Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.03.1996, Az.: 1 WS 8/96
Geltung des Verschlechterungsverbotes für Entscheidungen des Berufungsgericht im Berufungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 14.03.1996
- Aktenzeichen
- 1 WS 8/96
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 21382
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0314.1WS8.96.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- NULL
Rechtsgrundlagen
- § 268a StPO
- § 331 StPO
- § 56e StPO
Fundstelle
- NStZ-RR 1997, 9-10 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Für Entscheidungen, die das Berufungsgericht nach § 268 a StPO im Berufungsverfahren erlässt, gilt das Verschlechterungsverbot nicht.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen veruntreuender Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, verurteilt. Es hat die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt und dem Angeklagten aufgegeben, während der Bewährungszeit jeden Wechsel der Wohnung oder des Aufenthalts dem Gericht unter Angabe der Geschäftsnummer unaufgefordert anzuzeigen. Weitere Auflagen hat das Amtsgericht nicht getroffen.
Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten verworfen. Nach den Feststellungen der Strafkammer hatte der Angeklagte einen ihm von den Eheleuten anvertrauten Barbetrag in Höhe von 153.000,-- DM sich oder einem Dritten zugeeignet. Den Eheleuten B. sei dadurch ein Schaden in Höhe von 153.000,-- DM entstanden.
In dem Bewährungsbeschluss hat die Strafkammer die Bewährungszeit auf fünf Jahre festgesetzt (Ziffer 1), den Angeklagten der Führung und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt (Ziffer 2) und ihm aufgegeben, eine Geldbuße von 2.000,-- DM in Raten an die Staatskasse zu zahlen (Ziffer 3 Abs. 1). Ferner hat es dem Angeklagten aufgegeben, den von ihm in Höhe von 153.000,-- DM angerichteten Schaden nach seinen jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnissen wieder gut zu machen (Ziffer 3 Abs. 2). Schließlich hat es dem Angeklagten aufgegeben, zur Einschätzung seiner weiteren finanziellen Leistungsfähigkeit seine jeweils aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse dem Bewährungshelfer offen zu legen und Perspektiven mit ihm zu beraten (Ziffer 3 Abs. 3).
Gegen die genannten Bewährungsauflagen richtet sich die Beschwerde.
...
Durch die Verlängerung der Bewährungszeit, die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 2.000,-- DM an die Staatskasse und die Schadenswiedergutmachungsauflage hat das Landgericht nicht dem Verbot der Schlechterstellung, § 331 StPO, zuwider gehandelt.
Diese Vorschrift betrifft nämlich ihrem Wortlaut nach nur Urteile und ist deshalb auf Beschlüsse nach § 268 a StPO nicht unmittelbar anwendbar (vgl. BGH NJW 1982, 1544 = JR 1982, 338 mit zustimmender Anmerkung von Meyer, zu § 358 Abs. 2 StPO m.w.N.; OLG Hamburg NJW 1981, 470 [OLG Hamburg 04.03.1980 - 1 Ws 51/80]; OLG Düsseldorf NStZ 1994, 198 f).
Angesichts der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs folgt der Senat den zeitlich zuvor dargelegten Ansichten der Oberlandesgerichte Frankfurt (NJW 1978, 959 [OLG Frankfurt am Main 01.08.1977 - 3 Ws 457/76]) und Kolblenz (JR 1977, 346) nicht.
Der in § 331 StPO zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke ist bei Beschlüssen, die sich auf in zweiter Instanz ergangene Bewährungsauflagen beziehen, auch nicht entsprechend heranzuziehen, sodass die Frage, ob vorliegend die Voraussetzungen des § 56 e gegeben sind, unerörtert bleiben kann (offen gelassen in BGH a.a.O.; vgl. im Übrigen OLG Hamburg a.a.0. sowie OLG Düsseldorf a.a.0.). Das Verbot, einen Angeklagten auf sein eigenes Rechtsmittel hin schlechter zu stellen, ist nämlich nicht Ausdruck eines allgemein gültigen Prozessgrundsatzes oder dem Wesen des Rechtsstaats immanent, sondern eine "Rechtswohltat" (Meyer, Anmerkung zu BGH JR 1982, 338 f) und gilt demgemäß nur, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich anordnet (Bayrischer Verfassungsgerichtshof NJW 1959, 285; BGHSt 9, 324, 332[BGH 18.07.1956 - 6 StR 28/56]; Gollwitzer Anmerkung zur Entscheidung des OLG Koblenz JR 1977, 346 f). Eine derartige Anordnung hat der Gesetzgeber jedoch nicht getroffen. Dass dies seine Absicht gewesen wäre, ist nicht ersichtlich (vgl. OLG Hamburg a.a.0.).
Eine entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens des § 331 StPO scheidet auch deshalb aus, weil der angefochtene Beschluss das Verfahren nicht wie ein Urteil abschließt, sondern neben dem Urteil erlassen ist und auch keine endgültige Anordnung enthält (Meyer, a.a.O.; anderer Ansicht: Loos, Anmerkung zur Entscheidung des OLG Hamburg, NStZ 1981, 363 f [OLG Hamburg 04.03.1980 - 1 Ws 51/80]).
In Übereinstimmung mit dem OLG Hamburg (a.a.0.) erscheint es auch dem Senat durchaus zweckmäßig, den Geltungsbereich des § 331 Abs. 1 StPO nicht auf die Anordnungen nach §§ 56 a ff StGB zu erstrecken. Die Berufungsinstanz wäre sonst in ihren Entscheidungsmöglichkeiten eingeengt.