Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 20.02.2001, Az.: 3 A 247/98
Rückübertragung von Grundstücken des Beitrittsgebietes; Anspruchsgrundlagen für Rückübertragung zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften und zwischen Staat und Bürger ; Öffentlich-rechtliche Körperschaften als Berechtigte nach dem Vermögensrecht; Rehabilitationsgründe im Vermögensrecht; Rechtsnatur, Auflösung und Rechtsnachfolge von Realgemeinden
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 20.02.2001
- Aktenzeichen
- 3 A 247/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 12062
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2001:0220.3A247.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG
- Art. 22 Abs. 1 Satz 7 Einigungsvertrag
- Art. 21 Abs. 3 Einigungsvertrag
- § 1 Abs. 4 VZOG
- § 40 Realverbandsgesetz NI
Verfahrensgegenstand
Rückübertragung,
Prozessführer
der Realverband Holzkasseninteressentenschaft ... und ...
vertreten durch den Vorstand, dieser vertr. d. d. 1. Vorsitzenden ...
Prozessgegner
das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Mecklenburg-Vorpommern, Außenstelle Schwerin, Hopfenbruchweg 4, 19059 Schwerin, - 09/90/941/33/UE -,
Sonstige Beteiligte
BWG Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH, Bereich Privatisierung, Schönhauser Allee 120, 10437 Berlin,
In dem Rechtsstreit
hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 3. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2001
durch
den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Siebert als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
- 3.
Das Urteil ist hinsichtlich seiner Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
- 4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rückübertragung eines Grundstückes.
Der Kläger ist ein Realverband mit Sitz in B. Die Holzkasseninteressentenschaft gibt es seit mehr als 100 Jahren. Das Vermögen bestand nach dem Statut von 1898 aus einem Grundstück und aus der Holzkasse. Diese wurde gebildet aus Kapitalien, welche aus dem Verkaufe des gemeinschaftlichen Holzbestandes am rechten Elbufer erzielt worden sind. In der Verwaltungsvorgängen befindet sich neben dem Statut von 1898 eine Satzung von 1990.
Der Kläger war Eigentümer von verschiedenen Grundstücken. So war er Eigentümer der Flurstücke 109 und 110 der Flur 4 in N. (rechts der Elbe) mit einer Gesamtgröße von 4.348 qm. Nach dem Vortrag des Beklagten war der Kläger Eigentümer dieser Flächen ab 1942, vorher sollen sie bis 1912 J. Dann A. gehört haben. Der Kläger selbst hat vorgetragen, diese Flächen hätten bereits im 19. Jahrhundert in seinem Eigentum gestanden. Die Beteiligten sind sich einig, dass aus dieser Fläche das heutige Flurstück 104 der Flur 5 in der Gemarkung N. mit einer Größe von 3.670 qm hervorgegangen ist.
Im Grundbuch ist seit 1984 als Eigentümer des Flurstückes 104 verzeichnet: "Eigentum des Volkes, Rechtsträger: LPG Pflanzenproduktion "Untere Elbe" T. Seit Oktober 1997 steht das Grundstück im Eigentum der beigeladenen Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH Berlin.
Am 2. Oktober 1990 beantragte der Kläger die Rückübertragung der Flurstücke 109 und 110 nach dem Vermögensrecht.
Der Beklagte lehnte mit angefochtenem Bescheid vom 8. Oktober 1998 die Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz ab.
Der Kläger hat am 2. November 1998 Klage erhoben, mit der er sein Rückübertragungsbegehren weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 8. Oktober 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, das jetzige Flurstück 104 der Flur 5 der Gemarkung N. auf ihn zurückzuübertragen.
Das beklagte Amt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstückes Flurstück 104 der Flur 5 der Gemarkung N.
1.
