Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 13.03.2014, Az.: 3 B 7890/13

Rechtmäßigkeit der Übertragung einer Betriebsträgerschaft für eine Kindertagesstätte

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
13.03.2014
Aktenzeichen
3 B 7890/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 27714
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2014:0313.3B7890.13.0A

In der Verwaltungsrechtssache
A.,
Antragstellerin,
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte B. -
gegen
die Stadt Springe, C.,
Antragsgegnerin,
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte D. -
beigeladen:
Die E.,
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte F. -
Streitgegenstand: Unterlassung eines Vertragsschlusses über die Betriebsführung einer Kindertagesstätte - Antrag nach § 123 VwGO -
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 3. Kammer - am 13. März 2014
beschlossen:

Tenor:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren G. untersagt, der Beigeladenen oder einem anderen Träger die Betriebsträgerschaft der Kindertagesstätte "H." in I. zu übertragen und den in Aussicht genommenen Betriebsführungsvertrag abzuschließen.

Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene je zur Hälfte, die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben ihre eigenen außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin betrieb aufgrund eines mit der Antragsgegnerin abgeschlossenen Vertrages vom 10.07.1997 die Kindertagesstätte "H." in Springe. Zum 31.12.2013 kündigte die Antragsgegnerin diesen Vertrag. Bis zum 31.07.2014, d.h. bis zum Ende des laufenden Kindergartenjahres, setzt die Antragstellerin die Betriebsführung aufgrund einer Vereinbarung mit der Antragsgegnerin noch fort.

Hintergrund für die Kündigung des Betriebsführungsvertrages war, dass der Haushalt der Antragsgegnerin ein strukturelles Defizit aufweist und sie verpflichtet war, ein Haushaltssicherungskonzept vorzulegen. Da die Betriebsführungskosten für die Kinderbetreuung die wichtigste Ausgabeposition bilden, will sie im Rahmen der notwendigen Haushaltskonsolidierung die Finanzierung der Kindertagesstätten künftig nicht mehr durch eine Defizithaftung, sondern durch Festkostenzuschüsse sicherstellen. Der Betrieb der Kindertagesstätte "H." sollte deshalb im Wege der freihändigen Vergabe mit vorgeschaltetem Interessebekundungsverfahren ausgeschrieben werden. Mit dem künftigen Betreiber soll ein im Entwurf bereits vorliegender Überlassungsvertrag abgeschlossen werden, der einen Festkostenzuschuss zu den Betriebskosten enthält.

Am 01.02.2013 schrieb die Antragsgegnerin die Vergabe der Trägerschaft für die Betriebsführung einer Kindertagesstätte in der Stadt Springe im Rahmen eines sogen. Interessenbekundungsverfahrens aus. Einige freie Träger der Jugendhilfe sprach sie gezielt auf die Teilnahme am Interessenbekundungsverfahren an.

Bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist am 15.03.2013 waren bei der Antragsgegnerin fünf Angebote eingegangen. Zwei Bewerbern teilte die Antragsgegnerin mit, dass ihre Angebote nicht berücksichtigt werden könnten. Die drei übrigen Anbieter, zu denen die Antragstellerin und die Beigeladene gehören, erhielten Gelegenheit, ihr pädagogisches Konzept in der Sitzung des Jugend-, Sozial- und Gleichstellungsausschusses am 22.05.2013 vorzustellen. Die jeweiligen Finanzpläne stellten die Bewerber in der nicht öffentlichen Sitzung des Verwaltungsausschusses am 30.05.2013 vor.

