Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.09.2002, Az.: 6 B 539/02
Diabetes Mellitus; Entziehung der Fahrerlaubnis; Facharzt; Fahreignung; Gutachten; Verfahrensfehler
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 25.09.2002
- Aktenzeichen
- 6 B 539/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43637
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 11 Abs 2 FeV
- § 11 Abs 6 FeV
- § 11 Abs 8 FeV
- § 46 Abs 1 FeV
- § 46 Abs 3 FeV
- § 46 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Fahrerlaubnisbehörde darf von einem an insulinpflichtigem Diabetes Mellitus erkrankten Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse C1E die Beibringung eines von einem Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation erstellten Eignungsgutachtens auch dann verlangen, wenn der Erkrankte zwar regelmäßig die aktuellen Blutzuckerwerte mitgeteilt hat, diese Werte aber deutlich überhöht waren und eine Eignungsbegutachtung durch einen Facharzt dieser Qualifikation noch nicht erfolgt ist.
2. Die Fahrerlaubnisbehörde ist nicht allein deswegen verpflichtet, in der Untersuchungsanordnung nach § 11 Abs. 2 FeV auf eine an sich erforderliche verkehrsmedizinische Qualifikation des Facharztes zu verzichten, weil sie in der Vergangenheit mehrfach Bescheinigungen von Fachärzten akzeptiert hat, die über diese Qualifikation nicht verfügten.
3. § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV gilt auch für die Anordnung zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 FeV.
4. Die Regelung in § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV verlangt, dass die Angaben der in Betracht kommenden Stelle oder Stellen in der der Anordnung erfolgt und räumt der Behörde nicht die Möglichkeit ein, auf die Benennung vollständig zu verzichten. Es genügt daher nicht, wenn die Anordnung statt konkreter Angaben lediglich den Hinweis enthält, die für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen könnten telefonisch bei der Behörde erfragt werden.
5. Verstößt die Fahrerlaubnisbehörde gegen das Erfordernis konkreter Angaben nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV, so führt dies nicht zur Aufhebung der auf der Grundlage des § 11 Abs. 8 FeV verfügten Fahrerlaubnisentziehung, wenn sich die unzureichenden Angaben offensichtlich nicht auf die Entscheidung der Behörde ausgewirkt haben (§ 46 VwVfG).
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Verfügung der Antragsgegnerin, mit der ihm die Fahrerlaubnis entzogen wurde.
Der Antragsteller leidet seit vielen Jahren unter einem insulinpflichtigen Diabetes Mellitus.
Bereits im Jahre 1996 entzog die Antragsgegnerin ihm wegen einiger Verkehrsordnungswidrigkeiten und eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, nach dem weitere erhebliche Verstöße gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen zu erwarten waren, die Fahrerlaubnis. Die vom Antragsteller hiergegen eingeleiteten gerichtlichen Verfahren blieben erfolglos.
Im August 1997 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 neu, nachdem der Antragsteller ein aktualisiertes, nunmehr zu einer für ihn günstigen Prognose gelangendes medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt hatte. Die Fahrerlaubnis wurde später auf die Klassen C1E und A umgeschrieben und vom Antragsteller auch beruflich genutzt.
Nachdem bei dem Antragsteller im Jahre 1998 Stoffwechselprobleme aufgetreten waren, nahm er an einer Diabetikerschulung teil und ließ eine so genannte Neueinstellung vornehmen. In der Folgezeit legte er auf Anforderung der Antragsgegnerin regelmäßig ärztliche Bescheinigungen über die bei ihm festgestellten Blutzuckerwerte (HB 1a-Werte) sowie Gutachten der Fachärzte für Innere Medizin L., Braunschweig, vom 2. Mai 2000 und Dr. Co., Braunschweig, vom 29. März 2001 vor. Beide Gutachten kamen zu dem Ergebnis, der Antragsteller sei trotz seiner Erkrankung zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet. Das Gutachten von Dr. Co. sah die Antragsgegnerin ausweislich eines Vermerks vom 4. April 2001 trotz fehlender verkehrsmedizinischer Qualifikation des Arztes ausdrücklich als noch ausreichend an.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2002 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, ein neues Gutachten vorzulegen. In dem Schreiben heißt es, erforderlich sei das Gutachten eines „Facharztes für Innere Medizin oder Allgemeine Medizin mit verkehrsmedizinischer Qualifikation“. Nach dieser Formulierung war der folgende handschriftliche Zusatz eingefügt: „Welche Ärzte in Frage kommen, können Sie telefonisch gerne bei mir erfragen.“ Außerdem wies die Antragsgegnerin in dem Schreiben darauf hin, dass das Gutachten die Frage klären solle, ob der Untersuchte trotz seiner Erkrankung und unter Berücksichtigung des Gutachtens vom 29. März 2001 ein Kraftfahrzeug der Klassen C1E und A sicher führen könne. Wegen des weiteren Inhalts wird auf das Schreiben verwiesen (Blatt 732 f. Beiakte B).