Die Rückübertragung des Grundstückes richtet sich nicht nach dem Vermögensgesetz - VermG -, sondern nach dem Vermögenszuordnungsgesetz - VZOG -. Denn der Kläger ist nicht Berechtigter nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG sind Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes natürliche und juristische Personen sowie Personenhandelsgesellschaften, deren Vermögenswerte von Maßnahmen gemäß § 1 VermG betroffen sind, sowie ihre Rechtsnachfolger. Der Kläger als Realverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nds. Realverbandsgesetz). - Körperschaften desöffentlichen Rechtes fallen nicht unter die Aufzählung der nach dem Vermögensgesetz Berechtigten. Dies bedeutet nun aber nicht, dass eine Rechtsgrundlage für die Rückübertragung des (wohl) 1984 in Volkseigentum übergegangenen Grundstücks des Klägers von vornherein nicht gegeben ist. Vielmehr ist eine Rückübertragung des Grundstückes des Klägers entsprechend der Systematik des (Wieder-)Vereinigungsrechtes nach dem Vermögenszuordnungsrecht und damit nach dem Vermögenszuordnungsgesetz zu beurteilen. Dies ergibt sich aus den Artikeln 21 und 22 des Einigungsvertrages über die Verteilung desöffentlichen Vermögens.
Artikel 22 Abs. 1 Satz 7 i.V.m. Artikel 21 Abs. 3 Einigungsvertrag geben einen Restitutionsanspruch in den Fällen, in denen Vermögenswerte dem Zentralstaat "von einer anderenKörperschaft des öffentlichen Rechtes unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind". Solche Vermögenswerte werden an diese Körperschaft oder ihre Rechtsnachfolgerin unentgeltlich zurückübertragen. Durch die Restitution nach diesen Vorschriften soll zur Leistungsfähigkeit der Körperschaften durch Ausstattung "mit Altvermögen" beigetragen werden. Die Restitution rechtfertigt sich bereits daraus, dass der Körperschaft das Vermögen bereits in der Vergangenheit gehörte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieses Vermögen als Finanzvermögen oder als Verwaltungsvermögen anzusehen ist. Für die Rückübertragung eines Vermögensgegenstandes (Grundstücks) kommt nicht auf dessen aktuelle Zweckbestimmung an, die Restitution knüpft vielmehr allein an die Rechtsstellung des früheren Eigentümers an (BVerwG, Beschl. v. 04.12.1995 - 7 B 407.95 -, Buchholz 111 Art. 21 Nr. 13).
Mit anderen Worten:
Rückgabeansprüche, die im Verhältnis Bürger - Staat wurzeln, richten sich nach dem Vermögensgesetz, Rückgabeansprüche zwischen öffentlich-rechtlichen Körperschaften richten sich nach dem Einigungsvertrag in Verbindung mit dem dazu erlassenen Vermögenszuordnungsgesetz. Dies schließt es aus, den von der Zentralisierung betroffenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften Ansprüche nach dem Vermögensgesetz einzuräumen (vgl. hierzu auch BVerwG, Entsch. vom 02.05.1996 - 7 C 24.95 -, VIZ 1996 S. 448 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 73; Entsch. vom 27.02.1997 - 7 C 10.96 -, VIZ 1997 S. 347).
Aufgrund des Vermögenszuordnungsgesetzes kann gegenüber dem Beklagten keine verpflichtende Entscheidung zur Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks ergehen. Denn nach § 1 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 VZOG sind für die Feststellung, ob Vermögenswerte auf Körperschaft desöffentlichen Rechtes zurückzuübertragen sind, der Präsident der Treuhandanstalt oder der Oberfinanzpräsident zuständig. Da das im vorliegenden Verfahren beklagte Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen nach dem Vermögenszuordnungsgesetz unzuständig ist, kann es schon deshalb nicht zur Rückgabe verpflichtet werden.
