Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.04.2024, Az.: 2 Ws 74/24

Erledigterklärung einer aus Kapazitätsgründen nicht vollzogenen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei fehlender Therapieerfolgsaussicht; Führungsaufsicht bei fortbestehender Gefährlichkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
16.04.2024
Aktenzeichen
2 Ws 74/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 15048
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:0416.2WS74.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 16.01.2020 - AZ: 31 KLs 6021 Js 9851/18 (8/19)
LG Hannover - 12.03.2024 - AZ: 31 AR 2/23

Fundstellen

  • NJW 2024, 3392
  • NStZ-RR 2024, 259-261

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für Entscheidungen über die Anordnung des Vollzugs einer vor dem 01.10.2023 rechtskräftig angeordneten, auch drei Jahre nach Rechtskraft ihrer Anordnung aus Kapazitätsgründen nicht vollzogenen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 67c Abs. 2 StGB finden die aktuell gültigen Vorschriften des StGB Anwendung.

  2. 2.

    2.Sind keine tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Therapieerfolg gegeben, ist die Unterbringung analog § 67d Abs. 5 S. 1 StGB ohne vorherige Aufnahme des Verurteilten in der Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären und tritt bei fortbestehender Gefährlichkeit analog § 67d Abs. 5 S. 2 StGB Führungsaufsicht ein.

In der Strafvollstreckungssache
gegen R. A.,
geboren am ....,
wohnhaft ...,
Verteidiger: Rechtsanwalt Dr. N., H.,
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und die Richterin am Landgericht XXX am
16. April 2024 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der 1. großen Jugendkammer des Landgerichts Hannover vom 12.03.2024 (Az. 31 AR 2/23) aufgehoben.

  2. 2.

    Die mit Urteil des Landgerichts Hannover vom 16.01.2020 (Az. 31 KLs 6021 Js 9851/18 (8/19)) angeordnete Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt wird für erledigt erklärt.

  3. 3.

    Es wird festgestellt, dass mit der Erledigterklärung Führungsaufsicht eingetreten ist.

  4. 4.

    Die Dauer der Führungsaufsicht beträgt drei Jahre.

  5. 5.

    Der Verurteilte wird der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.

  6. 6.

    Die namentliche Benennung des zuständigen Bewährungshelfers, die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht sowie die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der Führungsaufsicht bleiben der 1. großen Jugendkammer des Landgerichts Hannover vorbehalten.

  7. 7.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahren trägt der Verurteilte.

Gründe

I.

Der Verurteilte wurde durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 16.01.2020 (Az.: 31 KLs 6021 Js 9851/18 (8/19)) wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 11 Fällen unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren 6 Monaten verurteilt. Zudem ordnete das Landgericht neben der Einziehung des Wertes des durch die Tat Erlangten seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Das Urteil ist hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs seit dem 06.11.2020 rechtskräftig. Der Verurteilte befand sich nach Rechtskraft des Urteils durchgehend auf freiem Fuß. Weder die Freiheitsstrafe noch die Unterbringung in der Entziehungsanstalt wurden bislang vollzogen; letztere nicht, weil für den Verurteilten als Selbststeller im Maßregelvollzug bislang kein Therapieplatz zur Verfügung stand.

Mit Beschluss vom 12.03.2024 ordnete das Landgericht, nachdem der Vollzug der Unterbringung mehr als drei Jahre nach ihrer Rechtskraft noch nicht begonnen hatte, gemäß § 67c Abs. 1 S. 3, S. 1 StGB den Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Zur Begründung führte die Kammer u. a. aus, dass im Rahmen der Prüfung des § 67c Abs. 2 StGB für die Frage der fortbestehenden Erfolgsaussichten im Sinne des § 64 S. 2 StGB eine hinreichende konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg ausreichend sei, es im vorliegenden Fall einer darüberhinausgehenden höhergradigen Wahrscheinlichkeit im Sinne der Erwartung aufgrund konkreter Tatsachen, wie sie § 64 S. 2 StGB i. d. F. vom 26.07.2023 fordere, bei verfassungskonformer Auslegung der §§ 67c Abs. 2, 67d Abs. 5 S. 1, 67e Abs. 1, Abs. 2 StGB nicht bedürfe.

Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft - nach Zustellung des Beschlusses am 19.03.2024 - mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 22.03.2024. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Generalstaatsanwaltschaft beantragen,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt mangels negativer Gefahrprognose und ausreichender Aussichten auf einen Behandlungserfolg für erledigt zu erklären.

Der Verurteilte beantragt,

das Rechtsmittel zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass im Rahmen der Prüfung nach § 67c Abs. 2 S. 3, S. 1 StGB, inwieweit der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, ebenso wie anlässlich der Anordnung der Maßregel festzustellen ist, ob bei dem Verurteilten weiterhin ein Hang im Sinne des § 64 S. 1 StGB vorliegt, von ihm infolge dieses Hanges nach wie vor die Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten ausgeht und ob die Aussicht auf einen Behandlungserfolg im Sinne des § 64 S. 2 StGB gegeben ist. Ebenfalls zu Recht hat die Kammer angenommen, dass der symptomatische Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstaten lediglich die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 S. 1 StGB betrifft und für die Frage der Zweckerreichung und die Erwartbarkeit des Erreichens des Unterbringungsziels unmittelbar keine Relevanz entfaltet (vgl. auch OLG Bremen, Beschluss vom 08.03.2024, Az. 1 Ws 17/24). Hiernach hat das Landgericht auf Grundlage der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Dr. R. in nicht zu beanstandender Weise sowohl das Vorliegen eines Hanges als auch einer negativen Legalprognose bejaht. Zwar ist dem Beschwerdevorbringen des Staatsanwaltschaft dahingehend zuzustimmen, als dass infolge des Zeitablaufs eine Neubewertung der mit dem Hang verknüpften Gefahrprognose vorzunehmen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 02.02.2022, Az. 2 Ws 26/22) und insoweit gegen eine negative Legalprognose spricht, dass der Verurteilte seit der Anlassverurteilung nicht mehr mit erheblichen rechtswidrigen Taten in Erscheinung getreten ist und er seinen Suchtmittelkonsum nach seinen eigenen Angaben allein aus legalen Einkünften bestreitet. Letzteres erscheint nach Auffassung des Senats jedoch durchaus zweifelhaft, zumal der Verurteilte lediglich Bürgergeld bezieht und er zusätzlich zu den Ausgaben für seinen täglichen Suchtmittelkonsum regelmäßig größere Geldsummen aufgrund seines pathologischen Spielens verausgabt. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. R., wonach der Verurteilte anlässlich der Exploration zum Teil ausweichend antwortete und er im Rahmen der Testdiagnostik nach dem Freiburger Persönlichkeitsinventar im Bereich Offenheit nur einen unterdurchschnittlichen Wert erreichte, was - so der Sachverständige - darauf hindeute, dass der Verurteilte versucht haben könnte, sich unauffälliger darzustellen als er sei, ist die Annahme einer negativen Legalprognose im Sinne des § 64 S.1 StGB aus den von dem Sachverständigen angeführten Gründen daher nicht zu beanstanden.

2.

Die Entscheidung konnte jedoch keinen Bestand haben, weil entgegen der Auffassung des Landgerichts mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts vom 26.07.2023 am 01.10.2023 im Rahmen der Prüfung nach § 67c Abs. 2 StGB auch das Merkmal der erforderlichen Erfolgsaussichten im Sinne des § 64 S. 2 StGB in der Neufassung vom 26.07.2023 zugrunde zu legen ist (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 20.11.2023, Az. 2 Ws 317/23; vom 09.02.2024, Az. 2 Ws 20/24). Insoweit erfordert die Anordnung des Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 67c Abs. 2 S. 3, S. 1 StGB nicht mehr lediglich eine "hinreichend konkrete Aussicht", den Verurteilten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 S. 1 oder S. 3 StGB zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen, sondern bedarf es nunmehr "tatsächlicher Anhaltspunkte", aufgrund derer diese "Erwartung" im Sinne einer höhergradigen Wahrscheinlichkeit gerechtfertigt ist. Solche sind vorliegend jedoch - wovon auch das Landgericht zutreffend ausgeht - nicht gegeben.

