Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.06.2013, Az.: 9 U 54/13
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.06.2013
- Aktenzeichen
- 9 U 54/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 41650
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2013:0617.9U54.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - 25.02.2013
Fundstellen
- GesR 2014, 32-33
- MedR 2014, 98-99
- NotBZ 2013, 6-7
Tenor:
1. Der Senat erwägt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Verden vom 25. Februar 2013 aus den nachstehenden Gründen gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 125.000 € festgesetzt.
3. Die Klägerin hat Gelegenheit, zu den Erwägungen des Senats binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I.
Die Klägerin ist eine 1994 zwischen einem Arzt, dem Beklagten, und einer Kauffrau gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Gesellschafter, die an der Klägerin zu je 50 % beteiligt sind, waren miteinander verheiratet; sie lebten seit 2009 getrennt und sind inzwischen rechtskräftig geschieden. Ausweislich § 2 des in diesem Rechtsstreit zwischen den Parteien bisher unstreitigen Gesellschaftsvertrages ist Gegenstand der Gesellschaft die "Diagnose und Therapie von Erkrankungen mittels Naturheilverfahren und alle damit zusammenhängenden Dienstleistungen". Behandlungen am Patienten führte ausschließlich der Beklagte als zugelassener Arzt durch, während seine Mitgesellschafterin die Geschäftsführung der Klägerin übernahm. Die Gesellschaft übte ihre Tätigkeit in vom Beklagten angemieteten Räumen in B. ... aus. Im Frühjahr 2010 kündigte der Beklagte das Mietverhältnis und behandelte seit März 2010 Patienten nicht mehr für Rechnung der Klägerin, sondern auf eigene Rechnung. Beide Gesellschafter haben die Gesellschaft inzwischen unter dem 16. Mai 2010 bzw. 21. Juni 2012 gekündigt.
Mit der Klage begehrt die Gesellschaft Schadensersatz, weil der Beklagte ihr seit Frühjahr 2010 alle notwendigen Betriebsmittel entzogen und sie ihrer wirtschaftlichen Basis beraubt habe. Der Beklagte nutze die der Klägerin entzogenen Vermögensgegenstände, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen. Dies stelle sich als verdeckte Gewinnausschüttung dar.
Die Klägerin meint, der durch das Verhalten des Beklagten entstandene Schaden entspreche ihrem Firmenwert, den sie unter Berücksichtigung unstreitig in den Vorjahren erzielter Gewinne von knapp 8.000 € bis gut 13.000 € jährlich auf 132.400 € ermittelt.
Erstinstanzlich hat der Beklagte eine Widerklage erhoben, weil ihm nach den getroffenen Vereinbarungen von den eingenommenen Kundenumsätzen 40 % persönlich zustehen sollten. Entsprechend der Abrechnungen für Januar 2010 habe er noch 3.373,20 € nebst Zinsen zu erhalten. Dem stellt die Klägerin zu viel gezahlte Miete für die Monate Januar bis März 2010 entgegen.
Das Landgericht hat den Beklagten dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet angesehen und ihn verurteilt, an die Klägerin 18.000,00 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Widerklage hin hat es die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 2.456,30 € wegen eingenommener Rechnungsbeträge aus dem Januar 2010 zu zahlen; im Übrigen hat es der als berechtigt angesehenen Widerklageforderung überzahlte Miete entgegengerechnet. Mit der Beendigung seiner Tätigkeit für die Gesellschaft im Frühjahr 2010 und der anschließenden Durchführung von Behandlungen nur noch auf eigene Rechnung habe der Beklagte gegen das ihn treffende Wettbewerbsverbot und die ihn im Verhältnis zur Gesellschaft obliegenden Treuepflichten verstoßen. Die Klägerin habe aber keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe ihres Firmenwertes, sondern könne nur verlangen, so gestellt zu werden, wie sie bei einem pflichtgemäßen Verhalten des Beklagten stünde. Danach könne sie lediglich den anhand der durchschnittlichen Gewinne aus den Vorjahren ermittelten entgangenen Gewinn in Höhe von jährlich 12.000,00 € für die Jahre 2010 bis 2012 - bis zum Wirksamwerden der von beiden Gesellschaftern erklärten Kündigung der Gesellschaft - verlangen. Von dem auf diese Weise ermittelten Gesamtbetrag von 36.000,00 € für drei Jahre könne die Gesellschaft aber nur die Hälfte ausgezahlt verlangen, da sie sich diejenigen 18.000,00 € entgegenhalten lassen müsse, die sie sofort an den Beklagten als Gewinn wieder hätte auskehren müssen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie insbesondere - neben dem Begehren, die Widerklage insgesamt abzuweisen - geltend macht, weitere 114.400 € als Schadensersatz begehren zu können. Die klagende Gesellschaft macht sich die Entscheidung des Landgerichts zur Ersatzpflicht des Beklagten dem Grunde nach zu eigen und meint, der Höhe nach habe sie, abzüglich des vom Landgericht Zuerkannten, als Schadensersatz zu beanspruchen, was ihrem Firmenwert entspreche. In jedem Falle müsse der Beklagte zunächst den ganzen Schaden, den sie erlitten habe, ausgleichen. Es sei keinesfalls so, dass der Beklagte seinen hypothetischen hälftigen Gewinnanteil ohne Gewinnverwendungsbeschluss bereits in Abzug bringen könne.
II.