Der Antragsteller legte daraufhin eine Bescheinigung des Facharztes L. vom 16. April 2002 vor, in der dieser zu dem Ergebnis kommt, es bestünden angesichts „einigermaßen akzeptabler“ Blutzuckerwerte keine Bedenken gegen das Führen eines Kraftfahrzeugs der Klasse 2.
Die Antragsgegnerin ermittelte danach, dass Herr Lembcke keine verkehrsmedizinische Qualifikation besitzt. Mit Schreiben vom 13. Mai 2002 wies sie den Antragsteller darauf hin und forderte ihn auf, nunmehr bis zum 12. Juni 2002 das Gutachten eines entsprechend qualifizierten Facharztes vorzulegen.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2002 teilte der Antragsteller mit, er sei mit der Maßnahme nicht einverstanden. Vorhergehende Gutachten von Herrn L. habe die Antragsgegnerin anerkannt. Im Übrigen sei ein solches Gutachten teuer und mache es erforderlich, dass er zwei bis vier Tage Urlaub nehmen müsse. Außerdem legte der Antragsteller Laborbefunde über die aktuellen Blutzuckerwerte vor; wegen der Einzelheiten der Befunde wird auf Blatt 739 Beiakte B Bezug genommen.
Am 20. Juni 2002 ging bei der Antragsgegnerin eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin u.a. Dr. F., Braunschweig, vom 11. Juni 2002 ein, die sich nicht ausdrücklich zur Frage der Fahreignung des Antragstellers äußert und der ein augenärztliches Gutachten beigefügt war. Wegen des weiteren Inhalts der Bescheinigung wird auf diese verwiesen (Blatt 742 Beiakte B).
Mit Bescheid vom 5. August 2002 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die vorgelegten Gutachten entsprächen nicht den Anforderungen. Das gelte auch für die von Dr. F. ausgestellte Bescheinigung; dieser Arzt verfüge zwar über eine verkehrsmedizinische Qualifikation, gehe in seiner Stellungnahme aber nicht auf die in der Anordnung vom 9. Januar 2002 gestellte Frage ein.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 7. August 2002, das der Antragsgegnerin am 9. August 2002 zuging, Widerspruch.
Zur Begründung seines bei Gericht gestellten Antrages auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, die beiden von ihm vorgelegten fachärztlichen Gutachten seien nicht negativ ausgegangen.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 5. August 2002 verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre in dem angegriffenen Bescheid enthaltenen Ausführungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II. Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat die sofortige Vollziehung des mit Bescheid vom 5. August 2002 verfügten Fahrerlaubnisentzuges rechtmäßig angeordnet.
Die Anordnung sofortiger Vollziehung ist formell ordnungsgemäß erfolgt. Die Antragsgegnerin hat insbesondere in ausreichender Weise schriftlich begründet, warum das besondere Interesse an dem Sofortvollzug als gegeben erachtet wird (vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Auch aus materiell-rechtlichen Gründen besteht keine Veranlassung, die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs wiederherzustellen.
Die Anordnung sofortiger Vollziehung ist rechtmäßig, wenn das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Maßnahme die privaten Interessen des von der Vollziehungsanordnung Betroffenen überwiegt. Das ist der Fall, wenn schon bei der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung eindeutig zu erkennen ist, dass ein Verfahren in der Hauptsache aussichtslos sein wird, oder wenn sich die Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen so weit verdichtet haben, dass die dringende Besorgnis besteht, der Betroffene werde andere Verkehrsteilnehmer bei einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ernsthaft gefährden (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rn 1273 f. m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die hier allein mögliche summarische Prüfung ergibt, dass der Antragsteller die Aufhebung des angegriffenen Bescheides über die Fahrerlaubnisentziehung nicht erreichen kann. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber der Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs begründen, und bringt der Betroffene das von der Fahrerlaubnisbehörde hierzu angeforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, so darf die Behörde auf die fehlende Eignung schließen (vgl. § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Dies setzt allerdings voraus, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung des Gutachtens zu Recht angeordnet hat (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 11 FeV Rn 24 m.w.N.). Auf dieser Grundlage ist der Bescheid der Antragsgegnerin im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1. Die Antragsgegnerin war gemäß § 11 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FeV berechtigt, vom Antragsteller die Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens zu verlangen. Die Anordnung ist geeignet, erforderlich und angemessen gewesen, um die bestehenden Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers zu klären und begegnet insoweit keinen rechtlichen Bedenken.
