Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 13.03.2014, Az.: 3 A 4605/12

Arbeitgeberweisung; Attest; Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz; berufsbedingte; Fehlzeiten; Maßnahmebeitrag; regelmäßige Teilnahme; Rückforderung; unentschuldigt

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
13.03.2014
Aktenzeichen
3 A 4605/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42687
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es bestehen keine grundsätzliche Bedenken dagegen, für die Auslegung des Begriffs der regelmäßigen Teilnahme in § 9 Satz 2, 4 AFBG auf den zeitlichen Umfang der Teilnahme an der geförderten Maßnahme abzustellen und dabei zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten zu differenzieren.
2. Für die Unterscheidung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten kommt es entscheidend darauf an, ob die Ursache für die Säumnis in Umständen liegt, die der einer grundsätzlichen eigenen Gestaltungsfreiheit offenen Sphäre des Auszubildenden zuzurechnen sind, oder ob sie auf Umständen beruht, die von diesem nicht beeinflusst werden können bzw. nicht zu vertreten sind. Dabei ist von einer hinreichenden Entschuldigung für eingetretene Fehlzeiten zumindest dann auszugehen, wenn der Auszubildende gezwungen gewesen wäre, zu deren Vermeidung gegen eine gesetzliche oder arbeitsvertragliche Rechtspflicht zu verstoßen.
3. Die derzeitige bundesweite Verwaltungspraxis, nach der die für die Förderung zuständigen Behörden im Rahmen des § 9 Satz 2, 4 AFBG nur ärztlich attestierte krankheits- oder schwangerschaftsbedingte Fehlzeiten als entschuldigt ansehen, ist mit dem Gesetz nicht vereinbar.
4. Ob § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG auf einen Maßnahmebeitrag überhaupt anwendbar ist, bleibt offen.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, eine Kostenvollstreckung seitens der Klägerin mittels Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die rückwirkende Aufhebung eines Bescheides über die Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung sowie die Rückforderung der an sie bereits ausgezahlten Förderleistung.

Die Klägerin nahm als gelernte allgemeine Transportfacharbeiterin zum 01.10.2010 bei der Fa. D. in Bremen eine Beschäftigung als Distributionsmitarbeiterin auf. Sie wurde von ihrer Arbeitgeberin als kommissarische Teammeisterin für den Bereich E. eingesetzt. Nachdem die Arbeitgeberin ihr empfohlen hatte, berufsbegleitend eine Fortbildung zur Logistikmeisterin durchzuführen, schloss die Klägerin im September 2011 mit dem Fortbildungsträger F. einen Ausbildungsvertrag über die Teilnahme an dem Fortbildungskurs „geprüfte/r Logistikmeister/in“ im Zeitraum 19.10.2011 - April 2013. Der Unterricht fand jeweils mittwochs von 18.00 h - 21.00 h sowie samstags von 13.00 h - 18.00 h in Hamburg statt. Die Fortbildungsmaßnahme umfasste planmäßig 470 Unterrichtsstunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Ausbildungsvertrag verwiesen.

Unter dem 11.12.2011 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Förderung der Fortbildungsmaßnahme nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (im Folgenden: AFBG). Mit Formularbescheid vom 24.02.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine Förderung nach dem AFBG in Form eines Maßnahmebeitrags in Höhe von 945,- EUR als Zuschuss sowie in Höhe von weiteren 2.154,50 EUR als Darlehn. Im Textteil des Bescheides ist ausgeführt, er ergehe „unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen, dass Sie gemäß § 9 AFBG zum 15.04.2012 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringen“. Auf der Grundlage dieses Bescheides schloss die Klägerin mit der KfW-Bankengruppe einen Darlehnsvertrag über den insoweit bewilligten Teilförderbetrag ab.

Die Klägerin nahm ab dem 19.10.2011 an der Fortbildungsmaßnahme teil. Im Zeitraum vom 19. - 26.11.2011 versäumte sie den Unterricht auf Grund eines bereits im Juli 2011 gebuchten Urlaubs. Am 07.12.2011 nahm die Klägerin wegen einer an diesem Tag durchgeführten ärztlichen Behandlung nicht am Unterricht teil. Weiterhin versäumte sie am 11.02., 18.02. und 25.02.2012 den Unterricht, weil sie an diesen Tagen auf Grund entsprechender Weisungen ihrer Arbeitgeberin arbeitete.

