Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 18.09.2023, Az.: 1 A 535/21
Anwendungsbestimmung NT306-0/1; Guidance Document on Terrestrial Ecotoxicology; Nichtzielarthropoden; Pflanzenschutz; Zulassung eines Pflanzenschutzmittels; Anwendungsbestimmung NT306-0/1 zum Schutz von Nichtzielarthropoden
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 18.09.2023
- Aktenzeichen
- 1 A 535/21
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 38471
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2023:0918.1A535.21.00
Rechtsgrundlagen
- Verordnung (EG) Nr. 1107/2009
- Verordnung (EU) Nr. 284/2013
- Verordnung (EU) Nr. 546/2011
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Beurteilung von Auswirkungen der Verwendung eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche ( in-field ) richtet sich nach den Verordnungen (EU) Nr. 546/2011 und (EU) Nr. 284/2013 sowie nach dem Guidance Document on Terrestrial Ecotoxicology under Council Directive 91/414/EEC vom 17. Oktober 2002 (SANCO/10329/2002, rev. 2 final).
- 2.
Zum Prüfungsspielraum des prüfenden Mitgliedstaates (zRMS) nach Art. 36 Abs. 1 und 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Die im Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2022 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. Juni 2022 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/1 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage insbesondere gegen die im pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsbescheid der Beklagten festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/1.
Die Klägerin beantragte am 31. August 2018 bei der Beklagten die Erteilung einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E. im zonalen Zulassungsverfahren (ZV1-Antrag) mit der Beklagten als prüfenden Mitgliedstaat (zRMS) für die zentrale Zone. Bei dem Pflanzenschutzmittel handelt es sich um ein Fungizid zur Anwendung in den Kulturen Weizen, Triticale und Roggen. Die Wirkstoffgenehmigungen der Europäischen Union für die darin enthaltenen Wirkstoffe H. mit einer Konzentration von 100 g/l und I. mit einer Konzentration von 50 g/l sind bis zum 15. August 2025 (H.) und 11. Oktober 2028 (I.) gültig.
Ursprünglich nahmen Belgien, Irland, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn sowie das Vereinigte Königreich als beteiligte Mitgliedstaaten (cMS) am zonalen Zulassungsverfahren teil. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2020 nahm die Klägerin ihre Anträge in allen beteiligten Mitgliedstaaten zurück und hielt ihren Antrag in Deutschland als prüfenden Mitgliedstaat aufrecht. Nach eigenen Angaben der Klägerin haben die Mitgliedstaaten der zentralen Zone J., K., L., M. und N. ihr mittlerweile im Wege des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung einer zonenfremden Zulassung, die ihr O. als prüfender Mitgliedstaat für die Südzone gewährt habe, eine Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E. ohne Auflagen zum Schutz von Nichtzielarthropoden erteilt.
Die Beklagte führte als prüfender Mitgliedstaat für die zentrale Zone im Core Assessment des finalen Bewertungsberichts (Registration Report) vom April 2021, Part B, Section 9 Ecotoxicology unter Ziffer 9.7 aus, dass die Risikobewertung ein inakzeptables Risiko für Nichtzielarthropoden im Feld auf Stufe 1 (HQ>2) und Stufe 2 (PERinfield > 50% Wirkung) zeige. Laut Escort 2 seien die Auswirkungen tolerierbar, wenn eine Wiederbesiedlung aus dem sog. off-field-Bereich (Bereich außerhalb des Feldes) innerhalb von 12 Monaten möglich sei. Die Klägerin habe eine höherstufige Bewertung vorgelegt, die auf der Anwendung unter Feldbedingungen beruhe, um nachzuweisen, dass ein Potenzial für die Wiederbesiedlung durch Nichtzielarthropoden im Feld innerhalb von 14 Tagen bestehe. Zwar gehe aus den von der Klägerin vorgelegten Informationen hervor, dass eine Wiederbesiedlung theoretisch möglich sei, wenn man die spezifischen Eigenschaften des Wirkstoffs unter idealen Bedingungen berücksichtige. Allerdings seien Studien zur Wiederbesiedlung von Feldern und Studien über gealterte Rückstände mit großen Unsicherheiten behaftet. Eine direkte Verwendung von Ergebnissen aus Besiedlungsversuchen und Rückstandsstudien bei der Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln setze voraus, dass die behandelten Ackerflächen mit den geschädigten Teilpopulationen durch Individuen aus ungeschädigten Teilpopulationen außerhalb der Behandlungsflächen wiederbesiedelt werden könnten. Hierzu sei erforderlich, dass ungeschädigte Teilpopulationen in ausreichender Größe, Häufigkeit und Vernetzung in der Agrarlandschaft vorhanden seien. Vorliegend habe die Klägerin keine weiteren Daten vorgelegt, um zu begründen, dass die erforderliche Wiederbesiedlung auch unter Berücksichtigung der spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten erfolgen werde. Da die Intensität der landwirtschaftlichen Bodennutzung und der ökologische Zustand der Nichtzielarthropoden-Populationen auf dem Feld von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich sein könnten, müsse die endgültige Bewertung der Akzeptanz des Gesamtrisikos für Nichtzielarthropoden im Freiland auf Ebene der Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen der jeweiligen Landschaften erfolgen. Daher müssten die Mitgliedstaaten beurteilen, ob die von der Klägerin vorgelegte Studie die Anforderungen für die Risikobewertung im Hinblick auf ihre spezifischen umweltbezogenen oder landwirtschaftlichen Gegebenheiten erfülle. Angesichts der landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland sehe die Beklagte die von der Klägerin vorgelegte Studie als Nachweis der Wiederbesiedlung im Feld als nicht geeignet an. Es könne auf ein akzeptables Risiko für Nichtzielarthropoden im Feld geschlossen werden, wenn Maßnahmen zur Risikominderung (ungespritzte Anbaufläche oder andere Maßnahme mit ökologisch gleichwertiger Wirkung) angewandt würden.
Im National Addendum des Registration Reports für den Mitgliedstaat Deutschland vom April 2020, Part B, Section 9 Ecotoxicology wiederholte die Beklagte unter Ziffer 9.7 im Wesentlichen die o. g. Ausführungen aus dem Core Assessment.
Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) und das Julius Kühn-Institut (JKI) erklärten mit Schreiben vom 29. Mai 2020 und 16. März 2021 ihr Benehmen für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels E..
Das Umweltbundesamt (UBA) schilderte im Schreiben vom 7. Mai 2021, dass die im Pflanzenschutzmittel E. enthaltenen Wirkstoffe I. und H. ein hohes Gefährdungspotenzial für terrestrische Nichtzielarthropoden aufwiesen. So zeige die Bewertung der Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden auf der Anbaufläche nach dem von der Europäischen Kommission erstellten Guidance Document on Terrestrial Ecotoxicology under Council Directive 91/414/EEC vom 17. Oktober 2002 (SANCO/10329/2002, rev. 2 final, im Folgenden: Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung) ein unannehmbares Risiko an (HQ > 2 in der ersten Bewertungsstufe / > 50 % Effekt im erweiterten Test bei der errechneten PERin-field). Aufgrund der spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland wären diese Auswirkungen auf Populationen von Nichtzielarthropoden auf den Anbauflächen ohne hinreichende Risikominderungsmaßnahmen unannehmbar hoch.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2022 erklärte das UBA sein Einvernehmen zur Zulassung des Pflanzenschutzmittels E. unter der Bedingung, dass die pflanzenschutzrechtliche Zulassung u. a. mit der Anwendungsbestimmung NT306-0 versehen wird. Zur Begründung verwies es auf das Dokument "Anlage_ERA_NTA infield (Stand: Feb. 2022)". In diesem Dokument führte das UBA insbesondere aus, dass die Bewertung der Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden auf den Anbauflächen (in-field) nach den Vorgaben des Guidance Documents zur terrestrischen Risikobewertung erfolge. Nach seiner Ansicht könnten die im Guidance Document vorgeschlagenen grundsätzlich geeigneten höherstufigen Versuche bzw. Bewertungen dann berücksichtigt werden, wenn diese als repräsentativ angenommen werden könnten. Für die Produktzulassung bedeute dies, dass sie den spezifischen Bedingungen in Deutschland gerecht werden müssten. Eine höherstufige Risikobewertung zur Entlastung eines in Stufe 1 oder 2 der Risikobewertung indizierten Risikos sei daher dann ungeeignet, wenn sie lediglich auf generalisierten Annahmen einer potenziellen Wiederbesiedelbarkeit der behandelten Flächen basierten. Die Bestätigung der Annehmbarkeit der Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden müsse vielmehr auf Annahmen beruhen, welche die spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland adäquat repräsentierten. Geeignet wären demnach nur solche höherstufigen Studien, in denen das Auftreten unannehmbarer Auswirkungen auf die Populationen von Nichtzielarthropoden unter expliziter Berücksichtigung der spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland widerlegt werden könne. Geeignete Risikominderungsmaßnahmen, um Risiken auf der Anbaufläche zu mindern, seien laut Kapitel 5.4 des Guidance Documents zur terrestrischen Risikobewertung unbehandelte Flächen am Feldrand (unsprayed headlands).
Daneben beschrieb das UBA im Dokument "Anlage_ERA_NTA infield (Stand: Feb. 2022)" detailliert, welche spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland vorlägen. Danach habe die Landwirtschaft einen großen Einfluss auf die Artenvielfalt. In Deutschland liege der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche bei 51 % der Landesfläche und nehme gemessen an der Gesamtlandesfläche einen überdurchschnittlich hohen Anteil ein (33,1% für Deutschland, im Mittelwert der zentralen Zone seien dies 25,6 %). Die deutsche Agrarlandschaft sei gekennzeichnet von oft sehr großen Schlägen. Je größer die tatsächlichen Feldschläge seien, desto unwahrscheinlicher sei eine reale Wiederbesiedlung dieser Flächen durch Arthropoden und damit eine vollständige Erholung der geschädigten Populationen. Der Median der Schlaggröße in Deutschland sei mit 22,3 ha erheblich größer als in Gesamt-Europa. Die Intensität des Einsatzes insektizid-wirkender Pflanzenschutzmittel sei maßgeblich dafür, welcher Zeitraum für die Erholung einer geschädigten Nichtzielarthropoden-Population zur Verfügung stehe, da die Erholungsprozesse mit jeder neuen Störung unterbrochen und die sich erholende Population erneut geschädigt werde. Unter Zugrundelegung der Menge der verkauften Pflanzenschutzmittel im Verhältnis zur landwirtschaftlichen Nutzfläche sei festzustellen, dass innerhalb der zentralen Zulassungszone nur in den Niederlanden, Belgien und Slowenien in der Summe höhere Mengen pro ha eingesetzt würden als in Deutschland. Flächen mit hohem Naturwert in der Agrarlandschaft seien für die Erhaltung von Agrararten besonders relevant, da diese Wiederbesiedlungsquellen für geschädigte Populationen darstellen könnten. Der von der Europäischen Umweltagentur (EEA) erhobene HNVF-Indikator (high nature value farmland; Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert) verdeutliche, dass Deutschland in der zentralen Zone neben Luxemburg und den Niederlanden zu den drei Mitgliedstaaten mit dem geringsten Anteil solcher Flächen zähle (Stand 2012). Die zunehmende intensive landwirtschaftliche Nutzung, der Verlust nutzungsbegleitender Strukturen und kurzzeitiger Brachen sowie der Einsatz von Pestiziden seien für die Gefährdung der Laufkäferpopulationen in Deutschland verantwortlich. Ein hoher Anteil der Laufkäferarten mit einem Haupt- oder Schwerpunktvorkommen auf Acker- und Grünlandflächen sei in Deutschland auf der Roten Liste (23%) bzw. auf der Vorwarnliste (26%) geführt.
Daraufhin erteilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit Bescheid vom 22. Februar 2022 der Klägerin die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E., die bis zum 31. Juli 2023 befristet und u. a. mit der Anwendungsbestimmung NT306-0 versehen ist. Die Anwendungsbestimmung NT306-0 lautet wie folgt:
"Zum Schutz von nicht zu bekämpfenden Insekten und anderen Gliederfüßern darf die Anwendung des Pflanzenschutzmittels nur auf maximal 9/10 der zu behandelnden Anbaufläche erfolgen. Die unbehandelte Teilfläche dient diesen Arten als Überlebensraum und ist daher während des Kulturverlaufs auch von der Behandlung mit anderen Mitteln mit den Anwendungsbestimmungen NT306-0, NT306-50, NT306-75 und NT306-90 auszunehmen. Die unbehandelte Teilfläche ist vorzugsweise als Randstreifen mit Mindestbreiten von 5 m und einem reduzierten Düngereinsatz vorzusehen.
