Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 02.10.2008, Az.: 5 A 3155/06
Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Asylanerkennung von Yeziden; Widerruf; Yeziden; Gruppenverfoglung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 02.10.2008
- Aktenzeichen
- 5 A 3155/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45985
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2008:1002.5A3155.06.0A
Rechtsgrundlage
- § 73 AsylVfG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Widerruf von Asylanerkennungen von als gruppenverfolgt anerkannter Yeziden ist rechtmäßig.
- 2.
Yeziden unterliegen keiner mittelbaren Gruppenverfolgung in der Türkei.
- 3.
Auch unter Beachtung des im Widerrufsverfahren gebotenen Maßstabs der hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung beim Widerruf einer Asylanerkennung besteht für zurückkehrende Yeziden keine Gefahr einer mittelbaren Gruppenverfolgung in der Türkei.
- 4.
Ein Widerruf zur Statusbereinigung ist zulässig.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen den Widerruf ihrer Anerkennung als Asylberechtigte und Flüchtlinge (Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG).
Die 1955 geborene Klägerin zu 1) und ihr 1988 geborener Sohn, der Kläger zu 2), sind türkische Staatsangehörige yezidischer Religionszugehörigkeit. Sie stammen aus dem Dorf), Kreis in der Provinz.
Der Kläger zu 2) reiste am 29.12.1996 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 14.04.1997 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Mit Bescheid vom 10.06.1997 erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) ihn als Asylberechtigten an und stellte fest, dass für ihn die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Die Klägerin zu 1) reiste 1997 auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein und beantragte am 09.09.1997 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Mit Bescheid vom 24.09.1997 erkannte das Bundesamt sie als Asylberechtigte an und stellte fest, dass für sie die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Die (allein) gegen die Asylanerkennung gerichtete Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wegen zweifelhafter Einreise auf dem Luftweg wies das Verwaltungsgericht Hannover mit Urteil vom 08.06.1998 - 10 A 6025/97 - ab.
Am 17. November 2005 leitete das Bundesamt jeweils ein Widerrufsverfahren ein mit der Begründung, nach den vorliegenden Erkenntnissen habe sich die Situation in der Türkei derart geändert, dass von einer Gruppenverfolgung der Yeziden in der Türkei jedenfalls für die Siedlungsgebiete in den Kreisen Besiri und Viransehir nicht mehr gesprochen werden könne. Die Situation habe sich für die Yeziden dort durchgreifend und dauerhaft geändert. Es gebe Rückwanderungen der Yeziden in ihre angestammten Siedlungsgebiete. Die administrativen Hindernisse für nichtmoslemische Minderheiten seien weitestgehend entfallen. Auch Klagen zurückgekehrter Yeziden auf Rückgabe ihrer besetzten Immobilien seien erfolgreich gewesen. Mit Schreiben vom 29.12.2005 wurden die Kläger zum beabsichtigten Widerruf angehört.
Mit Widerrufsbescheiden vom 30. Mai 2006 widerrief das Bundesamt die Anerkennungen der Kläger als Asylberechtigte sowie die Feststellungen des Vorliegens der Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG und stellte jeweils fest, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Außerdem wies es daraufhin, dass eine Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG entbehrlich sei, da der Widerruf zur Statusbereinigung erfolge und aufenthaltsbeendende Maßnahmen seitens der zuständigen Ausländerbehörde nicht beabsichtigt seien.
