Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 09.04.1997, Az.: 2 U 23/97

Vorliegen einer Polizeidienstunfähigkeit; Vertrauenshaftung des Versicherers und Verschulden bei Vertragsschluss

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
09.04.1997
Aktenzeichen
2 U 23/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 22261
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0409.2U23.97.0A

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 1998, 247-248

Gründe

1

1.

Eine Berufsunfähigkeit des Klägers ergibt sich nicht auf Grund der so genannten Beamtenklausel in § 2 Ziffer 5 der BB-BUZ. Nach dieser Bestimmung gilt bei einem Beamten auch die Versetzung in den Ruhestand bzw. die Entlassung wegen Dienstunfähigkeit als Berufsunfähigkeit.

2

Zwar ist der Kläger polizeidienstunfähig gemäß § 226 NBG. Eine Dienstunfähigkeit im Sinn der vorgenannten Beamtenklausel liegt jedoch nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (z.B. BGH r+s 1993, 393; OLG Köln r+s 1988, 344; OLG Nürnberg r+s 1992, 177; Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl., § 2 BUZ Anm. 7 e; a.A. OLG Bamberg VersR 1992, 1074[OLG Bamberg 26.03.1992 - 1 U 154/91]) der der Senat folgt, nur bei einer allgemeinen Dienstunfähigkeit (vgl. § 54 NBG) vor. Diese Auslegung der Versicherungsbedingung ist auch unter Berücksichtigung der maßgeblichen Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers (z.B. BGH r+s 1996, 169) geboten. Die genannte Bedingung stellt auf den beamtenrechtlich festgelegten Begriff der Dienstunfähigkeit ab. Dies gebietet für den Versicherungsnehmer den Schluss, dass die Beurteilung der Dienstunfähigkeit sich nicht nach den nur für bestimmte Bereiche des Öffentlichen Dienstes geltenden Kriterien richtet, also z.B. nach den verschärften gesundheitlichen Anforderungen, die mit dem Polizeidienst verbunden sind, sondern ausschließlich nach den durchschnittlichen, für alle Bereiche des öffentlichen Dienstes geltenden Dienstpflichten.

3

Die vom Kläger vertretene gegenteilige Auffassung wird durch das in der Berufungsbegründung zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 1994, 799) nicht belegt. Die genannte Entscheidung enthält keine Ausführungen zum Begriff der Dienstunfähigkeit. Solcher bedurfte es auch nicht. In den damals zu Grunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen war nämlich die Polizeidienstunfähigkeit schon durch ausdrückliche Erwähnung - anders als vorliegend - mit erfasst.

4

Dass die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit wegen allgemeiner Dienstunfähigkeit nicht vorliegen, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, § 543 Abs. 1 ZPO; dagegen bringt die Berufung auch nichts vor.

5

2.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen aus der gewohnheitsrechtlich anerkannten Vertrauenshaftung des Versicherers oder aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss wegen unterlassener oder fehlerhafter Beratung.

6

Der Versicherungsvertreter der Beklagten war nicht verpflichtet, den Begriff der Dienstunfähigkeit dem Kläger zu erläutern. Grundsätzlich ist es Sache des Versicherungsnehmers selbst, sich über den Deckungsumfang der Versicherung zu informieren. Der Agent des Versicherers muss nicht auf Einzelheiten der Versicherungsbedingungen von sich aus eingehen; etwas anderes kann gelten, wenn der Versicherungsnehmer ausdrücklich über bestimmte Punkte eine Beratung wünscht (OLG Köln VersR 1996, 1265[OLG Köln 19.09.1995 - 9 U 50/94]; Prölss/Martin, § 43 VVG Anm. 7 A c). Dass der Kläger hinsichtlich des Begriffs der Dienstunfähigkeit um eine derartige Aufklärung bei Abschluss des Vertrags gebeten hat, wird nicht behauptet.

7

Eine Beratungspflicht kann zwar ausnahmsweise auch dann bestehen, wenn ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer auf Grund eines schwierigen Sachverhalts und besonders komplizierter Bedingungswerke erkennbar überfordert wäre, sich ohne fachliche Beratung in den betreffenden Versicherungsfragen zurecht zu finden (BGH VersR 1989, 472; Senat r+s 1993, 310). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der beamtenrechtliche - und nicht speziell versicherungsrechtliche - Begriff der Dienstunfähigkeit ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der selbst im Beamtenverhältnis steht, erkennbar ohne größere Schwierigkeiten ohne spezielle versicherungsrechtliche Beratung zumindest ermittelbar.

8

Der Agent der Beklagten hat den Kläger über den Begriff der Dienstunfähigkeit auch nicht falsch beraten. Der Kläger hat dazu vorgetragen, der Vertreter der Beklagten habe ihm Folgendes erklärt: "Polizeibeamte trügen nun einmal von Berufs wegen ein hohes Risiko, im Dienst zu Tode zu kommen oder in Ausübung des Dienstes verletzt zu werden. Gerade bei Demonstrationen sei dieses Risiko der Verletzungen sehr groß. Wenn man dann verletzungsbedingt aus dem Polizeidienst ausscheiden müsse, habe man keine oder eine ganz schlechte Versorgung. Gerade für diese Fälle empfehle sich dringend der Abschluss einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, die speziell dieses Risiko der Folgen von Dienstverletzungen auffange."

9

Eine fehlerhafte Aussage über den Begriff der Dienstunfähigkeit lässt sich dieser angeblich erfolgten Beratung nicht entnehmen. Insbesondere wird nicht etwa behauptet, der Versicherungsvertreter habe angegeben, dass bereits eine bloße Polizeidienstunfähigkeit des Klägers zur Begründung eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen geeignet sei. Eine solche Behauptung lässt sich auch nicht dem vagen Vortrag entnehmen, die Motivation für den Abschluss des Versicherungsvertrags sei die Darstellung des Versicherungsvertreters gewesen, wonach die Versicherung ihn - den Kläger - vor dem krankheits- bzw. verletzungsbedingten Ausscheiden aus dem Polizeidienst schütze.