Die Vorgaben dieser Anwendungsbestimmung sind vom 01.05.2023 an zu erfüllen. Ihre Rechtswirkungen treten erst ab dem genannten Datum ein."
Die Festsetzung der Anwendungsbestimmung NT306-0 begründete das BVL im Wesentlichen damit, dass die im Pflanzenschutzmittel E. enthaltenen Wirkstoffe I. und H. ein unannehmbar hohes Gefährdungspotenzial für terrestrische Nichtzielarthropoden aufwiesen und die Anwendungsbestimmung NT306-0 geeignet sei, diese Risiken hinreichend zu mindern. Eine ausführliche fachliche Begründung für diese Anwendungsbestimmung finde sich in der Anlage_ERA_NTA_infield. Weitere Informationen zur produktspezifischen Bewertung seien dem Draft Registration Report, Part B, Core Assessment und nationales Addendum (Sektion 9, Kapitel 9.7) zu entnehmen.
Die Klägerin erhob am 22. März 2023 Widerspruch gegen die im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0.
Mit Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022, dessen Fassung durch die mit Begleitschreiben vom 4. August 2022 und 13. September 2022 übersandten Bescheide von 14. Juni 2022 wegen offensichtlicher Unrichtigkeit korrigiert wurde, ersetze das BVL die bisherige Anwendungsbestimmung NT306-0 durch die im Wesentlichen inhaltsgleiche Anwendungsbestimmung NT306-0/1, die nunmehr vorsieht, dass die Rechtswirkung der Anwendungsbestimmung erst ab dem 1. Dezember 2023 eintritt. Mit Ausnahme des Datums, zu dem die Anwendungsbestimmung wirksam wird, ist die Regelung und die Begründung der Anwendungsbestimmung unverändert geblieben.
Die Klägerin erhob am 4. Juli 2022, 2. September 2022 und 4. Oktober 2022 jeweils Widerspruch gegen die in der jeweiligen Fassung des Änderungsbescheides vom 14. Juni 2022 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/1.
Bereits vor Erlass des Zulassungsbescheides vom 22. Februar 2022 hat die Klägerin am 27. August 2021 eine auf Erlass der begehrten pflanzenschutzrechtlichen Zulassung gerichtete Klage erhoben. Diese stellte sie zuletzt mit Schriftsatz vom 18. Juli 2022 dahingehend um, dass sie sich mit ihrer Klage insbesondere gegen die im pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsbescheid der Beklagten festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/1 wendet. Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen wie folgt vor:
Sie habe einen Anspruch auf Erteilung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung ohne die Anwendungsbestimmung NT306-0/1. Die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 sei nicht erforderlich, um die Erfüllung der Voraussetzungen für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels E. sicherzustellen (vgl. § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG). Denn die Beklagte könne die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 nicht auf Art. 29 Abs. 1 lit. e) i. V. m. Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 stützen. Es gebe keine von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) anerkannte Bewertungsmethode für Nichtzielorganismen (hier: Nichtzielarthropoden). Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf das von der Europäischen Kommission erstellte Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung berufen, da es nicht von der EFSA stamme und damit nicht den Erfordernissen des EFSA-Methodenvorbehalts genügen dürfte.
Jedenfalls habe das UBA gegen die in dem Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung festgelegten Grundsätze verstoßen, indem es im Rahmen seiner Prüfung der Risiken für Nichtzielarthropoden nicht das im Guidance Document vorgesehene Stufenkonzept eingehalten habe. Das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung sehe unter Ziffer 5.1 ein allgemeingültiges abgestuftes Test-System vor, das für den hier einschlägigen in-field-Bereich für Nichtzielarthropoden noch einmal konkretisiert werde. Danach seien im ersten Schritt sog. Standardtests durchzuführen und - sollten diese ein entsprechendes Risiko zeigen - im zweiten Schritt sog. "Higher-tier-tests" vorgesehen. In Bezug auf die "Higher-tier-tests" verweise das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung auf das Dokument ESCORT 2 ("Guidance document on regulatory testing and risk assessment procedures for plant protection products with non-target arthropods from the ESCORT 2 workshop [European Standard Characteristics Of non-target arthropod Regulatory Testing]"). Nach den Vorgaben des Dokuments ESCORT 2 sei das Risiko als akzeptabel für den betreffenden Lebensraum anzusehen, wenn Tests auf höherer Ebene (d. h. Rückstands-, Halbfeld- oder Feldstudien) ein akzeptables Potenzial für die Wiederbesiedlung oder Erholung innerhalb eines ökologisch relevanten Zeitraums zeigten. Im Dokument ESCORT 2 werde dieser Zeitraum auf zwölf Monate festgelegt. Studien zu gealterten Rückständen ("Aged-residue studies") würden in ESCORT 2 dabei als die am besten geeignete Methode zur Verfeinerung der Risikobewertung für Nichtzielarthropoden im Feld und zum Nachweis des Re-Kolonisierungspotenzials empfohlen. Bei den Studien zu gealterten Rückständen werde untersucht, innerhalb welchen Zeitraumes auf den untersuchten Pflanzen keine von dem Pflanzenschutzmittel ausgehenden Effekte mehr vorhanden seien. Hierzu würden getopfte Ganzpflanzen - in der Regel Gerste, Ackerbohnen oder Tomaten - mit der entsprechenden Menge des Pflanzenschutzmittels besprüht und unter Freilandbedingungen, jedoch geschützt vor Regen, gehalten. Anschließend würden in mindestens zwei Zeitabständen (z. B. 0, 7, 14, 28... Tage nach der Behandlung) Bioassays mit frischen und gealterten ganzen Pflanzen oder Blättern durchgeführt, um die Auswirkungen zu vergleichen und zu bewerten. Die Studie werde beendet, wenn die schädliche Wirkung der behandelten Pflanzen oder Blätter im Vergleich zu den Kontrollen bei jedem Parameter von zwei aufeinanderfolgenden Bioassays <50% betrage.
Vorliegend weise das Pflanzenschutzmittel E. nach den durchgeführten Studien ein akzeptables Risiko für Nichtzielarthropoden innerhalb (und außerhalb) des Feldes auf. Zwar deuteten die Ergebnisse der auf den beiden ersten Stufen (Tier 1 und 2) durchgeführten Studien für die Nichtzielarthropoden im Feld auf ein inakzeptables Risiko hin. Die daraufhin durchgeführten Tests der höheren Stufe (sog. "Higher-tier tests") zeigten jedoch ein akzeptables Risiko für Nichtzielarthropoden innerhalb des Feldes. Die Brackwespe Aphidiusrhopalosiphi sei die empfindlichste Art in den Versuchen mit Questar. Die durchgeführten Rückstandsstudien ("Aged Residue"-Studien) hätten selbst bei zwei Anwendungen von 2000 ml/ha im Abstand von 14 Tagen (beantragt sei hier nur eine Anwendung pro Jahr) keine Auswirkungen von mehr als 50 % nach einer Zeit von 14 Tagen nach der zweiten Anwendung gezeigt (vgl. Core Assessment des Registration Report, Part B, Section 9, Tabelle 9.7-3 auf Seite 227 und 231). Damit sei bewiesen worden, dass eine Wiederbesiedlung des "in-field Bereiches" durch Populationen von Nichtzielarthropoden außerhalb des Feldes innerhalb kürzester Zeit und innerhalb des akzeptablen Zeitrahmens von 12 Monaten möglich sei. Entsprechend der Vorgaben des Guidance Documents zur terrestrischen Risikobewertung sei daher auf Basis der "Higher-tier-tests" von einem akzeptablen Risiko für die Nichtzielarthropoden innerhalb des Feldes auszugehen. Indem das UBA die Ergebnisse der von ihr vorgelegten Studien ignoriert habe, habe es gegen die in dem Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung festgelegten Grundsätze verstoßen.
Die Ansicht des UBA, wonach nur solche höherstufigen Studien zu berücksichtigen seien, in denen das Auftreten unannehmbarer Auswirkungen auf die Populationen von Nichtzielarthropoden unter expliziter Berücksichtigung der spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland widerlegt werden könne, verstoße gegen das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung, die in Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 niedergelegten Zulassungsvoraussetzungen und den mit der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verfolgten Harmonisierungsgedanken. Denn die danach erforderliche Risikobewertung solle sich gerade nicht an den spezifischen Gegebenheiten des einzelnen Mitgliedstaates, sondern an denen der gesamten Zone orientieren. Dementsprechend habe O. als prüfender Mitgliedstaat für die Südzone das Pflanzenschutzmittel E. ohne eine der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 vergleichbare Anwendungsbestimmung zugelassen, da es die vorgelegten "Aged Residue"-Studien als Nachweis einer möglichen Erholung der Feldpopulation gewertet habe. Die EU-Mitgliedstaaten P., Q., R., S., K., J., L., T., N., M. und U. hätten die pflanzenschutzrechtliche Zulassung von O. übernommen und ebenfalls Zulassungen für das Pflanzenschutzmittel E. ohne Auflagen für Nichtzielarthropoden erteilt.
Zudem lägen in Deutschland keine anderen Bedingungen als in anderen EU-Mitgliedstaaten vor, die eine nationale Risikominderungsmaßnahme wie die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 rechtfertigen würden. Neuere Daten aus dem Jahr 2018 zeigten, dass Deutschland hinsichtlich des Anteils ackerbaulich genutzter Flächen in der zentralen Zulassungszone im Mittelfeld rangiere (vgl. Industrieverband Agrar, Risikobewertung von Nichtzielarthropoden, Nr. 2.1.1). Obwohl die Feldgrößen in den östlichen Bundesländern teilweise sehr groß seien, sei die kumulative Verteilung der mittleren Feldgröße Deutschlands vergleichbar mit den anderen Ländern der zentralen Zulassungszone (vgl. Industrieverband Agrar, Risikobewertung von Nichtzielarthropoden, Nr. 2.1.3). Es werde auch keine höhere Menge an Pflanzenschutzmitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgebracht als in anderen EU-Mitgliedstaaten. Unter Verwendung von Eurostat-Daten zum Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff-Absatz und der landwirtschaftlichen Nutzfläche zeige sich, dass Deutschland zusammen mit Ungarn, Polen, Österreich und Tschechien im Mittelfeld liege. Sofern man die Betrachtung auf die ackerbaulich genutzte Fläche und die Dauerkulturen eingrenze, lasse sich in den Jahren 2011 bis 2020 feststellen, dass in Deutschland die verwendete Menge an Pflanzenschutzmitteln im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten der zentralen Zone relativ niedrig und konstant sei (vgl. Industrieverband Agrar, Risikobewertung von Nichtzielarthropoden, Nr. 2.1.4). Entgegen der Ansicht der Beklagten sei kein aussagekräftiger Vergleich des HNVF-Indikators zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten möglich, da es kein EU-weit einheitliches System zur Erfassung des HNVF-Indikators gebe. Denn in Deutschland werde der HNVF-Indikator auf Basis des Auftretens verschiedener Wildpflanzenarten auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und von Strukturen, wie z. B. Hecken oder geschützten Biotopen, ermittelt, während in Österreich die Bewirtschaftungsform der Felder bzw. Weiden, die Feldgröße, die Vielfalt der angebauten Kulturen und die Viehdichte zur Ermittlung des HNVF-Indikator maßgebend seien. Bergregionen erhöhten zum Beispiel den mittleren HNVF-Indikator eines Landes stark, weil Gelände, Klima und Böden dort im Regelfall nur eine extensive Bewirtschaftung erlaubten. Die dortige Artengemeinschaft sei aber zum einen typisch für Bergregionen, zum anderen könne sie schon wegen der räumlichen Trennung nicht zur Wiederbesiedlung von Ackerflächen in anderen Landesteilen beitragen. Ein hoher HNVF-Indikator eines Landes sei daher nicht gleichbedeutend mit einer schnelleren Wiederbesiedlung von Ackerflächen durch Nichtzielarthropoden. Der HNVF-Indikator sei einer von 36 Basis-Indikatoren für Entwicklungsprogramme im ländlichen Raum (vgl. Anhang VII der VO (EG) Nr. 1974/2006) und diene lediglich dazu, die Entwicklung innerhalb eines Landes oder Gebietes im Lauf der Zeit zu beobachten. In Bezug auf die vorgetragene Gefährdung des Laufkäfers sei darauf hinzuweisen, dass Acker- und Grünlandhabitate im Vergleich zu anderen Habitaten die niedrigsten Gefährdungspotenziale für Laufkäfer aufwiesen. Auf der Roten Liste seien u. a. 22 Arten der Laufkäfer mit Schwerpunkt Küstenbiotope (81%), 28 Arten mit Schwerpunkt Gebirgsbiotope (88%) und 52 Arten mit Schwerpunkt trockene gehölzarme Biotope (84%) geführt. Zudem weise der Acker- und Grünlandbereich keine vom Aussterben bedrohten Arten auf (vgl. Industrieverband Agrar, Risikobewertung von Nichtzielarthropoden, Nr. 2.2).