Mit Schreiben vom 28.02.2012 erinnerte die Beklagte die Klägerin daran, dass sie bis zum 15.04.2012 einen Nachweis des Fortbildungsträgers auf dem Formblatt F über ihre regelmäßige Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme vorzulegen habe. Am 16.05.2012 ging bei der Beklagten das vom Fortbildungsträger ausgefüllte Formblatt F ein. Darin ist vermerkt, dass die Klägerin im Zeitraum vom 19.10.2011 - 25.02.2012 an der Maßnahme teilgenommen und dabei von 160 Unterrichtsstunden 30 Stunden versäumt habe. Zu der Frage, ob bzw. in welchem Umfang die Fehlzeiten entschuldigt waren, enthält die Bescheinigung keine Aussage. Nach telefonischer Auskunft des Fortbildungsträgers gegenüber dem Berichterstatter prüft der Träger die Gründe für eingetretene Fehlzeiten nicht generell sondern nur dann, wenn im Einzelfall der Erfolg der Maßnahme gefährdet erscheint. Eine solche Prüfung sei im Falle der Klägerin nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 29.05.2012 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die vom Fortbildungsträger vorgelegte Bescheinigung Fehlzeiten von insgesamt 18,75% im Zeitraum 19.10.11 - 25.02.12 ausweise. Zur Prüfung, ob aus diesem Grund die Leistung einzustellen sei und die Förderung zurückgefordert werden müsse, solle sie ihre Fehlzeiten allgemein erläutern und ggf. ärztliche Atteste vorlegen. Nur ärztlich attestierte Krankheitstage könnten Fehlzeiten über 10% entschuldigen. Die Klägerin reichte daraufhin ihre Gehaltsabrechnung für Februar 2012 ein, die den 11., 18, und 25. des Monats als Arbeitstage ausweist. Fernmündlich teilte sie dazu mit, ihre Arbeitgeberin habe sie angewiesen, an diesen Tagen zu arbeiten. Außerdem legte sie eine ärztliche Bescheinigung über die am 07.12.2011 erfolgte Behandlung vor.

Mit Bescheid vom 25.06.2012 setzte die Beklagte die der Klägerin zu gewährende Förderung rückwirkend zum 19.10.2011 auf 0,- EUR fest und forderte sie zur Rückzahlung des an sie als Zuschuss geleisteten Betrages von 945,- EUR auf. In einer - gesondert übersandten - „Anlage zum Bescheid“ ist ausgeführt, dass nur die Fehlzeiten vom 07.12.2011 (4 Std.) als entschuldigt angesehen werden könnten, die beruflich bedingten Fehlzeiten dagegen nicht. Damit blieben insgesamt 26 Stunden (16,25%) unentschuldigt, so dass es an der geforderten regelmäßigen Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme fehle. Die Förderung sei deshalb zu widerrufen.

Die Klägerin hat am 26.07.2012 Klage erhoben. Sie macht im Kern geltend, dass die beruflich bedingten Fehlzeiten nicht als unentschuldigt gewertet werden könnten. Sie sei arbeitsvertraglich verpflichtet gewesen, den Weisungen ihrer Arbeitgeberin, an den betroffenen Tagen zu arbeiten, Folge zu leisten. Es könne ihr nicht zugemutet werden, zum Erhalt des Förderanspruchs eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung zu begehen. Dem AFBG sei auch nicht zu entnehmen, dass lediglich ärztlich attestierte Krankheitstage als entschuldigte Fehlzeiten angesehen werden könnten. Das ihr im Rahmen des Bewilligungsverfahrens von der Beklagten übersandte „Merkblatt zur regelmäßigen Teilnahme“ verweise zur Möglichkeit einer Entschuldigung von Fehlzeiten selbst ausdrücklich nur beispielhaft auf die Vorlage ärztlicher Atteste.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25.06.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und teilt ergänzend mit, auf einer „OBLAFBG-Sitzung“ am 29./30. März 2011 in Bonn sei festgelegt worden, dass nur ärztlich attestierte krankheits- bzw. schwangerschaftsbedingte Fehlzeiten, soweit sie die in § 7 Abs. 4 AFBG genannten Zeiten nicht überschritten, als entschuldigt angesehen werden könnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.