Die Kläger haben jeweils am 07. Juni 2006 Klage erhoben. Sie sind der Ansicht, die Situation der Yeziden in den angestammten Siedlungsgebieten in der Türkei habe sich geändert, aber nicht entscheidend verbessert. Vielmehr habe es nach den Angaben des Yezidischen Forums e.V. in Oldenburg am 15. Januar 2005 in der Osttürkei lediglich noch 20 yezidische Dörfer mit 363 dort lebenden Yeziden gegeben. Aufgrund der geringen Zahl habe auch die Menge der Übergriffe gegen Yeziden abgenommen. Es gebe aber weiterhin solche Übergriffe, wie die Ermordung des yezidischen Ehepaares Sheredin Sancar aus Cilesiz im März 2002 zeige. Das religiöse Leben der Yeziden sei in der Türkei fast vollständig zum Erliegen gekommen. Es gebe dort nur noch einen sehr alten Sheik der Filation Sheik Saeükhuekr und eine Sheikfamilie der Filation Sicaden. Ansonsten finde ein Beerdigungstourismus statt, da die alten Yeziden ihren Familien das Versprechen abverlangten, in der Heimaterde bestattet zu werden und sich deshalb immer wieder größere Gruppen von Yeziden vorübergehend in der Türkei aufhielten. Soweit die Beklagte von einer Zahl von 500 noch in der Türkei verbliebenen Familien ausgehe, sei dies nicht belegt. Es sei auch unklar, ob es sich bei den behaupteten Rückkehrern um vorübergehende oder dauerhafte Rückkehren handle. Der als Referenz herangezogene maßgebliche Yezidenvertreter sei jedenfalls ohne seine 10 Kinder allein mit seiner Ehefrau in die Provinz Batman zurückgegangen. Ein Nachzug von Familienmitgliedern sei nicht bekannt. Demgegenüber habe das Yezidische Forum Oldenburg detailliert drei Fälle gescheiterter Wiederansiedlungsversuche geschildert, wobei das Spektrum der Vertreibungsmaßnahmen von Körperverletzung, Bedrohung bis zu schwerem Raub reiche. Schließlich sei in der Türkei eine Hinwendung zur Moslemisierung zu beobachten. Die laizistischen Grundsätze der Türkei würden nur noch von den Militärs verteidigt. Die fehlende Toleranz der Muslime sei gegenüber den Yeziden besonders ausgeprägt, so dass diese dort nach wie vor keine Möglichkeit des Aufbaus einer religiösen Identität hätten.
Die Kläger beantragen,
die Widerrufsbescheide vom 30.05.2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und die Rechtsprechung der anderen niedersächsischen Verwaltungsgerichte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Ausländerakten des Landkreises Vechta und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Weiter wird verwiesen auf Auskünfte, Gutachten, Stellungnahmen und Presseberichte, die sich aus der den Beteiligten zur Verfügungsgestellten Liste des Gerichts ergeben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den Widerruf ist § 73 AsylVfG in der gegenwärtig geltenden Fassung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG). Insoweit liegen die formellen ebenso wie die materiellen Voraussetzungen vor.
Die angefochtenen Widerrufe leiden nicht an formellen Mängeln. Weder im Hinblick auf die Unverzüglichkeit des Widerrufs im Sinne des § 73 Abs. 2 S. 1 AsylVfG noch im Hinblick auf die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 S. 2, § 48 Abs. 4 VwVfG bestehen gegen sie Bedenken. Das Gebot des unverzüglichen Widerrufs dient ausschließlich öffentlichen Interessen, so dass ein etwaiger Verstoß dagegen keine Rechte des betroffenen Ausländers verletzt (BVerwG, Urteil vom 20. März 2007 - 1 C 21.06 - NVwZ 2007, 1089, [BVerwG 20.03.2007 - BVerwG 1 C 21/06] st. Rspr.). Ob die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 S. 2, § 48 Abs. 4 VwVfG auch im Widerrufsverfahren nach § 73 Abs. 2 AsylVfG gilt, bedarf hier keiner Entscheidung, da diese Frist, die frühestens nach einer Anhörung der Kläger mit angemessener Frist mit Stellungnahme zu laufen beginnt (BVerwG, a.a.O.), hier eingehalten wäre. Das Bundesamt hat mit Bescheiden vom 30.05.2006 die Anerkennungen als Asylberechtigte und die Flüchtlingsanerkennungen der Kläger widerrufen, nachdem es sie zuvor schriftlich angehört und ihnen so Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat.
Nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG ist die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG) vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen Verfolgung droht (BVerwG, Urteil vom 20. März 2007 - 1 C 21.06 - NVwZ 2007, 1089 [BVerwG 20.03.2007 - BVerwG 1 C 21/06] und Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 - DVBl. 2006, 511 = InfAuslR 2006, 244 [BVerwG 01.11.2005 - BVerwG 1 C 21/04]). Beruft sich der anerkannte Flüchtling darauf, dass ihm bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat nunmehr eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung drohe, ist dabei der allgemeine Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden (BVerwG, Urteile vom 20. März 2007 - 1 C 21.06 - und vom 18. Juli 2006 - 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 [BVerwG 18.07.2006 - BVerwG 1 C 15.05] ).
Unter Zugrundlegung dieser rechtlichen Maßstäbe hat das Bundesamt die Asylanerkennungen und die Feststellungen der Flüchtlingseigenschaft zu Recht widerrufen, denn die tatsächlichen Verhältnisse in der Türkei haben sich bis heute derart geändert, dass eine mittelbare Gruppenverfolgung der Yeziden in ihren angestammten Siedlungsgebieten in der Türkei heute nicht mehr festgestellt werden kann.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - Nds. OVG - hat mit Urteil vom 17. Juli 2007 (11 LB 332/03, juris, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 23. April 2008 - 10 B 156.07 - juris) - auch unter Berücksichtigung von § 60 Abs. 1 Satz 4c AufenthG - entschieden, dass Yeziden in der Türkei seit dem Jahr 2003 nicht mehr einer mittelbar staatlichen Gruppenverfolgung wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt sind. In diesem Zusammenhang hat es sich auch mit Stellungnahmen des Yezidischen Forums e.V. (Oldenburg) vom 24. Januar 2005 und vom 3. Februar 2006 auseinandergesetzt. Dennoch geht es nach wie vor davon aus, dass eine als Voraussetzung für eine Schutzgewährung nach Art. 16a GG bzw. § 60 Abs. 1 AufenthG erforderliche Verfolgungsdichte nicht anzunehmen ist. Auch unter qualitativen Gesichtspunkten ergibt sich nicht, dass jeder in der Türkei lebende (oder zurückkehrende) Yezide in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch der türkische Staat gegenüber Übergriffen der muslimischen Mehrheitsbevölkerung schutzwillig und schutzfähig ist. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das genannte Urteil vom 17. Juli 2007 verwiesen. Damit befindet sich das Gericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte jedenfalls in Asylerst- und Folgeverfahren (vgl. OVG NW, Urteile vom 29. August 2007 - 15 A 4600/03.A - und vom 31. August 2007 - 15 A 5128/04.A -; OVG SA., Urteil vom 24. Oktober 2007 - 3 L 303 u. 380/04 -; OVG Schleswig, Beschluss vom 27. August 2007 - 4 LA 39/07 -). Das Nds. OVG hat unter Auswertung aktueller Erkenntnismittel sowie unter Berücksichtigung der sog. EU-Qualifikationsrichtlinie (ABl. EU L 304 vom 30. April 2004, S. 12 ff.) an dieser Rechtsprechung festgehalten (vgl. etwa Nds. OVG, Beschluss vom 28. August 2008 - 11 LA 178/08 -) und sie - trotz abweichender Einschätzung einzelner Obergerichte (etwa: OVG Rh.-Pf. , Urteile vom 21. Februar 2008 - 10 A 11002/07 - und vom 5. Juni 2007 - 10 A 11576/06 - juris; OVG Schleswig, Beschluss vom 22. August 2007 - 4 LA 40/07 - Asylmagazin 2007, 19) - auch auf Widerrufsverfahren nach § 73 AsylVfG übertragen, zumal bereits die früheren Erwägungen am strengsten Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung getroffen wurden (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 1. September 2008 - 11 LA 206/08 - , 29. Januar 2008 - 11 LB 401/03 - und 17. Januar 2008 - 11 LB 392/05 -). Zum erweiterten Schutz des Glaubens und der religiösen Betätigung hat es u.a. ausgeführt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28. August 2008 - 11 LA 178/08 - S. 3 ff.):
