Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 16.09.2002, Az.: 6 A 41/01
Gefahr; Gefährlichkeit; Schulweg; Schülerbeförderung; Straftaten; Verkehr; Zumutbarkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 16.09.2002
- Aktenzeichen
- 6 A 41/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43606
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 114 Abs 1 SchulG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Gefährlichkeit eines Schulwegs entlang einer Bundesstraße im Hinblick auf verkehrliche Gefährdungen und kriminelle Übergriffe.
Tenor:
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils derselben Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.168,14 EUR (16.000,-- DM) festgesetzt.
Tatbestand:
Die Kläger wohnen außerhalb des Ortskerns von D. in der an der Bundesstraße 214 (B 214) gelegenen Wohnsiedlung „R.str.“. Der Kläger zu 1) ist zwölf Jahre (geb. am 04.09.1990) und die Klägerin zu 2) vierzehn Jahre (geb. am 04.06.1988) alt. Beide besuchten im Schuljahr 2000/01 die Orientierungsstufe in Gr. S.. Die Klägerin zu 2) hat inzwischen die Orientierungsstufe verlassen und ist auf eine weiterführende Schule übergangen. Morgens wurden die Kläger vom Schulbus an der ÖPNV-Haltestelle an der R.str. abgeholt. Mittags hält der Schulbus hingegen nur an der etwa 700 bis 800 m von der R.str. entfernt gelegenen Haltestelle an der Kreisstraße 49 (K 49). Die Haltestelle an der K 49 ist knapp 100 m von der Einmündung auf die B 214 entfernt. An der B 214 führt ein nicht beleuchteter Fuß- und Radweg entlang, der durch einen im Abstand von 8 bis 10 m mit Bäumen bepflanzten 6 bis 7 m breiten Grünstreifen von der Fahrbahn getrennt ist. Nach einer Strecke von etwa 100 m an der B 214 befindet sich auf einer Länge von 200 bis 300 m eine Randbebauung mit einzelnen bewohnten Häusern auf beiden Straßenseiten. Danach folgt ein Baum- und Buschbestand auf einer Länge von 200 bis 300 m bis zur Einmündung eines Feldweges, der zur Haltestelle an der R.str. führt.
Die Eltern der Kläger halten den von den Schülern entlang der B 214 zu bewältigenden Fußweg für zu gefährlich und beantragten mit Anwaltschriftsatz vom 14. August 2000, auch für den Rücktransport von der Schule die Haltestelle in der R.str. anzufahren oder zumindest an der B 214 vor der R.str. eine Haltestelle einzurichten. Am 28. September 2000 wurde von Seiten des Beklagten vor Ort in der Zeit von etwa 13.20 Uhr bis 14.30 Uhr die Schulwegsituation überprüft. In einem darüber gefertigten Vermerk wurde festgehalten, dass von einer einsamen Lage nicht die Rede sein könne. Hilfe sei an jeder Stelle des Schulweges in einer Entfernung von 200 m erreichbar. Durch die stark befahrene Bundesstraße könne auch jederzeit die Hilfestellung von Autofahrern unterstellt werden. Einer Stellungnahme des Verkehrssicherheitsbeauftragten der Polizeiinspektion Gifhorn vom 28. September 2000 zufolge seien die Gefahren des Straßenverkehrs auf dem Schulweg relativ gering, weil zwischen dem Geh- und Radweg und der Straße ein breiter Sicherheitsstreifen vorhanden sei. Außerdem müsse die Fahrbahn der B 214 nicht überquert werden. Die Gefahr für Kinder, Opfer einer kriminellen Handlung zu werden, schätze der Verkehrssicherheitsbeauftragte ebenfalls als gering ein, weil es sich nicht um einen einsamen Weg, sondern um einen Geh- und Radweg entlang einer vielbefahrenen Bundesstraße handele, auf der täglich mehr als 6.000 Fahrzeuge führen. Die gesamte Strecke sei schnurgerade und gut einsehbar, so dass der Schulweg am Tage für zumutbar gehalten werde.