Die Beteiligten haben im Nachgang zu dem PKH-Beschluss der Kammer vom 25.09.2013 gemäß § 101 Abs. 2 VwGO auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer gemäß § 87a Abs. 2, 3 VwGO einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 25.06.2012 ist aufzuheben, denn er ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid kommt nur § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG (hier i. d. F. vom 08.10.2012, BGBl. I S. 2126) in Betracht. Danach ist - außer in den Fällen der §§ 44 - 50 SGB X - insoweit der Bewilligungsbescheid aufzuheben und der Förderungsbetrag zu erstatten, als die Voraussetzungen für die Leistung an keinem Tag des Kalendermonats vorgelegen haben, für den sie gezahlt worden ist, und die Förderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet worden ist. Eine Auflösung dieses Vorbehalts gegenüber dem Auszubildenden kommt dabei gemäß § 9 Satz 6 AFBG u.a. in Betracht, wenn die Fördervoraussetzungen des § 9 Satz 1, 2 AFBG nicht vorgelegen haben, weil dieser nicht regelmäßig an der Fortbildungsmaßnahme teilgenommen hat.

a) Es kann offen bleiben, ob diese Vorschriften auf einen Fall wie dem vorliegenden, in dem es ausschließlich um die Rückforderung eines Maßnahmebeitrags geht, überhaupt anwendbar sind (bejahend: VG Minden, Urt. vom 09.12.2011, 6 K 1464/11, juris, best. von OVG NW, Beschl. vom 12.04.2012, 12 A 236/12, juris; verneinend: VG Augsburg, Urt. vom 11.06.2013, Au 3 K 12.1564, juris). Denn selbst wenn man diese Frage bejaht, lagen jedenfalls die Voraussetzungen für eine rückwirkende „Einstellung der Leistung“ - rechtlich ist das entgegen der insoweit redaktionell missglückten Formulierung in § 9 Satz 6 AFBG als rückwirkende Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides zu werten - und für die Rückforderung der bereits an die Klägerin ausgezahlten Förderleistung in der Sache nicht vor.

b) Zwar hatte die Beklagte die der Klägerin gewährte Förderungsleistung im Sinne von § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG mit dem Bewilligungsbescheid vom 24.02.2012 gemäß § 9 Satz 6 AFBG unter den Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung im Falle der nicht regelmäßigen Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme gestellt. Das ergibt sich mit noch hinreichender Deutlichkeit aus dem Textteil jenes Bescheides, wonach die Klägerin bis zum 15.04.2012 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme zu erbringen hatte. Die Beklagte durfte aber diesen Vorbehalt im vorliegenden Fall nicht auflösen, denn die Klägerin hat nicht im Sinne von § 9 Satz 2, 4 AFBG lediglich unregelmäßig an der geförderten Maßnahme teilgenommen.

aa) Das AFBG selbst definiert nicht näher, unter welchen Voraussetzungen eine regelmäßige Teilnahme an der geförderten Maßnahme im Sinne des § 9 Satz 2, 4 AFBG vorliegt. Es handelt sich dabei vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung seitens der Verwaltung der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

Dagegen, dass die Beklagte insoweit dem Grunde nach unter Berufung auf die Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (BT-Drs. 16/10996) auf den zeitlichen Umfang der Teilnahme abstellt und im Weiteren eine Unterscheidung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten vornimmt, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken (so auch VG Oldenburg, Urt. vom 09.11.2012, 13 A 3804/12, juris). Nach der Gesetzentwurfsbegründung soll von einer regelmäßigen Teilnahme noch ausgegangen werden können, wenn die Teilnehmer oder Teilnehmerinnen nicht mehr als 10% der gesamten Maßnahme unentschuldigt versäumt haben (vgl. BT-Drs. 16/10996, Nr. 9 zu § 9, S. 27). Nach Angaben der Beklagten ist diese Quote allerdings in der Verwaltungspraxis seit Juli 2012 - ohne dass sich insoweit am Gesetz etwas geändert hätte - auf 15% angehoben worden, was darauf hindeutet, dass es sich bei dieser quotenmäßigen Betrachtung nur um ein grobes, relativ zu betrachtendes Interpretationskriterium handelt.

bb) Es kann offen bleiben, ob - wie das VG Oldenburg annimmt (Urt. vom 09.11.2012, 13 A 3804/12, a.a.O.), die Beurteilung der Frage einer regelmäßigen Teilnahme und in dem Zusammenhang die Beurteilung der Frage einer genügenden Entschuldigung von Fehlzeiten von Gesetzes wegen grundsätzlich und primär dem Fortbildungsträger obliegt. Denn im vorliegenden Fall hat sich der Fortbildungsträger in dem von ihm ausgefüllten Formblatt F (Teilnahmebescheinigung) zu dieser Frage nicht geäußert und, wie die telefonische Nachfrage des Berichterstatters ergeben hat, eine derartige Bewertung auch nicht vorgenommen, weshalb eine Prüfung dieser Frage von der Beklagten vorzunehmen war.

