Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.10.2009, Az.: 11 LA 189/09
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.10.2009
- Aktenzeichen
- 11 LA 189/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 45287
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:1008.11LA189.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 19.02.2009 - AZ: 4 A 49/07
Rechtsgrundlagen
- 55 I AsylVfG
- 55 III AsylVfG
- 31 I 1 Nr 1 AufenthG
- 81 III AufenthG
Amtlicher Leitsatz
§ 55 Abs. 3 AsylVfG ist auch auf die Fiktion eines rechtmäßigen Aufenthalts nach § 81 Abs. 3 AufenthG (§ 69 Abs. 3 AuslG) anwendbar. Für das fiktive Aufenthaltsrecht ist die Zeit der Aufenthaltsgestaltung daher nur nach unanfechtbarer Anerkennung als Asylberechtigter anrechnungsfähig. Aus dem Entscheidungstext
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil hat keinen Erfolg.
Der 1962 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 5. April 2004 in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 2. August 2004 ab.
Am 11. Oktober 2004 heiratete der Kläger die 1982 geborene deutsche Staatsangehörige A.B. und beantragte am 8. Dezember 2004 bei dem Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Weil sein Pass nicht aufgefunden werden konnte, wurden dem Kläger zunächst Fiktionsbescheinigungen, zuerst am 11. Februar 2005, ausgestellt. Nachdem der Reisepass wieder "aufgetaucht" war, erteilte der Beklagte dem Kläger am 10. März 2005 auf der Grundlage des § 28 AufenthG eine bis zum 3. März 2006 befristete Aufenthaltserlaubnis. Seine Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 2. August 2004 hatte der Kläger bereits am 4. Januar 2005 zurückgenommen.
Am 2. März 2006 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. In der Folgezeit führte der Beklagte Ermittlungen wegen des Verdachts der Scheinehe durch. Am 14. Dezember 2006 rief Frau B. die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten aus den Räumen des sozialpsychiatrischen Dienstes an und teilte mit, dass sie mit dem Kläger eine Scheinehe eingegangen sei. Sie habe kein Geld für die Eheschließung erhalten, sondern aus sozialen Gründen gehandelt. Sie werde am 20. Dezember 2006 eine Therapie wegen ihres Suchtproblems beginnen und wolle vorher reinen Tisch machen. Noch am selben Tag zeigte sich Frau B. selbst bei der Polizei an. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2006 lehnte der Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab, wies ihn aus der Bundesrepublik Deutschland aus und forderte ihn unter Fristsetzung und Androhung der Abschiebung in die Türkei auf, das Bundesgebiet zu verlassen. Dagegen hat der Kläger am 11. Januar 2007 Klage erhoben.
Der Kläger ist durch Strafbefehl des Amtsgerichtes Oldenburg vom 5. September 2007 wegen zweier Vergehen nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG - unrichtige Angaben zur Erlangung eines Aufenthaltstitels - zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt worden. Gegen diesen Strafbefehl hat der Kläger Einspruch eingelegt. Im Rahmen der Hauptverhandlung - am 6. März 2008 - ist Frau B. als Zeugin vernommen worden. Im Anschluss daran haben der Kläger und seine Prozessbevollmächtigte erklärt, dass der Einspruch gegen den Strafbefehl aus prozessökonomischen Gründen zurückgenommen, der Tatvorwurf jedoch nicht eingeräumt werde. Der gegen den Kläger erlassene Strafbefehl vom 5. September 2007 ist seit dem 6. März 2008 rechtskräftig.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die von dem Kläger erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ihm kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zustehe, weil die Ehe, selbst wenn er mit Frau B. überhaupt in ehelicher Gemeinschaft gelebt habe, jedenfalls nicht zwei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe. Da die Fiktionswirkung nicht eintrete, wenn während eines laufenden Asylverfahrens erstmals eine Aufenthaltserlaubnis beantragt werde, habe sich der Kläger während der Ehebestandszeit (längstens 11. Oktober 2004 bis 13. Dezember 2006) rechtmäßig allenfalls in der Zeit vom 4. Januar 2005 (Rücknahme der Klage im Asylverfahren) bis zum 13. Dezember 2006 und damit keine zwei Jahre aufgehalten. Die Ausweisung des Klägers sei ebenfalls rechtmäßig, weil dieser aufgrund seiner unrichtigen Angaben zur Erlangung des Aufenthaltstitels wiederholt gegen § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verstoßen und dadurch den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt habe.