a)

Grundsätzlich ist in Bezug auf Maßregeln der Besserung und Sicherung nach § 2 Abs. 6 StGB, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, das zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht anwendbar. Dies gilt sowohl für die Anordnung als auch der Vollstreckung der Maßregeln. Durch diese gesetzliche Regelung erfährt die Schutzwürdigkeit des Vertrauens auf den Fortbestand der Regelungen über die Maßregeln der Besserung und Sicherung eine Einschränkung; diese stehen mithin stets von Anfang an unter dem Vorbehalt einer gesetzlichen Änderung (BVerfGE, Urteil vom 05.02.2004, Az. 2 BvR 2029/01, juris Rn. 182). Die h. M. in Rspr. und Literatur gehen von der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung aus und Verneinen demgemäß ein Eingreifen des Art. 103 Abs. 2 GG bei Maßregeln der Besserung und Sicherung von vorneherein (BVerfGE, a. a. O.; LK-StGB/Dannecker/Schuhr, § 2 Zeitliche Geltung, Rn. 170 m. w. N.). Denn die Maßregeln der Besserung und Sicherung knüpfen losgelöst von der Schuld lediglich an die sich in einer bestimmten Tat realisierenden Gefährlichkeit des Täters an, der am zweckmäßigsten mit den im Zeitpunkt der Entscheidung zur Verfügung stehenden Mitteln entgegengetreten werden kann (vgl. LK-StGB/Dannecker/Schuhr, a. a. 0.; OLG Bremen, a. a. O.). Dieser Grundsatz des § 2 Abs. 6 StGB soll nach der ausdrücklichen Auffassung des Gesetzgebers auch für die Vollstreckung von vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung rechtskräftig erfolgter Unterbringungsanordnungen gelten (siehe BT-Drucks. 20/5913, S. 78). Insoweit hat der Gesetzgeber in Art. 316o Abs. 2 EGStGB i. d. F. vom 26.07.2023, inzwischen ersetzt durch Art. 316o Abs. 1 S. 1 EGStGB i. d. F. vom 16.08.2023, als Ausnahme von diesem Grundsatz lediglich angeordnet, dass für die Vollstreckung von vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 01.10.2023 rechtskräftig angeordneten Unterbringungen nach §§ 63, 64 StGB die Regelungen zur Reihenfolge der Vollstreckung gemäß § 67 StGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anwendbar bleiben. Dieser Sonderregelung zur weiteren Anwendbarkeit des § 67 StGB im Rahmen der Vollstreckung von Unterbringungen hätte es nicht bedurft, wenn nicht grundsätzlich auf der Grundlage des § 2 Abs. 6 StGB auch bei Entscheidungen über die Vollstreckung von Maßregeln das zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht anwendbar sein sollte (Senatsbeschluss vom 20.11.2023, Az. 2 Ws 317/23; OLG Bremen, a. a. O.; Saarländisches OLG, Beschluss vom 29.01.2024, Az. 1 Ws 298/23). Dies betrifft neben den Regelungen zur Erledigung der Maßregel nach den §§ 67d Abs. 5, 67e Abs. 1, Abs. 2 StGB in gleicher Weise auch die Regelungen zur Frage der Anordnung bis dahin noch nicht vollstreckter Maßregeln nach § 67c Abs. 1, Abs. 2 StGB (vgl. Senatsbeschluss vom 09.02.2024, Az. 2 Ws 20/24).