Angesichts der Unzuständigkeit des Beklagten bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob die nach dem Vermögenszuordnungsgesetz zuständige Stelle überhaupt noch zur Rückübertragung verpflichtet werden kann. Denn Anträge auf Rückübertragung nach dem hier maßgeblichen § 1 Abs. 4 VZOG konnten nur - je nach Fallgestaltung - bis spätestens Ende 1995 gestellt werden (§ 7 Abs. 3 VZOG, geändert durch die Antragsfristverordnung vom 14. Juni 1994). Diese Frist ist inzwischen verstrichen. Ob der 1990 gestellte Antrag auf Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz zugleich als Antrag nach dem Vermögenszuordnungsgesetz verstanden werden kann, ist offen. Dies ist eine Rechtsfrage, die von der nach dem Vermögenszuordnungsgesetz zuständigen Stelle entschieden werden muss. Der Einzelrichter sieht keine Notwendigkeit, diese Rechtsfrage gleichsam im Vorwege und ohne Anhörung der zuständigen Behörden mit Verbindlichkeit zu entscheiden.
Die Unanwendbarkeit des Vermögensgesetzes für das vorliegende Rückgabebegehren steht nicht im Widerspruch zu dem den Beteiligten bekannten Urteil der Kammer vom 17. November 1998 im Verfahren 3 A 29/97. Denn in jenem Fall war eine öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht mehr existent, der Realverband war vielmehr 1948 aufgelöst worden. Eine Rückübertragung nach dem Vermögenszuordnungsgesetz schied in jenem Fall aus, da keineöffentlich-rechtliche Körperschaft mehr vorhanden war, auf die die in Volkseigentum übergegangenen Grundstücke hätten zurückübertragen werden können (vgl. auch den Wortlaut des§ 1 Abs. 4 VZOG: "Fälle, in denen Vermögenswerte auf andere Körperschaften zurückzuübertragen sind"). Für jenen Fall war deshalb das Vermögensgesetz das speziellere Recht. Für den vorliegenden Fall hingegen ist das Vermögenszuordnungsgesetz das speziellere Recht.
2.
Selbst wenn man für den vorliegenden Fall davon ausgehen wollte, eine Rückübertragung sei (auch) nach dem Vermögensgesetz zulässig, könnte das Begehren im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Nach § 3 Vermögensgesetz - VermG - sind Vermögenswerte, die Maßnahmen im Sinne des § 1 VermG unterlagen und in Volkseigentum überführt wurden, auf Antrag an die Berechtigten zurückzuübertragen. Die Voraussetzungen zur Anwendung dieser Vorschrift liegen nicht vor. Denn im vorliegenden Fall ist der Eigentumsverlust des Grundstückes und die Begründung von Volkseigentum "lediglich systembedingtes" Unrecht gewesen. Eine besondere diskriminierende Komponente hat der Vermögensverlust für den Kläger nicht gehabt, so dass Sinn und Zweck der Rückgabevorschriften den vorliegenden Fall nicht erfassen. Eine Rückübertragung scheidet deshalb aus.
Das Vermögensgesetz soll solche der DDR zuzurechnenden vermögensentziehenden oder vermögensbeeinträchtigenden Unrechtsmaßnahmen wiedergutmachen, die auf die Teilung Deutschlands oder auf bestimmte teilungsunabhängige Entscheidungen zurückgehen und die dem Gesetzgeber aus rechtsstaatlicher Sicht als nicht hinnehmbar erschienen sind. Damit stellt das Vermögensgesetz zum einen auf ein "Teilungsunrecht" ab, wenn es bezweckt, solche Vermögensverluste rückgängig zu machen, die sich gegen Bürger außerhalb der DDR gerichtet haben, und die ihr Vermögen mangels Wohnsitzes in der DDR nicht verwalten konnten. Zum zweiten stellt das Gesetz auf politisch bedingte Diskriminierungen ab, die wiedergutgemacht werden sollen, wobei diese politische Diskriminierung Bürger außerhalb und innerhalb der DDR vergleichbar treffen konnte (BVerwG, Urt. v. 24.03.1994 - 7 C 11.93 -, NJW 1994 S. 2106; Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, Vermögensgesetz, Kommentar, Stand: August 1997, § 1 Rn 37; Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR - RVl -, Stand: Januar 1998, § 1 Rn 10, 14). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Art. 19 Einigungsvertrag. Danach bleiben Verwaltungsakte der DDR wirksam, sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar sind (vgl. zu alledem BVerwG, Urt. v. 30.06.1994 - 7 C 19.93 -, Buchholz 428§ 1 VermG, Nr. 24). Demgemäß unterfällt eine Maßnahme dem Vermögensgesetz nur dann, wenn die Maßnahme mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des Einigungsvertrages unvereinbar ist, wenn es sich um eine wesentliche rechtsstaatswidrige Enteignung handelt, die in der geeinten, rechtsstaatlich ausgerichteten Bundesrepublik keinen Bestand haben darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.03.1994 - 7 C 11.93 -, a.a.O.; Urt. v. 30.06.1994, Bucholz a.a.O. Nr. 24; RVI, a.a.O., Rn 16). Gesetzgeberisches Leitbild für diskriminierende Enteignungen sind die in § 1 Abs. 1 der Anmeldeverordnung aufgeführten Rechtsvorschriften, soweit sie eine entschädigungslose Enteignung zuließen. Typisches Beispiel ist die bei "Republikflucht" erfolgte Vermögensbeschlagnahme, die in der Rechtspraxis der DDR als entschädigungslose Eigentumsentziehung zugunsten des Volkseigentums verstanden wurde.
Ist zur Anwendung des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermGeine politisch bedingte Diskriminierung zu fordern, fällt "lediglich systembedingtes Unrecht" aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes heraus (Fieberg/u.a., a.a.O., Rn 48). Dies gilt für teilungsbedingte und teilungsunabhängige Enteignungen gleichermaßen. Die Ergebnisse einer 45jährigen Entwicklung in einer sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sollen nicht der Totalrevision unterworfen werden (vgl. hierzu auch Kinkel, ZRP 1991 S. 409, 411). So entfällt ein Anspruch nach dem Vermögensgesetz für Vereine, Verbände oder Körperschaften in der ehemaligen DDR, deren Vermögen im Zusammenhang mit deren staatlich verfügter Auflösung auf andere Rechtsträger übertragen worden ist: so sind die Grundstücke der Kleingartenvereine mit deren Zwangseintritt in den Verband der Siedler und Kleintierzüchter in den Bodenfonds dieses Vereinesüberführt worden. Das Vermögen von Parteien und Massenorganisationen ist entzogen worden. Diese und ähnliche Vermögensübertragungen (vgl. Fieberg/u.a., a.a.O., Rn 48) gehören zu den typischen Fällen dersystembedingten Enteignungen, die im Zuge des Aufbaues einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in der ehemaligen DDR stattfanden und nicht besonders diskriminierend waren, so dass sie deshalb vom Sinn und Zweck des Vermögensgesetzes nicht erfasst werden.
Daraus folgt für den vorliegenden Fall:
Realgemeinden sind im damaligen Lande Mecklenburg 1948 aufgelöst worden. Der Übergang des Eigentums der den Realgemeinden gehörenden Grundstücke und des sonstigen Vermögens auf die politischen Gemeinden zu dieser Zeit ist nicht diskriminierend gewesen, sondern als "lediglich systembedingtes Unrecht" anzusehen, so dass die aufgelösten Gemeinden keinen Rückübertragungsanspruch ihrer Grundstücke aufgrund des Vermögensgesetzes haben (a). Auch in den Fällen, in denen wie hier eine Realgemeinde von den Gesetzen des Landes Mecklenburg nicht aufgelöst werden konnte, weil sie ihren Sitz "im Westen" hatte, ist eine diskriminierende Komponente beim (späteren) Vermögensverlust nicht gegeben (b).
a)
Die Auflösung der Realgemeinden und ähnlicher altrechtlicher Verbände, Genossenschaften und Interessentenschaften in Mecklenburg hat ihre Grundlage im Gesetz des Landes Mecklenburg über die Aufhebung von Sonderrechten an Gemeindevermögen vom 29. April 1948 (RBl. S. 77). § 1 des Gesetzes lautet auszugsweise:
"Die im Land Mecklenburg in einer Reihe von Gemeinden bestehenden Realgemeinden und sonstige Miteigentumsgemeinschaften am Gemeindeland und Grundeigentumsgemeinschaften öffentlich-rechtlicher Art werden mit Inkrafttreten dieses Gesetzes mit der Wirkung aufgelöst, dass sämtliche Rechte aus der Mitgliedschaft an solchen Gemeinschaften erlöschen. Das Vermögen geht auf die politische Gemeinde als Gesamtrechtsnachfolgerin über."