Mit der Drucksache Nr. J. empfahl die Verwaltung der Antragsgegnerin dem Verwaltungsausschuss, die Vergabe der Betriebsträgerschaft der Kindertagesstätte "H." an die Beigeladene zu beschließen. In seiner Sitzung am 13.06.2013 beschloss der Verwaltungsausschuss entsprechend dieser Vorlage. Dies wurde am 14.06.2013 sowohl der Antragstellerin als auch der Beigeladenen mitgeteilt. Die Antragstellerin erhob daraufhin mit E-Mail vom 14.06.2013 und nochmals mit Schreiben vom 19.06.2013 Einspruch gegen die Vergabe der Betriebsträgerschaft an die Beigeladene. Die Antragsgegnerin teilte den Beteiligten zugleich mit, dass mit einem Vertragsschluss nicht vor dem 15.07.2013 zu rechnen sei. Gründe für die Beschlussfassung seien pädagogischkonzeptionelle und wirtschaftliche Gesichtspunkte gewesen.

Mit Schreiben vom 27.06.2013 wandten sich auch mehrere Eltern gegen die Entscheidung des Verwaltungsausschusses. Sie machten geltend, sie seien an der Entscheidungsfindung nicht beteiligt worden und könnten ihr Wunsch- und Wahlrecht nicht ausüben. Die betroffenen Eltern leiteten ein Bürgerbegehren in die Wege und sammelten ca. 2000 Unterschriften gegen den Wechsel der Trägerschaft.

Am 08.07.2013 hat die Antragstellerin einen - ersten - Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und zugleich Klage erhoben.

Über die Klage ist noch nicht entschieden. Im Eilverfahren K. hat die Berichterstatterin am 03.09.2013 einen Erörterungstermin durchgeführt. Nachdem sie deutlich gemacht hatte, dass die Überlassung von Räumlichkeiten für den Betrieb einer Kita nach Auffassung des Gerichts eine Förderung der freien Jugendhilfe im Sinne des § 74 SGB VIII darstellt und deshalb die Vorschriften des SGB VIII Anwendung finden, mithin über die Vergabe der Trägerschaft einer Kindertagesstätte der Jugendhilfeausschuss hätte entscheiden müssen, verpflichtete sich die Antragsgegnerin, vor dem Abschluss eines Betreibervertrages für die Kita "H." zunächst ihren Jugendhilfeausschuss mit der Angelegenheit zu befassen und dort eine abschließende Entscheidung herbeizuführen. In der Sitzungsniederschrift ist dazu festgehalten:

"Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, vor dem Abschluss eines Betreibervertrages für die Kita H. zunächst ihren Jugendhilfeausschuss damit zu befassen und dort eine abschließende Entscheidung herbeizuführen. Die bisherige Auswahlentscheidung ist damit obsolet. Der Jugendhilfeausschuss soll seine Entscheidung auf der Grundlage der bisherigen Angebote abgeben. Er wird darüber informiert, dass seitens der Kirche in Aussicht genommen ist, den ev.-luth. Kindertagesstättenverband zu gründen und so durch Synergieeffekte möglicherweise weitere Einsparungen zu erzielen sind. Die Vertreter der drei Träger sollen, wie bereits im Verwaltungsausschuss, die Gelegenheit erhalten, ihre bereits angebotenen Konzepte vorzutragen."

Zuvor war mit den Beteiligten ausführlich erörtert worden, welche Gesichtspunkte im Rahmen der nach § 74 Abs. 3 SGB VIII zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen wären. Ausdrücklich hatte die Berichterstatterin auch auf § 74 Abs. 4 SGB VIII hingewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 03.09.2013 Bezug genommen.

Das Verfahren K. ist daraufhin durch Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen beendet worden.

Am 27.11.2013 fand - nachdem sich der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin in seinen Sitzungen vom 12.09.2013 und 24.10.2013 nochmals mit der Angelegenheit befasst hatte - die 6. Sitzung des Jugendhilfe-, Sozial- und Gleichstellungsausschusses der Antragsgegnerin statt. In der für diese Sitzung erstellten Drucksache Nr. L. vom 13.11.2013, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, heißt es, entgegen der bisherigen Auffassung der Stadt handele es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht um die Vergabe einer Trägerschaft im Sinne einer Konzessionsvergabe, sondern um eine Entscheidung über die Förderung der freien Jugendhilfe nach § 74 SGB VIII. Die Bieter hätten einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Kirche habe ihre durch Synergieeeffekte entstehende Einsparung mittlerweile mit 27.500 EUR beziffert. Weiter heißt es wörtlich:

"Die vorgegebene Ermessensausübung räumt einen Entscheidungsspielraum ein. Dabei sind neben der Beurteilung des pädagogischen Konzepts auch z.B. das Vorliegen eines Qualitätsmanagements, das Finanzkonzept und damit die Berücksichtigung eines angemessenen Eigenanteils und ähnliches zu berücksichtigen."

