertrat seinerzeit die Ansicht, der Erinnerungsführer lebe nicht in wirtschaftlich geordneten Verhältnissen (§§ 48 Abs. 2, 40 Abs. 2 Nr. 1 StBerG).

4

Nachdem die Erinnerungsgegnerin und Beklagte den Bescheid über die Ablehnung der Wiederbestellung als Steuerberater aufgehoben und die Wiederbestellung des Erinnerungsführers zugesagt hatte, erklärten die Beteiligte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und der Berichterstatter legte die Kosten des Verfahrens mit Beschluss vom 30. November 2012 der Beklagten auf.

5

Der Erinnerungsführer beantragten, die ihm zu erstattenden Kosten gegen die Erinnerungsgegnerin unter Berücksichtigung eines Streitwerts i.H.v. 50.000 € und einer Terminsgebühr, mithin i.H.v. 3.513,83 € festzusetzen.

6

Der Urkundsbeamte des Finanzgerichts setzte mit Beschluss vom 19. April 2013 die zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung eines Streitwerts i.H.v. 25.000 € und ohne Berücksichtigung einer Terminsgebühr auf 1.334,70 € fest.

7

In der Begründung führte der Urkundsbeamte des Finanzgerichts unter Hinweis auf Beschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) aus (BFH, Beschluss vom 15. Mai 2006 VII E 15/05, BFH/NV 2006, 1678; vom 27. Oktober 2005 VII E 9/05, BFH/NV 2006, 344), dass bei Rechtsstreiten betreffend den Widerruf der Bestellung bzw. die Wiederbestellung eines Steuerberaters der Streitwert grundsätzlich pauschal mit 50.000 € zu bemessen sei.

8

Stehe jedoch - wie im Streitfall - aufgrund besonderer Umstände lediglich der Erhalt der aus der steuerberatenden Tätigkeit resultierenden Vorteile und nicht auch der Erhalt des Wertes der für den Aufbau einer Steuerberaterpraxis getätigten Aufwendungen im Vordergrund des Interesses des Steuerberaters, sei der Regelstreitwert nur mit 25.000 € anzusetzen.

9

Die Terminsgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 3202 VV RVG sei nicht verdient worden, weil eine mündliche Verhandlung vor dem Senat nicht stattgefunden habe. Auch habe der Senat weder durch Urteil ohne mündliche Verhandlung noch durch als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid entschieden.

10

Am 30. April 2013 hat der Erinnerungsführer Erinnerung nach § 149 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss erhoben. Zur Begründung führt er aus, er sei über einen Zeitraum von acht Monaten gehindert gewesen, einen Arbeitsvertrag als wiederbestellter Steuerberater abzuschließen. Sein Gehalt habe statt möglicher 13 Monatsgehälter zu 7.000 € lediglich 12 Monatsgehälter zu 2.700 € betragen. Sein wirtschaftliches Interesse und damit der Streitwert betrügen demnach die Gehaltsdifferenz i.H.v. 38.700 €.

11

Da die Entscheidung im Klageverfahren durch Gerichtsbescheid nach § 90 a FGO ergangen sei, sei die Terminsgebühr verdient.

12

Die Erinnerungsführerin beantragt,

13

den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. April 2013 zu ändern und die zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung eines Streitwerts i.H.v. 38.700 € und einer Terminsgebühr festzusetzen.

14

Die Erinnerungsgegnerin beantragt,

15

die Erinnerung zurückzuweisen.

16

Sie bezweifelt, dass die rechnerische Gehaltsdifferenz mehr als 25.000 € betrage. Außerdem weist sie darauf hin, dass ein Gerichtsbescheid nicht ergangen ist.

17

Der Urkundsbeamte des Finanzgerichts hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Entscheidungsgründe

II.

18

Die Erinnerung ist unbegründet.

19

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. April 2013 ist rechtmäßig. Der Urkundsbeamte des Finanzgerichts hat zutreffend die zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung eines Streitwerts von 25.000 € und ohne Berücksichtigung einer Terminsgebühr auf 1.334,70 € festgesetzt.

20

a) In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen und die Gebühren danach zu bemessen (§ 3 Abs. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes). Diese richtet sich u.a. nach den wahrscheinlichen Einkommenseinbußen, die der durch einen Widerruf der Bestellung als Steuerberater Betroffene erleidet (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Februar 2000 VII E 2/00, BFH/NV 2000, 975). Eigene Ermittlungen zu den Einkünften des Kostenschuldners muss das Gericht jedoch nicht durchführen. Denn es würde den Rahmen des summarischen, vom Ermessen geprägten Verfahrens zur Bestimmung des Streitwerts sprengen, wenn hierzu genaue Feststellungen zu treffen wären. Deshalb ist insoweit eine grobe Schätzung zulässig, die sich auch daran zu orientieren hat, dass eine möglichst gleichmäßige Behandlung aller Betroffenen gewährleistet wird und auch das Kostenrisiko überschaubar bleibt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. August 1991 VII S 26/91, BFH/NV 1992, 405 und vom 7. November 1995 VII S 10/95, BFH/NV 1996, 350).