"Im Einzelnen hat der Senat die Auffassung vertreten, dass das (etwaige) Fehlen einer zureichenden geistlichen Betreuung von Yeziden in der Türkei dem türkischen Staat nicht zuzurechnen ist, da der Heimatstaat nicht zur Gewährleistung einer bestimmten religiösen Infrastruktur verpflichtet ist (vgl. jeweils UA S. 47). Dieses gilt auch, wenn die religiöse Infrastruktur wie bei den Yeziden wegen vorausgegangener, in der Vergangenheit liegender Verfolgungsmaßnahmen entfallen ist, hingegen gegenwärtig (seit 2003) zielgerichtete Eingriffe betreffend die Gewährleistung der religiösen Betreuung nicht mehr feststellbar sind (vgl. OVG Magdeburg, Urt.v. 24. 10. 2007 - 3 L 380/04 - juris Rdn. 89). Das (etwaige) Fehlen einer zureichenden geistlichen Betreuung von Yeziden ist nicht (mehr) Folge einer religiösen Verfolgung, sondern Konsequenz der weiterhin vergleichsweise geringen Zahl von in der Türkei lebenden Yeziden (ebenso OVG NRW, Urt.v. 14. 2. 2006 - 15 A 2119/02 - ZAR 2006, 215) sowie der Entscheidung der in das Ausland abgewanderten / geflüchteten yezidischen Würdenträger, weiterhin im Ausland zu verbleiben und nicht in die Türkei zurückzukehren.
Darüber hinaus besteht eine Verfolgungsgefahr aus religiösen Gründen nach Art. 10 Abs. 1b der Qualifikationsrichtlinie nur, wenn eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte droht, wie sich aus dem Zusammenspiel von Art. 9 mit Art. 10 der Qualifikationsrichtlinie ergibt. Eine derartig schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte ist aber bezogen auf die geistliche Betreuung auch deswegen nicht zu bejahen, weil, wie in den o.a. Urteilen ausgeführt, in den letzten Jahren Peshimame aus Deutschland zumindest zeitweise in die Türkei zur Betreuung der dort lebenden Yeziden gereist sind. Darüber hinaus dürften auch Kontakte zu Angehörigen der yezidischen Priesterstände in den Nachbarländern Irak und Syrien bestehen, ohne dass es - wie sich aus dem Vorstehenden ergibt - auf diese zusätzlichen Kontaktmöglichkeiten entscheidend ankommt. Erkenntnisquellen, die eine andere Bewertung nahe legen, werden im Zulassungsantrag nicht genannt.
Soweit die Kläger sinngemäß geltend machen, politische Verfolgung wegen der Religionszugehörigkeit könne nicht nur vom Staat, sondern nach Art. 6 der Qualifikationsrichtlinie auch von sog. nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, hat der Senat in den o.a. Urteilen diesen Gesichtspunkt berücksichtigt (vgl. jeweils UA Bl. 12), ist jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass der türkische Staat in zureichendem Maße bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. 11 LB 332/03 UA S. 21, und 11 LB 324/03 UA S. 20). Dem Zulassungsantrag sind keine Erkenntnisquellen zu entnehmen, die zu einer anderen Einschätzung Anlass geben könnten.
Nach der Rechtsprechung des Senats liegen weiter keine schwerwiegenden Eingriffe in die nach Art. 10 Abs. 1b Qualifikationsrichtlinie vom Schutzbereich der Religionsfreiheit nunmehr auch erfasste öffentliche Glaubensbetätigung vor.