Mit Bescheid vom 05. Oktober 2000 lehnte der Beklagte den Antrag ab und verwies auf das Ergebnis der Ortsbesichtigung und die Einschätzung des Verkehrssicherheitsbeauftragten der Polizei. Außerdem komme eine Verkehrsregelung, die das Abbiegen von und das Wiederauffahren auf die B 214 oder das Einrichten einer Haltestelle direkt an der B 214 vorsehe, wegen der hohen Unfallgefahr nicht in Betracht.
Hiergegen erhoben die Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass in Anbetracht der von der Polizei aufgezeichneten Unfallhäufigkeit im Bereich der Einmündung der R.str. in die B 214 die Einschätzung des Beklagten, für Fußgänger und Radfahrer sei die Unfallgefahr gering, nicht geteilt werde. Auch die Gefahr von Gewaltverbrechen sei auf dem fraglichen Straßenabschnitt besonders hoch. Die vereinzelt vorhandenen Häuser lägen weit zurückversetzt. Die Bebauung sei auch nicht dicht. Hilfe von vorüberfahrenden Fahrzeugen sei nicht zu erwarten. Die Straße sei nicht beleuchtet, und im Winter stelle auch die Glatteisbildung eine besondere Gefahrenlage für die Schüler dar.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2001 wies der Beklagte den Rechtsbehelf als unbegründet zurück.
Bereits am 22. November 2000 hatten die Kläger beim Verwaltungsgericht um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Dieses Begehren blieb sowohl vor dem Verwaltungsgericht (Beschl. vom 05.01.2001, 6 B 548/00) als auch im Verfahren auf eine Zulassung der Beschwerde gegen diese Entscheidung vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Beschl. vom 15.02.2001, 13 MA 575/01) erfolglos.
Am 28. Februar 2001 haben die Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Zur Begründung der Klage tragen sie vor:
Von entscheidendem Gewicht für die Frage der Sicherheit des Schulwegs und der Notwendigkeit, eine Schülerbeförderung auch mittags zur R.str. durchzuführen, sei der seitlich entlang dem Gehweg verlaufende Randbewuchs. Durch das Laub verdichte sich das Gehölz in den Sommermonaten zu einer undurchsichtigen Begrenzung. Ein Gewalttäter wäre hierdurch leicht in der Lage, sich in oder hinter dem Buschwerk zu verbergen, längerfristige Beobachtungen durchzuführen und ein Schulkind dorthin zu locken oder zu verschleppen. Der Fußweg werde von anderen Fußgängern gerade in der Mittagszeit nur wenig genutzt. Autofahrer könnten diesen Bereich nicht einsehen. Die Wohnhäuser lägen zu weit hiervon entfernt. Die Gefahr von Sexualdelikten sei allgegenwärtig, wie aus den Medien bekannt sei. Es sei nicht einzusehen, dass die Haltestelle an der R.str. nicht auch mittags angefahren werden könne, wie dies am Morgen jeweils der Fall sei. Die Gefahr, die nach der Darstellung des Beklagten für den Bus beim Ein- und Abfahren zur und von der B 214 entstehe, sei mittags wegen des abnehmenden Verkehrsaufkommens eher geringer als morgens. Hervorzuheben sei schließlich, dass sich am 16. Mai 2002 im Bereich der von ihnen zurückzulegenden Fußwegstrecke ein tödlicher Verkehrsunfall ereignet habe. Zu einem weiteren tödlichen Unfall auf der B 214 sei es am Pfingstwochenende gekommen. Diese Unfallhäufigkeit sei ein Indiz dafür, dass der Straßenverkehr eine besondere Gefahr für die Kinder darstelle und der Grünstreifen keinen hinreichenden Schutz biete. Eine Leitplanke oder ein Straßengraben seien zwischen der Fahrbahn und dem Gehweg nicht vorhanden.
Der Kläger zu 1) beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheids dieser Behörde vom 30. Januar 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, im Rahmen der Schülerbeförderung von D. zur Orientierungsstufe in Gr. S. mit dem Schulbus auch mittags die Haltestelle an der R.str. oder eine nahe gelegene Haltestelle anzufahren, um ihn dort aussteigen zu lassen.