Schließlich seien ähnliche Freilandexperimente auch in Deutschland durchgeführt worden (Liepold, K. (2020) und Mack, P. (2013)). In diesen Freilandexperimenten sei eine Erholung der Populationen von Nichtzielarthropoden im Feld nach Insektizidanwendungen innerhalb von weniger als einem Jahr beobachtet worden. Daraus lasse sich schließen, dass auch in Deutschland eine Erholung der Populationen von Nichtzielarthropoden nach Anwendung von Pflanzenschutzmitteln möglich sei - insbesondere wenn es sich hierbei um Fungizide und nicht um Insektizide handele.
Die von ihr vorgelegten "Aged Residue"-Studien seien auch nicht "mangelhaft". Der Effekt nach Anwendung von E. an Tag 28 (22 % Mortalität für C. septempunctata und 31,4 Mumien pro Weibchen für die Reproduktion von A. rhopalosiphi) liege innerhalb der Variation der Kontrollbehandlungen des Experiments, die 0 - 25 % Mortalität für C. septempunctata und 24,6 - 38,2 Mumien pro Weibchen für die Fortpflanzung von A. rhopalosiphi betrage. Daher sei der Unterschied zwischen Tag 14 und Tag 28 nicht als Anstieg, sondern vielmehr als normale Schwankung anzusehen. Des Weiteren lägen beide aufeinander folgenden Werte unterhalb des Triggers von 50 %. Somit läge nach ESCORT 2 kein negativer Effekt vor.
Auch die weiteren Einwände der Beklagten, mit der sie einen Verstoß gegen die im Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung festgelegten Grundsätze negiere, hätten keinen Erfolg. So sei nach dem Stufenkonzept des Guidance Documents zur terrestrischen Risikobewertung die Festsetzung einer Risikominderungsmaßnahme erst dann zulässig, wenn die "Higher-tier-tests" nicht ausreichten, die von dem Pflanzenschutzmittel ausgehenden Wirkungen als akzeptabel einzustufen. Entgegen der Ansicht der Beklagten folge aus der Beschreibung unter Step 2 "If no appropriate risk mitigation measures can be identified, then the notifier should carry out higher tier studies" (Guidance Document, S. 23) kein Verbot an die Behörde, höherstufige Studien auszuwerten. Vielmehr bestehe nach dem Guidance Document eine Verpflichtung zur Durchführung höherstufiger Studien (vgl. S. 21: "Higher-tier tests are required when a risk is indicated in lower assessment tiers"). Zudem sei in der Verordnung (EU) Nr. 284/2013, Teil A, Nr. 10.3.2 vorgesehen, dass bei der Beobachtung von Auswirkungen weitere Versuche durchzuführen seien. Entgegen der Ansicht der Beklagten müsse die Risikobewertung für Nichtzielarthropoden anhand der Vorgaben des Dokuments ESCORT 2 durchgeführt werden. Das Dokument ESCORT 2 sei unter der Ziffer 10.3.2. in der Mitteilung der Kommission im Rahmen der Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (ABl. C 95/21 vom 03.04.2013) als relevantes Dokument für "Auswirkungen auf Nichtziel-Arthropoden, ausgenommen Bienen" gelistet und damit verbindlich. Zudem sei die Vorgabe aus dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 546/2011, Teil I, Abschnitt C, Nr. 2.5.2.4. nicht anwendbar, da sich die Regelung ausschließlich auf Nutzarthropoden beziehe.
Obwohl der neue Teilflächenansatz des UBA formal an die unmittelbaren Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden anknüpfe, solle mit der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 letztlich die Biodiversität geschützt werden. So räume das UBA selbst ein, dass der Teilflächenansatz "zwangsläufig auch die mittelbaren Auswirkungen auf Organismen höherer trophischer Ebenen" reduziere (vgl. Anlage RMM zum Schreiben des UBA vom 7. Mai 2021, Seite 3). Ebenso zeige der pauschale Verweis des UBA auf die Anlage ERA_NTA_infield zur Begründung der Anwendungsbestimmung NT306-0 bzw. NT306-0/1, dass die Anwendungsbestimmungen nicht den konkreten von dem jeweiligen Pflanzenschutzmittel ausgehenden Risiken entgegenwirken sollten, sondern vielmehr pauschal für mehrere Pflanzenschutzmittel gleichermaßen angeordnet würden und damit letztlich die Biodiversität schützen sollten. Da die vom UBA geforderten Maßnahmen faktisch (zumindest auch) auf den Schutz der Biodiversität gerichtet seien, müssten die Auswirkungen auf dieses Schutzgut auch gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. e) Nr. iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 mittels einer anerkannten EFSA-Methode ermittelt und bewertet werden. Andernfalls werde der in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zwingend vorgeschriebene Methodenvorbehalt durch eine formale Umbenennung der Anknüpfungstatsachen unterlaufen. Wie das Verwaltungsgericht Braunschweig mit Urteil vom 4. September 2019 (9 A 11/19 und 9 A 18/19) entschieden habe, existierten jedoch keine EFSA-Bewertungsmethoden zur Berücksichtigung der unannehmbaren Auswirkungen auf die Biodiversität. Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität, wie es die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 vorsähe, seien daher nach derzeitigem Stand unzulässig.
Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für den Wirkstoff I. sei bereits festgestellt worden, dass keine unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die nicht zu bekämpfenden Arten und die biologische Vielfalt nach Art. 4 Abs. 3 lit. e) Nr. ii) und Nr. iii) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorlägen. An diese Feststellung sei die Beklagte nach § 35 Abs. 1 PflSchG bei der Prüfung des pflanzenschutzrechtlichen Zulassungsantrags gebunden.
Die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 sei auch nicht durch eine Rechtsvorschrift zugelassen (vgl. § 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG). Entgegen der Ansicht des UBA könne die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 nicht auf Art. 31 Abs. 2 und Abs. 4 lit. c) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gestützt werden, da sie keine zulässige Verwendungsbedingung im Sinne des Art. 31 Abs. 2 der Verordnung darstelle. Ebenso könne § 36 PflSchG nicht als Rechtsgrundlage für die Anwendungsbestimmung herangezogen werden. Zum einen verbiete der Vorrang des Gemeinschaftsrechts einen Rückgriff auf die nationale Regelung des § 36 PflSchG, wenn die Anwendungsbestimmung in Art. 31 Abs. 2 bis 4 der Verordnung als höherrangigem Gemeinschaftsrecht keine hinreichende Rechtsgrundlage finde. Zum anderen sei die generalklauselartige Ermächtigungsgrundlage des § 36 PflSchG im Hinblick auf die Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts keine taugliche Rechtsgrundlage für die hier in Raum stehende Anwendungsbestimmung.
Ergänzend rügt die Klägerin vereinzelt eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG und einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/1535 sowie eine unzulässige Änderung der Verwaltungspraxis der Beklagten.
Die Rechtswidrigkeit der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 führe zur Rechtswidrigkeit der Befristung der Zulassung auf den 31. Juli 2023 und zur Rechtswidrigkeit des im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 enthaltenen Auflagenvorbehaltes ("Dieser Bescheid wird mit dem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Anwendungsbestimmungen und Auflagen verbunden"), da diese Regelungen in einem engen sachlichen Zusammenhang stünden. Aus dem systematischen Zusammenhang des § 36 Abs. 3 Satz 1 und 2 PflSchG folge, dass ein Auflagenvorbehalt nur dann in eine Zulassung aufgenommen werden dürfe, wenn dieser im konkreten Fall erforderlich sei, was hier nicht der Fall sei. Darüber hinaus sei die Befristung mittlerweile rechtswidrig geworden, weil sie aufgrund der zwischenzeitlichen Verlängerung der Genehmigung des Wirkstoffs H. nunmehr auf den 31. Juli 2024 lauten müsste.
Die mit der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 verbundenen Regelungen in Gestalt des Vorschlags des UBA, die Zulassung mit der Anwendungsbestimmung NT306-0 zu verbinden, des Hinweises, dass bisher mitgeteilte Forderungen bestehen blieben, soweit sie noch nicht erfüllt seien, der Anlage ERA_NTA_infield, des Hinweises auf die Informationen zur produktspezifischen Bewertung aus dem Draft Registration Report, Part B, Core Assessment und das nationale Addendum, Sektion 9, Kapitel 9.7 und des Hinweises auf die Informationen aus dem Draft Registration Report, Part B, nationales Addendum, Sektion 9, Kapitel 9.5 seien Auflagen, die isoliert anfechtbar seien. Auch Scheinbestandteile eines Verwaltungsaktes könnten Gegenstand einer Verpflichtungs- und Anfechtungsklage sein, wenn von ihnen - wie hier - der Schein einer Wirksamkeit ausgehe.
Ursprünglich hat die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer pflanzenschutzrechtlichen Zulassung ohne die im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 vorgesehene Zulassungsbefristung, die Anwendungsbestimmung NT306-0 und den Auflagenvorbehalt, ohne die im Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022 vorgesehene Anwendungsbestimmung NT306-0/1, den Vorschlag des UBA, die Zulassung mit der Anwendungsbestimmung NT306-0 zu verbinden, und den Hinweis, dass bisher mitgeteilte Forderungen bestehen bleiben, soweit sie noch nicht erfüllt sind, sowie ohne die im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 und im Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022 in Bezug genommene Anlage ERA_NTA_infield, den Hinweis auf die Informationen zur produktspezifischen Bewertung aus dem Draft Registration Report, Part B, Core Assessment und das nationale Addendum, Sektion 9, Kapitel 9.7 und den Hinweis auf die Informationen aus dem Draft Registration Report, Part B, nationales Addendum, Sektion 9, Kapitel 9.5 bzw. hilfsweise die gerichtliche Aufhebung dieser Bescheidbestandteile begehrt. Mit Ausnahme des Begehrens, den Auflagenvorbehalt und die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 gerichtlich aufheben zu lassen, haben die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
die im Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2022 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. Juni 2022 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT 306-0/1 und den festgesetzten Auflagenvorbehalt aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und erwidert auf die Klage im Wesentlichen wie folgt:
Ohne die Festlegung der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 als Risikominderungsmaßnahme lägen unannehmbare Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden vor und damit wären die Zulassungsvoraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 lit. e) Nr. ii) i. V. m Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht gegeben. Die Bewertung der unmittelbaren Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden beruhe auf der dazu in Kapitel 5 des Guidance Documents zur terrestrischen Risikobewertung beschriebenen Methode für Nichtzielarthropoden auf der Anbaufläche ("in-field"). Diese Leitlinie gelte im Sinne des Methodenvorbehaltes als von der EFSA anerkannt, da die EFSA sie in den Genehmigungsverfahren für Wirkstoffe selbst anwende. Die Bewertung des UBA stehe im Einklang mit der im Guidance Document festgelegten von der EFSA anerkannten Methode. Entgegen der Ansicht der Klägerin wäre die Festsetzung einer Anwendungsbestimmung auch ohne die Berücksichtigung höherstufiger Tests zulässig gewesen. Denn eine höherstufige Bewertung sehe das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung lediglich für den Fall vor, dass ein auf Grundlage der Standardbewertung angezeigtes Risiko nicht bereits durch das Festlegen geeigneter Risikominderungsmaßnahmen adressiert werden könne ("If no appropriate risk mitigation measures can be identified, then the notifier should carry out higher tier studies [...]", Guidance Document, S. 23, Nr. 5.3 "Step 2: Higher tier assessment"). Indem das UBA alle vorliegenden Studien und Informationen und damit auch höherstufige Tests in seine Bewertung einbezogen habe, sei das UBA über die im Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung statuierten Anforderungen an die Bewertung hinausgegangen.