Davon ist schon deswegen nicht auszugehen, weil sich die wesentliche Glaubensbetätigung der Yeziden nur im häuslich-privaten Bereich abspielt. Die Yeziden haben - abgesehen vom zentralen Heiligtum am Grabe des Scheichs Adi in Lalish (Nordirak) - keine Gotteshäuser. Nach weitgehend übereinstimmenden wissenschaftlichen Erkenntnissen handelt es sich bei der Religion der Yeziden wenigstens überwiegend um eine sog. Geheimreligion, da viele Riten unter Ausschluss anderer Glaubenszugehöriger nicht öffentlich praktiziert werden. So finden zwar öffentliche Gebete im Freien statt, aber nicht im Beisein von Angehörigen anderer Religionen (vgl. etwa Wießner, Stellungnahme v. 8.6.1998 an VG Gießen; Berner/Wießner, Stellungnahme v. 22.2.1982 an VG Stade; Sternberg-Spohr, Gutachten v. Mai 1998 für die Gesellschaft für bedrohte Völker; Kizilhan, Die Yeziden, 1997, S. 119; amnesty international, Stellungnahme v. 16.8.2005 an VG Köln; a.A. Düchting, Die Kinder des Engel Pfau, September 2004, S. 606 ff.). Der geheime Charakter der Religion äußert sich auch in dem Gebot der "taqiye", dem Verstellen aus Frömmigkeit (vgl. dazu näher EKD-Informationen: Die Yeziden, März 1992, S. 10 f., VG Hannover, Urt.v. 19.12.2007 - 1 A 3097/06 u.a. -). Zudem wird die yezidische Religion ausschließlich über die Geburt vermittelt. Eine Konversion zum Yezidentum ist nicht möglich. Missionierungen finden nicht statt. Die öffentliche Darstellung der eigenen religiösen Identität ist somit kein wesentliches hergebrachtes Element des yezidischen Glaubens (so auch Nds. OVG, Beschl.v. 7.6.2007 - 2 LA 416/07 -, juris; Urt.v. 19.3.2007 - 9 LB 373/06 -; erk. Sen. Beschl.v. 29.1.2008 - 11 LB 401/03 -; OVG NRW, Urt.v. 29.8.2007 - 15 A 4600/03.A -; OVG Saarland, Beschl.v. 5.3.2007, 3 A 12/07 -, juris).
Dass die verbleibende, nur noch einen sehr eingeschränkten Bereich umfassende Religionsausübung der Yeziden außerhalb des privaten Bereichs in der Türkei schwerwiegend beeinträchtigt sein könnte, ist dem Zulassungsantrag nicht zu entnehmen. Vielmehr zeigt die Tatsache, dass die Yeziden im Südosten der Türkei Friedhöfe unterhalten und im Ausland verstorbene Yeziden in zunehmenden Maße in ihrer Heimat beerdigt werden wollen, (woraus zu folgern ist, dass die Bestattungsrituale im wesentlichen ungestört durchgeführt werden können), dass religiöse Riten der Yeziden, auch wenn sie teilweise in der Öffentlichkeit stattfinden, von muslimischen Nachbarn zumindest toleriert werden.
Es ist schließlich nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, ob den Yeziden wegen ihrer Religion Verfolgungshandlungen aufgrund einer "Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen" (Art. 9 Abs. 1b Qualifikationsrichtlinie) drohen; denn aus den o.a. Urteilen des Senats ergibt sich, dass Yeziden seit 2003 keiner politischen Verfolgungsgefahr (mehr) ausgesetzt sind. In der Vergangenheit liegende abgeschlossene Verfolgungshandlungen unterfallen der Vorschrift nicht."