Eine analoge Anwendung des Art. 316o Abs. 1 S. 1 EGStGB dahingehend, dass auch für die Entscheidungen nach §§ 67c Abs. 1, Abs. 2 StGB, 67d Abs. 5 StGB oder § 67e Abs. 1, Abs. 2 StGB von vor dem 01.10.2023 rechtskräftig angeordneten Unterbringungen die Regelung des § 64 StGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden wäre, scheidet aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Vorschrift und des Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke aus (vgl. auch OLG Bremen, a. a. O.; OLG Saarbrücken, a. a. O.). Denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich bedacht, dass die Neuregelung des § 64 StGB Auswirkungen auch auf die Erledigung der Maßregel haben kann (BT-Drucks. 20/5913, S. 48) und hat - was sich aus der Schaffung des Art. 316o EGStGB ergibt - auch die Rückwirkungsproblematik bedacht. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich insoweit auch eindeutig, dass es dem Gesetzgeber mit der Schaffung des Art. 316o EGStGB einzig darum ging, lediglich bereits laufende Unterbringungen - wegen möglicher demotivierender Auswirkungen auf die davon betroffenen Verurteilten bei schon laufenden Entlassungsvorbereitungen zum Halbstrafentermin und des andernfalls mit der erhöhten Verweildauer unnötig ansteigenden Belegungsdrucks in den Maßregelvollzugseinrichtungen - von einem Wegfall der Entlassungsmöglichkeit zum Halbstrafentermin auszunehmen (BT-Drucks. 20/5913, S. 78).

b)

Dieses Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck, der mit der Gesetzesänderung angestrebt wurde (vgl. Senatsbeschluss vom 20.11.2023, Az. 2 Ws 317/23). Denn die Neufassung des § 64 StGB erfolgte insbesondere mit dem Ziel, die Maßregel wieder stärker auf die tatsächlich behandlungsbedürftigen und -fähigen Straftäter zu konzentrieren und so zur Entlastung der Entziehungsanstalten beizutragen (BT-Drucksache 20/5913, S. 1, 2). Gerade die nach der alten Fassung des § 67 StGB vorgesehene, lediglich vom Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB abhängige Möglichkeit der Halbstrafenentlassung stellte zur Überzeugung des Gesetzgebers einen sachwidrigen Anreiz für eigentlich therapieunwillige Angeklagte mit hohen Begleitstrafen dar und führte zu einer Überbelegung der Maßregelvollzugskliniken mit "falschem Klientel" (BT-Drucks- 20/5913, S. 77). Dem Ziel, die Überbelegung zu reduzieren, dient auch die Neufassung des § 64 StGB im Hinblick auf das Erfordernis der "tatsächlichen Anhaltspunkte" (BT-Drucks. 20/5913, S. 48).

c)

An der gesetzlichen Neuregelung bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil es sich bei der Maßregel, deren Anordnungsvoraussetzungen erhöht wurden, um eine belastende Maßnahme handelt. Insoweit gilt ein objektiver Maßstab, nicht das subjektive Empfinden des Verurteilten (Senatsbeschluss vom 02.02.2022, Az. 2 Ws 26/22). Hiernach stellt die neben einer Freiheitstrafe angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht nur der Form nach, sondern auch in der Sache ein zusätzliches Übel neben der Freiheitsstrafe dar (BGH, Beschlüsse vom 21.03.1978, Az. 2 StR 743/78; vom 17.09.1987, Az. 4 StR 441/87; vom 16.02.2012, Az. 2 StR 29/12). Das verfassungsrechtliche Gebot, das zur Einführung des § 64 S. 2 StGB durch die Neuregelung von 2007 geführt hat, bezieht sich deswegen konsequenterweise nur auf die Vermeidung nicht geeigneter Anordnungen. Umgekehrt gibt es kein verfassungsrechtliches Gebot, das den Gesetzgeber dazu veranlasst, die Maßregel der Unterbringung auch in Fällen zweifelhafter Erfolgsaussicht zur Verfügung zu stellen, solange er durch die Ausgestaltung des Strafvollzugs im Übrigen den aus dem verfassungsrechtlich verankerten Gebot der Resozialisierung folgenden Anspruch genügt.

d)

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist aus den dargelegten Gründen auch eine anderweitige Auslegung der §§ 67c Abs. 2, 67d Abs. 5, 67e Abs. 1, Abs. 2, 64 StGB dahingehend, dass eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg für den (weiteren) Vollzug der Maßregel ausreichend sei, nicht geboten. Eine solch abweichende Auslegung ist weder im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Resozialisierungsanspruch des Verurteilten aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG noch im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip angezeigt.