Im Rahmen seiner Bewertung habe das UBA die Aussagekraft der Studien im Lichte der spezifischen ökologischen und landwirtschaftlichen Bedingungen Deutschlands beurteilt und die Ergebnisse von Studien, die in diesem Sinne für die Bedingungen in Deutschland nicht repräsentativ und deshalb auch nicht geeignet seien, für die Bewertung nicht anerkannt. Zwar sehe das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung eine solche auf nationalspezifischen Umständen beruhende wertende Betrachtung nicht ausdrücklich vor. Jedoch lege das Guidance Document im Rahmen der Vorgaben für die Risikobewertung fest, dass die Annahme einer bestimmten Schlussfolgerung (hier: Annahme, dass eine Erholung der Population der Nichtzielarthropoden durch Wiederbesiedlung vorläge) im Rahmen einer höherrangigen Studie gerechtfertigt sein müsse ("In any case the data and assumptions should be fully justified", Guidance Document, a.a.O.). Um eine Schlussfolgerung über die Annehmbarkeit der Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden treffen zu können, sei es erforderlich, die Feldbedingungen in Deutschland und damit die landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen einzubeziehen. Entgegen der Ansicht der Klägerin gebe es für den höherstufigen Bewertungsbereich keine klaren Kriterien zur Risikobewertung und zur Schlussfolgerung eines akzeptablen Risikos. Das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung sehe keine pauschale Anerkennung einer bestimmten vorliegenden höherstufigen Studie vor, sondern benenne lediglich mehrere Optionen an Studientypen für die Testung im höherstufigen Bereich. Das Guidance Document treffe auch keine Aussage zu den von der Klägerin vorgelegten "Aged Residue"-Studien, sondern verweise lediglich auf das Dokument ESCORT 2. Die Verbindlichkeit des Dokuments ESCORT 2 sei zweifelhaft.
In Deutschland lägen andere ökologische und landwirtschaftliche Bedingungen als in den übrigen EU-Mitgliedstaaten vor. Unter Zugrundelegung des Datensatzes von ESDAC (European Soil Data Centre; Reuter & Eden, 2008) sei nach der von ihr vorgenommenen Methode für Deutschland eine mediane Schlaggröße von 22,3 ha und für alle übrigen Mitgliedsstaaten der EU eine mediane Schlaggröße von 11,83 ha ermittelt worden. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei der HNVF-Indikator ein geeigneter Vergleichsmaßstab hinsichtlich Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert. Denn es entspreche der Ansicht der Europäischen Umweltagentur (EEA), den HNVF-Indikator dazu zu nutzen, einen näherungsweisen Vergleich der Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung bzw. der resultierenden Agrar-Landschaftsstruktur zwischen den Mitgliedstaaten durchzuführen. Eine umfangreiche Meta-Analyse der Unterschiede der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften in Europa habe gezeigt, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln einen entscheidenden Einfluss auf die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft habe (z. B. Geiger et al., 2010). So gebe beispielsweise die Rote Liste (BfN, 2016) zu bedenken, dass auch aktuell als ungefährdet eingestufte Taxa (z. B. einige Großlaufkäfer der Gattung Carabus) in den agrarisch genutzten Landschaften gegenüber der Situation etwa in den 1950er und teils noch 1980er Jahren offenkundig ganz erhebliche Einbußen in der Populationsgröße/-dichte erlitten hätten. Umso kritischer sei es zu sehen, dass auch für den Lebensraumtyp "Äcker und Grünland vorwiegend mittlerer Standorte" in der Roten Liste (BfN, 2016) bereits ein Anteil von 23% der Laufkäferarten als gefährdet gelten und 26 % auf der Vorwarnliste geführt würden.
Darüber hinaus seien die von der Klägerin vorgelegten "Aged Residue"-Studien nicht geeignet, unter den Feldbedingungen in Deutschland annehmbare Auswirkungen für Nichtzielarthropoden zu zeigen. So seien Effekte nach mehr als 28 Tagen Alterungszeit nicht untersucht worden, obwohl im Hinblick auf die Spezies Coccinella septempuncata und Aphidius rhopalosiphi die Effekte (Mortalität bei C. septempunctata und Reproduktion bei A. rhopalosiphi) bei 28 Tagen gealterten Rückständen teils stärker ausfielen als bei 14 Tagen gealterten Rückständen.
Die Auswertung der auf der höheren Ebene ("higher tier") in Betracht gezogenen Studien habe vorliegend ergeben, dass eine Wiederbesiedlung der Fläche nach der Anwendung des Pflanzenschutzmittels unter den Bedingungen in Deutschland nicht angenommen werden könne. Nur durch die Festsetzung einer Risikominderungsmaßnahme komme es zu einer Reduzierung der nachteiligen Effekte auf die Nichtzielarthropoden unterhalb der Schwelle der Unannehmbarkeit.
Da die festgesetzte Anforderung an die Anwendung ein notwendiger Bestandteil der Zulassung selbst sei (vgl. insbesondere Art. 31 Abs. 2 Verordnung [EG] Nr. 1107/2009), handle es sich bei der Zulassungsentscheidung um eine einheitliche Sachentscheidung. Insofern stelle die Festlegung der Art der Verwendung keinen selbstständigen Zusatz zu der Zulassungsentscheidung in Form einer Nebenbestimmung dar. Vielmehr sei sie ein integraler Bestandteil, der hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit nicht isoliert von dem übrigen Teil der Zulassung betrachtet werden könne, da ohne die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 die Zulassung hätte abgelehnt werden müssen.
Weder die Zulassungsbefristung noch der Auflagenvorbehalt stünden in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Anwendungsbestimmung NT306-0/1. Die Zulassungsbefristung beruhe auf Art. 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Der Auflagenvorbehalt folge aus § 36 Abs. 3 Satz 2 PflSchG. Danach seien alle Zulassungen zu befristen und mit einem Auflagenvorbehalt zu verbinden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Im Übrigen hat die Klage im tenorierten Umfang Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Die ursprünglich von der Klägerin erhobene Untätigkeitsklage war zulässig. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGO als Verpflichtungsklage statthaft und wurde zulässigerweise als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben.
Gemäß § 75 Satz 1 VwGO ist die Verpflichtungsklage ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Liegt nach Ablauf einer Sperrfrist von drei Monaten seit Antragstellung (§ 75 Satz 2 VwGO) ein zureichender Grund für die Verzögerung der Bescheidung des Antrags durch die Behörde vor, setzt das Gericht nach § 75 Satz 3 VwGO das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus. Ohne eine derartige Aussetzung des Verfahrens bleibt eine nach § 75 Satz 1 VwGO erhobene Untätigkeitsklage zulässig und erfordert die Durchführung des Vorverfahrens selbst dann nicht, wenn die Behörde den Kläger während des Rechtsstreits ablehnend bescheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1991 - 1 C 42/88 -, und Urt. v. 13.01.1983 - 5 C 114/81 -, juris; Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl., § 75 Rn. 28; Saurenhaus/Buchheister in: Wysk, VwGO, 2. Aufl., § 75 Rn. 10; Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., § 75 Rn. 21-23).
Im vorliegenden Fall ist eine Aussetzung des Klageverfahrens nach § 75 Satz 3 VwGO nicht erfolgt, da die Klage nach Ablauf der dreimonatigen Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO erhoben wurde und ein zureichender Grund dafür, dass der beantragte Verwaltungsakt bis zur Klageerhebung nicht erlassen wurde, nicht ersichtlich ist. Hierbei können die tatsächlichen Gründe für die Verzögerung der Bescheidung dahingestellt bleiben, da die Verzögerung gegen zwingendes EU-Recht verstößt und damit der tatsächliche Verzögerungsgrund von vornherein nicht "zureichend" im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.07.1991 - 3 C 56/90 -, juris). Maßgeblich dafür, welche Frist für die Bearbeitung des hier vorliegenden Antrags im zonalen Zulassungsverfahren (ZV1-Antrag) angemessen ist, ist Art. 37 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Hiernach entscheidet der einen Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels im zonalen Zulassungsverfahren gemäß Art. 33 der Verordnung prüfende Mitgliedstaat innerhalb von zwölf Monaten nach Erhalt des Antrags, ob die Anforderungen für eine Zulassung erfüllt sind (UA 1). Benötigt der Mitgliedstaat zusätzliche Informationen, so setzt er eine Frist fest, innerhalb derer der Antragsteller diese Informationen vorzulegen hat (UA 2 Satz 1). In diesem Fall wird der Zeitraum von zwölf Monaten um die vom Mitgliedstaat eingeräumte zusätzliche Frist verlängert (UA 2 Satz 2). Diese zusätzliche Frist beträgt höchstens sechs Monate und endet zum Zeitpunkt des Erhalts der zusätzlichen Informationen bei dem Mitgliedstaat (UA 2 Satz 3). Hat der Antragsteller nach Ablauf dieser Frist die fehlenden Informationen nicht vorgelegt, so teilt der Mitgliedstaat dem Antragsteller mit, dass der Antrag nicht zulässig ist (UA 2 Satz 4). Hier war die maßgebliche Frist zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 27. August 2021 bereits verstrichen, da der klägerische Antrag auf Zulassung des Pflanzenschutzmittels E. am 31. August 2018 und damit nahezu drei Jahre vor Klageerhebung bei der Beklagten einging. Dabei kann die Frage offen bleiben, ob es sich bei dem Schreiben des BVL vom 28. August 2019, mit dem es die Klägerin um Nachreichung diverser Unterlagen bittet, um eine sog. Hemmungsmitteilung im Sinne des Art. 37 Abs. 1 UA 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 gehandelt hat. Denn Art. 37 Abs. 1 UA 2 der Verordnung bestimmt zwingend, dass der Bearbeitungszeitraum von zwölf Monaten um höchstens sechs Monate verlängert werden kann. Eine Verlängerung der in Art. 37 Abs. 1 UA 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für das Nachreichen von Unterlagen bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ist hingegen rechtlich nicht möglich, da eine Verlängerung der Frist in der Verordnung nicht vorgesehen ist (vgl. VG Braunschweig, Beschl. v. 14.10.2016 - 9 B 40/16 -, juris Rn. 10).
2. Die ohne ein Vorverfahren nach § 75 VwGO zulässige Untätigkeitsklage konnte nach Erlass des Zulassungsbescheides vom 22. Februar 2022 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. Juni 2022 zulässigerweise als isolierte Anfechtungsklage, mit der die gerichtliche Aufhebung des Auflagenvorbehalts und der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 begehrt wird, fortgeführt werden.
Wenn nämlich die erhobene Untätigkeitsklage - wie hier - von Anfang an zulässig war, weil die Klage die dreimonatige Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO wahrte und das Klageverfahren nicht nach § 75 Satz 3 VwGO auszusetzen war, kann der Kläger im Falle des Erlasses eines für ihn negativen Verwaltungsaktes seine Klage unter Einbeziehung des ergangenen negativen Verwaltungsaktes als Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage fortführen, ohne dass die Frist des § 74 VwGO zu beachten wäre und ohne dass zuvor ein Vorverfahren durchzuführen ist (vgl. Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl., § 75 Rn. 28; Saurenhaus/Buchheister in: Wysk, VwGO, 2. Aufl., § 75 Rn. 10; Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl., § 75 Rn. 21-23).