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer an. Die Kläger haben keine Erkenntnismittel vorgelegt oder benannt, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Auch der Kammer liegen keine Hinweise dafür vor, dass es seit dem Urteil vom 17. Juli 2007 (a.a.O.) zu progromartiger Verfolgung oder massenhaften Übergriffen auf Yeziden in der Türkei gekommen ist (vgl. dazu auch die neuesten Lageberichte des Auswärtigen Amtes zur Türkei vom 25. Oktober 2007, S. 20 f. und vom 11. September 2008, S. 16 f. - Letzterer erwähnt die Gruppe der Yeziden nicht mehr mit irgendwelchen Vorkommnissen). Soweit das Yezidische Forum e.V. Oldenburg in seiner Stellungnahme vom 04. Juli 2006 drei weitere Verfolgungsvorfälle aufgelistet hat, folgt daraus nichts anderes. Entsprechendes gilt auch für die Kritik des Yezidischen Forums e.V. Oldenburg vom 18. Dezember 2007 an der Entscheidung des Nds. OVG. Diese erschöpft sich im Wesentlichen in einem erneuten kritischen Anzweifeln der Quellen des vom Nds. OVG in Bezug genommenen Lageberichtes und der Auskünfte des Auswärtigen Amtes, ohne das neue Erkenntnisse oder Quellen hinzutreten. Dieser Kritik ist aber das Nds. OVG bereits im erwähnten Urteil und erneut im Beschluss vom 29. Januar 2008 (- 11 LB 401/03 - S. 9 f.) entgegen getreten und hat dazu in Übereinstimmung mit der Überzeugung der Kammer ausgeführt:
"Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen Auskünfte des Auswärtigen Amtes in Asylsachen zulässige und selbständige Beweismittel dar (vgl. etwa Urt.v. 22.1.1985 - 9 C 52/83 -, InfAuslR 1985, 147 = DVBl 1985, 577 [BVerwG 22.01.1985 - 9 C 52/83]). Sie brauchen die Informationsquellen, die einer Gesamtbewertung der politischen Situation in einem fremden Staat zugrunde liegen, nicht im Einzelnen anzugeben. Die Tatsachengerichte sind zu Ermittlungen über die Entstehungsgeschichte und die Grundlagen der Auskünfte nur verpflichtet, wenn gewichtige und fallbezogene Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft im Einzelfall dazu Anlass bieten, insbesondere wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Erkenntnisquellen bei der Erstellung von Auskünften des Auswärtigen Amtes manipuliert oder die Auskunft sonst nicht ordnungsgemäß abgegeben worden ist (vgl. BVerwG, Urt.v. 22.1.1985, a.a.O.; Beschl.v. 29.11.1989 - 9 B 404/89 -, juris; Beschl.v. 31.8.2006 - 1 B 24.06 -). Der Senat ist von dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den Urteilen vom 17. Juli 2007 (a.a.O.) ausgegangen und hat im Einzelnen dargelegt, dass durchgreifende Zweifel an der Zuverlässigkeit der vom Senat zur Beurteilung der Situation der Yeziden in der Türkei herangezogenen Auskünfte und Lageberichte des Auswärtigen Amtes und des in diesem Zusammenhang eingeschalteten Vertrauensanwalts nicht erkennbar geworden sind."
Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der Auffassung des Yezidischen Forums Oldenburg in seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 2007, die yezidische Religion sei keine Geheimreligion (mehr): Dieser Begriff beruhe auf Feststellungen des Gutachters Prof. Dr. Wiesner zu den Verhältnissen in der Türkei und den Ländern des Nahen Ostens in den vergangenen Jahrhunderten, in denen z.B. keine Gotteshäuser hätten errichtet werden können, weshalb z.B. eine bauliche Tradition fehle. Dennoch würden die religiösen Feste und Feiertage durchaus mit Teilnahme nichtyezidischer Besucher abgehalten. Es sei falsch, dass religiöse Zeremonien, von denen es nur wenige gebe, nicht vor den Augen Ungläubiger abgehalten würden, da der Begriff "Ungläubige" den Yeziden fremd sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Yeziden ihre Feiern, die sich offenbar unter dem Einfluss des Aufenthalts in den westeuropäischen Staaten heute offener gestalten, in ihren angestammten Siedlungsgebieten der Türkei nicht entsprechend durchführen könnten, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Im Übrigen stellt auch das Yezidische Forum nicht in Abrede, dass die Ausübung der yezidischen Religion jedenfalls dadurch beschränkt ist, dass die Zugehörigkeit nur durch die Geburt bestimmt wird und ein Missionieren der Religion fremd ist.