1. Die dagegen vom Kläger geltend gemachten Gründe sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufzuzeigen.
Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis war. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich der Begriff "rechtmäßig" auf den Aufenthalt beider Ehegatten in Deutschland und nicht auf die Ehe, deren Rechtsgültigkeit vorausgesetzt wird. Der Aufenthalt muss daher während der Mindestbestandszeit der Ehe durch eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Erlaubnis- oder Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4 AufenthG (bzw. bis zum 31.12.2004 einer Fiktion nach § 69 Abs. 2 oder Abs. 3 AuslG) gesichert gewesen sein (vgl. Marx, in: GK-AufenthG; Stand: Juni 2009, § 31 Rn. 86, 88 m.w.N.).
Soweit der Kläger geltend gemacht hat, zu den Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts seien wegen der durch seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgelösten Fiktionswirkung bereits die Zeiten ab Antragstellung am 8. Dezember 2004 zu zählen, so dass, da die Trennung von seiner Ehefrau am 13. Dezember 2006 erfolgt sei, von einem zweijährigen rechtmäßigen Aufenthalt auszugehen sei, führt dies nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag des Klägers vom 8. Dezember 2004, wie das Verwaltungsgericht meint, die fiktiven Wirkungen nach den zum damaligen Zeitpunkt geltenden Regelungen des § 69 Abs. 2 und Abs. 3 AuslG schon gar nicht auslösen konnte, weil der Kläger bis zur Rücknahme seiner Asylklage am 4. Januar 2005 die Rechtsstellung eines Asylbewerbers innehatte.
Dafür, dass ein während des laufenden Asylverfahrens gestellter erstmaliger Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4 AufenthG bzw. nach § 69 Abs. 2 oder Abs. 3 AuslG nicht auslöst, könnten Sinn und Zweck des § 55 Abs. 2 AsylVfG und der systematische Zusammenhang mit § 43 Abs. 2 AsylVfG sprechen. Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG erlöschen mit der Stellung eines Asylantrages eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels und ein Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer bis zu sechs Monaten sowie die Fiktionswirkungen nach § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG. § 81 Abs. 4 AufenthG bleibt unberührt, wenn der Ausländer einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten besessen und dessen Verlängerung beantragt hat (§ 55 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Wenn der Ausländer erst nach Stellung des Asylantrages erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis beantragt, könnte aus § 55 Abs. 2 AsylVfG geschlossen werden, dass dann die mit einer aufenthaltsrechtlichen Antragstellung verbundenen Fiktionswirkungen gleichfalls nicht eintreten sollen. Dies ergibt sich auch aus dem Zusammenhang mit § 43 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG, wonach Ausländern nach erfolglosem Asylverfahren für die Dauer eines auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels gerichteten Verfahrens kein fiktives Bleiberecht nach § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG zusteht. Mit diesen Regelungen soll grundsätzlich verhindert werden, dass erfolglose Asylbewerber nach Abschluss ihres Asylverfahrens ihren Aufenthalt in Deutschland durch ein Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels verlängern. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht verständlich, wenn lediglich im Zeitpunkt der Asylantragstellung bestehende Fiktionswirkungen erlöschen würden, einem danach gestellten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aber eine Fiktionswirkung zukäme (Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: Juni 2009, § 43 Rn. 11; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl.v. 17.3.2009 - 18 E 311/09 -; VG Gelsenkirchen, Beschl.v. 26.11.2007 - 9 L 1115/07 -; a.A. Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 81 Rn. 26). Diese Frage kann im vorliegenden Fall jedoch offen bleiben, weil die Aufenthaltsdauer während des Asylverfahrens bereits aus anderen Gründen nicht auf die Ehebestandszeit angerechnet werden kann.
