Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.02.2001, Az.: 4 A 71/98

Deckelung; Pflegesatzvereinbarung; Verfassungsmäßigkeit; Übergangsvereinbarung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.02.2001
Aktenzeichen
4 A 71/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40206
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe der im Jahr 1996 für die Werkstatt des Klägers in W.  zu entrichtenden Pflegesätze.

2

Der Kläger betreibt in M.  und in W.  anerkannte Werkstätten für Behinderte. Die Werkstätten gliedern sich u.a. in einen Förderbereich und einen Arbeitsbereich. Bis zur Eröffnung einer Behindertenwerkstatt in V.  im Juni 1996 beschäftigte der Kläger in der Werkstatt in W.  auch Personen, die im Landkreis V.  (Südkreis) wohnten. Nach der Eröffnung der neuen Einrichtung wechselten 18 dieser Personen nach V. . Für das Jahr 1995 wurden für die Werkstatt des Klägers in W.  Entgelte in Höhe von 1.893,90 DM je Pflegemonat für den Arbeitsbereich und in Höhe von 2.978,10 DM monatlich für den Förderbereich vereinbart, bzw. durch die Beklagte festgesetzt. Am 29. September 1995 teilte der Kläger dem Beigeladenen mit, dass im März 1996 wahrscheinlich ein Wechsel von 18 Betreuten von der Werkstatt W.  nach V.  zu erwarten sei. Dadurch werde es zu einer Verringerung der Pflegemonate um 160 im Arbeitsbereich und von 20 im Förderbereich kommen. Mit Schreiben vom 7. November 1995, das bei dem Beigeladenen am 10. November 1995 einging, begehrte der Kläger für das Haushaltsjahr 1996 Pflegesätze in Höhe von 2.091,24 DM für den Arbeitsbereich und in Höhe von 3.516,25 DM für den Förderbereich. Seiner Kalkulation legte er eine im Vergleich zu der des Vorjahres verringerte Zahl von Pflegemonaten zu Grunde. Für den Förderbereich setzte er dabei 202 Monate an statt wie zuvor 234 und für den Arbeitsbereich 4.150,25 Monate statt 4.332,25 Monate im Jahr 1995.

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Mit Schreiben vom 20. November 1995 wies der Beigeladene auf die zu diesem Zeitpunkt als Entwurf vorliegende Übergangsvereinbarung zwischen dem Land Niedersachsen und den in der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen zusammengeschlossenen Spitzenverbänden hin. Weiter teilte er mit, es sei beabsichtigt, über den Antrag des Klägers erst nach Abschluss der Übergangsvereinbarung zu entscheiden, da er davon ausgehe, dass der Kläger dieser Vereinbarung beitreten werde. Am 6. Dezember 1995 unterzeichneten die genannten Parteien die Übergangsvereinbarung. In Ziffer 5 einigten sie sich dabei u.a. über die Entgelte für die Kalenderjahre 1996 bis 1998 im Hinblick auf den von der Bundesregierung am 18. Juli 1995 verabschiedeten Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Sozialhilfe. Der Kläger trat der Vereinbarung zunächst unter dem Vorbehalt bei, dass eine Abstimmung des Betreuungsumfanges auf der Grundlage seines Antrages vom 7. November 1995 erfolgen werde.

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Am 27. Dezember 1995 beantragte er bei der Beklagten, den Beigeladenen zu verpflichten, gemäß Ziffer 5.2.5.1. der Übergangsvereinbarung eine Minderbelegung von 214 Monaten (182 im Arbeitsbereich und 32 im Förderbereich) gegenüber dem Jahr 1995 anzuerkennen. Zur Begründung trug er unter anderem vor, der Wechsel von 18 Behinderten nach V.  werde künftig zu Mindereinnahmen in Höhe von ca. 450.000 DM führen. Im Frühjahr 1996 trat der Kläger der Übergangsvereinbarung erneut bei, was er der Beklagten mit Schriftsatz vom 8. Mai 1996 mitteilte. Am 28. November 1997 lehnte die Beklagte den Antrag, die durch die Änderung des Einzugsbereiches eingetretene Minderbelegung unter dem Gesichtspunkt des § 93 Abs. 5 BSHG und des § 93 Abs. 6 Satz 4 BSHG zu berücksichtigen, ab. Der Kläger könne sich nicht auf § 93 Abs. 5 BSHG stützen, weil die Änderung des Einzugsbereiches nicht unvorhergesehen gewesen sei. Sie habe auch nicht zu einer Veränderung von Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung geführt. Der Zweck der Einrichtung habe sich nicht wesentlich geändert. Damit seien die Voraussetzungen des § 93 Abs. 6 Satz 4 BSHG ebenfalls nicht erfüllt. Dem weiteren Begehren des Klägers, den Ausgangswert für die Ermittlung des Entgeltes um 36.400,- DM für eine halbe Stelle nach BAT V b zu erhöhen, gab sie statt. Die Entscheidung wurde dem Kläger am 30. März 1998 zugestellt.