Trotz des Vorlagebeschlusses des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - an den Europäischen Gerichtshof - EuGH - vom 7. Februar 2008 (10 C 23, 31 und 33.07 - juris) geht die Kammer angesichts der maßgeblichen Regelungen und deren bisherigen überwiegenden Interpretation (BVerwG, Urteil vom 20. März 2007 - 1 C 21.06 -, BVerwGE 128, 199 = NVwZ 2007, 1089 [BVerwG 20.03.2007 - BVerwG 1 C 21/06]; Nds. OVG, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - 11 LA 431/07 - S. 4; VGH BW, Urteil vom 5. November 2007 - A 6 S 1097/05 - juris Rn. 17 ff. und Beschluss vom 22. Oktober 2007 - A 6 S 740/05 - juris Rn. 21.; zum Ganzen: Hailbronner, ZAR 2008, 209 ff. und 265 ff., 266 f.) davon aus, dass sich - neben dem Wegfall der Verfolgungslage - aus Art. 11 Abs. 1 lit. e), Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie keine weitergehenden Anforderungen für einen Widerruf (etwa: keine Unzumutbarkeit der Rückkehr; grundlegende und dauerhafte Änderung der Situation sowie Wiederherstellung effektiven Schutzes des Heimatstaates) ableiten lassen. Denn auch die Qualifikationsrichtlinie unterscheidet systematisch klar zwischen Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention - der bei veränderten Verhältnissen gerade entfallen ist - und subsidiärem Schutz. Außerdem wird dem Betroffenen hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage und den allgemeinen Lebensbedingungen im Bedarfsfall hinreichender Schutz durch die im Aufenthaltsgesetz vorgesehenen Möglichkeiten zur Gewährung bzw. Belassung einer Aufenthaltserlaubnis oder Duldung (subsidiärer Schutz) gewährt. Insbesondere die gebotene Ermessensausübung der Ausländerbehörde bei einem sich ggf. anschließend zu prüfenden Widerruf des aufenthaltsrechtlichen Titels (§ 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) lässt hinreichend Raum für die Berücksichtung von - häufig auch von den individuellen Umständen abhängigen - Zumutbarkeitsfragen (Nds. OVG, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - 11 LA 431/07 - S. 5).
Die abweichenden Entscheidungen zur Frage der hinreichenden Verfolgungssicherheit von Yeziden vor den Gefahren einer erneuten mittelbaren Gruppenverfolgung wegen ihres Glaubens (OVG Rh.-Pf. , Urteile vom 21. Februar 2008 - 10 A 11002/07 - und vom 5. Juni 2007 - 10 A 11576/06 -; daran anknüpfend: OVG Schleswig, Beschluss vom 22. August 2007 - 4 LA 40/07 - Asylmagazin 2007, 19) überzeugen nicht (so auch: VG Hannover, Urteil vom 19. Dezember 2007 - 1 A 3097/06, 1 A 3101/06, 1 A 3102/06, 1 A 3103/06 - juris unter Hinweis auf die zweifelhafte Basis der Einschätzungen des Sachverständigen Baris). Hierzu hat das Nds. OVG (Beschluss vom 29. Januar 2008 - 11 LB 401/07 - S. 10 f.) zutreffend ausgeführt:
"Ebenso wenig führt das von dem Kläger angeführte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Juni 2007 (a.a.O.) zu einer von der Senatsrechtsprechung abweichenden Bewertung der aktuellen Situation der Yeziden in der Türkei. Der erkennende Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob dieses Urteil überhaupt als Beleg für das Fortbestehen einer Gruppenverfolgung von Yeziden in der Türkei herangezogen werden kann. Zum einen ging es in jenem Verfahren um den auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützten Widerruf einer Flüchtlingsanerkennung nach § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG), während Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 - 7 AsylVfG ist. Zum anderen steht der Ansatz des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, angesichts "einer Population von gegenwärtig nur 500 bis 600 Yeziden in der gesamten Südost-Türkei" sei es fraglich, ob man noch von einer wirklichen "Gruppe" im Rahmen einer Gruppenverfolgung sprechen könne, nicht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hat im Beschluss vom 5. Januar 2007 (- 1 B 59.06 -, juris) ausdrücklich betont, dass die von ihm entwickelten