Eine Verletzung des verfassungsrechtlich verbürgten Resozialisierungsanspruchs des Verurteilten ist bereits nicht festzustellen, weil auch der Strafvollzug gemäß §§ 5 S. 1, 2 Abs. 3 S. 1 NJVollzG am Ziel der Resozialisierung ausgerichtet ist. Insoweit wird dem Resozialisierungsanspruch des Verurteilten - ungeachtet des Umstandes, dass er selbst eine Unterbringung im Maßregelvollzug dem Strafvollzug vorzieht - auch durch eine an diesem Grundsatz ausgerichtete Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe im Strafvollzug genüge getan. Im Übrigen ergeben sich auf Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Dr. R., wonach in Bezug auf die Anlasstaten der Suchtmittelkonsum nur als ein tatdynamischer Faktor neben anderen anzusehen sei, als tatdynamisch wichtigster Faktor hingegen die dissoziale Verhaltensbereitschaft des Verurteilten erscheine, bereits Zweifel daran, dass die Behandlung des Verurteilten im Maßregelvollzug vorliegend tatsächlich resozialisierungsfördernder als die Behandlung im Strafvollzug wäre. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige Dr. R. - ungeachtet der Frage des anzuwendenden Rechts - zu dem Ergebnis gelangte, dass nach Abwägung aller für und gegen einen Behandlungserfolg sprechenden Faktoren seiner Einschätzung nach der übliche Zeitrahmen in einer Suchtklinik nicht ausreichend sei, um den Verurteilten so weit zu stabilisieren, dass von ihm nach seiner stationären Unterbringung kein konkretes Risiko mehr ausgehen würde und sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass sich bei dem Verurteilten durch seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt seine prognostische Einschätzung relevant verbessern würde.

Das Erfordernis einer abweichenden Auslegung ergibt sich auch nicht aus dem vom Landgericht angeführten Umstand eines möglichen Verstoßes der Exekutive gegen die auf Art. 20 Abs. 3 GG fußende Bindung der Exekutive an das Recht. Zwar trifft es zu, dass bei einer ausreichenden Anzahl von zur Verfügung stehenden Behandlungsplätzen der Verurteilte die Unterbringung in der Entziehungsanstalt naheliegender Weise schon angetreten hätte. Dies lässt aus den oben dargelegten Gründen angesichts des ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, diesem Problem der Überbelegung des Maßregelvollzugs mit einer Erhöhung der Anforderungen an die Unterbringung nach § 64 StGB zu begegnen, aber keine vom Grundsatz des § 2 Abs. 6 StGB abweichende rechtliche Würdigung und Auslegung zu.

Auch die mit der Gesetzesänderung eingetretene nachträgliche "Verböserung" in Bezug auf die Anordnung und den Vollzug der Maßregel, die vom Gesetzgeber auch bei noch nicht (an-)vollstreckten Unterbringungen erkannt und bewusst geregelt wurde, führt aus den oben dargelegten Gründen nicht zu einer anderen Einschätzung.

e)