Realgemeinden sind Gemeinschaften (im Lande Mecklenburg: gewesen), deren Eigentümlichkeit darauf beruht, dass die Zugehörigkeit zur Realgemeinde durch Besitz von Grundeigentum oder Nutzungsrechten an Grundstücken bedingt ist (vgl. Ausführungsverordnung v. 13.04.1949 zum Aufhebungsgesetz vom 29.04.1948). Realgemeinden gehen zurück auf Markgenossenschaften. Diese Genossenschaften waren ursprünglich zugleich die ersten Gemeindeverbände der ländlichen Bevölkerung, in welchen nur die Grundbesitzer berechtigt waren. Die Markgenossenschaften waren jeweils Träger der Allmende, des von den Mitgliedern gemeinsam genutzten Landes. Hauptbestandteile der Allmende waren Wald und Weideland. Im Laufe der Dorfgeschichte traten neben die Vollhöfe kleinere Güter, dazu kamen Tagelöhner mit wenig oder keinem Grundbesitz in der nutzbaren Mark, Handwerker, Dienstleute, Kirchen- und Schulbeamte. So entstand neben der alten Markgenossenschaft die politische Gemeinde, die mit der Erledigung allgemeiner Verwaltungsaufgaben zunehmend betraut wurde. Die Trennung zwischen der Realgemeinde (Markgenossenschaft) und der politischen dörflichen Gemeinde gibt es erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Zuvor war die Markgenossenschaft auch die unterste Stufe der Verwaltung, sie besaß eine gewisse Satzungsautonomie und war mit der Erledigung allgemeiner Aufgaben betraut. Durch die Trennung aufgrund der Landgemeindegesetze (im damaligen Königreich Hannover, zu dem auch das Gebiet der Gemeinde Amt Neuhaus gehörte, wurden die Landgemeindegesetze 1852 und 1859 erlassen) trat die politische Gemeinde rechtlich neben die Realgemeinde. Realgemeinden haben sich in Niedersachsen bis zum heutigen Tage erhalten, wenngleich sie ihre frühere Bedeutung verloren haben. - Realgemeinden haben zahlreiche Sonderrechte: Sie sind Körperschaften öffentlichen Rechtes, sie sind rechtsfähig und verfügen über hoheitliche Befugnisse. Sie verwalten ihre Angelegenheiten selbst unter eigener Verantwortung. Ihre Satzungen können sie gegenüber ihren Mitgliedern zwangsweise durchsetzen. Sie verwalten ihr Vermögen, können ihre Grundstücke etwa veräußern. Sie können von ihren Mitgliedern Beiträge erheben.