Vorliegend ist die isolierte Anfechtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO) und im Übrigen zulässig, soweit sich die Klägerin mit ihrer Klage gegen den im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 vorgesehenen Auflagenvorbehalt und gegen die im Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/1 wendet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Adressat eines ihn begünstigenden Verwaltungsakts mit der Anfechtungsklage isoliert eine ihn belastende Nebenbestimmung i. S. d. § 36 Abs. 1 und 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) anfechten. Ob die Anfechtungsklage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.09.2018 - 8 C 6.17 -, juris; Urt. v. 22.11.2000 - 11 C 2/00 -, juris Rn. 25). Von Nebenbestimmungen zu unterscheiden sind Inhaltsbestimmungen. Diese sind nicht isoliert anfechtbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.09.2009 - 5 C 32/08 -, juris Rn. 11). Eine Inhaltsbestimmung ist ein Element der Hauptregelung, das das genehmigte Tun oder Verhalten entsprechend dem Antrag oder hiervon abweichend festlegt und konkretisiert, indem sie die genehmigte Handlung bzw. das Verhalten räumlich und inhaltlich bestimmt und damit die Genehmigung erst ausfüllt. Das ist der Fall, wenn die Genehmigung erst aufgrund der fraglichen Bestimmung einen vollziehbaren Gehalt erhält. Für die Abgrenzung ist die im Verwaltungsakt zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht der Genehmigungsbehörde maßgeblich; es kommt darauf an, welche Rechtsfolgen sie - innerhalb des gesetzlichen Rahmens - mit der jeweiligen Festsetzung erzeugen will. Dabei ist für die rechtliche Einordnung einer im Genehmigungsbescheid enthaltenen Einschränkung der objektive Erklärungsgehalt des Bescheids und nicht die Bezeichnung der entsprechenden Regelung durch die Behörde entscheidend (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.2018 - 7 C 9/17 - juris Rn. 23 ff. m.w.N.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 15.06.2023 - 3 M 14/23 -, juris).
Nach diesen Maßgaben handelt es sich der angegriffenen Anwendungsbestimmung um eine isoliert anfechtbare Nebenbestimmung. Sie begründet eine zusätzliche Leistungsverpflichtung, die selbstständig durchsetzbar ist. So sieht die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 eine Verpflichtung vor, die sich auf die Anwendung des Pflanzenschutzmittels als solches bezieht und sich an den Anwender des Pflanzenschutzmittels richtet. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 PflSchG dürfen Pflanzenschutzmittel nur entsprechend den in der Zulassung festgesetzten, jeweils gültigen Anwendungsbestimmungen angewandt werden. Wird ein Pflanzenschutzmittel entgegen einer Anwendungsbestimmung angewendet, begeht der Anwender gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 7 PflSchG eine Ordnungswidrigkeit. Eine isolierte Aufhebung der Nebenbestimmung scheidet auch nicht von vornherein offenkundig aus.
Bei dem im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 vorgesehenen Auflagenvorbehalt handelt es sich gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG gleichfalls um eine Nebenbestimmung, die isoliert angefochten werden kann.
II. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
1. Soweit die Klägerin mit ihrer Klage die gerichtliche Aufhebung der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 begehrt, ist die Anfechtungsklage begründet. Denn die im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. Juni 2022 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/1 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Es handelt sich im vorliegenden Fall um ein zonales Zulassungsverfahren nach Art. 33 ff. Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Dieses Verfahren untergliedert sich in zwei Arten. So kann der Antragsteller einen Zulassungsantrag nur in einem Mitgliedstaat oder parallel in mehreren Mitgliedstaaten stellen. In letzterem Fall schlägt der Antragsteller den Mitgliedstaaten einer Zone vor, welcher Staat prüfender Mitgliedstaat (zonal Rapporteur Member State - zRMS) werden soll. Wird diesem Vorschlag entsprochen, so beantragt der Antragsteller bei diesem Mitgliedstaat für die betreffende Zone die Erteilung der zonalen Zulassung und gibt zugleich an, in welchen weiteren Mitgliedstaaten derselben Zone er eine Zulassung zu beantragen beabsichtigt (Art. 35 Verordnung [EG] Nr. 1107/2009). Die übrigen Mitgliedstaaten derselben Zone, in welchen ebenfalls eine Zulassung beantragt werden soll, werden sodann beteiligte Mitgliedstaaten (concerned Member States - cMS). Neben dem Antrag beim gewünschten zRMS stellt der Antragsteller den Zulassungsantrag parallel bei sämtlichen gewünschten cMS. Die dem Antrag beizufügenden Unterlagen sind in Art. 33 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 aufgeführt. Die Prüfung des Antrags erfolgt sodann gemäß Art. 35 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 durch den zRMS. Nach Art. 36 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nimmt der Mitgliedstaat, der den Antrag prüft, eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Standes von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien vor. Er wendet die in Art. 29 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genannten einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln an, um so weit wie möglich festzustellen, ob das Pflanzenschutzmittel bei Verwendung gemäß Art. 55 der Verordnung in derselben Zone und unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen die Anforderungen gemäß Art. 29 der Verordnung erfüllt (Satz 3). Die beteiligten Mitgliedstaaten setzen gemäß Art. 35 Satz 4 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 die Bearbeitung des Antrags aus, bis die Bewertung durch den prüfenden Mitgliedstaat vorliegt. Der prüfende Mitgliedstaat erstellt sodann im Zuge der Bewertung den Entwurf eines Bewertungsberichtes (draft Registration Report - dRR) in einem zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmten Format. Dieser Entwurf wird an sämtliche Mitgliedstaaten der Zone zur Kommentierung verschickt (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 Verordnung [EG] Nr. 1107/2009). Nach Ablauf der Kommentierungsfrist erstellt der prüfende Mitgliedstaat unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Mitgliedstaaten den Finalen Registration Report (RR) und entscheidet für sein Hoheitsgebiet über die Zulassung des jeweiligen Pflanzenschutzmittels. Im Folgenden übermittelt er den Finalen Registration Report sowie seine Zulassungsentscheidung an die anderen Mitgliedstaaten derselben Zone. Die anderen betroffenen Mitgliedstaaten entscheiden sodann innerhalb von höchstens 120 Tagen nach Erhalt des Bewertungsberichts und der Kopie der Zulassung über den Antrag gemäß Art. 36 Abs. 2 und 3 der Verordnung (Art. 37 Abs. 4 Verordnung [EG] Nr. 1107/2009).
Gemäß Art. 36 Abs. 3 UA 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 können abweichend von Art. 36 Abs. 2 der Verordnung und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Art. 31 Abs. 3 und 4 der Verordnung und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden. Können die Bedenken eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt (Art. 36 Abs. 3 UA 2 Verordnung [EG] Nr. 1107/2009).
Vorliegend ist die im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 14. Juni 2022 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/1 rechtswidrig, weil sie auf der im Rahmen der Bewertung des Gefährdungspotenzials für terrestrische Nichtzielarthropoden vorgenommenen Expositionsbewertung des UBA beruht und diese nicht im Einklang mit Art. 36 Abs. 1 und 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 steht.
a. Die hier vorzunehmende Beurteilung von Auswirkungen der Verwendung des Pflanzenschutzmittels E. auf Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche ("in-field") richtet sich nach den Verordnungen (EU) Nr. 546/2011 und (EU) Nr. 284/2013 sowie nach dem Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung.
Gemäß Art. 29 Abs. 1 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 wird ein Pflanzenschutzmittel unbeschadet des Artikels 50 der Verordnung nur dann zugelassen, wenn es entsprechend den einheitlichen Grundsätzen gemäß Art. 29 Abs. 6 der Verordnung unter anderem unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung erfüllt. Nach Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 dürfen Pflanzenschutzmittel keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben, und zwar unter besonderer Berücksichtigung folgender Aspekte, soweit es von der Behörde anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt: i) Verbleib und Ausbreitung in der Umwelt, insbesondere Kontamination von Oberflächengewässern einschließlich Mündungs- und Küstengewässern, Grundwasser, Luft und Boden, unter Berücksichtigung von Orten in großer Entfernung vom Ort der Verwendung nach einem Ferntransport in der Umwelt; ii) Auswirkung auf Arten, die nicht bekämpft werden sollen, einschließlich des dauerhaften Verhaltens dieser Arten; iii) Auswirkung auf die biologische Vielfalt und das Ökosystem.
Gemäß Art. 29 Abs. 6 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 enthalten die einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln die Anforderungen des Anhangs VI der Richtlinie 91/414/EWG und werden in Verordnungen festgelegt, die nach dem in Artikel 79 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren ohne wesentliche Änderungen erlassen werden. Eine solche Verordnung i. S. d. Art. 29 Abs. 6 der Verordnung stellt die Verordnung (EU) Nr. 546/2011 der Kommission vom 10. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich einheitlicher Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln dar. Denn sie regelt die einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, die die Anforderungen des Anhangs VI der Richtlinie 91/414/EWG enthalten (vgl. Erwägungsgründe [1] und [2] der Verordnung; Art. 29 Abs. 6 Satz 1 Verordnung [EG] Nr. 1107/2009).
Soweit die Beklagte sinngemäß geltend macht, die Verwendung des Pflanzenschutzmittels E. führe zu unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt, weil das Pflanzenschutzmittel ein unannehmbar hohes Gefährdungspotenzial für terrestrische Nichtzielarthropoden aufweise, ist das Vorliegen der inhaltlichen Voraussetzungen für die Erteilung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 546/2011, Teil A, Nrn. 1.5.2.4. und 2.5.2.4. zu beurteilen. Danach haben die Mitgliedstaaten zu bewerten, ob unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen eine Exposition anderer Nutzarthropoden als Honigbienen gegenüber dem chemischen Pflanzenschutzmittel möglich ist (vgl. Nr. 1.5.2.4.).
Die Verordnung (EU) Nr. 284/2013 der Kommission vom 1. März 2013 zur Festlegung der Datenanforderungen für Pflanzenschutzmittel gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln regelt die Vorgaben zu den Daten, mit denen das Vorliegen der inhaltlichen Voraussetzungen für die Erteilung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 nachgewiesen wird. Nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 284/2013, Teil A, Abschnitt 10, Nr. 10.3.2. müssen die Auswirkungen auf Nichtziel-Bodenarthropoden grundsätzlich für alle Pflanzenschutzmittel untersucht werden.
Voraussetzung für die Berücksichtigung von Auswirkungen eines Pflanzenschutzmittels auf Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche ("in-field") ist nach Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zunächst anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte bestimmt hat (zu den näheren Einzelheiten: VG Braunschweig, Urteile v. 04.09.2019 - 9 A 11/19 und 9 A 18/19 -, juris; Urt. des erkennenden Gerichts v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris Rn. 50 ff.). Erst wenn die EFSA wissenschaftlich anerkannte Bewertungsmethoden festgelegt hat, sind die Mitgliedstaaten berechtigt, Auswirkungen auf die in Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu den Unterpunkten i) bis iii) genannten Teilaspekte bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu untersuchen und bei unannehmbaren Auswirkungen auf diese Teilbereiche des Schutzgutes Umwelt die Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel zu versagen bzw. mit Nebenbestimmungen zu versehen, die geeignet sind, unannehmbare Auswirkungen auszuräumen. Dies gilt für zonale Zulassungsverfahren ebenso wie für Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (Urt. des erkennenden Gerichts v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris Rn. 55). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung bestimmt anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung von Auswirkungen der Verwendung des Pflanzenschutzmittels E. auf Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche ("in-field"). Denn in Kapitel 5 "Other arthropods" (S. 19 ff.) sieht das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung einen stufenweisen Ansatz der Risikobewertung für Nichtzielarthropoden auf ("in-field") und außerhalb der Anwendungsfläche ("off-field") vor. Entgegen der Ansicht der Klägerin können die im Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung beschriebenen Bewertungsmethoden als von der EFSA anerkannt i. S. d. Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 angesehen werden. Zwar ist die EFSA nicht die Verfasserin des noch unter Geltung der Richtlinie 91/414/EWG von der Europäischen Kommission im Jahr 2002 erstellten Guidance Documents zur terrestrischen Risikobewertung, an dem die Europäische Kommission auch nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 festhält (vgl. Mitteilungen der Kommission 2013/C 95/01 und 2013/C 95/02 mit Listen der für die Durchführung der Verordnungen [EU] Nr. 283/2013 und Nr. 283/2014 relevanten Prüfmethoden und Leitliniendokumente). Jedoch wendet die EFSA das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung bei der Entscheidung über die Erteilung von Wirkstoffgenehmigungen selbst an (vgl. bereits Urt. der Kammer v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris Rn. 56). Auch das EFSA-Gremium für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände benennt das Guidance Document in einer wissenschaftlichen Stellungnahme zum Stand der Wissenschaft über die Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln für Nichtzielarthropoden aus dem Jahr 2015 als Grundlage der gegenwärtigen Risikobewertung (EFSA Panel on Plant Protection Products and their Residues [PPR], "Scientific Opinion addressing the state of the science on risk assessment of plant protection products for non-target arthropods", EFSA Journal 2015;13(2):3996, S. 15 ff.).