Die Antragsgegnerin durfte davon ausgehen, dass Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen bestanden, weil er unter einem insulinpflichtigen Diabetes Mellitus leidet und Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse C1E war. Für diesen Personenkreis geht die Fahrerlaubnisverordnung davon aus, dass eine bedingte Fahreignung nur ausnahmsweise gegeben ist; ist von einer bedingten Fahreignung auszugehen, so verlangt die Fahrerlaubnisverordnung im Allgemeinen regelmäßige Kontrollen (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 5.4 und Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV).
Insbesondere war es auch erforderlich, von dem Antragsteller das Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation einzuholen. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller auf Anforderung der Antragsgegnerin regelmäßig ärztliche Unterlagen über seine aktuellen Blutzuckerwerte vorgelegt hatte. Die in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als Entscheidungshilfe allgemein anerkannten und vom Gemeinsamen Beirat für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit erstellten Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung (Heft M 115 der Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Seite 28) verlangen nämlich, dass die bei einem insulinpflichtigen Diabetes Mellitus nur ausnahmsweise bestehende Fahreignung in einem ausführlichen Gutachten festzustellen ist; Nachbegutachtungen sind im Abstand von höchstens zwei Jahren erforderlich. Diese Anforderungen, die auf den aktuellen medizinischen Erkenntnissen beruhen, sind mit der Vorlage von Unterlagen über aktuelle Blutzuckerwerte nicht erfüllt.
Zu Recht hat die Antragsgegnerin auch nicht darauf abgestellt, dass erst am 29. März 2001 ein Gutachten angefertigt worden ist, das von der fortbestehenden Fahreignung des Antragstellers ausgeht. Die Anordnung eines neuen Gutachtens ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil das erforderliche Gutachten nach den angesprochenen Begutachtungsleitlinien von einem Gutachter mit verkehrsmedizinischer Qualifikation zu erstellen ist (aaO., Seite 14). Dieses Erfordernis ergibt sich auch aus der Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV. Über die demnach notwendige Qualifikation verfügte der für das Gutachten vom 29. März 2001 verantwortliche Arzt nicht. Die Einholung eines ausführlichen Gutachtens war auch nicht etwa auf Grund der regelmäßig vorgelegten ärztlichen Unterlagen über die Blutzuckerwerte des Antragstellers ausnahmsweise entbehrlich. Daraus ergaben sich jedenfalls keine hinreichend sicheren Anhaltspunkte dafür, dass beim Antragsteller außergewöhnliche Umstände vorliegen, die auch ohne eine eingehende Begutachtung auf eine trotz der bestehenden Zuckerkrankheit fortdauernde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hindeuteten. Den zuletzt vorgelegten ärztlichen Unterlagen war vielmehr zu entnehmen, dass beim Antragsteller weiterhin deutlich überhöhte Blutzuckerwerte vorlagen.
Auch der mit jeder Begutachtung verbundene Zeitaufwand des Antragstellers und die sich für ihn daraus ergebenden finanziellen Belastungen führen nicht dazu, dass die Gutachtenanordnung als unverhältnismäßig anzusehen ist. Solche Beeinträchtigungen müssen im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs hingenommen werden, wenn - wie hier - hinreichender Anlass besteht, die Fahreignung durch eine ausführliche ärztliche Stellungnahme abzuklären.