Die hiernach für die Anordnung des Vollzugs der Maßregel erforderlichen tatsächlichen Anhaltspunkte, aufgrund derer die Erwartung eines Behandlungserfolges gerechtfertigt wäre, sind vorliegend nicht gegeben. Der Sachverständige Dr. R. hat hierzu überzeugend dargelegt, dass für einen Therapieerfolg zwar spreche, dass der Verurteilte therapiemotiviert sei, obgleich diese primäre Therapiemotivation laut Studien nicht entscheidend für die Vorhersage eines Therapieerfolges sei. Zudem sei der Verurteilte kooperativ, freundlich und normintelligent, er habe sich an der Exploration motiviert beteiligt und sich in Bezug auf den Termin auch zuverlässig gezeigt. Gegen einen konkreten Therapieerfolg spreche aber die neben der Abhängigkeitserkrankung bestehende kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und narzisstischen Anteilen und die damit einhergehende dissoziale Verhaltensbereitschaft, die den Aufbau einer therapeutischen Beziehung erschwere, ebenso wie die geringe Offenheit als Hinweis auf eine "doppelte Buchführung" des Verurteilten. Zudem habe sich der Verurteilte bisher von sich aus im Hinblick auf den sonst drohenden Strafvollzug nicht um eine Entgiftungs- oder Entwöhnungsbehandlung bemüht, womit eine intrinsische Therapiemotivation und auch ein Abstinenzvorsatz nicht erkennbar seien, zumal es bisher auch keine längeren Abstinenzphasen gegeben habe. Der Verurteilte übernehme zudem keine Täterverantwortung, sei bisher nie zufrieden und stabil in den Arbeitsmarkt integriert gewesen, sondern habe bis zu seiner Verurteilung im Januar 2020 wohl vor allem von Gewinnen aus Straftaten gelebt. Zudem ergebe sich bei dem Verurteilten als Hauptabwehrmechanismus das Externalisieren und stelle er sich durchgängig als Opfer ungünstiger Umstände dar, was einen therapeutischen Zugang ebenfalls erschwere. Er habe zudem bereits mehrere Jahre im Strafvollzug verbracht. Der Verurteilte könne primär als deskriptiv gescheiterter Narzisst beschrieben werden, der bisher nicht längerfristig sozial legal zufrieden integriert gewesen sei, so dass sich kaum psychotherapeutische Möglichkeiten im engeren Sinne ergeben würden. Er habe im Rahmen der Exploration darüber hinaus keine nachvollziehbaren Therapieaufträge darzustellen vermocht und auch seine Angaben zur Therapiemotivation seien pauschal geblieben. Hiernach sei, so der Sachverständige Dr. R. im Ergebnis, der übliche Zeitrahmen in einer Suchtklinik nicht ausreichend, um den Verurteilten so weit zu stabilisieren, dass von ihm nach seiner stationären Unterbringung kein konkretes Risiko mehr ausgehen würde und würden sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich bei dem Verurteilten durch eine Unterbringung nach § 64 StGB die prognostische Einschätzung relevant verbessern würde.

Da hiernach keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen, die einen Behandlungserfolg im Sinne des § 64 S. 2 nF StGB erwarten ließen, konnte die Anordnung des Vollzugs der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 S. 3 StGB keinen Bestand haben und war der angefochtene Beschluss aufzuheben.

3.

Nach alldem war durch den Senat aufgrund des anzuwendenden gleichen rechtlichen Maßstabs (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 20.11.2023, Az. 2 Ws 317/23 und vom 09.02.2024, Az. 2 Ws 20/24; OLG Bremen, a .a. O.; Saarländisches OLG, a.a.O.; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 02.01.2024, Az. 2 Ws 178/23) mangels tatsächlicher Anhaltspunkte, die einen Behandlungserfolg im Sinne des § 64 S. 2 nF StGB erwarten ließen, entsprechend § 67d Abs. 5 S. 1 StGB die Erledigung der mit Urteil des Landgerichts Hannover vom 16.01.2020 angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auszusprechen, wobei der Senat gemäß § 309 Abs. 2 StPO die in der Sache erforderliche Entscheidung selbst erlassen konnte.

a)