Die Klägerin zu 2) beantragt,
festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 5. Oktober 2000 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2001 rechtswidrig sei.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er entgegnet:
Der an dem fraglichen Straßenabschnitt vorhandene Randbewuchs sei nur auf einer Länge von ca. 200 m etwas dichter. Es handele sich dabei aber nicht um einen Bewuchs von größerer Ausdehnung oder um einen Wald. Dahinter befänden sich Felder. Die vereinzelt vorhandene Bebauung in diesem Bereich reiche aus, um im Gefahrenfall einem Kind die Möglichkeit zu geben, sich dorthin zu wenden. Auch die zahlreichen Autofahrer auf der B 214 stellten einen erheblichen Sicherheitsfaktor dar. Das morgendliche Anfahren der Haltestelle an der R.str. wegen der dann möglicherweise bestehenden Dunkelheit beruhe auf einem Entgegenkommen der Behörde. Ein jegliches Risiko, Opfer von Gewalttaten zu werden, sei an keinem Ort auszuschließen. Eine über das normale Maß hinausgehende Gefährdungslage sei nicht gegeben, wie auch der Verkehrssicherheitsbeauftragte der Polizei bestätigt habe. An den Unfällen auf der B 214 seien Schulkinder nicht beteiligt gewesen. Allein die Unfallhäufigkeit auf der Straße sei kein Indiz für eine besondere Gefährdung von Kindern auf dem Schulweg. Die Kinder seien durch den Grünstreifen ausreichend geschützt und müssten die Fahrbahn der Bundesstraße nicht überqueren. Es handele sich um einen Schulweg, dessen Beschaffenheit vielen anderen Orten im Kreisgebiet gleiche. Dass vorübergehend auch mittags die Haltestelle an der R.str. angefahren worden sei, beruhe darauf, dass wegen einer Baustelle die Haltestelle an der K 49 nicht zu benutzen gewesen sei.
Das Gericht hat aufgrund eines Beschlusses vom 12. März 2002 Beweis erhoben über die Beschaffenheit der Wegstrecke entlang der Bundesstraße 214 in der Gemarkung D. zwischen der Bushaltestelle an der Kreisstraße 49 und der Einmündung der R.str. durch eine Ortsbesichtigung. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 23. April 2002 verwiesen.
Ein Vorschlag der Kläger, auf ihre Kosten die Verkehrsgesellschaft des Landkreises Gifhorn zu veranlassen, die Haltestelle an der R.str. bei der Rückfahrt von der OS Gr. S. täglich zweimal anzufahren, wurde von dem Beklagten unter Hinweis auf die sich dadurch für andere Fahrgäste verlängernde Fahrzeit abgelehnt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Hefter) Bezug genommen. Dem Gericht hat außerdem die Verfahrensakte 6 B 548/00 zur Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne eine mündliche Verhandlung und durch den Vorsitzenden als Einzelrichter entschieden werden kann (§ 6 Abs. 1 VwGO), ist zulässig.
Die Klägerin zu 2), die seit dem Ende des Schuljahres 2000/01 die Orientierungsstufe Gr. S. nicht mehr besucht, ist folgerichtig von der Verpflichtungsklage zu einem (Fortsetzungs-)Feststellungsbegehren übergegangen. Im Hinblick darauf, dass die Geschwister der Kläger künftig ebenfalls die schulischen Einrichtungen in Gr. S. besuchen werden, besteht ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Feststellung, ob die angefochtenen Bescheide des Beklagten rechtswidrig sind. Die Klage ist jedoch - auch mit dem geänderten Klagebegehren - unbegründet. Das Gericht hat deshalb davon abgesehen, gegenüber dem Kläger zu 1), der mit dem Ablauf des Schuljahres 2001/02 ebenfalls die Orientierungsstufe Gr. S. verlassen haben dürfte, gleichfalls auf eine Änderung des bisher gestellten Klageantrags hinzuwirken.
Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NSchG hat der Beklagte als Träger der Schülerbeförderung grundsätzlich die in seinem Gebiet wohnenden Schüler der 1. bis 10. Schuljahrgänge der Allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern. Die Schülerbeförderung gehört zum eigenen Wirkungskreis der Landkreise und kreisfreien Städte (§ 114 Abs. 1 Satz 3 NSchG), die damit die weiteren Voraussetzungen der Beförderung oder der Kostenerstattungspflicht, insbesondere auch die Mindestentfernung zwischen der Wohnung und der Schule, von der an eine Beförderungs- oder Erstattungspflicht besteht, unter Berücksichtigung der Belastbarkeit der Schüler und der Sicherheit des Schulweges festlegen können (§ 114 Abs. 2 NSchG). Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte mit seiner Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreis Gifhorn i.d.F. vom 18. Dezember 1998 (SBS) Gebrauch gemacht. In § 2 Abs. 1 SBS hat der Beklagte die Beförderungs- oder Erstattungspflicht für Schüler des Sekundarbereichs I auf einen Schulweg von mehr als 2 km Länge begrenzt und in Abs. 2 dieser Vorschrift näher festgelegt, dass im Falle der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel diese Entfernungsregelung auf die Wegstrecke zwischen der Wohnung und der nächstgelegenen Haltestelle anzuwenden ist. Nach Maßgabe dieser Bestimmungen ist ein Beförderungsanspruch der Kläger, die nach Schulschluss jeweils nur bis zu der an der Kreisstraße 49 gelegenen Bushaltestelle gefahren werden, nicht gegeben, weil die Wegstrecke von dieser Haltestelle bis zu ihrer Wohnung deutlich unterhalb von 2 km beträgt.
Nach § 2 Abs. 3 SBS besteht jedoch auch unabhängig von den Regelungen über die Mindestentfernung ein Anspruch auf eine kostenlose Schülerbeförderung, wenn der Schulweg aufgrund der örtlichen Gegebenheiten für die Schüler Gefahren mit sich bringt, die über die im Straßenverkehr üblicherweise auftretenden Gefahren hinausgehen. Als Gefahren in diesem Sinne sind nicht nur mögliche Gefährdungen der Schüler durch den motorisierten Straßenverkehr zu begreifen, sondern auch solche denkbaren Schadensereignisse, die - wie beispielsweise kriminelle Übergriffe von Sexualstraftätern oder sonstige Straftaten - mit der Benutzung eines Schulwegs verbunden sein können. Hierbei kommt es auf die objektive Gefährlichkeit des Weges an, ohne dass sich eine Gefahr bereits realisiert haben muss. Eine solche Gefahrenlage ist gegeben, wenn eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts anzunehmen ist.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann weder angenommen werden, dass die von den Klägern zwischen der Bushaltstelle an der K 49 und ihrer Wohnung an der R.str. in D. zurückzulegende Wegstrecke in verkehrlicher Hinsicht gefährlich im Sinne des § 2 Abs. 3 SBS ist, noch ist mit einer gesteigerten Wahrscheinlichkeit mit Gewaltstraftaten auf diesem Teil des Schulwegs zu rechnen.
Ein Schulweg ist in Bezug auf die Verkehrslage auf diesem Straßenabschnitt vor allem dann außergewöhnlich gefährlich, wenn er überwiegend entlang einer verkehrsreichen Straße ohne Gehweg oder begehbaren Randstreifen führt. Überdies können auch die Beschaffenheit der Wegstrecke, ihre bauliche Ausgestaltung oder der Trassenverlauf sich als Unfallquellen auswirken und besondere Gefahrenmomente darstellen (vgl. hierzu: OVG Münster, Urt. vom 18.04.1989, 16 A 952/87). Nach Maßgabe dieser Gesichtspunkte ist die hier in den Blick zu nehmende Wegstrecke nicht als besonders gefährlich einzustufen.