21

aa) In der Vergangenheit hatte der BFH in Fällen, in denen es um den Widerruf oder um die Rücknahme der Bestellung als Steuerberater ging, den Wert der Streitsache pauschal mit 50.000 DM angesetzt (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Februar 2000 VII E 2/00, a.a.O.). Mit Beschlüssen vom 18. November 2003 VII B 79/02 (BFH/NV 2004, 361), vom 4. Dezember 2003 VII B 12/03 und vom 15. März 2004 VII B 66/03 (beide nicht veröffentlicht) hat der BFH jedoch entschieden, dass bei Fehlen von konkreteren und besser geeigneten Anhaltspunkten, von einem Streitwert von 50.000 € auszugehen sei. Die Anhebung des Regelstreitwerts beim Widerruf einer Bestellung als Steuerberater hat der BFH damit begründet, dass es bei dem Widerruf der Bestellung als Steuerberater über die Möglichkeit hinaus, sich die Vorteile einer wirtschaftlichen Betätigung als Steuerberater zu erschließen, in der Regel auch um den Erhalt des Wertes der für den Aufbau einer Steuerberaterpraxis getätigten Aufwendungen gehe.

22

Steht aber aufgrund besonderer Umstände im Vordergrund des Interesses des Steuerberaters lediglich der Erhalt der aus der steuerberatenden Tätigkeit resultierenden Vorteile und nicht auch der Erhalt des Wertes der für den Aufbau einer Steuerberaterpraxis getätigten Aufwendungen, ist der Regelstreitwert nur mit 25.000 € anzusetzen (BFH-Beschluss vom 15. Mai 2006 VII E 15/05, a.a.O.).

23

bb) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, ist der Streitwert mit 25.000 € zu bestimmen.

24

Nach den Angaben des Erinnerungsführers ging es ihm in dem Rechtsstreit ausschließlich darum, einen für die Ausübung des Berufes notwendigen Arbeitsvertrag als angestellter Steuerberater vereinbaren zu können. Damit stand im Interesse des Erinnerungsführers nicht auch der Erhalt des Wertes der für den Aufbau einer Steuerberaterpraxis getätigten Aufwendungen. Im Übrigen sieht der erkennende Senat auch eine mögliche Gehaltsdifferenz mit dem Streitwert als pauschalierten Wert angemessen berücksichtigt. Denn der Streitwert von 25.000 € würde eine monatliche Differenz von 3.000 € über einen Zeitraum von acht Monaten abdecken. Dass die Differenz darüber liegt, hat der Erinnerungsführer lediglich behauptet. Eigene Ermittlungen muss das Gericht insoweit nicht durchführen.

25

Der Streitwert war daher - auch vor dem Hintergrund einer möglichst gleichmäßigen Behandlung aller Betroffenen - auf 25,000 € zu ermäßigen.

26

b) Die Terminsgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 3202 VV RVG wurde nicht verdient, weil eine mündliche Verhandlung vor dem Senat nicht stattgefunden hat.

27

aa) Nach VV Nr. 3202 Abs. 1 RVG, VV Nr. 3104 Abs. 1 RVG ist Voraussetzung für die Entstehung einer Terminsgebühr auch im finanzgerichtlichen Verfahren, dass in dem betreffenden Verfahren grundsätzlich die mündliche Verhandlung vorgeschrieben und nicht nur freigestellt ist (vgl. RVG Baumgärtel VV RVG Nr. 3104 Anm. 2). Weil sowohl § 128 Abs. 1 Zivilprozessordnung als auch § 90 Abs. 1 FGO die Entscheidung nach mündlicher Verhandlung als Regelfall vorsehen, setzt die Entstehung der Terminsgebühr, die an die Stelle der bisherigen Verhandlungs- Erörterungs- und Beweisgebühr getreten ist (RVG Baumgärtel VV RVG Vorbemerkung 3 Anm. 9), dem Regelfall entsprechend zunächst ein Verfahren voraus, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorsieht. Als Ausnahme zu dieser Regel ist für das finanzgerichtliche Verfahren in W Nr. 3202 Abs. 2 RVG ausdrücklich geregelt, dass die Gebühr abweichend hiervon ebenfalls entsteht, wenn die Entscheidung nach §§ 79a Abs. 2, 90a oder 94 a FGO ergeht, d.h. ausnahmsweise im Hauptverfahren ohne mündliche Verhandlung erfolgt.

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bb) Die Terminsgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 3202 VV RVG wurde nicht verdient, weil eine mündliche Verhandlung vor dem Senat nicht stattgefunden hat. Auch hat der Senat weder durch Urteil ohne mündliche Verhandlung noch durch als Urteil wirkenden Gerichtsbescheid entschieden.

29

Entgegen der Ansicht des Erinnerungsführers ist das Verfahren nicht durch Gerichtsbescheid nach § 90 a FGO entscheiden worden, sondern die Rechtshängigkeit der Klage ist durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen weggefallen. Der Berichterstatter hat im Anschluss daran lediglich gemäß § 138 FGO über die Kostentragung entschieden.

30

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.