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Am 28. April 1998 hat er Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor:

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Die Pflegesätze müssten auch für das Jahr 1996 unter Berücksichtigung von Budget und Pflegemonaten ermittelt werden. Durch den Weggang der Betreuten aus dem Kreis V.  habe sich der Auslastungsgrad der W. r Werkstätte erheblich geändert, die Kosten für den Betrieb seien aber im Wesentlichen unverändert geblieben. Da sich Pflegesätze im Wege der Teilung der Kosten durch die Pflegemonate ermittelten, müsse die verringerte Auslastung zu einer Erhöhung der Pflegesätze führen. Auch nach der Einführung prospektiv zu kalkulierender Pflegesätze im Jahr 1994 müssten diese nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers kostendeckend sein. Die Regelung des § 93 Abs. 6 BSHG sei wegen der zum 1. Januar 1996 angeordneten Rückwirkung verfassungswidrig und führe weiter zu einem nicht gerechtfertigten Eingriff in seine, des Klägers, Grundrechte aus Art. 12 und 14 GG. Werde der Pflegesatz nach § 93 Abs. 6 BSHG festgesetzt, so seien erhebliche Verluste zu erwarten, die der Kläger im Einzelnen beziffert. Als gemeinnütziger Verein, der keine Gewinne erwirtschaften dürfe und dies auch nicht tue, habe er nicht die Haushaltsmittel um einen derartigen Verlust auszugleichen. Es sei ihm auch nur begrenzt möglich gewesen, Kosten einzusparen. Die vorhandenen Möglichkeiten, habe er ausgeschöpft.

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Die verfassungswidrigen Auswirkungen des § 93 Abs. 6 BSHG könnten durch eine Anwendung des § 93 Abs. 5 BSHG vermieden werden. Der veränderte Einzugsbereich stelle eine wesentliche Änderung im Sinne dieser Vorschrift dar. Für diesen Begriff sei auf die Art der Einrichtung, ihre Möglichkeit der Kostenfinanzierung und auf die finanziellen Auswirkungen einer Änderung abzustellen. Als gemeinnützige Vereinigung arbeite er auch nach der Änderung des § 93 BSHG ab dem 1. Juli 1994 nach dem Selbstkostendeckungsprinzip. Wesentlich seien deswegen solche Änderungen, die sich wesentlich auf den Haushalt auswirkten. Die Änderung sei auch unvorhersehbar gewesen. Zwar sei bereits im Jahr 1995 bekannt gewesen, dass in V.  eine Einrichtung eröffnen werde und dass künftig keine Behinderten aus dem Landkreis V.  mehr betreut werden würden. Die Änderung des Einzugsbereiches habe aber bei Abschluss der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1995 noch nicht berücksichtigt werden können. Unvorhersehbar seien solche Ereignisse, die keinen Einfluss auf die Pflegesätze des Vorjahres hätten haben können. Im Übrigen sei auch nicht bekannt gewesen, wann die Werkstatt in V.  eröffnen werde und ob dies noch im Jahr 1996 sein werde. Eine andere Möglichkeit, die Minderbelegung zu berücksichtigen, habe nicht bestanden. Er, der Kläger, habe noch vor Inkrafttreten der Deckelungsvorschrift des § 93 Abs. 6 BSHG versucht, im Hinblick auf die veränderte Einnahmen- und Kostensituation einen erhöhten Pflegesatz zu erreichen. Dies habe der Beigeladene abgelehnt. Er habe sich darauf berufen, dass er aufgrund eines Kabinettsbeschlusses vom 18. Juli 1995 Weisung habe, bereits vor dem Inkrafttreten des § 93 Abs. 6 BSHG die Pflegesätze für das Jahr 1996 zu deckeln. Die mit erheblichen Einnahmeverlusten verbundene Änderung des Einzugsbereiches sei weiter mit dem Fall gleichzusetzen, in dem eine Einrichtung durch Anbau oder auf sonstige Weise erweitert worden sei; denn der ursprüngliche Einzugsbereich, der seit 1985/1986 festgestanden habe, habe zur Substanz der Einrichtung und der Leistungsvereinbarung gehört. Der vorliegende Fall sei deswegen auch mit den in § 93 Abs. 6 Satz 3 und Satz 4 BSHG geregelten Fallgestaltungen vergleichbar, die nach dem Willen des Gesetzgebers Veränderungen in der Geschäftsgrundlage Rechnung tragen sollten.