Dementsprechend ist das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung innerhalb des durch die Verordnungen (EU) Nr. 546/2011 und (EU) Nr. 284/2013 vorgegebenen rechtlichen Rahmens für die Bestimmung der näheren Maßgaben relevant.
b. In Bezug auf das Gefährdungspotenzial für terrestrische Nichtzielarthropoden hat die Klägerin durch Vorlage der hier im Streite stehenden "Aged Residue"-Studien sämtliche Datenanforderungen nach der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 erfüllt und im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 und des Guidance Documents zur terrestrischen Risikobewertung dargelegt, dass die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind.
Nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 284/2013, Teil A, Abschnitt 10, Nr. 10.3.2. müssen die Auswirkungen auf Nichtziel-Bodenarthropoden grundsätzlich für alle Pflanzenschutzmittel untersucht werden. Versuche sind danach zwingend durchzuführen, wenn das Pflanzenschutzmittel - wie hier - mehr als einen Wirkstoff enthält. Demnach entbindet der Hinweis auf die im Rahmen der Wirkstoffgenehmigung erfolgte Risikobewertung die Klägerin entgegen ihrer Auffassung nicht von der Beibringung weitergehender Unterlagen. Bei den Versuchen sind zwei Indikatorarten zu untersuchen. Bei den Tests der ersten Stufe sind Glasplatten zu verwenden; es sind sowohl die Mortalitätsrate als auch die Auswirkungen auf die Reproduktion (sofern Bewertungsgegenstand) anzugeben. Die Regelung in Nr. 10.3.2.1. (Standardlaborversuche mit Nichtziel-Arthropoden) bestimmt, dass die Versuche ausreichend Informationen liefern müssen, damit die Toxizität des Pflanzenschutzmittels für die beiden Indikatorarten anhand der Analyse des betreffenden Risikoquotienten bewertet werden kann. Ergeben sich Hinweise auf schädliche Auswirkungen, so sind Untersuchungen auf der Grundlage von höherstufigen Studien durchzuführen, um genauere Daten zu erhalten (siehe Nummern 10.3.2.2 bis 10.3.2.5).
Als höherstufige Studien erkennt die Verordnung (EU) Nr. 284/2013 erweiterte Laborversuche (Nr. 10.3.2.2), die Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände (Nr. 10.3.2.2), Halbfreilandversuche (Nr. 10.3.2.3), Freilandversuche (Nr. 10.3.2.4) sowie ggf. spezifische Untersuchungen (Nr. 10.3.2.5) an.
Die Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände ist anhand der empfindlichsten Tierart durchzuführen, damit Erkenntnisse über die Zeitspanne für eine mögliche Neubesiedlung der behandelten Zielfläche gewonnen werden können (vgl. Nr. 10.3.2.2). Die Versuchsbedingungen der Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände werden im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 284/2013, Teil A, Abschnitt 10, Nr. 10.3.2.2 wie folgt beschrieben: "Bei solchen Untersuchungen ist zu bewerten, wie lange die Auswirkungen auf Nichtziel-Arthropoden auf der Zielfläche anhalten. Untersuchungsgegenstand sind u. a. die Alterung von Pflanzenschutzmittelbelägen unter Freilandbedingungen (evtl. ist ein Regenschutz angeraten), wobei die Testorganismen behandelten Blättern oder Pflanzen unter Labor- oder Halbfreilandbedingungen bzw. einer Kombination beider Methoden (z. B. Mortalitätsbewertung unter Halbfreilandbedingungen und Bewertung der Reproduktionsfähigkeit unter Laborbedingungen) auszusetzen sind."
Unter Berücksichtigung der den Zulassungsanträgen beigefügten Daten und Informationen haben die Mitgliedstaaten nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 546/2011, Teil A, Nr. 1.5.2.4. zu bewerten, ob unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen eine Exposition anderer Nutzarthropoden als Honigbienen gegenüber dem Pflanzenschutzmittel möglich ist; besteht diese Möglichkeit, so bewerten sie, welche letalen und subletalen Wirkungen auf diese Organismen nach Anwendung des Pflanzenschutzmittels gemäß den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen zu erwarten sind und ob eine Verringerung ihrer Aktivität eintritt. Besteht die Möglichkeit einer Exposition anderer Nutzarthropoden als Honigbienen, so wird nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 546/2011, Teil A, Nr. 2.5.2.4. keine Zulassung erteilt, wenn mehr als 30 v. H. der Versuchsorganismen im Letal- oder Subletaltest, der in einem Labor bei der höchsten vorgeschlagenen Aufwandmenge durchgeführt wird, geschädigt werden, es sei denn, eine geeignete Risikobewertung erbringt den Nachweis, dass bei Feldbedingungen nach Anwendung des Pflanzenschutzmittels unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen keine unannehmbaren Auswirkungen auf die betreffenden Organismen eintreten (Hervorhebung durch die Kammer). Angaben zur Selektivität und Vorschläge für die Anwendung im Rahmen von Systemen des integrierten Pflanzenschutzes sind durch entsprechende Daten zu untermauern.
Das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung führt in Bezug auf die Datenanforderungen unter Ziffer 5.1 aus, dass die Standardtests der Stufe 1 Glasplattentests umfassten und höherstufige Tests erforderlich seien, wenn ein Risiko in niedrigeren Bewertungsstufen angezeigt sei (vgl. Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung, a. a. O., S. 20 f.). Die vorzunehmende Bewertung des Risikos im Feld wird unter Ziffer 5.3 des Guidance Documents (vgl. Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung, a. a. O., S. 23 f.) wie folgt beschrieben: Im ersten Schritt erfolge die Bewertung auf der ersten Stufe anhand von Standardtests. Dabei werde das Risiko durch den Gefährdungsquotienten (Hazard Quotient - HQ -) im Feld charakterisiert. Sofern der HQ-Wert für beide Arten unter 2 liege, sei keine weitere Bewertung erforderlich. Sofern der HQ-Wert für eine oder beide Arten größer oder gleich 2 sei, sei der zweite Schritt (Bewertung auf höherer Ebene) anzuwenden. Danach sollten höherrangige Studien an der betroffenen Art und einer weiteren Art mit anderer Biologie durchgeführt werden, wenn keine geeigneten Risikominderungsmaßnahmen ermittelt werden könnten. Im Allgemeinen müsse nachgewiesen werden, dass ein Potenzial für eine Wiederbesiedlung/Erholung mindestens innerhalb eines Jahres, vorzugsweise jedoch innerhalb eines kürzeren Zeitraums bestehe, der von der Biologie (saisonales Muster) der Art abhänge. Die Bewertung könne sich auf Feldstudien oder andere Nachweise stützen (z. B. Ergebnisse von Studien über gealterte Rückstände, Informationen über den Verbleib in der Umwelt). Bei erweiterten Laborversuchen und Halbfreilandversuchen seien letale und subletale Wirkungen von weniger als 50 % als akzeptabel anzusehen, sofern die Versuche die entsprechende Feldrate abdecken. Zur Interpretation von Studien über gealterte Rückstände im Hinblick auf die Wiederbesiedlung verweist das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung auf das Dokument ESCORT 2.
Im Hinblick auf die Studien über gealterte Rückstände nehmen die Beteiligten übereinstimmend einen Bewertungstrigger von 50% als maßgeblich an.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes hat die Klägerin durch Vorlage der hier im Streite stehenden "Aged Residue"-Studien sämtliche Datenanforderungen nach der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 in Bezug auf das Gefährdungspotenzial für terrestrische Nichtzielarthropoden erfüllt und im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 und des Guidance Documents zur terrestrischen Risikobewertung dargelegt, dass die Zulassungsvoraussetzungen insoweit erfüllt sind.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese zunächst nicht dazu berechtigt, eine Anwendungsbestimmung zum Schutz von Nichtzielarthropoden als Risikominderungsmaßnahme ohne die Berücksichtigung höherstufiger Studien festzusetzen. Dies ergibt sich bereits aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Verordnung (EU) Nr. 284/2013, die die Vorgaben zu den Daten regelt, mit denen das Vorliegen der inhaltlichen Voraussetzungen für die Erteilung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 nachgewiesen wird. Die Festsetzung einer Risikominderungsmaßnahme in Form der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 ist nämlich als belastender Verwaltungsakt unverhältnismäßig, wenn der Klägerin hierdurch die ihr in der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 eingeräumte Möglichkeit genommen wird, durch Vorlage höherstufiger Studien nachzuweisen, dass ein Potenzial für eine Wiederbesiedlung/Erholung mindestens innerhalb eines Jahres besteht. So hat die Kommission im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 284/2013, Teil A, Abschnitt 10, Nr. 10.3.2.1 ausdrücklich geregelt, dass Untersuchungen auf der Grundlage von höherstufigen Studien durchzuführen sind, wenn sich nach Durchführung der Standardlaborversuche Hinweise auf schädliche Auswirkungen ergeben. Da die Verordnung (EU) Nr. 284/2013 als höherrangiges Recht einen Anwendungsvorrang gegenüber dem Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung genießt und damit maßgebend für die rechtliche Beurteilung ist, kann der auf das Guidance Document gestützten Rechtsauffassung der Beklagten nicht gefolgt werden, eine höherstufige Bewertung sei lediglich erforderlich, wenn ein auf der Grundlage der Standardbewertung angezeigtes Risiko nicht bereits durch das Festlagen geeigneter Risikominderungsmaßnahmen adressiert werden könne (vgl. Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung, S. 23: "If no appropriate risk mitigation measures can be identified, then the notifier should carry out higher tier studies on the affected species and one further species with different biology").
Zwar deuten nach dem von der Beklagten erstellten Bewertungsbericht die Ergebnisse der auf der ersten Stufe (Tier 1) durchgeführten Untersuchungen für den Wirkstoff H. und für die Formulierung V. (ältere Bezeichnung des Pflanzenschutzmittels) auf ein inakzeptables Risiko für Nichtzielarthropoden im Feld hin (vgl. Core Assessment des Registration Reports, Part B, Section 9, Ziff. 9.7, S. 224). Jedoch zeigen die von der Klägerin vorgelegten Ergebnisse der höherstufigen Tests (Higher-tier tests) ein akzeptables Risiko für Nichtzielarthropoden innerhalb des Feldes. So führt die Beklagte im Core Assessment des Registration Reports auf Seite 224 aus, dass die Bewertung der höheren Stufe für den Wirkstoff H. ein annehmbares Risiko für Nichtzielarthropoden ergeben habe. Daneben legte die Klägerin Studien über gealterte Rückstände mit der Formulierung V. vor. Diese durchgeführten Studien über gealterte Rückstände ("Aged Residue"-Studien) haben selbst bei zwei Anwendungen von 2 L/ha im Abstand von 14 Tagen - beantragt ist hier nach einer Änderung im Verwaltungsverfahren eine Anwendung pro Jahr (vgl. Registration Report, Part B, Section 9, Ziff. 9.7.2) - keine Auswirkungen von mehr als 50 % nach einer Zeit von 14 Tagen nach der zweiten Anwendung gezeigt. Denn nach den im Core Assessment des Registration Reports, Part B, Section 9, Tabelle 9.7-3 (Seite 227 f.) angegebenen Effektwerten für Nichtzielarthropoden auf der Grundlage der durchgeführten Rückstandsstudien mit zwei Anwendungen in einem Abstand von 14 Tagen ist festzustellen, dass die Mortalitätsrate bei den Indikatorarten bereits am 14. Tag deutlich unter 50 % lag (24,3 %, 0 % bzw. 5 %) und dies - soweit noch untersucht - auch für den 28. Untersuchungstag gilt (7,7 % bzw. 20,5 %).
Unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts hat die Klägerin mit Vorlage dieser Rückstandsstudien im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 546/2011 und des Guidance Documents zur terrestrischen Risikobewertung dargelegt, dass die Zulassungsvoraussetzungen in Bezug auf das Gefährdungspotenzial für terrestrische Nichtzielarthropoden erfüllt sind. Denn die vorgelegten Rückstandsstudien belegen, dass die schädliche Wirkung der behandelten Pflanzen oder Blätter bei jedem Parameter von zwei aufeinanderfolgenden Bioassays unter 50% beträgt. Somit hat die Klägerin hinreichend dargelegt, dass ein Potenzial für eine Wiederbesiedlung/Erholung von Nichtzielarthropoden im Feld besteht und deshalb das Risiko für Nichtzielarthropoden als akzeptabel zu bewerten ist. Aufgrund dessen bestand keine Verpflichtung der Klägerin nach dem Anhang der Verordnung (EU) Nr. 284/2013, Teil A, Abschnitt 10, Nr. 10.3.2.4 zur Durchführung von Freilandversuchen.
Nicht erkennbar ist, dass die vorgelegten "Aged Residue" Studien mangelhaft wären. Soweit die Beklagte vorbringt, die Effekte nach mehr als 28 Tagen Alterungszeit seien nicht untersucht worden, obwohl im Hinblick auf die Spezies Coccinella septempuncata und Aphidius rhopalosiphi die Effekte (Mortalität bei C. septempunctata und Reproduktion bei A. rhopalosiphi) bei 28 Tagen gealterten Rückständen teils stärker ausfielen als bei 14 Tagen gealterten Rückständen, hat bereits die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen, dass sämtliche Werte unterhalb des maßgeblichen Grenzwertes von 50 % liegen. Hinzu kommt, dass die Beklagte im Core Assessment des Registration Reports, Part B, Section 9.7 auf Seite 224 die maßgeblichen Studien bereits anerkannt hat, indem sie ausgeführt hat, dass sie mit der durchgeführten höherstufigen Risikobewertung einverstanden sei ("zRMS agrees with the performed higher tier risk assessment"). Die von der Klägerin vorgelegten Studien seien ausgewertet worden und hätten sich als für die Risikobewertung geeignet erwiesen mit Ausnahme einer einzelnen ausdrücklich genannten Studie (Schmidt 2016), die nicht zu den hier maßgeblichen Studien über gealterte Rückstände zählt. Auch die im Bewertungsbericht enthaltenen Tabellen zu den Ergebnissen der Versuche und Studien enthalten lediglich zu einem erweiterten Labortest den Zusatz, dieser werde nicht akzeptiert (vgl. Zusatz der Fußnote 1). Hätte die Beklagte die von der Klägerin vorgelegten "Aged Residue"-Studien als fachlich mangelhaft angesehen, wäre ein entsprechender Zusatz auch bei diesen Studien bereits im Bewertungsbericht zu erwarten gewesen.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die von der Klägerin vorgelegten "Aged Residue"-Studien nicht geeignet seien, unter den Feldbedingungen in Deutschland annehmbare Auswirkungen für Nichtzielarthropoden zu zeigen. Weder die Verordnungen (EU) Nr. 284/2013 und (EU) Nr. 546/2011 noch das Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung sehen eine Vorgabe dahingehend vor, dass sich Studien über gealterte Rückstände in räumlicher Hinsicht auf die Landschaftsstrukturen der jeweiligen Mitgliedstaaten beziehen müssen. Vielmehr lässt die Verordnung (EU) Nr. 284/2013 es bei der Durchführung von Rückstandsstudien ausdrücklich genügen, dass die Testorganismen behandelte Blätter oder Pflanzen unter Labor- oder unter Halbfreilandbedingungen ausgesetzt werden (vgl. Anhang der Verordnung, Teil A, Abschnitt 10, Nr. 10.3.2.2). Lediglich für Halbfreiland- und Freilandversuche bestimmt die Verordnung, dass Versuche unter repräsentativen Bedingungen durchgeführt werden müssen, wobei hier allein von repräsentativen landwirtschaftlichen Bedingungen die Rede ist (vgl. Nrn. 10.3.2.3. und 10.3.2.4.). Eine solche Vorgabe fehlt für die Durchführung von Studien über gealterte Rückstände.
Die Bewertungspraxis des UBA, wonach es nur solche höherstufigen Studien für berücksichtigungsfähig hält, in denen das Auftreten unannehmbarer Auswirkungen auf die Populationen von Nichtzielarthropoden unter expliziter Berücksichtigung der spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland widerlegt werden kann, verstößt zudem gegen Art. 36 Abs. 1 und 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009.
Art. 36 Abs. 1 UA 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 normiert, dass der prüfende Mitgliedstaat die Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln anwendet, um so weit wie möglich festzustellen, ob das Pflanzenschutzmittel bei Verwendung "in derselben Zone" und unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen die Anforderungen des Art. 29 der Verordnung erfüllt. Grundsätzlich hat der prüfende Mitgliedstaat daher nicht nur zu prüfen, ob bei einer Zulassung im eigenen Staat die genannten Anforderungen erfüllt sind, sondern er hat diese Prüfung regelmäßig für die gesamte Zone vorzunehmen. Diese Pflicht zur zonalen Prüfung steht zwar unter der Einschränkung des Möglichen ("so weit wie möglich") und muss auch deshalb nicht umfassend im Hinblick auf die Situation in sämtlichen Mitgliedstaaten derselben Zone sein, weil Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 den Mitgliedstaaten gerade die Möglichkeit eröffnet, auf spezifische Bedingungen zu reagieren. Allerdings entbindet die Einschränkung des Möglichen den prüfenden Mitgliedstaat nicht von seiner Pflicht, zumindest in grundlegenden Bewertungsfragen, zu denen u. a. die verfeinerte Risikobewertung bezüglich Nichtzielarthropoden zählt, eine Prüfung für die gesamte Zone vorzunehmen.
Die höherstufige Risikobewertung ergibt für das Pflanzenschutzmittel E. - wie dargelegt - generell ein annehmbares Risiko für Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche. Die Kammer versteht deshalb die Ausführungen der Beklagten im Bewertungsbericht dahingehend, dass die von ihr für die zentrale Zulassungszone vorgenommene verfeinerte Risikobewertung im Ergebnis grundsätzlich zur Bewertung des Risikos für Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche als akzeptabel geführt hat.
Sollten die Ausführungen der Beklagten im Core Assessment des Registration Reports hingegen dahingehend zu verstehen seien, dass die Beklagte eine verfeinerte Risikobewertung ausschließlich für ihr eigenes Hoheitsgebiet vorgenommen hätte und die beteiligten Mitgliedstaaten zu einer eigenen verfeinerten Risikobewertung für deren Hoheitsgebiete auffordern wollte, würde diese Handhabung gegen die in Art. 36 Abs. 1 und 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 festgelegte Zuweisung der Prüfungskompetenzen verstoßen. Denn der prüfende Mitgliedstaat ist nicht berechtigt, sich der nach Art. 36 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 von ihm vorzunehmenden Bewertung für die gesamte Zone teilweise dadurch zu entziehen, indem er Prüfungskompetenzen auf beteiligte Mitgliedstaaten überträgt (vgl. dazu Urt. des VG Braunschweig v. 03.09.2020 - 9 A 693/17 - und v. 12.4.2018 - 9 A 44/16 -, juris).
Ebenso kann die Ausnahmevorschrift des Art. 36 Abs. 3 UA 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009, die das Vorliegen nationaler Besonderheiten erfordert, keine Grundlage für die Durchsetzung der Bewertung des UBA und damit für die Anwendungsbestimmung NT306-0/1 bieten. Denn die Risikominderungsmaßnahme in Form der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 stellt sich nach den anzulegenden Maßstäben als rechtswidrig dar, da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 3 UA 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 nicht hinreichend dargelegt worden sind.
Wie bereits ausgeführt, können gemäß Art. 36 Abs. 3 UA 1 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 abweichend von Art. 36 Abs. 2 der Verordnung und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Art. 31 Abs. 3 und 4 der Verordnung und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden. Können die Bedenken eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt (Art. 36 Abs. 3 UA 2 Verordnung [EG] Nr. 1107/2009).
Hiernach sind Risikominderungsmaßnahmen nach ständiger Rechtsprechung der Kammer zulässig, sofern "spezifische Verwendungsbedingungen" sowie "Bedenken eines Mitgliedstaates in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt" vorliegen. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kann eine Risikominderungsmaßnahme darüber hinaus auch erfolgen, wenn "spezifische ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen" im Sinne von Art. 36 Abs. 3 UA 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vorliegen, die sogar die Versagung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels rechtfertigen können (zu den näheren Einzelheiten: VG Braunschweig, Urt. v. 12.04.2018 - 9 A 26/16 -, juris Rn. 75 ff.).
Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte nach Art. 36 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 lediglich dann berechtigt, im Rahmen der Vorgaben des Guidance Documents zur terrestrischen Risikobewertung eine verfeinerte Risikobewertung für ihr eigenes Hoheitsgebiet vorzunehmen und die Klägerin zur Vorlage von höherstufigen Studien aufzufordern, in denen das Auftreten unannehmbarer Auswirkungen auf die Populationen von Nichtzielarthropoden unter expliziter Berücksichtigung der spezifischen landwirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen in Deutschland widerlegt werden kann, wenn bezogen auf Deutschland Bedenken in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt anzunehmen wären.
Vorliegend hat die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, nicht hinreichend dargelegt, dass sie angesichts spezifischer Bedingungen im Bundesgebiet Bedenken in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt hat. Nachdem als Ergebnis der höherstufigen Risikobewertung auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Studien unannehmbare Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche bezogen auf die gesamte Zulassungszone nicht ersichtlich sind, hätte es der Beklagten oblegen, konkret und vereinzelt darzulegen, dass und aus welchen Gründen die Risikobewertung für Deutschland abweichend ausfällt und welche konkreten Effektwerte für Nichtzielarthropoden hier ggf. anzunehmen sind, die den zulässigen Grenzwerten des Guidance Documents für die terrestrische Risikobewertung nicht genügen. Dies gilt umso mehr, als sich die Ergebnisse der von der Klägerin vorgelegten Studien über gealterte Rückstände noch nicht einmal im Grenzbereich der nach dem Guidance Document zulässigen Auswirkungen auf Nichtzielarthropoden bewegen. Eine konkrete Betrachtung der Auswirkungen des hier im Streite stehenden Pflanzenschutzmittels der Klägerin ist den Ausführungen der Beklagten und insbesondere der zur Begründung herangezogenen Anlage_ERA_NTA infield allerdings nicht zu entnehmen. Dass sich die Expositionsbewertung des UBA aufgrund des Vorliegens spezifischer Bedingungen im Bundesgebiet konkret für das hier im Streite stehende Pflanzenschutzmittel dahingehend verschlechtern würde, dass gemessen am maßgeblichen Grenzwert kein Potenzial für eine Wiederbesiedlung/Erholung von Nichtzielarthropoden im Feld innerhalb eines Jahres mehr angenommen werden könnte, wurde weder vereinzelt vorgetragen noch ist dies aus sonstigen Gründen erkennbar.
Unabhängig davon wäre die Beklagte selbst bei Darlegung eines jedenfalls für Deutschland trotz Berücksichtigung der Ergebnisse der Studien über gealterte Rückstände bestehenden unannehmbaren Risikos für Nichtzielarthropoden auf der Anwendungsfläche nicht ohne Weiteres zur Festsetzung von Risikominderungsmaßnahmen berechtigt. Ergeben Standardlaborversuche und erweiterte Laborversuche bzw. die Untersuchung der Auswirkungen gealterter Rückstände nämlich schädliche Auswirkungen, sind nach der Verordnung (EU) Nr. 284/2013 Halbfreiland- bzw. Freilandversuche durchzuführen (vgl. Nrn. 10.3.2.3 und 10.3.2.4 jeweils zum Punkt "Fälle, in denen Versuche durchzuführen sind"). Gleiches folgt aus Nr. 10.3.2.1 der Anlage der Verordnung, wonach Untersuchungen auf der Grundlage höherstufiger Studien durchzuführen sind, um genauere Daten zu erhalten, wenn sich Hinweise auf schädliche Auswirkungen ergeben, denn hier wird ausdrücklich auf die Nummern 10.3.2.2 bis 10.3.2.5 Bezug genommen, also auch auf Halbfreilandversuche (10.3.2.3) und Freilandversuche (10.3.2.4). Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre die Beklagte daher in diesem Fall dazu angehalten, die Klägerin ausdrücklich zur Durchführung von Halbfreiland- bzw. Freilandversuchen aufzufordern, da diese Aufforderung ein milderes Mittel im Vergleich zu der Festsetzung der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 darstellt.
