Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.06.2013, Az.: 4 W 65/13

Anforderungen an die Form notarieller Beurkundung bei Übertragung eines Erbteils durch Vergleich gem. § 278 ZPO

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.06.2013
Aktenzeichen
4 W 65/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 39510
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2013:0614.4W65.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 18.03.2013

Fundstellen

  • EE 2013, 127
  • ErbBstg 2013, 221-222
  • FPR 2013, 6
  • MittBayNot 2014, 187-188
  • NJW 2013, 2979-2980
  • NJW-Spezial 2013, 488
  • RENOpraxis 2013, 201
  • ZEV 2013, 6
  • ZEV 2013, 613-614

Amtlicher Leitsatz

Ein Vergleich, dessen Zustandekommen gem. § 278 Abs. 6 ZPO im schriftlichen Verfahren festgestellt wird, wahrt die gem. § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Form einer notariellen Beurkundung jedenfalls dann nicht, wenn die Parteien weder durch ihre Bevollmächtigen noch durch das Gericht im erforderlichen Umfang belehrt worden sind.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller vom 26. März 2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Hannover vom 18. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.260,23 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren die Eintragung der Übertragung eines Erbteils in das Grundbuch auf der Grundlage eines nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossenen Vergleichs.

Die Antragsteller haben sich in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Hannover zum Az.: 12 O 103/11 über die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft gestritten. Mit Beschluss vom 22. Januar 2013 hat das Landgericht Hannover gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, dass sich die Prozessparteien durch ihre übereinstimmenden Erklärungen verglichen haben. Inhalt des Vergleiches ist der Verkauf des Erbteils der Klägerin an ihre Geschwister, der dinglich auf diese übertragen wurde. Gegenstand des Nachlasses ist (u. a.) ein Grundstück.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 18. März 2013 den Antrag auf Grundbuchberichtigung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Form der notariellen Beurkundung sei durch den Abschluss des Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO nicht gewahrt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller, die insbesondere auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (NJW 2007, 1831 ff. [BAG 23.11.2006 - 6 AZR 394/06][BAG 23.11.2006 - 6 AZR 394/06]) verweisen.

II.

Die gemäß § 71 GBO zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Grundbuchamt hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die beantragte Grundbuchberichtigung verweigert. Die gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Form der notariellen Beurkundung für die Erbteilsübertragung ist durch den gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich nicht gewahrt.

1. Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass entsprechend dem Willen des Gesetzgebers der Vergleich im schriftlichen Verfahren dieselbe Wirksamkeit entfalten soll wie ein in der mündlichen Verhandlung protokollierter Vergleich und dieser die Form der notariellen Beurkundung wahre (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Dezember 2010, Az.: 5 UF 105/10, Rdnr. 4 für eine schriftliche Vereinbarung über den Versorgungsausgleich gemäß § 7 Abs. 2 Versorgungsausgleichsgesetz - aus juris). Ebenso hat das Bundesarbeitsgericht in der oben zitierten Entscheidung die Auffassung vertreten, § 127 a BGB sei jedenfalls analog anwendbar, um dem Willen des Gesetzgebers, dass der im schriftlichen Verfahren abgeschlossene Vergleich in seinen Wirkungen dem protokollierten Vergleich gleichstehe (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 82), gerecht zu werden (BAG NJW 2007, 1831, 1833 f. [BAG 23.11.2006 - 6 AZR 394/06][BAG 23.11.2006 - 6 AZR 394/06]).

2. Eine vermittelnde Auslegung nimmt offenbar das OLG München (Beschluss vom 28. September 2010, Az.: 12 UF 1153/10, Rdnr. 5 für § 7 Abs. 2 Versorgungsausgleichsgesetz - aus juris) ein, dass § 127 a BGB jedenfalls dann entsprechend anzuwenden sei, wenn die Vereinbarung auf Vorschlag des Gerichts zustande gekommen ist, weil nur so die Beratungsfunktion indirekt erfüllt werde.