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Es sei auch kein Widerspruch zum Klagebegehren, dass er, der Kläger, mit dem Beigeladenen für die Jahre 1998 und 1999 Pflegesätze vereinbart habe, die auf den hier umstrittenen Festsetzungen beruhten. Die Entgelte für diese Jahre seien kalkuliert worden, nachdem die Abgänge nach V.  durch Neuzugänge und Umlegungen kompensiert worden seien. Damit hätten wieder die früheren Verhältnisse bestanden.

9

Die monatlichen Entgelte, die mit anderen Werkstätten für Behinderte vereinbart worden seien, lägen mehrheitlich über den mit ihm, dem Kläger, vereinbarten, obwohl Leistungen von Behindertenwerkstätten im Wesentlichen identisch seien. Auch wenn es hier nicht unmittelbar auf einen äußeren Vergleich ankomme, weil es nicht um die Angemessenheit eines vom Einrichtungsträger kalkulierten Entgeltes gehe, sei ein solcher Vergleich aussagekräftig. Stelle man nämlich fest, dass der von ihm kalkulierte Pflegesatz niedriger sei, als die Pflegesätze in vergleichbaren Einrichtungen, zeige dies, wie knapp die Mittel zur Kostendeckung kalkuliert gewesen seien. Die Kalkulation habe auf der Grundlage beruht, dass sich im Kalkulationsjahr die maßgebenden Verhältnisse auf der Einnahme- und Ausgabeseite nicht änderten. Da seine Kalkulation prospektiv gewesen sei und er nicht gewusst habe, wann die Behinderten nach V.  wechseln würden, sei er gezwungen gewesen, ihren Verbleib in der Einrichtung für das ganze Jahr einzukalkulieren. Der Abzug im ersten Halbjahr 1996 habe deswegen die Grundlagen der Kalkulation erschüttert, weil entsprechende Reserven nicht einkalkuliert gewesen seien. Die Konsequenzen zeigten sich in den tatsächlichen Zahlen.

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Der Kläger beantragt,

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den Schiedsspruch der Beklagten vom 28. November 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf Festsetzung von Pflegesätzen für den Arbeits- und Förderbereich ab dem 1. Januar 1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden,

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hilfsweise,

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die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung ihres Schiedsspruches vom 28. November 1997 für seine Behindertenwerkstätten in W.  eine Vergütung für den Produktionsbereich in Höhe von 2.011,26 DM monatlich und für den Förderbereich in Höhe von 3.481,56 DM monatlich ab dem 1. Januar 1996 festzusetzen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung trägt sie vor:

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Es sei hier § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG anzuwenden, wonach die am 18. Juli 1995 vereinbarten oder festgesetzten Pflegesätze bezogen auf das Jahr 1995 beginnend mit dem 1. April 1996 in den Folgejahren jährlich nicht höher steigen dürften als 1%. Der Tatbestand des § 93 Abs. 5 BSHG sei nicht erfüllt, weil sich die Annahmen, die der Vereinbarung bzw. der Festsetzung der Entgelte im Jahr 1995 zugrundegelegen hätten, nicht unvorhersehbar wesentlich geändert hätten. Bereits im Jahr 1995 sei darüber verhandelt worden, dass im Jahr 1996 eine neue Werkstatt in V.  eröffnet werde, durch die es zu "Einbrüchen" kommen werde. Allein der Umstand, dass das Datum der Eröffnung nicht bekannt gewesen sei, mache die Veränderung nicht unvorhersehbar. Der Kläger habe jedenfalls gewusst, dass die Eröffnung im Jahr 1996 erfolgen werde und hätte sich in seiner Personalpolitik darauf einstellen können. Die Veränderung sei auch nicht wesentlich. Mit diesem Merkmal habe der Gesetzgeber einem Wegfall der Geschäftsgrundlage Rechnung tragen wollen. Hierfür sei vom Kläger nichts vorgetragen worden. § 93 Abs. 6 Satz 3 BSHG greife nicht ein, weil er sich nur auf Einrichtungen oder auf Teile von Einrichtungen beziehe, mit denen erstmals Pflegesatzvereinbarungen geschlossen werden. Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 6 Satz 4 BSHG lägen ebenfalls nicht vor, weil sich weder der Zweck der Einrichtung geändert habe, noch erhebliche bauliche Investitionen vorgenommen worden seien. Inhalt, Umfang und Qualität der Leistung des Klägers habe sich durch die Neueröffnung der Einrichtung in V.  nicht verändert. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien auch strukturelle Veränderungen der Einrichtung mit dem gedeckelten Pflegesatz zu finanzieren. Eine strukturelle Veränderung wie die vorliegende könne deswegen nicht als wesentliche Änderung im Sinne des § 93 Abs. 6 Satz 4 BSHG angesehen werden. Wenn der Kläger selbst vortrage, dass er den Verlust in der kommenden Zeit wieder habe ausgleichen können, müsse dies auch kurzfristig möglich gewesen sein. Die vorgetragenen Verlustzahlen seien nicht glaubhaft. Es treffe weiter nicht zu, dass Pflegesätze kostendeckend sein müssten, denn das Selbstkostendeckungsprinzip sei zum 1. Juli 1994 abgeschafft worden.