Die vorstehend skizzierte Berufung hat nach der vorläufigen Einschätzung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Es könnte in keinem Fall ein Urteil ergehen, das zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis als das Urteil des Landgerichts führt.
Die klagende Gesellschaft mit beschränkter Haftung stützt den von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten als ihren Gesellschafter darauf, dass dieser sie durch die pflichtwidrige Beendigung seiner Tätigkeit für die Gesellschaft ab Februar 2010 so geschädigt habe, dass sie ihren gesamten Firmenwert eingebüßt habe. Dem ist aus folgenden Gründen nicht zu folgen:
Der Beklagte hat sich im Gesellschaftsvertrag nicht zur Erbringung ärztlicher Dienstleistungen als Beitrag zur Gesellschaft verpflichtet. Ob er durch sein Verhalten gegen das in § 7 des Gesellschaftsvertrags enthaltene umfassende Wettbewerbsverbot bzw. gegen seine gesellschafterliche Treuepflicht verstoßen hat, kann dahinstehen. Denn jedenfalls kann die Klägerin keinen Schadensersatz in Höhe ihres - wie auch immer zu berechnenden - Firmenwertes verlangen, da sie ihren Unternehmensgegenstand nicht (mehr) in gesetzeskonformer Weise verfolgt.
Die Klägerin hat nach § 2 des hier vorgelegten Gesellschaftsvertrages "die Diagnose und Therapie von Erkrankungen mittels Naturheilverfahren" zum Gegenstand und damit den Kernbereich ärztlicher Tätigkeiten. Gleichwohl genügte sie von Anfang an in ihrer Gesamtkonstruktion in keiner Weise den Vorgaben des § 23a der Musterberufsordnung für Ärzte, geschweige denn den strengeren Anforderungen der Satzung zur Berufsordnung der Ärztekammer ... . So sind in ihrer Satzung keine Vorkehrungen zur Sicherstellung der satzungsgemäßen Leistungserbringung durch Ärzte und dafür vorgesehen, dass die Geschäftsführung mehrheitlich Ärzten obliegt; zudem ist nicht ausgeschlossen, dass Gewinnanteile an Nichtärzte fallen. Vielmehr ist die Mitgesellschafterin insofern Dritte und als Geschäftsführerin tätig. Seit der Aufkündigung der ärztlichen Tätigkeit des Beklagten hat die Klägerin sogar überhaupt keinen Arzt mehr in ihren Reihen, der die Leistungen für die Gesellschaft erbringen könnte. Da "Therapie und Diagnose" Nichtärzten und Nichtheilpraktikern, mithin der klagenden GmbH und ihrer Geschäftsführerin, gemäß § 1 Heilpraktikergesetz verboten sind, ist die Klägerin jedenfalls seit Februar 2010 nicht mehr mit einem zulässigen, sondern mit einem mit den Gesetzen nicht mehr in Einklang stehenden Geschäftsbetrieb unterlegt. Ein Firmenwert kommt einer solchen Gesellschaft nicht zu.
Zu berücksichtigen ist auch, dass der Beklagte nicht verpflichtet gewesen ist, seine berufliche Tätigkeit als Arzt der Klägerin auf unbestimmte Zeit oder uneingeschränkt weiter zur Verfügung zu stellen. Eine gesellschaftsvertragliche Verpflichtung zu einer derartigen einzubringenden Gesellschafterleistung enthält die Satzung nicht. Eine dauerhafte schuldrechtliche Verpflichtung zur Erbringung ärztlicher Dienstleistungen, soweit sie zwischen der Klägerin und dem Beklagten zusätzlich vereinbart worden sein sollte, bestand ebenfalls nicht. Eine derartige Abrede wäre rechtlich wirkungslos, da entsprechend Art. 12 Abs. 2, 3 GG Zwangsarbeit bzw. erzwungene Arbeit grundgesetzlich untersagt ist und der Beklagte mithin jede schuldrechtliche Verpflichtung zur Erbringung seiner ärztlichen Dienste aus wichtigem Grund oder fristgemäß aufkündigen konnte und durch die Einstellung seiner Tätigkeit im Februar 2010 auch zumindest konkludent aufgekündigt hat.
Selbst wenn der Klägerin bis zur Beendigung der Tätigkeit des Beklagten für sie noch ein Unternehmenswert beizumessen gewesen wäre, hätte sie sich zur Schadensminderung unverzüglich neu strukturieren und einen anderen Arzt einstellen müssen, um eine gesetzeskonforme Tätigkeit fortsetzen zu können. Warum sie davon abgesehen hat, ist nicht ersichtlich. Ohne die Beschäftigung eines Arztes konnte die Klägerin ihren satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand nicht mehr gesetzeskonform verfolgen. Jedes weitere Tätigkeitsangebot am Markt hätte einen Verstoß gegen § 134 BGB i. V. m. § 1 Heilpraktikergesetz dargestellt. Ein entschädigungsfähiger Firmenwert kam ihr dementsprechend in keinem Fall mehr zu.
Nach dem Vorstehenden vermag die Klägerin kein günstigeres Ergebnis als das ihr vom Landgericht zuerkannte und bislang seitens des Beklagten nicht selbständig mit einer möglichen Anschlussberufung angegriffene zu erzielen. Sie mag deshalb (auch aus Kostengründen) erwägen, von dem eingelegten Rechtsbehelf Abstand zu nehmen.