Zu der Sitzung am 27.11.2013 waren auch die Antragstellerin und die Beigeladene geladen. Sie stellten dort ihr Finanzkonzept vor. Die Elterninitiative "H." überreichte dem Vorsitzenden des Ausschusses 1789 Unterschriften von wahlberechtigten Einwohnern der Antragsgegnerin, die sich für einen Verbleib der Trägerschaft bei der Antragstellerin aussprechen. Schließlich stimmte der Jugendhilfeausschusses mehrheitlich für die Vergabe der Trägerschaft der Kita "H." an die Beigeladene. Wegen der Einzelheiten zum Ablauf und zum Ergebnis dieser Sitzung wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen, welches in dem dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgang enthalten ist.

Am 06.12.2013 hat die Antragstellerin erneut um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.

Sie macht geltend, die Entscheidung des Jugendhilfeausschusses sei ermessensfehlerhaft. Sie sei in einer Weise dokumentiert worden, die der Rechtskontrolle nicht zugänglich sei. Außerdem sei die Verfahrensakte unvollständig. Für die rechtliche Bewertung wesentliche Teile fehlten oder seien bewusst weggelassen worden. Der der Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt sei nicht hinreichend ermittelt worden. Es liege ein Ermessensausfall vor, denn eine Abwägungsentscheidung im Sinne einer sachgerechten Ermessensausübung habe nicht stattgefunden. In der Sitzung seien lediglich die Finanzkonzepte vorgestellt worden, dann seien einige Fragen gestellt worden und es sei abgestimmt worden. Selbst wenn man davon ausginge, dass Ermessen ausgeübt worden sei, so beruhe der Auswahlprozess jedenfalls auf sachfremden Erwägungen. Außerdem bestehe die Besorgnis, dass der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses nicht die geforderte Neutralität besessen und dies Einfluss auf das Abstimmungsergebnis gehabt habe. Schließlich erfülle die Beigeladene die Fördervoraussetzungen nicht. Sie verfüge über keine Anerkennung nach § 75 SGB VIII.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, der Beigeladenen oder einem anderen Träger die Betriebsträgerschaft der Kindertagesstätte "H." in I. zu übertragen und den in Aussicht genommenen Betriebsführungsvertrag abzuschließen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen jeweils,

den Antrag abzulehnen.

Sie erwidern: Die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses hätten im Anschluss an die eingehenden Vorstellungen der Bewerber Gelegenheit gehabt, Fragen bezüglich der Bezahlung der Mitarbeiter, der Urlaubsvertretung und der Fortbildungsmöglichkeiten zu stellen. Sie hätten von ihrem Fragerecht Gebrauch gemacht und sich umfassend informieren können. Bei der Förderung von Maßnahmen nach § 74 SGB VIII habe der Jugendhilfeträger ein voll überprüfbares Ermessen. Andererseits sei er mit einem "bestandsfesten Beschlussrecht" ausgestattet. Der Jugendhilfeausschuss sei ein "Fachgremium", dem ein "Beurteilungsspielraum" zuzubilligen sei. Seine Bewertung habe bei Ermessensentscheidungen ein besonderes Gericht. Die richterliche Kontrolldichte sei deshalb darauf beschränkt, ob das Verfahren eingehalten worden sei, ob dem Jugendhilfeausschuss ausreichende Informationszugangsmöglichkeiten vermittelt worden seien und ob er die Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten habe. Solche "äußeren Fehler" seien nicht erkennbar. Pädagogische Konzeption, Mitarbeiterinnenmotivation, Umfang der Elternarbeit und Fortbildungsangebote seien einer vergleichenden Bewertung nicht zugänglich. Handfest seien lediglich die "nackten Zahlen", nämlich die Höhe des zu erwartenden Betriebskostenzuschusses durch die Antragsgegnerin. Hier habe die Beigeladene auch am Ende mit dem niedrigsten Defizitbetrag eindeutig vorn gelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin haben dem Gericht teilweise vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II