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Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Er tritt dem Klagebegehren entgegen und trägt vor:

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Das Selbstkostendeckungsprinzip sei seit der Einführung prospektiv zu vereinbarender Entgelte ab 1. Juli 1994 abgeschafft. Es sei auch die Entscheidung des Klägers gewesen, sich gemeinnützig zu organisieren. Allerdings sei es dem Kläger in der Vergangenheit wohl doch gelungen, erhebliche Gewinne zu erzielen, mit denen er eventuell entstandene Verluste im Bereich der Werkstätte W.  hätte ausgleichen können. Der Beigeladene verweist hierzu auf mehrere Zeitungsberichte. Der Kläger möge die Wirtschaftsprüfungsberichte der letzten Jahre vorlegen. Daraus werde sich ersehen lassen, dass keine Verluste entstanden seien, vielmehr, dass nicht unerhebliche Gewinne erzielt worden seien. Die Planungen der Lebenshilfe Rotenburg - V. , dem Träger der Wümme - Aller Werkstätten  in V. , seien dem Kläger seit Jahren bekannt gewesen. Es sei deswegen davon auszugehen, dass der Kläger bereits im August 1995, vor Abschluss der Entgeltsvereinbarung für das Jahr 1995 den voraussichtlichen Termin für die Eröffnung der Werkstatt in V.  gekannt habe. Es sei ihm deswegen möglich gewesen, den Wechsel der Behinderten bei der Beantragung des Entgelts 1996 zu berücksichtigen. Insgesamt habe für den Kläger die hinreichende Möglichkeit bestanden, seine variablen Kosten durch betriebsbedingte Maßnahmen der veränderten Situation anzupassen. Die für die Werkstätten des Klägers errechneten Entgelte seien im Vergleich zu den umliegenden Werkstätten bzw. Fördergruppen durchaus marktgerecht. Im Übrigen habe der Kläger mit ihm, dem Beigeladenen, für 1998 und 1999 Entgelte vereinbart, die allein auf der Entscheidung der Beklagten vom 28. November 1997 basierten. Damit habe er diese Entscheidung akzeptiert.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

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Allerdings ist die Beklagte auch nach der am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Änderung der §§ 93 ff BSHG durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088) noch richtiger Klagegegner. Die Regelung des § 93 b Abs. 1 Satz 4 BSHG, wonach sich Klagen gegen Entscheidungen der Schiedsstelle nicht gegen diese sondern gegen eine der Vertragsparteien richten, ist nicht anwendbar. Bis zum Inkrafttreten der Änderung des § 93 Abs. 2 u. 3 BSHG am 1. Januar 1999 bleibt § 93 Abs. 3  BSHG in der bis dahin geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646) - BSHG a.F.- in den Verfahren anwendbar, die die Festsetzung von Pflegesätzen für Zeiträume betreffen, die vor dem Inkrafttreten der Änderung liegen (NdsOVG, Urt. v. 30.11.1999 - 4 L 3515/99 - NDV-RD 2000, 31 -).