Die Besserstellung der Realgemeinden konnte nach dem Krieg in Mecklenburg nicht mehr mit der damals angestrebten "demokratischen Gesellschaftsordnung", die die gleichen Rechte für alle Gemeindemitglieder vorgesehen hat, in Einklang gebracht werden. Da das gesamte Vermögen der Realgemeinden auf die politischen Gemeinden als Rechtsnachfolger übergegangen ist, kann aus der Gesamtheit der Umstände nur geschlossen werden, dass das Nebeneinander von Realgemeinde und politischer Gemeinde abgeschafft werden sollte. Angesichts des Umstandes, dass die Realgemeinden seit der Etablierung von politischen Gemeinden eine immer geringere Rolle gespielt haben und auch in der alten Bundesrepublik viele Realgemeinden ohne ausdrückliche Auflösung ihre Existenz eingebüßt haben, stellt sich das Gesetz von 1948 als eine Art "Rechtsbereinigung" hinsichtlich der Vielfalt öffentlich-rechtlicher Körperschaften dar aufgrund der Erkenntnis, dass viele Verbände handlungsunfähig geworden und ihre Aufgaben fortgefallen waren, sie letztlich ihre Bedeutung verloren haben. Dabei kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf den Zustand der einzelnen Realgemeinde an, die aufgelöst worden ist, sondern auf eine Gesamtbetrachtung im Lande Mecklenburg. Es mag im Jahre 1948 auch die Erwägung eine Rolle mit gespielt haben, dass die Aufgaben der noch existenten und aktiven Realgemeinden - etwa Wege- und Gewässerunterhaltung und die Bewirtschaftung und Verwaltung der gemeinschaftlichen Grundstücke - ebensogut von den politischen Gemeinden erfüllt werden konnten. Dabei hatten die Realverbände als Körperschaften öffentlichen Rechtes die Interessen der Allgemeinheit ohnehin in besonderem Maße zu beachten, etwa das Interesse an einer gut funktionierenden Land- und Forstwirtschaft. Wenn der Gesetzgeber des Landes Mecklenburg gemeint hat, dass diese Aufgaben ebenso gut von den politischen Gemeinden wahrgenommen werden konnten, oder, weil viele funktionslos gewordene Realgemeinden ihren Aufgaben nicht mehr nachgekommen sind, noch besser und effektiver wahrgenommen werden konnten, so ist die Auflösung keine willkürliche und die Realverbände diskriminierende wesentlich rechtsstaatswidrige Maßnahme. Der Staat hat es kraft seiner ihm eigenen Organisationsgewalt in der Hand, Träger der Verwaltung zu gründen und gegebenenfalls wieder aufzulösen. Die Auflösung von Realgemeinden dann, wenn sie ihre Bedeutung verloren haben, war und ist nach der Rechtslage in Niedersachsen seit 1969 nichts Außergewöhnliches. Nach§ 40 des seit diesem Jahr geltenden Niedersächsischen Realverbandsgesetzes kann die Aufsichtsbehörde einen Realverband auflösen, wenn seine Aufgaben fortgefallen sind oder ihre Bedeutung verloren haben. In § 44 a.a.O. ist vorgesehen, dass eine Gemeinde die Aufgaben des Realverbandes zusammen mit dem Verbandsvermögen als Gemeindeangelegenheit übernehmen kann. Das zeigt, dass die Auflösung von Realgemeinden auch im Westen der Republik möglich ist, wo seit Erlass des Grundgesetzes 1949 Rechtsstaatsprinzipien gelten. Die Auflösung von Realgemeinden ist deshalb nichts grundsätzlich Rechtsstaatswidriges, sondern bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen etwas grundsätzlich Rechtsstaatsgemäßes.
Wenn der Gesetzgeber des Landes Mecklenburg im Jahre 1948 zu der Auffassung gekommen ist, dass Realverbände nicht mehr zeitgemäß waren, weil es der gesellschaftlichen Realität eher entsprach, die Aufgaben durch die politischen Gemeinden wahrzunehmen, so ist dies unter Vergleich zum niedersächsischen Recht damit im Ergebnis keine wesentlich rechtsstaatswidrige Entscheidung. Dies gilt in besonderem Maße deshalb, weil die Auflösung der Realverbände nicht nur den Übergang der Grundstücke auf die politischen Gemeinden zur Folge hatte, sondern auch den Übergang von Pflichten. So sind die Realverbände mit ihrer Auflösung etwa von ihren Verpflichtungen zum Bau und zur Unterhaltung von Wegen, Gewässern und sonstigen gemeinsamen Veranstaltungen entbunden worden. § 1 des Gesetzes von 1948 hat vorgesehen, dass die Gemeinde mit allen Rechten und Pflichten in abgeschlossene Verträge eintritt.§ 4 hat schließlich ergänzt, daß das Ministerium in Ausnahmefällen nach billigem Ermessen eine Entschädigung festsetzen kann. § 3 hat bestimmt, dass über Streitigkeiten um Sonderrechte der Ausschuss für Gemeindeangelegenheiten beim Kreistag entschiedet, wobei gegen die Entscheidung Klage beim Verwaltungsgerichtshof zulässig ist. - Der Übergang nicht nur von Aktivvermögen, sondern auch von Pflichten, die ausnahmsweise Entschädigung und die Eröffnung auch eines Rechtsweges zeigt in seiner Gesamtheit zusammen mit dem dargestellten kommunalrechtlichen Aspekt, dass die mit der Auflösung der Realgemeinden einhergehende Enteignung an Grund und Boden im Jahre 1948 nicht in einer Weise diskriminierend gewesen ist, wie etwa die Enteignungen von Republikflüchtlingen diskriminierend waren.