Der erkennbar auf den Erlass einer Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gerichtete Antrag hat Erfolg.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund nach § 123 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, mit der Beigeladenen einen Betreibervertrag für die Kita "H." in I. abzuschließen und hat hiervon allein im Hinblick auf das Eilverfahren vorläufig Abstand genommen.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 i.V.m. § 920 Abs. 2, 294 ZPO). Zu den Rechten im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO gehört auch der von einem Bewerber geltend gemachte Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung und Teilhabe am Bewerbungsverfahren um die Vergabe der Trägerschaft einer Kindertagesstätte. Inhalt dieses im Beamtenrecht entwickelten sog. Bewerbungsverfahrensanspruchs ist das Recht auf eine faire, chancengleiche Behandlung mit fehlerfreier Ermessensausübung unter Einhaltung des vorgeschriebenen Verfahrens (vgl. dazu Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl., § 74 Rdnr. 45; VG Frankfurt, Beschl. vom 06.10.1988 - VII G 2077.88 - , RsDE 9, 76 ff.).

Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sieht es die Kammer als überwiegend wahrscheinlich an, dass die von der Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung rechtsfehlerhaft ist. Die Antragsgegnerin hat den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin nicht hinreichend beachtet.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beigeladene offenbar bislang nicht als Träger der öffentlichen Jugendhilfe anerkannt worden ist.

Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII setzt eine auf Dauer angelegte Förderung in der Regel die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe nach § 75 SGB VIII voraus. Hier handelt es sich um eine auf Dauer angelegte Förderung. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Entwurf des Überlassungsvertrages. Danach soll der Vertrag über die Überlassung der Räumlichkeiten (§ 5) und die damit verbundene Förderung (§ 6) auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich das von der Antragsgegnerin in Gang gesetzte sogen. "Interessenbekundungsverfahren" ausdrücklich an Träger wendet, die eine Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe haben, so dass der Betreibervertrag hier nur mit einem anerkannten Träger der freien Jugendhilfe abgeschlossen werden kann.

Dabei lässt das Gericht offen, ob die Beigeladene im Hinblick auf den Beschluss des OVG Lüneburg vom 13.03.2006 ( - 4 ME 1/06 - , [...]) überhaupt unter den Begriff des Trägers der freien Jugendhilfe fallen kann, was angesichts dieser Rechtsprechung durchaus in Frage gestellt werden kann.

Jedenfalls müsste die nach der Abspaltung von der M. entstandene, mittlerweile im Handelsregister eingetragene und damit rechtlich selbständige Beigeladene selbst anerkannter Träger der freien Jugendhilfe sein, wenn sie einen Überlassungsvertrag mit der Antragsgegnerin abschließen will. Auf die von der Region Hannover am 13.12.2011 ausgesprochene Anerkennung der M. als freier Träger der Jugendhilfe kann sich die Beigeladene nicht berufen. Sie geht auch selbst davon aus, dass es einer erneuten Anerkennung bedarf. Die Frage, ob die Beigeladene die Fördervoraussetzung des § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII erfüllt, ist bereits im Erörterungstermin am 03.09.2013 angesprochen worden. Dort hatte der Vertreter der Beigeladenen das an die M. gerichtete Schreiben der Region Hannover vom 13.12.2011 vorgelegt und erklärt, die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe solle auf die Beigeladene erweitert werden.