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Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf die mit dem Hauptantrag begehrte erneute Entscheidung der Beklagten über die Entgelte für den Arbeits- und den Förderbereich seiner Werkstatt in W.  in dem Wirtschaftsjahr 1996. Die Pflegesätze, die sich aus der Entscheidung der Beklagten vom 28. November 1997 ergeben, sind nicht zu beanstanden. Allerdings hat die Beklagte keine ausdrücklichen Feststellungen zur Höhe der Entgelte getroffen. Vielmehr hat sie lediglich ausgeführt, die durch die Änderung des Einzugsbereiches eingetretene Minderbelegung sei nicht nach § 93 Abs. 5 und § 93 Abs. 6 Satz 4 BSHG zu berücksichtigen. Da - bis auf die durch die Beklagte ebenfalls geregelte Erhöhung des Ausgangswertes für die Ermittlung des Entgelts um eine halbe Stelle nach Gruppe V b BAT - weiteres nicht umstritten war und die Beklagte offensichtlich von der Geltung des § 93 Abs. 6 BSHG ausging, folgen aus ihrer Entscheidung für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1996 die Pflegesätze, wie sie sich aus dem als Anlage zum Schriftsatz des Beigeladenen vom 4. Juni 1999 überreichten Schreiben des Beigeladenen vom 27. März 1998 für das Jahr 1996 ersehen lassen. Hierüber waren sich auch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung einig. Nach der Entscheidung der Beklagten ergeben sich damit Entgelte in Höhe von 1.703,88 DM für den Arbeitsbereich und in Höhe von 3.031,71 DM für den Förderbereich. Dies entspricht einer Erhöhung der für das Jahr 1995 vereinbarten bzw. festgesetzten Pflegesätze um 1,8 % ab August 1996, wobei die bislang in den Pflegesätzen enthaltenen Sozialversicherungsbeiträge und der Stützungsbetrag nunmehr gesondert gewährt werden.

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Die Pflegesätze in der genannten Höhe sind rechtmäßig. Sie entsprechen Ziffer 5.2.1 und 5.2.2 der Übergangsvereinbarung zwischen dem Land Niedersachsen und den in der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen zusammengeschlossenen Spitzenverbände vom 6. Dezember 1995 in Verbindung mit § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG (in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996), der am 1. August 1996 in Kraft getreten ist.

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Die Übergangsvereinbarung hat u.a. folgenden Wortlaut:

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"5.2 Unter Berücksichtigung des von der Bundesregierung am 18.07.95 verabschiedeten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Sozialhilfe vereinbaren die Partner dieser Vereinbarung für die Entgelte in den Kalenderjahren 1996 - 1998 folgendes:

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5.2.1 Bis zum Zeitpunkt der Verkündung des vorstehenden Gesetzgebungsvorhabens bzw. bis zu dem Zeitpunkt, an dem feststeht, dass mit einer Verabschiedung des Gesetzesvorhabens nicht mehr zu rechnen ist, gelten die für 1995 vereinbarten Entgelte fort.

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5.2.2 Sieht das verkündete Gesetz eine Höchstgrenze für die Veränderung der Entgelte vor, werden die Entgelte - vorbehaltlich der Regelung in Ziffer 5.2.3 - um diese verändert."

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Nach § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG dürfen die am 18. Juli 1995 vereinbarten oder durch die Schiedsstelle festgesetzten Pflegesätze bezogen auf das Jahr 1995 beginnend mit dem 1. April 1996 in den Jahren 1996, 1997 und 1998 jährlich nicht höher steigen als 2 vom Hundert im Beitrittsgebiet und 1 vom Hundert im übrigen Bundesgebiet. Außerhalb des Beitrittsgebietes bedeutet dies für das Jahr 1996, dass die Pflegesätze sich im Vergleich zu den für den 18. Juli 1995 vereinbarten Entgelten erst ab 1. April 1996 und nicht stärker als 1% erhöhen dürfen.

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Die genannten Bestimmungen sind der Beurteilung zu Grunde zu legen. Insbesondere ist der Kläger seit seinem Beitritt zu der Übergangsvereinbarung an die hierin getroffenen Regelungen gebunden. Aus dem Umstand, dass er trotz des Beitritts das Verfahren vor der Beklagten weitergeführt hat, kann nicht auf einen fehlenden unbedingten Bindungswillen seinerseits geschlossen werden. Denn auch die Übergangsvereinbarung ermöglicht es, Entgelte abweichend von Ziffer 5.2.1 und 5.2.2 zu vereinbaren. So heißt es weiter u.a.:

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" 5.2.5 Für den Fall, daß das in Ziffer 5.2 genannte Gesetzesvorhaben nicht verabschiedet wird, bzw. bis zu dem Zeitpunkt dessen Verabschiedung vereinbaren die Partner dieser Vereinbarung, daß Abweichungen von dem vorstehend in Ziffern 5.2.1 bis 5.2.4 beschriebenen Verfahren zur Vereinbarung von Entgelten nur nach folgenden Maßgaben möglich sind:

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5.2.5.1 Eine Veränderung über Inhalt, Umfang oder Qualität einer bestehenden Einrichtung ist mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe schriftlich abgestimmt worden.