Nach § 55 Abs. 3 AsylVfG wird, soweit der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Begünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist, die Zeit eines Aufenthalts nach § 55 Abs. 1 AsylVfG nur angerechnet, wenn der Ausländer unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt oder ihm unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist. Diese Regelung erfasst alle Sachbereiche, bei denen es auf eine bestimmte Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet ankommt und damit auch § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Der Kläger war während der Durchführung seines Asylverfahrens bis zur Rücknahme der Asylklage am 4. Januar 2005 (lediglich) im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG. Eine asylverfahrensunabhängige Aufenthaltserlaubnis besaß er in der fraglichen Zeit noch nicht. Da er nicht als Asylberechtigter anerkannt worden ist, kann die Aufenthaltsdauer während des Asylverfahrens nicht im Rahmen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG Berücksichtigung finden. Dies gilt gleichermaßen für den Aufenthalt ab Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 8. Dezember 2004. Da § 55 Abs. 3 AsylVfG auch die Ausübung von Begünstigungen erfasst, für die es auf eine bestimmte Dauer des Aufenthalts ankommt, ist die Vorschrift auf die Fiktion eines rechtmäßigen Aufenthalts nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG ebenfalls anwendbar. Auch für das fiktive Aufenthaltsrecht nach § 69 Abs. 3 AuslG bzw. § 81 Abs. 3 AufenthG ist die Zeit der Aufenthaltsgestattung daher nur nach unanfechtbarer Anerkennung als Asylberechtigter anrechnungsfähig (Hailbronner, a.a.O., § 55 AsylVfG Rn. 38, § 81 AufenthG Rn. 12; Renner, a.a.O., § 55 AsylVfG Rn. 18; OVG Sachsen, Beschl.v. 18.11.2003 - 3 BS 430/02 -, AuAS 2004, 108).
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht seine Auffassung, dass dem Kläger kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zustehe, selbständig tragend auch darauf gestützt, dass dem der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG entgegen stehe, wonach einem ausgewiesenen Ausländer auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem AufenthG kein Aufenthaltstitel gewährt wird. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, es sei nicht zutreffend, dass ein Ausweisungsgrund vorliege, weil bei Erlass des angefochtenen Bescheides das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei und das Verwaltungsgericht keine eigenen Feststellungen getroffen habe, führt dies nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Es ist nicht ersichtlich, dass dem Verwaltungsgericht Fehler bei der Sachverhaltsermittlung unterlaufen sind. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen richterlichen Überzeugungsbildung gehört es, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden (vgl. BVerwG, Beschl.v. 10.12.2003 - BVerwG 8 B 154.03 -, NVwZ 2004, 627 [BVerwG 10.12.2003 - 8 B 154.03]). Das Verwaltungsgericht ist frei, welcher Beweismittel es sich zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bedienen will (vgl. § 96 Abs. 1 VwGO). Es bestimmt daher grundsätzlich den Umfang der Beweisaufnahme und die Art der Beweismittel nach seinem Ermessen. Insbesondere darf das Gericht die Feststellung entscheidungserheblicher Tatsachen auf den Inhalt beigezogener Akten stützen (vgl. § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, § 99 Abs. 1 VwGO, § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; BVerwG, Beschl.v. 29.10.1998 - BVerwG 1 B 103.98 -, Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 42). Zu den zu berücksichtigenden Erkenntnismitteln gehören auch die Akten eines durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 16. Januar 1991 (- 1 BvR 1326/90 -, NJW 1991, 1530, 1532) entschieden, den Verwaltungsbehörden und Gerichten sei es nicht verwehrt, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sich daraus hinreichende Grundlagen für einen belastenden Verwaltungsakt ergeben.
Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung des rechtskräftigen Strafbefehls und der sich aus den beigezogenen Strafakten ergebenden Erkenntnisse zu dem Schluss gekommen ist, dass der Kläger wiederholt gegen § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verstoßen hat, indem er unrichtige Angaben zur Erlangung eines Aufenthaltstitels gemacht hat. Dabei hat das Verwaltungsgericht zu Recht auch zu Lasten des Klägers gewertet, dass dieser seinen Einspruch gegen den Strafbefehl vom 5. September 2007 nach der Aussage von Frau B. in der Hauptverhandlung am 6. März 2008 zurückgenommen hat.