2. Durch die Vorlage der Gutachten vom 16. April 2002 und vom 11. Juni 2002 war die Antragsgegnerin nicht gehindert, auf die fehlende Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen. Von der Nichteignung darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV schon dann ausgehen, wenn das zu Recht von ihr geforderte Gutachten nicht beigebracht wird. Die vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen entsprechen aber nicht den in der Anordnung der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2002 zu Recht aufgestellten Forderungen. Bei der von Herrn L. verfassten Stellungnahme vom 16. April 2002 handelt es sich nicht um das geforderte Gutachten eines Facharztes mit verkehrsmedizinischer Qualifikation; über eine solche Qualifikation verfügt Herr L. nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin nicht. Die Antragsgegnerin war auch nicht etwa aufgrund ihrer bisherigen Praxis ausnahmsweise dazu verpflichtet, die Bescheinigung eines Facharztes ohne verkehrsmedizinische Qualifikation zu akzeptieren. Zwar hat sie in der Vergangenheit nicht beanstandet, dass einige der ihr vorgelegten Bescheinigungen nicht von Ärzten mit einer solchen besonderen Qualifikation angefertigt waren und dabei insbesondere auch Atteste des Herrn L. als ausreichend angesehen. Daraus kann der Antragsteller aber für den vorliegenden Fall nichts herleiten. Insbesondere konnte aufgrund der bisherigen Praxis der Antragsgegnerin ein schutzwürdiges Vertrauen beim Antragsteller nicht entstehen. Weil die Fahrerlaubnisbehörde aus den oben dargelegten Gründen Stellungnahmen von Ärzten ohne verkehrsmedizinische Qualifikation zur Frage der Fahreignung bei einem insulinpflichtigen Diabetes Mellitus nicht akzeptieren darf, war die Praxis der Antragsgegnerin rechtswidrig, soweit sie davon abwich. Der Antragsteller durfte jedenfalls nicht darauf vertrauen, dass eine solche rechtswidrige Verwaltungspraxis fortgeführt wird.
Auch die von Dr. F. erstellte Bescheinigung vom 11. Juni 2002 genügt den Anforderungen nicht. Die Antragsgegnerin hatte in der Anordnung vom 9. Januar 2002 verlangt, dass das beizubringende Gutachten die Frage klären soll, ob der Antragsteller trotz seiner Erkrankung und unter Berücksichtigung des letzten Gutachtens vom 29. März 2001 ein Kraftfahrzeug der Fahrerlaubnisklassen C1E und A sicher führen kann. Diese Fragestellung, die für die Klärung der Eignungszweifel nach den rechtlichen Grundlagen der Gutachtenanordnung (§ 46 Abs. 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV) sowie den die eingehende Nachbegutachtung der Fahreignung verlangenden Begutachtungsleitlinien (aaO. Seite 28) erforderlich war, ist durch die vorgelegte Bescheinigung Dr. F. nicht beantwortet worden. Die Stellungnahme besteht lediglich aus einigen knappen und allgemein gehaltenen handschriftlichen Anmerkungen, die auf dem Formblatt zur „Bescheinigung über die ärztliche Untersuchung von Bewerbern um eine Fahrerlaubnis“ eingefügt worden sind. Ausdrückliche Feststellungen zur Fahreignung des Antragstellers und nähere Angaben zu den tragenden Gründen der ärztlichen Würdigung ergeben sich aus dieser Bescheinigung nicht. Auch das der Bescheinigung angefügte augenärztliche Gutachten vom 11. Juni 2002 beantwortet die in der Anordnung vom 9. Januar 2002 aufgeworfene Frage nicht vollständig (vgl. dazu § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Nr. 2 Buchstaben a und b der Anlage 15 zur FeV). Weitere ärztliche Bescheinigungen hat der Antragsteller in der ihm mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Mai 2002 verlängerten Frist nicht vorgelegt.
3. Die Antragsgegnerin hat die Beibringung des ärztlichen Gutachtens in dem Schreiben vom 9. Januar 2002 zwar nicht formell einwandfrei angeordnet (a). Dies führt aber nicht dazu, dass der Antragsteller die Aufhebung der Fahrerlaubnisentziehung verlangen kann (b).
a) Nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV hat die Behörde in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens u.a. die für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen anzugeben. Diese Regelung gilt auch für die Anordnung zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 Nr. 1 FeV. Eine dahingehende Beschränkung des Anwendungsbereichs lässt sich weder dem Wortlaut noch der systematischen Stellung der Vorschrift entnehmen. Die danach erforderlichen Angaben enthält das Anordnungsschreiben vom 9. Januar 2002 nicht. In dem Schreiben wird nicht eine Stelle bezeichnet, die für die Untersuchungen in Betracht kam; stattdessen enthält das Schreiben den handschriftlichen Hinweis, welche Ärzte in Frage kämen, könne telefonisch erfragt werden. Damit sind die formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV nicht erfüllt, der ausdrücklich „die Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen“ verlangt. Aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit der Regelung in § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV ergibt sich, dass die Angabe in der Anordnung erfolgen muss. Auch der Begriff der „Angabe“ ist nach Auffassung der Kammer eindeutig und räumt der Fahrerlaubnisbehörde nicht die Möglichkeit ein, auf die Benennung von in Betracht kommenden Stellen vollständig zu verzichten. Dies ist auch durchaus sinnvoll, weil der Betreffende den gebräuchlichen Branchen- und Fernsprechverzeichnissen regelmäßig nicht entnehmen kann, welche Fachärzte über die erforderliche verkehrsmedizinischen Qualifikation verfügen. Konkrete Angaben der Fahrerlaubnisbehörde sind damit geeignet, Missverständnisse zu vermeiden und das Verfahren zur Überprüfung von Eignungszweifeln erheblich zu beschleunigen. Konkrete Angaben waren hier auch schon deswegen erforderlich, weil aufgrund einer in der Anordnung enthaltenen missverständlichen Formulierung Zweifel entstehen konnten, ob das Erfordernis verkehrsmedizinischer Qualifikation auch dann gilt, wenn der Betreffende das Gutachten nicht von einem Facharzt für Allgemeinmedizin, sondern von einem Facharzt für Innere Medizin erstellen lässt (siehe Abs. 1 des Schreibens vom 09. Januar 2002).