........

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5.3 § 93 Abs. 3 bis 5 BSHG bleiben unberührt."

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Der Kläger hatte seinen Antrag an die Beklagte dementsprechend gerade auf Ziffer 5.2.5.1 der Vereinbarung gestützt. Daraufhin hatte der Beigeladene zunächst eingewandt, der Kläger könne sich auf die Vereinbarung nicht berufen, weil er ihr nicht vorbehaltlos beigetreten sei und diese im Verhältnis zu ihm deswegen nicht wirke. Wenn der Kläger dann den Beitritt nochmals und nunmehr ohne Vorbehalt erklärt hat, kann daraus nur geschlossen werden, dass er von diesem Zeitpunkt an die Regelungen insgesamt anerkennen wollte.

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Nach Ziffer 5.2.1 der Übergangsvereinbarung galten demnach bis zum Inkrafttreten des § 93 Abs. 6 BSHG am 1. August 1996 die für das Jahr 1995 vereinbarten bzw. festgesetzten Pflegesätze. Mit dem Inkrafttreten des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG am 1. August 1996 waren die Entgelte - da die Voraussetzungen der Ziffer 5.2.3 unstreitig nicht vorlagen - um die in der Vorschritt vorgesehene Höchstgrenze zu verändern (Ziffer 5.2.2). Dies ist hier erfolgt; denn eine Erhöhung um 1,8 % ab 1. August entspricht - auf das gesamte Jahr 1996 gerechnet - einer Erhöhung ab 1. April um 1 %. Die in Ziffer 5.2.5 der Übergangsvereinbarung vorgesehenen Voraussetzungen für ein hiervon abweichendes Verfahren lagen ebenfalls nicht vor. Insbesondere war keine mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe schriftlich abgestimmte Veränderung von Inhalt, Umfang oder Qualität der Einrichtung eingetreten (Ziff. 5.2.5.1). Der Kläger konnte auch keine höheren, als die in Ziffern 5.2.1 und 5.2.2 vorgesehenen Pflegesätze auf der Grundlage des bis zum 1. Januar 1999 geltenden § 93 Abs. 5 BSHG a.F. erhalten, der neben den Regelungen der Übergangsvereinbarung weiter Anwendung fand. Nach § 93 Abs. 5 BSHG a.F. sind die Entgelte bei unvorhersehbaren wesentlichen Veränderungen der Annahmen, die der Vereinbarung oder Entscheidung über die Entgelte zugrunde lagen, auf Verlangen einer Vertragspartei für den laufenden Vereinbarungszeitraum neu zu verhandeln. Die Vorschrift greift das im Zivilrecht entwickelte Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf. Abweichend von dem Grundsatz des § 93 Abs. 3 Satz 1 BSHG a.F., wonach Vereinbarungen vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen sind, ermöglicht die Regelung eine Neuverhandlung und Änderung der Pflegesätze während des laufenden Vereinbarungszeitraums, bzw. nach einer Entscheidung der Schiedsstelle. Dies gilt aber nur bei unvorhersehbaren und wesentlichen Veränderungen, das heißt Änderungen, mit denen die Vertragspartner bei Abschluss der Vereinbarung nicht gerechnet haben und die objektiv betrachtet so erheblich sind, dass es einer Partei unzumutbar wäre, an der Vereinbarung unverändert festzuhalten, weil es zu einem treuwidrigen Ergebnis führte (vgl. Münder, in LPK - BSHG, § 93 Rn. 61). Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor. Es bestehen dabei bereits Zweifel, ob der Wechsel von 18 Personen nach V.  und die hiermit verbundene geringere Belegung der Werkstatt des Klägers in W.  eine im Sinne der Vorschrift wesentliche Veränderung war. Nach der ursprünglichen Kalkulation des Klägers vom November 1995 erwartete er durch die geringere Belegung eine Verringerung der Pflegemonate um 182 im Arbeitsbereich, d.h. gemessen an der Zahl der Pflegemonate des Jahre 1995 von 4.332,25 um 4,2 % und um 32 im Förderbereich, was bei 234 Pflegemonaten im Jahr 1995 einem Anteil von 13,68 % entspricht. Nach der Berechnung, die der Kläger im Gerichtsverfahren mit Schriftsatz vom 23. Juli 1998 vorgelegt hat, ergab sich tatsächlich sogar lediglich eine Verringerung der Pflegemonate um 148,5 (3,4 %) im Arbeitsbereich und um 17 (7,2 %) im Förderbereich. Ob dies "wesentlich" im Sinne des § 93 Abs. 5 BSHG  ist, kann aber letztlich offen bleiben. Jedenfalls war die durch die neue Werkstatt in V.  verursachte Änderung nicht unvorhersehbar; denn es war sowohl dem Kläger als auch dem Beigeladenen bereits 1995 bekannt, dass sie für das Jahr 1996 zu erwarten sein werde. Dies zeigt bereits das Schreiben des Klägers vom 29. September 1995, mit dem er den Beigeladenen auf die künftige geringere Belegung hinwies. Allein der Umstand, dass der Kläger - wie er vorträgt - den genauen Zeitpunkt der Eröffnung der Werkstatt in V.  nicht kannte, macht die Änderung der Umstände nicht unvorhersehbar, zumal sich die Eröffnung gegenüber der Prognose des Klägers vom September 1995 auch lediglich um drei Monate verschob.