Da § 67c Abs. 2 StGB für den Fall des Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach § 64 S. 2 StGB keine Rechtsfolge vorsieht, ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, um eine Ungleichbehandlung in den verschiedenen Verfahrens- und Behandlungssituationen zu vermeiden, in analoger Anwendung von § 67d Abs. 5 StGB für erledigt zu erklären (vgl. auch Senatsbeschluss vom 09.02.2024, Az. 2 Ws 20/24; München, Beschluss vom 04.05.2012, Az. 1 Ws 331/12, 1 Ws 334/12). Dem steht nicht entgegen, dass die Vollstreckung der Maßregel noch nicht begonnen hat (vgl. auch OLG München, a. a. O.; OLG Jena, Beschluss vom 05.03.2007, Az. 1 Ws 75/07; OLG Bremen, a. a. O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 23.08.2013, Az. 4 a Ws 170/13, für den Fall der Unterbrechung; MüKo-StGB/Veh, 4. Auflage, 2020, § 67d, Rn. 41; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2 Auflage, 2020, § 67d, Rn. 15). Denn gemäß § 67d Abs. 5 StGB in der verfassungskonformen Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.03.1994, Az. 2 BvL 3/90 u. a., BVerfGE 91, 1ff.) hat das Gericht nachträglich zu bestimmen, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht (weiter) zu vollziehen und die Maßregel für erledigt zu erklären ist, wenn aus Gründen, die in der Person des Untergebrachten liegen, entgegen der anfänglichen positiven Behandlungsprognose keine Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 S. 2 StGB mehr besteht, weil sie dann nicht mehr erforderlich und daher unverhältnismäßig wäre (BVerfGE, a.a.O.). Die Vorgabe, dass zuvor eine gewisse Dauer zu vollstrecken ist, um eine stabile Prognosegrundlage zu schaffen, ist dieser Entscheidung hingegen nicht zu entnehmen. Angesichts dessen setzt die Erledigterklärung nach zutreffender Ansicht keine Mindestvollzugsdauer voraus und kann diese auch schon vor Vollzugsbeginn erklärt werden. Hierfür spricht im Übrigen auch, dass der Gesetzgeber sich gegen die Fassung früherer Entwürfe der Vorschrift entschieden hat, wonach eine Mindestdauer der bereits vollzogenen Unterbringung vorgesehen war (siehe den Gesetzentwurf des Bundesrates für ein Gesetz zur Verbesserung der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung vom 06.02.2002, BT-Drucks. 14/8200, S. 7). Eine kurzzeitige Aufnahme von Verurteilten zur Schaffung einer aussagekräftigeren Prognosegrundlage ist hiernach nicht angezeigt.

b)

Der Eintritt der Führungsaufsicht war deklaratorisch festzustellen. Denn auch wenn sich der Verurteilte anlässlich der Erledigterklärung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt noch überhaupt nicht im Maßregelvollzug befunden hat, tritt infolge der Erledigterklärung der Maßregel Führungsaufsicht entsprechend § 67d Abs. 5 S. 2 StGB ein (Senatsbeschluss vom 09.02.2024, Az. 2 Ws 20/24). Dem steht das in § 1 StGB normierte Analogieverbot nicht entgegen, denn dieses erstreckt sich nach zutreffender Ansicht nicht auf Maßregeln der Besserung und Sicherung (BVerfG, Urteil vom 05.02.2004, Az. 2 BvR 2029/01; OLG Celle, Beschluss vom 04. Juni 2019, Az. 2 Ws 153/19; OLG München, Beschluss vom 04.05.2012, Az. 1 Ws 331/12, 1 Ws 334/12; Lackner/Kühl/Heger/Heger, StGB, 30 Auflage, 2023, § 1, Rn. 8; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Auflage, 2019, § 1, Rn. 24). Insoweit ist auch von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Denn ohne eine solche Analogie käme es im Falle der Erledigterklärung vor Beginn des Maßregelvollzugs ersichtlich zu einem nicht hinzunehmenden Wertungswiderspruch: Nach einem zumindest kurzzeitigen Therapieversuch träte bei dem antherapierten suchtkranken Verurteilten zur weiteren Unterstützung seines Lebenswegs in Freiheit nach der Erledigung der Maßregel gemäß § 67 d Abs. 5 S. 2 StGB Führungsaufsicht ein, während der völlig untherapierte Verurteilte nach seiner Haftentlassung sich selbst überlassen bliebe (vgl. auch OLG München, aaO).

Der Senat hat die Dauer der Führungsaufsicht gemäß § 68c Abs. 1 S. 1 StGB auf drei Jahre bemessen. Dem Verurteilten war zudem nach § 68a Abs. 1 Hs. 2 StGB für die Dauer der Führungsaufsicht ein Bewährungshelfer zu bestellen, dessen namentliche Bestellung wie auch die weitere Ausgestaltung der Führungsaufsicht und die Belehrung des Verurteilten über die Bedeutung der Führungsaufsicht dem Landgericht vorzubehalten war.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 entsprechend.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).