Das ist aber bislang offenbar nicht geschehen. Jedenfalls ist die Antragsgegnerin dem Vortrag der Antragstellerin insoweit nicht entgegengetreten.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin geht das Gericht allerdings davon aus, dass eine Anerkennung der Beigeladenen nach § 75 SGB VIII hier nicht durch das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie erfolgen müsste. Nach § 14 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum KJHG ist das örtliche Jugendamt für die Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe zuständig, wenn der Wirkungskreis des Trägers nicht wesentlich über den Zuständigkeitsbereich des Jugendamtes hinausreicht. Das örtliche Jugendamt ist hier seit dem 01.01.2014 das Jugendamt der Region Hannover, nachdem die Antragsgegnerin ihr Jugendamt "abgegeben hat" und die örtliche Trägerschaft für ihren Bereich wieder auf die Region Hannover übergegangen ist (vgl. Gemeinsames Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover N.). Die Beigeladene, die bereits Einrichtungen in Neustadt am Rübenberge und in Gehrden betreibt, will hier - soweit ersichtlich - lediglich zusätzlich in Springe tätig werden. Alle genannten Gemeinden gehören zur Region Hannover.

Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin ist aber auch deshalb verletzt, weil äußerst zweifelhaft ist, ob der Jugendhilfeausschuss der Antragsgegnerin am 27.11.2013 überhaupt eine an § 74 Abs. 3 SGB VIII orientierte Ermessensentscheidung getroffen hat.

Dabei folgt das Gericht allerdings nicht der Auffassung der Antragstellerin, die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung ergebe sich bereits daraus, dass die Entscheidung unzureichend dokumentiert worden sei. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes bei Auswahlentscheidungen gebietet, dass die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich in der Verfahrensakte niedergelegt werden müssen, beruht darauf, dass es dort um den Zugang zu öffentlichen Ämtern und damit um das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG ging. Diese Grundsätze sind aus Sicht der Kammer hier nicht ohne weiteres übertragbar. Sie sieht es eher als Obliegenheit des Jugendhilfeausschusses an, die Gründe seiner Entscheidung zu dokumentieren.

Aus den der Kammer übersandten Verwaltungsvorgängen lässt sich nicht nachvollziehen, ob im Jugendhilfeausschuss tatsächlich eine Ermessensentscheidung über die Vergabe der Kita "H." stattgefunden hat. Das - auch nur in Auszügen im Verwaltungsvorgang enthaltene - Protokoll der Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 27.11.2013 lässt bereits nicht eindeutig erkennen, welche Gesichtspunkte überhaupt maßgebend für die Entscheidung waren, der Beigeladenen die Trägerschaft für die Kita "H." zu übertragen.

Nach dem Inhalt des Protokolls erhielten die Vertreter der drei Bewerber, nachdem die Unterschriften der Elterninitiative überreicht worden waren, Gelegenheit, ihr Finanzkonzept vorzustellen. Danach wurden verschiedene Fragen gestellt. Schließlich hat ein Ausschussmitglied zu bedenken gegeben, dass die Entscheidung nicht vorrangig von der finanziellen Seite betrachtet werden könne. Die Unterschiede lägen eher auf der konzeptionellen Seite. Diese Aussage soll nach dem Protokoll bei der Mehrheit der Ausschussmitglieder Zustimmung erfahren haben. Ein weiteres Mitglied des Ausschusses hat darauf hingewiesen, dass die Kirche eine lange Beziehung zu Springe hat und über Jahre ein Netzwerk aufgebaut habe. Danach wurde bereits abgestimmt.

Dass dieser Abstimmung tatsächlich eine Auswahlentscheidung aufgrund von umfassenden und ernsthaften Abwägungen vorangegangen ist, lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Es spricht viel dafür, dass im Wesentlichen nur eine neue Abstimmung auf der Basis einer bereits vor der Sitzung im Wesentlichen abgeschlossenen Willensbildung durchgeführt worden ist.