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Soweit der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung eingewandt hat, im Hinblick auf die Einschätzungsprärogative der Beklagten könne ihm im Gerichtsverfahren der Beitritt zur Übergangsvereinbarung nicht entgegengehalten werden, weil die Beklagte ihn hieran nicht festgehalten habe, greift dies nicht durch. Zum einen lässt sich der Entscheidung der Beklagten vom 28. November 1997 nicht entnehmen, dass sie eine Bindung des Klägers an die Übergangsvereinbarung nicht angenommen hat. Solches ist auch nicht aus dem Umstand zu schließen, dass sie das Verfahren nicht als erledigt angesehen hat; denn tatsächlich war es nicht erledigt. Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen wäre es auch auf der Grundlage der Übergangsvereinbarung möglich gewesen, höhere Entgelte zu erreichen, als sie sich aus der Anwendung der Ziffern 5.2.1 und 5.2.2 ergeben. Zum anderen steht der Beklagten eine Einschätzungsprärogative nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (v. 1.12.1998 - 5 C 17.97 - BVerwGE 108, 47 - ) lediglich im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 93 Abs. 2 BSHG zu. Hierauf kommt es aber für die an dieser Stelle erörterte Frage, nämlich die Bindung des Klägers an die Übergangsvereinbarung, nicht an.

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Unabhängig von dieser Vereinbarung steht § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG dem Begehren des Klägers nach höheren Pflegesätzen für das gesamte Wirtschaftsjahr 1996 entgegen. Es kann dabei offen bleiben, ob die Vorschrift verfassungsgemäß ist, soweit sie sich auf Pflegesatzvereinbarungen auswirkt, die vor Inkrafttreten der Regelung am 1. August 1996 für das Jahr 1996 abgeschlossen wurden und die eine Erhöhung um mehr als 1% vorsahen. Jedenfalls für Fallgestaltungen wie die vorliegende, in denen eine von § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG abweichende Vereinbarung zuvor nicht getroffen wurde, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

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Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist schon deshalb nicht verletzt, weil der Schutzbereich dieses Grundrechts nicht berührt ist. Die Eigentumsgarantie schützt den konkreten Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt. Vom Schutzbereich umfasst sind dementsprechend nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen nicht jedoch in der Zukunft liegende Chancen und Verdienstmöglichkeiten (BVerfG, Beschl. v. 31.10.1984 - 1 BvR 35/82 u.a. - BVerfGE 68, 193, m.w.N.). Sind Pflegesätze vor Inkrafttreten des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG noch nicht wirksam vereinbart, sind auch noch keine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Forderungen entstanden, betroffen sind allenfalls künftige Verdienstmöglichkeiten. Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht, soweit der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst ist. Auch dann erstreckt sich der Schutz der Eigentumsgarantie nur auf den konkreten Bestand an Rechten und Gütern. Bloße (Umsatz- und Gewinn-) Chancen und tatsächliche Gegebenheiten werden vom Grundgesetz eigentumsrechtlich jedoch nicht dem geschützten Bestand des einzelnen Unternehmens zugeordnet (BVerfG, Beschl. v. 31.10.1984 - 1 BvR 35/82 u.a. - BVerfGE 68, 193, m.w.N.). Eine andere Beurteilung rechtfertigte sich allenfalls dann, wenn die Neuregelung die betroffenen Einrichtungen in ihrer Existenz bedrohte. Dafür fehlen aber - auch im Falle des Klägers - jegliche Anhaltspunkte.