3. Abweichend hiervon hält das OLG Brandenburg die Form des § 127 a BGB nicht für erfüllt, wenn die Parteien einen Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen haben (Beschluss vom 9. Oktober 2007, Az.: 10 UF 123/07 - aus juris; ebenso Staudinger/Hertel, BGB, Oktober 2011, § 127a Rn 48). Zu demselben Ergebnis kommt ein Gutachten des Deutschen Notarinstituts speziell zu der Frage, ob ein im schriftlichen Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO abgeschlossener Prozessvergleich die notarielle Beurkundung nach § 127 a BGB im Sinne einer Erbteilsveräußerung nach § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB ersetze. Hiergegen spreche sowohl der eindeutige Wortlaut des § 127 a BGB als auch der Schutzzweck der Beurkundung durch die Beratung der Beteiligten.

4. Für den - hier nicht gegebenen - Fall einer in einem im schriftlichen Verfahren geschlossenen Prozessvergleich erklärten Auflassung hat das OLG Düsseldorf ausgeführt, die erforderliche Form sei nicht gewahrt, weil es an der nach § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Auflassung erforderlichen gleichzeitigen Anwesenheit der Beteiligten fehle (NJW-RR 2006, 1609 ff. [OLG Düsseldorf 28.08.2006 - I-3 Wx 137/06], [OLG Düsseldorf 28.08.2006 - I-3 Wx 137/06] Rdnr. 28 - aus juris).

5. Der Senat schließt sich für den zu entscheidenden Fall der unter Ziffer 3 dargestellten Auffassung an. Der Sinn und Zweck einer notariellen Beurkundung, die Parteien vor übereilten Entscheidungen zu schützen und sie auf eventuelle Gefahren hinzuweisen, ist durch einen im schriftlichen Verfahren geschlossenen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO kaum zu gewährleisten. Dies mag allenfalls der Fall sein, wenn entweder die Prozessbevollmächtigten der Parteien diese Funktion übernehmen oder aber das Gericht einen eigenen Vorschlag unterbreitet und darüber hinaus den Parteien durch entsprechende Anmerkungen vor Augen geführt hat, welche Verpflichtung sie mit dem Abschluss des Vergleichs eingehen und welche Risiken bestehen. Letztlich braucht vorliegend aber nicht entschieden zu werden, ob dies für die Wahrung der Form der notariellen Beurkundung im Sinne von § 127 a BGB ausreichend ist. Denn aus dem zugrunde zu legenden Sachverhalt ergibt sich nicht, dass die damaligen Prozessbevollmächtigten oder das Gericht eine solche Belehrung vorgenommen hätten.

Das Argument, nach dem Willen des Gesetzgebers habe der schriftliche Vergleich dem protokollierten Vergleich gleichstehen sollen, überzeugt nicht für den Fall, dass hierdurch die Form einer notariellen Beurkundung gewahrt werden soll, weswegen auch eine analoge Anwendung von § 127a BGB ausscheidet. Denn gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossene Vergleiche betreffen auch Sachverhalte, in denen es nicht auf die Einhaltung einer bestimmten Form ankommt und in denen die Wirkung eines im schriftlichen Verfahren abgeschlossenen Vergleichs unzweifelhaft derjenigen eines in der mündlichen Verhandlung protokollierten Vergleichs gleichsteht. Der Umstand, dass in § 278 Abs. 6 ZPO eine Regelung zur Änderung des abgeschlossenen Vergleichs entsprechend § 164 ZPO vorgesehen ist, besagt noch nichts darüber, dass hierdurch auch die nach § 127 a BGB erforderliche Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes Protokoll gleichwertig ersetzt wird. Denn dort geht es nur um die Berichtigung und nicht um die Aufnahme der Erklärungen. Der Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit des Vorgangs einer Beurkundung vor dem Notar entspricht nur derjenige Ablauf, in dem die Beteiligten durch das Gericht, das insoweit auch einer Haftung unterliegen dürfte, entsprechend belehrt werden können. Sollten hierbei Rückfragen auftreten, ist dies ohnehin nur dann vertretbar zu beantworten, wenn die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung direkt anwesend sind.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus den §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO in Höhe des nach dem Vergleich zu zahlenden Kaufpreises.

Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 78 GBO bestand keine Veranlassung. Der Senat weicht für das Grundbuchverfahren nicht von der Auffassung anderer Oberlandesgerichte - soweit ersichtlich - ab.