2. Soweit der Kläger außerdem vorgetragen hat, das Verwaltungsgericht hätte die zum Termin nicht erschienene Zeugin vernehmen müssen und die von dem Verwaltungsgericht erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerte Rechtsauffassung zur fehlenden zweijährigen rechtmäßigen Ehebestandszeit sei völlig überraschend gewesen, bei einem rechtzeitigen Hinweis hätte er möglicherweise noch Härtegründe im Sinne des § 31 Abs. 2 AufenthG geltend machen können, hat er der Sache nach eine Verfahrensrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO erhoben. Unabhängig davon, ob dieser Zulassungsgrund, den der Kläger nicht ausdrücklich benannt hat, hinreichend dargelegt worden ist, liegt ein Verfahrensfehler jedenfalls nicht vor.
Der Kläger sieht sinngemäß einen Gehörsverstoß (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO) bzw. eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) darin, dass das Verwaltungsgericht zur Sache entschieden habe, ohne die zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladene, aber nicht erschienene Zeugin Frau B. zu der streitigen Frage des Bestehens einer sogenannten Scheinehe als Zeugin zu vernehmen. Auf diese Verfahrensmängel kann sich der Kläger aber nicht mit Erfolg berufen, weil er insoweit das Rügerecht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 295 Abs. 1 und 534 ZPO verloren hat (vgl. Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 124 Rn. 64; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 124 Rn. 13).
Im Hinblick auf die unterlassene Vernehmung von Zeugen ist darauf hinzuweisen, dass ein Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht gegen seine Aufklärungspflicht verstößt, wenn ein anwaltlich vertretener Kläger von einem Beweisantrag absieht (vgl. Bader u.a., a.a.O., § 124 Rn. 67 und Kopp/Schenke, a.a.O., § 124 Rn. 13, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers keinen förmlichen Beweisantrag auf Vernehmung von Zeugen gestellt. Der Kläger hat auch im Zulassungsverfahren nicht substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen sich dem Verwaltungsgericht ohne entsprechenden förmlichen Beweisantrag - Beweisangebote in den vorbereitenden Schriftsätzen reichen nicht aus (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 86 Rn. 19) - weitere Sachverhaltsermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschl.v. 19.8.1997 - BVerwG 7 B 261.97 -, DÖV 1998, 117 [BVerwG 19.08.1997 - 7 B 261/97]).
Letztlich greift der Kläger mit seinen Einwänden die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht an, so dass sein Vorbringen auch auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO abzielt. Beide Zulassungsgründe überschneiden sich partiell und schließen sich nicht gegenseitig aus (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 124 Rnr. 7 und § 124a Rnr. 50). Unter den in der Antragsschrift dargelegten Aspekten bestehen aber, wie unter 1. ausgeführt worden ist, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.
Es liegt auch keine Überraschungsentscheidung unter Verletzung der §§ 86 Abs. 3, 104 Abs. 1 VwGO vor, die zur Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen den Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs führen kann.
Als unzulässiges "Überraschungsurteil" stellt sich eine Entscheidung nur dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchten (st. Rspr., vgl. BVerwG, Beschl.v. 2.1.2008 - BVerwG 3 B 37.07 -; Urt.v. 10.4.1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235 und Beschl.v. 23.12.1991 - BVerwG 5 B 80.91 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241). Dies ist hier nicht der Fall gewesen. Wie der die Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst vorgetragen hat, hat das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung seine Rechtsauffassung zur fehlenden zweijährigen rechtmäßigen Ehebestandszeit ausdrücklich zum Gegenstand der Erörterung gemacht. Wenn sie sich in der mündlichen Verhandlung dazu nicht hätte ausreichend äußern können, hätte es ihr oblegen, einen Vertagungsantrag zu stellen oder Schriftsatznachlass zu beantragen. Von diesen Möglichkeiten hat sie jedoch keinen Gebrauch gemacht, so dass ein Gehörsverstoß nicht in Betracht kommt.