Soweit der Schulweg an der B 214 entlang führt, ist die relativ stark befahrende Fahrbahn der Straße von dem kombinierten Geh- und Radweg durch einen etwa 6 bis 7 m breiten Grünstreifen getrennt. Dieser Grünstreifen und die in Abständen von 8 bis 10 m darauf stehenden Bäume stellen eine ausreichende Sicherheitszone gegenüber dem vorbeifließenden Straßenverkehr dar. Der Straßenverlauf ist geradlinig und weithin überschaubar. Auf einem Teil dieses Streckenabschnitts ist zudem die Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h begrenzt. Dass dennoch auf der Straße teilweise mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren wird, ist nicht als eine ungewöhnliche Verkehrslage anzusehen. Die nicht vollständig auszuschließende Möglichkeit, dass sich gerade auf diesem Streckenabschnitt ein Verkehrsunfall ereignet, wie es sich in diesem Jahr zugetragen hat, stellt ein allgemeines Verkehrsrisiko dar, dem die Schüler im modernen Straßenverkehr üblicherweise ausgesetzt sind. Lediglich dann, wenn durch konkrete verkehrliche Umstände das Schadensrisiko überdurchschnittlich erhöht erscheint, liegt eine Gefahrenlage im Sinne des § 2 Abs. 3 SBS vor. Eine solche Sachlage kann jedoch nach der Stellungnahme der örtlichen Polizeibehörde und der von dieser Dienststelle geführten Unfallstatistik nicht angenommen werden. Schließlich ist auch die an der K 49 bis zur Bushaltestelle zurückzulegende Wegstrecke nicht unüblich gefahrenträchtig. Zwar befindet sich auf diesem Streckenabschnitt kein von der Fahrbahn getrennt geführter Fußweg; seitlich neben der Fahrbahn ist jedoch an beiden Seiten ein mit Gras bewachsener Seitenstreifen angeordnet, auf den die Schüler in dem Fall, dass sich auf der nicht stark befahrenen Kreisstraße ein Fahrzeug nähern sollte, ohne Weiteres ausweichen könnten.
Nach den Umständen der Örtlichkeit besteht auch keine gesteigerte Wahrscheinlichkeit, dass es auf dem hier maßgeblichen Streckenabschnitt zu kriminellen Übergriffen gegenüber den Schülern kommt. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine besondere Gefährlichkeit des Schulweges nur dann anzunehmen, wenn die betreffenden Schüler u.a. aufgrund ihres Alters oder ihres Geschlechts zu einem risikobelasteten Personenkreis gehören und wenn sie sich auf diesem Teil des Schulwegs in einer schutzlosen Lage befinden, insbesondere, weil nach den örtlichen Verhältnissen eine rechtzeitige Hilfeleistung durch Dritte nicht gewährleistet ist (vgl. hierzu: OVG Münster, Urt. vom 18.04.1989, 16 A 2246/86; OVG Lüneburg, Urt. vom 19.06.1996, Nds. Rpfl. 1997, 57 m.w.N.).
Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung liegt eine solche Gefahrenlage hier nicht vor. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger zu 1) wegen seines männlichen Geschlechts bereits nicht zu dem besonders gefährdeten Personenkreis rechnen dürfte, wie auch die von den Klägern in dem Verfahren vorgelegten polizeilichen Kriminalstatistiken ausweisen, befinden sich die Schüler auf dem fraglichen Streckenabschnitt jedenfalls nicht in einer schutzlosen Lage. Der gesamte Verlauf der Wegstrecke ist weithin einsehbar. Zwar ist dieser Bereich der Straßenführung nicht lückenlos mit Wohn- oder landwirtschaftlichen Hofgebäuden bebaut. Die dort vorhandenen Wohngebäude befinden sich jedoch in Sicht- und Rufweite und sind unmittelbar entlang der B 214 so angeordnet, dass die Schüler an keiner Stelle dieses Streckenabschnitts weiter als 150 bis 200 m von einem Wohngebäude entfernt sind. Überdies befindet sich nur an etwa der Hälfte der ca. 600 m langen Strecke entlang dem Geh- und Radweg seitlich in einer Tiefe von etwa 5 bis 7 m ein Gehölzstreifen. Es kann deshalb angenommen werden, dass die Anwohner rechtzeitig Hilfe leisten könnten und dass eine solche Möglichkeit von vornherein auch von einem potentiellen Straftäter in seine Überlegungen einbezogen wird. Außerdem wirkt sich die starke Frequentierung der B 214 durch Kraftfahrzeuge als gefahrentlastend aus. Die Wegstrecke ist - wie bereits dargelegt worden ist - weithin einzusehen, sodass etwaige Annäherungsversuche oder gewaltsame Übergriffe den zahlreichen Verkehrsteilnehmern nicht verborgen bleiben würden. Auch von diesem Personenkreis wäre deshalb mit einem rechtzeitigen Eingreifen zu rechnen.
Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO abzuweisen, wobei die Kläger die Verfahrenskosten nach Kopfteilen zu tragen haben. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 13 Abs. 1, 15 und 73 Abs. 1 GKG, die Nebenentscheidungen im Übrigen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.