cc) Es kann im Übrigen auch offen bleiben, ob - was die Verwaltungspraxis offenbar annimmt - das o.a. Quotenkriterium in dem Sinne absolut zu verstehen ist, dass bei einer Überschreitung der Quote zwingend von einer nicht mehr regelmäßigen Teilnahme auszugehen wäre. Denn im Falle der Klägerin liegt die Quote der unentschuldigten Fehlzeiten nicht über dem in der Verwaltungspraxis angesetzten Wert von 10% bzw. nunmehr 15%. Es sind nämlich nicht nur die wegen der ärztlichen Behandlung am 07.12.2011 sondern auch die wegen der Arbeitstätigkeit der Klägerin am 11., 18. und 25.02.2012 eingetretenen Fehlzeiten als entschuldigt anzusehen.

(1) Die gegenteilige, auf einer entsprechenden Festlegung auf der OBLAFBG-Sitzung am 29./30.März 2011 beruhende, aber argumentativ bemerkenswerterweise nicht weiter unterfütterte Auffassung der Beklagten, dass ausschließlich ärztlich attestierte krankheits- oder schwangerschaftsbedingte Fehlzeiten im Rahmen des § 9 AFBG als entschuldigt angesehen werden können, lässt sich weder aus dem Gesetz selbst noch aus den Gesetzesmaterialien ableiten. Namentlich taugt dafür nicht der Blick auf die Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 1 AFBG, wonach, solange die Teilnahme an der Maßnahme wegen Krankheit oder Schwangerschaft nicht möglich ist, die Förderung bei Krankheit bis zu drei Monate und bei Schwangerschaft bis zu vier Monate weitergeleistet wird. Diese Regelung kann nämlich nicht isoliert betrachtet werden, sondern sie steht in einem offenkundigen unmittelbaren Zusammenhang mit der Regelung in § 7 Abs. 3a AFBG, der aber gerade neben Krankheit und Schwangerschaft auch den „anderen wichtigen Grund“ für eine prinzipiell förderunschädliche Unterbrechung der Maßnahme anerkennt. Außerdem wären die Regelungen in § 7 Abs. 4 Satz 1 AFBG einerseits und § 9 AFBG andererseits auch inkompatibel, wenn man sie in der von der Beklagten vertretenen Weise als inhaltlich aufeinander bezogen ansehen wollte. Denn es kommt durchaus in Betracht, dass etwa bei einer schwangerschaftsbedingten Unmöglichkeit zur Teilnahme an der Maßnahme die von der derzeitigen Verwaltungspraxis als absolute Obergrenze förderunschädlicher Säumnis angesetzte Fehlzeitenquote von insgesamt 30% der Gesamtmaßnahme bereits deutlich vor dem Ablauf von vier Monaten erreicht werden könnte. Gleichwohl wird in solchen Fällen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 AFBG erst nach Ablauf von vier Monaten die Förderung einzustellen und im Übrigen auch gerade nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 AFBG für die Vergangenheit zurückzufordern sein. Ergänzend kann im Übrigen zur Untauglichkeit des Rückgriffs auf § 7 Abs. 4 Satz 1 AFBG für die Interpretation des Begriffs der regelmäßigen Teilnahme in § 9 AFBG auf die Ausführungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 23.11.2012 (1 B 351/12, juris) verwiesen werden, denen sich das erkennende Gericht anschließt.

(2) Wie bereits in dem PKH-Beschluss der Kammer vom 25.09.2013 angedeutet, kommt es im Rahmen des § 9 AFBG bei der Auslegung des Begriffs der regelmäßigen Teilnahme für die Unterscheidung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten entscheidend darauf an, ob die Ursache für die Säumnis in Umständen liegt, die der einer grundsätzlichen eigenen Gestaltungsfreiheit offenen Sphäre des Auszubildenden zuzurechnen sind, oder ob sie auf Umständen beruht, die von diesem nicht beeinflusst werden können bzw. nicht zu vertreten sind. Dabei ist von einer hinreichenden Entschuldigung für eingetretene Fehlzeiten zumindest dann auszugehen, wenn der Auszubildende gezwungen gewesen wäre, zu deren Vermeidung gegen eine gesetzliche oder eine arbeitsvertragliche Rechtspflicht zu verstoßen.