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Die Vorschrift ist jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie stellt eine Regelung der Berufsausübung dar, die durch das Ziel des Gesetzgebers, die Sozialhilfeausgaben zu begrenzen und den finanziellen Handlungsspielraum der Kommunen zu sichern, als vernünftige Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (vgl. Neumann/Reichert, "Die Neuregelung des § 93 Abs. 6 BSHG und dessen Anwendung auf Pflegeheime" NDV 1997, 43). Es bestehen weiter keine Zweifel daran, dass die sog. Deckelung der Pflegesätze geeignet und erforderlich ist, den genannten Zweck zu erreichen. Die hierdurch bewirkten Beschränkungen sind den Betroffenen weiter zumutbar. Dies gilt auch im Hinblick auf den Gesichtspunkt einer Rückwirkung der Vorschrift. Dabei ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig lediglich eine sog. echte Rückwirkung, die vorliegt, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfG, Beschl. v. 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239 m.w.N.). Ungeachtet des Umstandes, dass auch dieses Rückwirkungsverbot u. a dann zurücktritt, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (BVerfG, a.a.O), fehlt es an einer derartigen Rückwirkung des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG, wenn vor Inkrafttreten der Vorschrift keine von ihr abweichenden Pflegesätze vereinbart wurden. Ein abgeschlossener, bereits in der Vergangenheit abgewickelter Tatbestand, insbesondere ein Rechtsverhältnis, auf das sich die Neuregelung ändernd auswirken könnte, liegt dann nicht vor.

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Da die Vorschrift des § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG die zulässige Erhöhung der Entgelte u.a. für das gesamte Wirtschaftsjahr 1996 regelt, also auch für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten am 1. August 1996, geht von ihr allenfalls eine sog. unechte Rückwirkung aus. Eine solche liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet. Eine unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Grenzen der Zulässigkeit können sich dabei aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben. Sie sind dann überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfG, Beschl. v. 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Insbesondere fehlt es an einem schutzwürdigen Vertrauen der Einrichtungsträger darauf, die bisherige Pflegesatzregelung werde auch für die Wirtschaftsperiode 1996 fortbestehen. Die Absicht des Gesetzgebers, die Erhöhung der Pflegesätze zu begrenzen, war seit dem Beschluss des Kabinetts vom 18. Juli 1995 bekannt. Es war zwar noch offen, in welcher Form die Steigerung der Pflegesätze begrenzt werden sollte, Zweifel daran, dass dies erfolgen werde, gab es aber nicht mehr (vgl. hierzu Neumann/Reichert, a.a.O; VG Braunschweig, Urt. v. 11.5.1998 - 4 A 4112/97 -).

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Mithin ist § 93 Abs. 6 Satz 1 BSHG in der vorliegenden Fallgestaltung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (so auch VG Braunschweig, Urt. v. 11.5.1998 - 4 A 4112/97 -; VG Hannover, Urt. v. 14.7.1998 - 3 A 6814/96 -, VG Lüneburg, Urt. v. 31.3.1999 - 6 A 11/97 -). Für eine einschränkende Auslegung in dem von dem Kläger gewünschten Sinne, unter Rückgriff auf § 93 Abs. 5 BSHG bzw. § 93 Abs. 6 Satz 4 BSHG, ist deswegen kein Raum.

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Dabei liegen die Voraussetzungen des § 93 Abs. 6 Satz 4 BSHG nicht vor. Danach ist § 93 Abs. 6 Satz 3 BSHG entsprechend anzuwenden, wenn im Einvernehmen mit dem Träger der Sozialhilfe, mit dem eine Vereinbarung besteht, der Zweck der Einrichtung wesentlich geändert wird oder erhebliche bauliche Investitionen vorgenommen werden. In diesem Fall sind als Basis der Pflegesätze die Vereinbarungen von 1995 für vergleichbare Einrichtungen zugrunde zu legen. Erhebliche bauliche Investitionen sind hier unstreitig nicht erfolgt. Auch fehlt es an einer wesentlichen Änderung des Einrichtungszwecks. Konzeptionelle Änderungen im Leistungsangebot des Klägers wurden nach dem Wechsel von 18 Personen nach V.  nicht vorgenommen. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung bei der Beklagten ergaben sich auch keine grundlegenden Veränderungen von Inhalt, Umfang oder Qualität der Leistung. Lediglich die Gruppenstruktur habe sich geändert.

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Nach allem ist die Entscheidung der Beklagten rechtmäßig, der Kläger kann eine erneute Entscheidung über die Pflegesätze des Jahres 1996 nicht verlangen. Sein Hilfsantrag bleibt aus den soeben dargelegten Gründen ebenfalls ohne Erfolg.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 188 Satz 2 VwGO. Dabei entsprach es billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht der unterliegenden Partei aufzuerlegen, weil er keinen eigenen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko nicht eingegangen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.