Die rechtswidrige Anwendungsbestimmung NT306-0/1 ist auch isoliert aufhebbar, da die pflanzenschutzrechtliche Zulassung ohne sie sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann. Denn wie oben ausgeführt erlaubt die Rechtsordnung im vorliegenden Fall die pflanzenschutzrechtliche Zulassung ohne die Festsetzung der angefochtenen Anwendungsbestimmung NT306-0/1 (zu den näheren Einzelheiten der isolierten Aufhebbarkeit einer Nebenbestimmung: BVerwG, Beschl. v. 29.03.2022 - 4 C 4/20 -, juris Rn. 9).
2. Hingegen ist die Klage unbegründet, soweit die Klägerin die gerichtliche Aufhebung des im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 festgesetzten Auflagenvorbehalts begehrt, da dieser rechtmäßig ist.
Die Anordnung des Auflagenvorbehalts beruht auf § 36 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 36 Abs. 3 Satz 2 PflSchG. Danach verbindet das BVL die pflanzenschutzrechtliche Zulassung mit dem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Anwendungsbestimmungen oder Auflagen, wie hier geschehen. Die Klägerin kann hiergegen auch nicht mit Erfolg einwenden, aus dem systematischen Zusammenhang des § 36 Abs. 3 Satz 1 und 2 PflSchG folge, dass ein Auflagenvorbehalt nur dann in eine Zulassung aufgenommen werden dürfe, wenn dieser im konkreten Fall erforderlich sei. Gegen diese Annahme spricht bereits die Formulierung "Ferner verbindet" in § 36 Abs. 3 Satz 2 PflSchG, die zum Ausdruck bringt, dass der Auflagenvorbehalt unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 Satz 1 PflSchG anzuordnen ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils und auf § 161 Abs. 2 VwGO hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils der Klage. Nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes.
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung aus der Kostenvorschrift des § 156 VwGO entspricht es dem billigen Ermessen des Gerichts, die Kosten des Verfahrens im Hinblick auf die im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 festgesetzte Zulassungsbefristung bis zum 31. Juli 2023 der Klägerin aufzuerlegen. Denn nach § 156 VwGO hat die Klägerseite die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn die Beklagtenseite durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und den Anspruch der Klägerseite sofort anerkennt. Eine vergleichbare Interessenlage liegt hier vor. Denn die Beklagte hat durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung bezüglich der Zulassungsbefristung gegeben, da die Befristung im Zeitpunkt der Erteilung der pflanzenschutzrechtlichen Zulassung den gesetzlichen Vorgaben aus Art. 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 entsprach. Danach wird die Geltungsdauer einer Zulassung für einen Zeitraum von höchstens einem Jahr nach Ablauf der Zulassung der in dem Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffe festgelegt. Da der Wirkstoff H. im Februar 2022 nur bis zum 31. Juli 2022 genehmigt war (vgl. Durchführungsverordnung (EU) 2021/745 der Kommission vom 6. Mai 2021), konnte die Beklagte die pflanzenschutzrechtliche Zulassung im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 lediglich bis zum 31. Juli 2023 befristen. Indem die Beklagte mit Bescheid vom 1. Juni 2023 das Zulassungsende auf den 15. August 2026 festgesetzt hat, hat sie angemessen und rechtzeitig, insbesondere vor Ablauf des Zulassungsendes im Sinne einer unverzüglichen Abhilfe bzw. eines sofortigen Anerkenntnisses auf die geänderte Rechtslage reagiert. Denn die Genehmigung für den Wirkstoff H. wurde mit der Durchführungsverordnung (EU) 2023/918 der Kommission vom 4. Mai 2023 bis zum 15. August 2025 verlängert.
Im Rahmen der nach § 161 Abs. 2 VwGO zu treffenden Billigkeitsentscheidung ist im Übrigen als maßgebliches Kriterium heranzuziehen, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn sich das Verfahren nicht erledigt hätte. Dementsprechend sind der Klägerin die Kosten des im Übrigen für erledigt erklärten Teils der Klage aufzuerlegen, da sie insoweit im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre.
Die Klage gegen die im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0 ist weder als Verpflichtungsklage noch als isolierte Anfechtungsklage statthaft gewesen. Bis zum Erlass des Änderungsbescheides vom 14. Juni 2022 handelte es sich bei der Anwendungsbestimmung NT306-0 um eine mit der Anfechtungsklage isoliert anfechtbare Nebenbestimmung. Jedoch ersetzte das BVL mit dem Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022 die bisherige Anwendungsbestimmung NT306-0 durch die Anwendungsbestimmung NT306-0/1. Dabei stellt sich die Ersetzung als Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes (hier: NT306-0) und Erlass eines neuen Verwaltungsaktes (hier: NT306-0/1) dar. Da ein bereits aufgehobener Verwaltungsakt nicht mehr wirksam ist (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG), kann er nicht mehr (zusätzlich) Gegenstand einer Anfechtungsklage sein (vgl. BeckOK, VwGO, § 42 Rn. 23; Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 14; Fehling/Kastner/Störmer, VwGO, 5. Aufl. 2021, § 42 Rn. 11; Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 42 Rn. 22; Sodann/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 24).
Soweit sich die Klage auf den im Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022 vorgesehenen Vorschlag des UBA, die Zulassung mit der Anwendungsbestimmung NT306-0 zu verbinden, den Hinweis, dass bisher mitgeteilte Forderungen bestehen bleiben, soweit sie noch nicht erfüllt sind, sowie die im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 und Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022 vorgesehene Anlage ERA_NTA_infield, den Hinweis auf die Informationen zur produktspezifischen Bewertung aus dem Draft Registration Report, Part B, Core Assessment und das nationale Addendum, Sektion 9, Kapitel 9.7 und den Hinweis auf die Informationen aus dem Draft Registration Report, Part B, nationales Addendum, Sektion 9, Kapitel 9.5 bezogen hat, ist die Klage weder als Verpflichtungs- noch als Anfechtungsklage statthaft und damit unzulässig gewesen. Denn sowohl die Verpflichtungs- als auch die Anfechtungsklage setzen nach § 42 Abs. 1 VwGO voraus, dass es sich bei den Streitgegenständen um Verwaltungsakte i. S. d. § 35 VwVfG handelt. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die genannten Streitgegenstände keine Regelungen i. S. d. § 35 VwVfG enthalten. Eine Regelung in diesem Sinne ist auf die Begründung, Aufhebung, Änderung, Feststellung oder Ablehnung von Rechten oder Pflichten des Betroffenen gerichtet (vgl. Schoch/Schneider, VwVfG, 3. EL August 2022, § 35 Rn. 140). Die Regelung kommt im verfügenden Teil des Verwaltungsaktes zum Ausdruck, der eine Bindungswirkung entfaltet und in Bestandskraft erwachsen kann. Zur Erläuterung des verfügenden Teils ist die Begründung nach § 39 VwVfG heranzuziehen, da der festgestellte Sachverhalt und das angewandte Recht im Rahmen des Verfahrensgegenstandes den Inhalt des Verwaltungsaktes mitbestimmen. Damit ist die Begründung für die Bestimmung des Umfangs der Bindungswirkung des Verwaltungsaktes von Bedeutung, ohne dass sie aber Teil der Regelung wird und an der Bindungswirkung teilnimmt (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 35 Rn. 143). Sowohl nach dem äußeren Erscheinungsbild als auch nach dem Inhalt sind der im Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022 vorgesehene Vorschlag des UBA, die Zulassung mit der Anwendungsbestimmung NT306-0 zu verbinden (z. B. S. 6), sowie die im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 und Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022 vorgesehene Anlage ERA_NTA_infield (z. B. S. 10 des Zulassungsbescheides) und der Hinweis auf die Informationen zur produktspezifischen Bewertung aus dem Draft Registration Report, Part B, Core Assessment und das nationale Addendum, Sektion 9, Kapitel 9.7 (z. B. S. 10 des Zulassungsbescheides) lediglich Teil der Begründung zu der Anwendungsbestimmung NT306-0 bzw. NT306-0/1 und damit keine Regelung i. S. d. § 35 VwVfG. Ebenso steht der Hinweis auf die Informationen aus dem Draft Registration Report, Part B, nationales Addendum, Sektion 9, Kapitel 9.5 (z. B. S. 11 des Zulassungsbescheides) unter der Überschrift "Begründung" und ist damit als Bestandteil der Begründung zur Anwendungsbestimmung NW607-1 ohne Regelungsgehalt anzusehen. Der mit der Überschrift "Weitere Hinweise und Bemerkungen" auf Seite 3 im Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022 titulierte Hinweis ("Vorsorglich weise ich darauf hin, dass bisher mitgeteilte Forderungen bestehen bleiben, soweit sie noch nicht erfüllt sind") weist ebenfalls keinen Regelungsgehalt i. S. d. § 35 VwVfG auf. Denn es ist nicht erkennbar, dass diese Erklärung auf die Begründung oder erstmalige Feststellung von Pflichten des Betroffenen gerichtet ist. Vielmehr deuten die Formulierung und die Überschrift darauf hin, dass mit dem Hinweis lediglich verwiesen werden soll auf bereits früher formulierte Forderungen (vgl. allg.: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 35 Rn. 92).
Soweit die Klägerin die Verpflichtung der Beklagten begehrt hat, ihr die beantragte Zulassung für das Pflanzenschutzmittel E. ohne den im Zulassungsbescheid vom 22. Februar 2022 vorgesehenen Auflagenvorbehalt und ohne die die im Änderungsbescheid vom 14. Juni 2022 festgesetzte Anwendungsbestimmung NT306-0/1 zu erteilen, wirkt sich das Absehen von der Verpflichtungsklage nicht kostenmäßig aus. Denn die Klägerin hat mit der Verpflichtungsklage und der isolierten Anfechtungsklage identische wirtschaftliche Ziel verfolgt, so dass die mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Streitgegenstände keinen selbstständigen wirtschaftlichen Wert haben und damit bei der Bildung des Gesamtstreitwerts nach § 39 Abs. 1 GKG nicht zu berücksichtigen wären (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 24.09.2020 - 1 MR 5/20 -, juris Rn. 74; Ziffer 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, veröffentlicht unter https://www.bverwg.de/user/data/media/streitwertkatalog.pdf).
Im Rahmen der Quotenbildung hat die Kammer maßgeblich berücksichtigt, dass die Klägerin die Zulassungsbefristung, den Auflagenvorbehalt und fast alle Begründungselemente bzw. Hinweise nach ihrer Darlegung in einem angenommenen Zusammenhang mit der Anwendungsbestimmung NT306-0/1 angegriffen hat, diese also nach ihrem Interesse den Schwerpunkt bildet.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO vorliegt. Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht das Vorbringen des UBA, wonach der in Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 verankerte Methodenvorbehalt nach der Rechtsauffassung des französischen Verwaltungsgerichts Montpellier nicht voraussetze, dass die EFSA zunächst anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte bestimmt habe (a. A.: Urt. des erkennenden Gerichts v. 29.09.2021 - 1 A 130/21 -, juris Rn. 50 ff.). Denn diese Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall nicht streitentscheidend, da die Kammer die im Guidance Document zur terrestrischen Risikobewertung beschriebenen Bewertungsmethoden als von der EFSA anerkannt i. S. d. Art. 4 Abs. 3 lit. e) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 ansieht.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an dem vom erkennenden Gericht für eine pflanzenschutzrechtliche Zulassung angenommenen Streitwert in Höhe von 100.000,00 EUR. Denn für die Streitwertbemessung ist auf die ursprünglich erhobene Untätigkeitsklage, die nach Erlass des Zulassungsbescheides vom 22. Februar 2022 und des Änderungsbescheides vom 14. Juni 2022 als Verpflichtungsklage bzw. isolierte Anfechtungsklage fortgeführt wurde, abzustellen.