Maßstäbe für die Annahme einer Gruppenverfolgung auch für besonders kleine Gruppen wie die Yeziden in der Türkei gelten. Außerdem stützt das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz seine Entscheidung maßgebend darauf, dass dem im Sommer 1994 in das Bundesgebiet eingereisten Kläger persönlich eine Rückkehr in die Türkei nicht zumutbar sei. Er sei aufgrund seiner individuell geltend gemachten Erlebnisse vor der Ausreise aus der Türkei und der heutigen Verhältnisse im Gebiet Tur Abdin (der Kläger stammte aus dem Kreis Midyat in der Provinz Mardin) bei einer Rückkehr nicht hinreichend sicher vor erneuter politischer, religiöser Verfolgung. Demgegenüber kam der Kläger des vorliegenden Verfahrens, der aus dem Kreis Besiri in der Provinz Batman stammt, im Juli 1977 im Alter von 13 Jahren im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland und stellte erst im Oktober 1999 einen Asylantrag. Soweit das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz fünf Vorfälle aus den letzten Jahren behandelt hat, welche die Situation yezidischer Rückkehrer in den Tur Abdin betreffen, so hat sich der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 17. Juli 2007 (a.a.O.) ebenfalls damit beschäftigt. Während das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz aber zu diesen fünf Fällen und ihrer unterschiedlichen Bewertung in den Erkenntnismaterialien nicht abschließend Stellung nimmt, sondern lediglich im Rahmen eines nicht entscheidungserheblichen Hinweises (sog. obiter dictum) darauf eingeht, ist der erkennende Senat aufgrund einer vertieften Auseinandersetzung auch mit diesen fünf Fällen zu dem Ergebnis gelangt, dass sich damit die Annahme einer Gruppenverfolgung der Yeziden in der Türkei nicht begründen lässt. Darüber hinaus hat der erkennende Senat seine Einschätzung, dass Yeziden als Gruppe in der Türkei seit dem Jahre 2003 vor politischer Verfolgung in ihrer Heimatregion hinreichend sicher sind, auch aus einer Reihe von anderen Tatsachen und Indizien hergeleitet. Aber selbst wenn es - so der erkennende Senat weiter - in den letzten Jahren zu vereinzelten asylerheblichen Übergriffen auf Yeziden gekommen sein sollte, würden diese schon von ihrer Anzahl her nicht ausreichen, um die erforderliche Verfolgungsdichte zu belegen; zudem könnten Yeziden in der Türkei mittlerweile verstärkt mit effektivem staatlichen Schutz rechnen."
Dem schließt sich die Kammer an. Gegen die o.g. Entscheidung des OVG Schleswig spricht zudem, dass es nicht überzeugend dargelegt, wieso die Bewertung der Verfolgungsgefahren bei einer "Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit" auf der Basis identischer Erkenntnismittel anders ausfällt als bei der Gruppenverfolgung.
Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass sich die weitergehende Fragen nach der Garantie eines religiösen Existenzminimums oder der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz bei Rückkehr in die Türkei unter dem Blickwinkel der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 - 5 und 7 AufenthG hier nicht stellen. Hierzu hat das Bundesamt in den angefochtenen Bescheiden keine Entscheidung getroffen, so dass die Feststellung solcher Abschiebungsverbote nicht Streitgegenstand ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Februar 2008 - 11 LB 391/05 -).
Die Kammer hat auch keine Bedenken gegen einen solchen "isolierten" Widerruf des asylrechtlichen Status ohne dass zugleich (ernsthaft) feststeht, ob das Aufenthaltsrecht der Kläger beendet wird. Schon aus dem Zusammenspiel von § 73 AsylVfG und § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG erschließt sich, dass ein Widerruf der Asyl-/Flüchtlingsanerkennung bei gleichzeitigem auf dem Aufenthaltgesetz beruhendem Verbleib im Bundesgebiet möglich ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 12. Dezember 2007 - 11 LA 431/07 - S. 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 ZPO.