b) Der demnach vorliegende Verfahrensfehler führt aber nicht dazu, dass dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattzugeben ist. Das ergibt sich aus der Regelung in § 46 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Die Vorschrift bestimmt, dass ein Verwaltungsakt im Falle der Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht aufzuheben ist, wenn offensichtlich ist, dass der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat und der Verwaltungsakt nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist. Die Voraussetzungen dieser Regelung sind erfüllt.
Bei dem Erfordernis der Angabe in Betracht kommender Stellen nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV handelt es sich um eine Verfahrensvorschrift i.S.d. § 46 VwVfG und nicht etwa um eine Regelung, die zu so genannten absoluten, vom Ausgang des Verfahrens unabhängigen Verfahrensfehlern führt. Die Auslegung des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV und der sonstigen Regelungen über die Begutachtung und die Fahrerlaubnisentziehung bei Eignungszweifeln ergibt, dass der Verordnungsgeber nicht davon ausgegangen ist, die Verletzung dieser Verfahrensregelung müsse in jedem Fall die Aufhebung des im weiteren Verfahren verfügten Fahrerlaubnisentzuges nach sich ziehen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV dient der Gefahrenabwehr und ist im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs bei fortbestehenden Eignungszweifeln auch dann geboten, wenn das Angabeerfordernis des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV zwar nicht erfüllt ist, dies aber die Gefahrenprognose und damit die Entscheidung über den Fahrerlaubnisentzug offensichtlich nicht beeinflusst.
Dass die Antragsgegnerin unzureichende Angaben über die für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen gemacht hat, hat sich offensichtlich nicht auf ihre Entscheidung über den Fahrerlaubnisentzug ausgewirkt. Denn der Antragsteller hat letztlich trotz fehlender konkreter Angaben einen Arzt mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt, der die erforderliche verkehrsmedizinische Qualifikation besitzt. Der beauftragte Dr. F. hat zwar ein Gutachten vorgelegt, das die in der Anordnung vom 9. Januar 2002 aufgeworfene Frage nicht beantwortet. Dies ist aber offensichtlich nicht auf die unzureichenden Angaben der Antragsgegnerin über die für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen zurückzuführen. Aus diesem Grunde und wegen des der Regelung in § 11 Abs. 8 FeV zu Grunde liegenden Ziels effektiver Gefahrenabwehr handelt es sich schließlich auch nicht um einen schwerwiegenden Verfahrensfehler, der zur Nichtigkeit des angegriffenen Bescheides führen würde.
4. Nach allem ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der angegriffene Bescheid in einem etwaigen Hauptsacheverfahren nicht aufgehoben werden würde. Auf Grund der nicht ausgeräumten Eignungszweifel besteht gegenwärtig die dringende Besorgnis, dass der Antragsteller andere Verkehrsteilnehmer ernstlich gefährden würde, wenn er bis zur Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren weiterhin am motorisierten Straßenverkehr teilnimmt. Der Antragsteller hat es selbst in der Hand, die bestehenden Eignungszweifel durch Vorlage des angeforderten Gutachtens auszuräumen.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ergibt sich aus der Anwendung des § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 20 Abs. 3 GKG. Das Gericht hat dabei berücksichtigt, dass eine Fahrerlaubnis der Klasse A in Streit stand (Streitwert: 4.000 €) sowie eine davon nicht umfasste Fahrerlaubnis der Klasse C1E, die mit einem Abschlag von 50 % in Rechnung zu stellen war (Streitwert: 1.000 €), und dass der Antragsteller außerdem die Fahrerlaubnisse in nicht unerheblichem Umfang beruflich genutzt hat (Aufschlag von 2.000 €). Der sich aus der Zusammenrechnung ergebende Wert von 7.000 € wurde für das vorliegende Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes halbiert.