So ist es z. B. förderrechtlich - aus Sicht der Kammer offenkundig - nicht begründbar, von einem (potenziell) förderschädlichen unentschuldigten Fehlen auszugehen, wenn der Auszubildende den Unterricht deshalb versäumt, weil er auf dem Weg dorthin Zeuge oder Beteiligter eines Verkehrsunfalls wird und deshalb von Gesetzes wegen - sogar strafbewehrt  -verpflichtet ist, am Unfallort zu verbleiben. Gleiches gilt etwa auch für eine angeordnete Teilnahme an einem Gerichtstermin (als Beteiligter/Partei, Zeuge oder ehrenamtlicher Richter/Schöffe) während der Unterrichtszeit.

Solchen gesetzlich verankerten Hinderungsgründen sind weiterhin auch arbeitsvertraglich zulässige Weisungen des Arbeitgebers zur Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten während der Unterrichtszeit gleichzustellen. An dieser dem PKH-Beschluss zu Grunde liegenden Rechtsauffassung hält die Kammer ausdrücklich fest, zumal die Beklagte dem auch nichts Substanzielles entgegen gehalten hat. Zutreffend weist die Klägerin insoweit darauf hin, dass es ihr förderungsrechtlich nicht zugemutet werden könnte, zum Erhalt der persönlichen Fördervoraussetzungen einen arbeitsrechtlichen Pflichtenverstoß zu begehen, der u. U. sogar zum Verlust des Arbeitsplatzes führen könnte. Damit würde vielmehr die arbeitsmarktpolitische Zielsetzung des AFBG konterkariert, die ausweislich der Begründung des o.a. Gesetzentwurfs gerade darin liegt, „die Attraktivität beruflicher Aufstiegsfortbildungen zu steigern und noch mehr Menschen als bisher für Fortbildungen zu gewinnen, um durch eine kontinuierliche Höherqualifizierung über alle Altersgruppen hinweg dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen, die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen auf Dauer zu erhalten und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern“ (BT-Drs. 16/10996, S. 1).

dd) Im vorliegenden Fall verbleiben damit als der Sphäre der Klägerin zurechenbare und in dem Sinne unentschuldigte Fehlzeiten nur diejenigen Unterrichtszeiten, die die Klägerin im Zeitraum vom 19. - 26.11.2011 urlaubsbedingt versäumt hatte. Das waren lediglich 13 Stunden (2 x samstags je 5 Std. + 1 x mittwochs 3 Std.) und damit nur 8,125% der bis zum 25.02.2012 regulär angefallenen 160 Unterrichtsstunden. Damit lag die Klägerin sogar noch unter der ursprünglich auf der Basis der Begründung des Gesetzentwurfs von der Verwaltungspraxis zu Grunde gelegten Toleranzgrenze von 10% unentschuldigter Fehlzeiten.

ee) Angesichts dessen kommt es im Übrigen nicht mehr darauf an, ob die von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid getroffene Bewertung auch schon deshalb fehlerhaft ist, weil ihr ein kürzerer als der in § 9 Satz 4 AFBG genannte Zeitraum zu Grunde liegt, nämlich lediglich eine Zeitspanne von rund vier Monaten (19.10.2011 - 25.02.2012).

2. Die rechtswidrige rückwirkende Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides und Rückforderung des an die Klägerin ausgezahlten Maßnahmebeitrags verletzen diese in ihren Rechten zumindest aus Art. 2 Abs. 1 GG.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III.

Das Gericht lässt gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Berufung und gemäß § 134 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Sprungrevision zu, weil die Rechtssache angesichts des Umstands, dass die Verwaltungspraxis zu der entscheidungserheblichen Frage, wie der Begriff der regelmäßigen Teilnahme in § 9 Abs. 1, 2, 4, 6 AFBG auszulegen ist, über diesen Fall hinaus soweit ersichtlich bundesweit auch nach der Entscheidung des Sächs. OVG vom 23.11.2012 (1 B 351/12, juris) weiterhin eine vom Gericht als fehlerhaft bewertete Auffassung vertritt und ihren Entscheidungen zu Grunde legt, grundsätzliche Bedeutung hat.