Zweifel daran, dass der Jugendhilfeausschuss eine originäre Ermessensscheidung getroffen hat, ergeben sich auch aus den von der Antragstellerin beschriebenen Äußerungen des Ausschussvorsitzenden einer Mitarbeiterin der Antragstellerin gegenüber, wonach die Entscheidung vom 27.11.2013 mit der Verwaltung der Antragsgegnerin und den dem Rat angehörenden Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses vorbesprochen und vorentschieden worden sei. Diesem Vortrag ist die Antragsgegnerin in ihrer Erwiderung nicht entgegengetreten, so dass das Gericht für die Entscheidung im Eilverfahren davon ausgehen muss, dass dieser Vortrag zutrifft.

Selbst wenn man entgegen dieser Einschätzung davon ausgeht, dass der Jugendhilfeausschuss in seiner Sitzung am 27.11.2013 eine Ermessensentscheidung getroffen hat, so wäre eine solche Ermessensentscheidung fehlerhaft und verletzte deshalb den Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin, weil für die Entscheidung offenbar wesentliche Gesichtspunkte keine Berücksichtigung gefunden haben. So hat der Jugendhilfeausschuss weder den Umstand in seine Entscheidung eingestellt, dass die Antragstellerin die Kita "H." bereits über Jahre betreibt, noch den Umstand, dass sich viele Eltern für den Verbleib bei der Antragstellerin stark gemacht haben und keinen Trägerwechsel wünschen. Dem Protokoll der Sitzung vom 27.11.2013 kann allenfalls entnommen werden, dass eher konzeptionelle als finanzielle Gründe für das Ergebnis der Abstimmung maßgeblich waren, wobei der Vortrag der Antragsgegnerin und der Beigeladenen in diesem Verfahren demgegenüber allerdings den finanziellen Aspekt als Abwägungskriterium in den Vordergrund rückt. Die oben genannten Ermessensgesichtspunkte sind aber offenbar unberücksichtigt geblieben oder zumindest nicht gewichtet worden, obwohl im Erörterungstermin am 03.09.2013 ausführlich darüber gesprochen worden ist, welche Gesichtspunkte der Jugendhilfeausschuss in eine nach § 74 Abs. 3 SGB VIII zu treffende Ermessensentscheidung einzustellen hat. Ausweislich des Protokolls dieses Erörterungstermins hat die Berichterstatterin - neben dem Hinweis, dass möglicherweise der Umstand, dass die Antragstellerin die Kita "H." über 23 Jahre lang offenbar unbeanstandet geführt hat, in die Ermessensentscheidung eingestellt werden müsse - ausdrücklich auf § 74 Abs. 4 SGB VIII hingewiesen. Nach dieser Vorschrift muss bei sonst gleich geeigneten Maßnahmen solchen der Vorzug gegeben werden, die stärker an den Interessen der Betroffenen orientiert sind. Sie hat deutlich gemacht, dass auch das VG Osnabrück in seiner Entscheidung vom 11.12.2003 - 6 B 41/03, -([...]) - in einem vergleichbaren Fall ausgeführt hat, die Auswahlentscheidung sei nach Maßgabe dieser Vorschrift vorzugsweise an den Interessen der betroffenen Eltern zu orientieren, deren Wunsch- und Wahlrecht betroffen sei.

In der Drucksache Nr. L. sind diese Gesichtspunkte nicht aufgeführt worden. Sie gibt den Inhalt und das Ergebnis des Erörterungstermins weder vollständig noch zutreffend wieder. Da das Protokoll des Erörterungstermins den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses nach dem Inhalt des Verwaltungsvorganges auch nicht in anderer Weise zugänglich gemacht worden ist, muss das Gericht deshalb davon ausgehen, dass die Ausschussmitglieder nicht auf die oben genannten Ermessensgesichtspunkte hingewiesen worden sind und diese deshalb auch keine Berücksichtigung haben finden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.

Merz-Bender
Niederau-Frey
Lange