b)
Vor diesem geschichtlichen und rechtlichen Hintergrund kann der Verlust eines Grundstückes einer Realgemeinde, die ihren Sitz im Westen hat, nicht anders beurteilt werden als der Verlust eines Grundstückes einer Realgemeinde, die in Mecklenburg aufgelöst worden ist. Der bloße Verlust eines Grundstückes der westlichen Realgemeinde kann nicht diskriminierender sein als der mit dem Verlust einhergehende Auflösungsakt einer Realgemeinde im Osten. Die Rechtsnachfolger der in Mecklenburg aufgelösten Realgemeinden würden es nicht nachvollziehen können, wenn die Auflösung ihrer Realgemeinde und der damit einhergehende Verlust an Grundstücken und sonstigem Vermögen für sie endgültig bleiben müsste, eine im Westen bestehen gebliebene Realgemeinde ihre Grundstücke hingegen zurückbekommen würde. Eine Rückübertragung des Grundstücks würde dem Kläger hier einen ungerechtfertigten und vom Vermögensgesetz nicht gewollten Vorteil gegenüber solchen Realgemeinden einräumen, die bereits im Jahre 1948 aufgelöst worden sind und deren Rechtsnachfolger nicht verlangen könnten, dass die Entziehung ihres Eigentums rückgängig gemacht wird. Dieses wäre eine mit dem Gerechtigkeitsgedanken und dem Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz nicht in Übereinstimmung zu bringende Besserbehandlung der Enteigneten, die ihren Wohnsitz im Westen haben.
Gegen dieses Ergebnis lässt sich auch nicht mit Erfolg einwenden, der Kläger sei 1984 ja "entschädigungslos" enteignet worden, was den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG dem Wortlaut nach erfülle. Grundlegende Voraussetzung für das Vorliegen einer entschädigungslosen Enteignung gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG ist, dass der rechtsstaatswidrige Gehalt der betreffenden Maßnahme in demdiskriminierenden und gerade deshalb entschädigungslos bleibenden Zugriff auf das Eigentum liegt. Das verbietet die Annahme, der Gesetzgeber habe schon die bloße tatsächliche Entschädigungslosigkeit eines konkreten Enteignungsaktes zum Anknüpfungspunkt für einen Anspruch auf Rückgabe des enteigneten Vermögenswertes machen wollen. Geht die Entschädigungslosigkeit nicht mit einer Diskriminierung einher, ist für die Anwendung des § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG kein Raum. Dementsprechend begründet der bloße Umstand, dass der Enteignete kein Geld erhalten hat, für sich genommen keine entschädigungslose Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG (BVerwG, Urt. v. 24.03.1994 - 7 C 16/93 -, VIZ 1994 S. 292). Stets ist für die Rückübertragung eines Grundstückes eine politisch bedingte Diskriminierung (und als derenFolge eine Entschädigungslosigkeit) erforderlich, die hier - wie ausgeführt - nicht gegeben ist.
Die Berufung gegen das Urteil ist gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, die Rechtssache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht (§ 37 Abs. 2 Satz 2 VermG i.V.m. §§ 135, 132 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und§ 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m.§ 708 Nr. 11 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 DM festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 Satz 1 VermG).