Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.08.2003, Az.: 13 W 65/03

Zulässigkeit der Zurückforderung des unter Sittenverstoß oder Gesetzesverstoß Geleisteten durch den Konkursverwalter (Insolvenzverwalter); Ausschluss eines Rückübertragungsanspruchs nach der Insolvenzordnung (InsO) wegen Sittenwidrigkeit des Veräußerungsgeschäfts; Aussetzung des Insolvenzverfahrens wegen der Notwendigkeit des Abwartens des Ausgangs eines Rechtsstreits

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.08.2003
Aktenzeichen
13 W 65/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 32476
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:0814.13W65.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 11.06.2003 - AZ: 9 O 5104/01

Fundstelle

  • ZInsO 2003, 803-804 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Vermögen des Herz- und Kreislaufzentrum ...

In dem Beschwerdeverfahren
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde des Klägers
vom 30. Juni 2003
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Knoke sowie
der Richter am Oberlandesgericht Wiese und Dr. Busse
am 14. August 2003
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 11. Juni 2003 wird aufgehoben.

Den Rechtsstreit wegen des anhängigen Ermittlungsverfahren 113 Js 55720/02 - Staatsanwaltschaft Dresden - nach § 149 ZPO auszusetzen, kommt nicht in Betracht.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Beschwerdewert: bis zu 85.000 EUR

Gründe

1

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 11 Juni 2003 ist zulässig. Sie ist auch begründet

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I.

Die Begründung der angefochtene Entscheidung lässt erkennen, dass das Landgericht das ihm gemäß § 149 ZPO zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat Dem Beschluss liegt nämlich im entscheidenden Punkt eine unzutreffende Rechtsansicht zu Grunde. Das Landgericht ist der Auffassung, das Ergebnis des bei der Staatsanwaltschaft Dresden geführten Ermittlungsverfahren könne wegen § 817 Satz 2 BGB zu einem Ausschluss des geltend gemachten Anspruchs aus § 134 InsO führen. Das ist unzutreffend.

3

Zwar hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung aufgegeben, nach der der Konkursverwalter das vom Gemeinschuldner unter Sitten- oder Gesetzesverstoß Geleistete trotz § 817 Satz 2 BGB zurückfordern könne. Er hat die Konkursgläubiger mithin bereicherungsrechtlich anderen Gläubigern gleich gestellt (vgl. NJW 1989, 580 ff.). Darauf kann die Aussetzung indessen nicht gestützt werden. Der Bundesgerichtshof hat nämlich werter ausgeführt, eine bessere als die Rechtspo8ition des Gemeinschuldners könne den Konkursgläubigern durch die Konkursanfechtung verschafft werden, sofern deren Voraussetzungen vorlägen. Mithin soll § 817 Satz 2 BGB einem Anspruch des klagenden Konkursverwalters gerade nicht entgegenstehen, sofern - wie hier primär geltend gemacht ~ die Voraussetzungen einer Konkursanfechtung vorliegen (vgl. NJW 1989, 580, 581 [BGH 07.12.1988 - IVb ZR 93/87] unter II.2.d.cc). Für den Insolvenzverwalter gilt nach Einführung der InsO nichts anders. Es kommt im vorliegenden Verfahren mithin nicht darauf an, ob sich in dem Ermittlungsverfahren Gesichtspunkte ergeben, welche die Voraussetzungen des §817 Satz 2 BGB erfüllen.

4

Weil nach derzeitigem Sachstand das Ermessen nur dahin ausgeübt werden kann, von einer Aussetzung abzusehen, kann der Senat dies selbst entscheiden. Denn es steht nicht zu erwarten, dass das Ermittlungsverfahren gegen Vorstandsmitglieder des Schuldners in absehbarer Zeit weitere Erkenntnisse für den vorliegenden Rechtsstreit erbringen wird. Derartige Gesichtspunkte hat das Landgericht jedenfalls nicht aufgezeigt. Sie sind auch nicht erkennbar.

5

Vielmehr steht vorliegend zu erwarten, dass das offenbar umfangreiche Ermittlungsverfahren sich auf unbestimmte Zeit hinziehen wird, zumal es zwischenzeitlich um einen Beschuldigten, den Beklagten, erweitert worden ist. Bei einer Aussetzung über einen längeren Zeitraum muss der Kläger zuwarten; die Abwicklung des gesamten Insolvenzverfahrens verzögert sich. Unter Umständen steht zu befürchten, dass die Verzögerung dazu führt, dass der- hier unterstellte ~ Anspruch gegen den Beklagten sich allein aufgrund des Zeitablaufs nicht realisieren lässt.

6

Hinzu kommt, dass die Einfügung des (neuen) § 149 Abs. 2 Satz 2 ZPO zeigt, dass der Verfahrensbeschleunigung nach dem Willen des Gesetzgebers erhöhte Bedeutung zukommen soll. Dies ist jedenfalls dann bei der Entscheidung über die Aussetzung des Rechtsstreits nach § 149 ZPO zu berücksichtigen, wenn zu erwarten steht, dass das Ermittlungsverfahren nebst anschließendem Strafverfahren einen Zeitraum in Anspruch nehmen wird, der ein Jahr übersteigt. So liegt der Fall hier.

7

II.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten der erfolgreichen sofortigen Beschwerden (also auch des Beschwerdeverfahrens 13 W 45/03) sind als Kosten des Rechtsstreits zu behandeln. Die Kostentragungspflicht insoweit richtet sich mithin nach der im Urteil zu treffenden Entscheidung.

8

Der Beschwerdewert bemisst sich gemäß § 3 ZPO am Interesse an der Entscheidung über die Aussetzung; dieses ist im Allgemeinen mit einem Drittel des Hauptsachewertes angemessen bewertet (vgl. nur Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 3 Rn, 24; Zöller/Herget, 23. Auflage, § 3 Rn. 16 - Stichwort Aussetzungsbeschluss). Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: bis zu 85.000 EUR

Dr. Knoke
Wiese
Dr. Busse