Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.02.2001, Az.: 4 A 160/98

Aufwendungsersatz; Personenkreis

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.02.2001
Aktenzeichen
4 A 160/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40210
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Forderung des Beklagten, Aufwendungsersatz für Heimkosten zu leisten, die der Beklagte für die Heimunterbringung der Ehefrau des Klägers aus Mitteln der Sozialhilfe übernommen hat.

2

Die 1938 geborene Ehefrau des Klägers, H. , wird seit dem 17. Januar 1995 im Alten- und Pflegeheim "Haus am V. " in V.  in Pflegestufe III betreut. Vorher lebte sie mit dem Kläger und ihrem gemeinsamen Sohn H.  in einem Haushalt. Nach dem Heimpflegebericht vom 25. Januar 1995 wurde die Aufnahme von Frau H.  in das Heim durch deren Kinder und den Ehemann, d. h. den Kläger, veranlasst, da sie sich selbst nicht mehr versorgen konnte. Nach der Diagnose des Arztes für Allgemeinmedizin W.  vom 26. Januar 1995 litt Frau H.  u. a. an einem Zustand nach linkshirnigem Insult mit Aphasie und Schwäche des rechten Beines sowie Diabetes mellitus. Sie sei wegen einer nicht nur vorübergehend körperlichen Behinderung und einer Suchtkrankheit (Alkohol) schwer pflegebedürftig. Die Amtsärztin des Landkreises Rotenburg/Wümme stellte am 22. März 1995 fest, dass Frau H.  auf einen Rollstuhl angewiesen sei und nur undeutlich sprechen könne. Sie sei völlig inkontinent und hilflos und bei allem auf fremde Hilfe angewiesen. Außerhalb eines Pflegeheims könne sie nicht mehr leben, weil sie zeitweise von zwei Personen gleichzeitig versorgt werden müsse.

3

Seit dem 5. Dezember 1995 ist für Frau H.  eine Betreuerin u. a. für die Vermögenssorge bestellt worden. Nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 20. Januar 1998 hat bei ihr seit Oktober 1997 Pflegebedürftigkeit in Pflegestufe III (vorher Pflegestufe II) vorgelegen. Seit dem 4. November 1997 ist sie nach dem Bescheid des Versorgungsamtes V.  vom 10. Februar 1998 zu 100 % schwerbehindert.

4

Am 16. Januar 1995 beantragte der Kläger für seine Ehefrau bei dem Beklagten die Übernahme der ungedeckten Heimpflegekosten aus Mitteln der Sozialhilfe. Zur Begründung wurde angeführt, dass eine häusliche Pflege aufgrund der Berufstätigkeit der Angehörigen nicht möglich sei. Bei den Ermittlungen zu den Vermögensverhältnissen von Frau H.  und dem Kläger erlangte der Beklagte davon Kenntnis, dass der Kläger noch am 16. Januar 1995 von dem gemeinsamen Girokonto einen Betrag in Höhe von 25.000,00 DM abgehoben hatte. Der Kläger reichte in der Folgezeit Rechnungen ein, die den Verbrauch dieses Geldbetrages belegen sollten. Von dem Beklagten angeforderte Unterlagen zu Unterkunftskosten, Versicherungen usw. übersandte er nicht.

5

Die Anfrage des Beklagten bei dem Arbeitgeber des Klägers, der W. AG ergab, dass der Kläger dort bis zum 30. September 1995 als Chemiearbeiter beschäftigt war. In der Zeit vom 1. November 1994 bis zum 31. August 1995 erzielte er einen durchschnittlichen monatlichen Nettoverdienst in Höhe von 3.444,00 DM. Im September 1995 erhielt er aufgrund des mit seinem Arbeitgeber geschlossenen Aufhebungsvertrages eine Abfindung in Höhe von 61.081,47 DM netto.

6

Nach Erteilung des Grundanerkenntnisses durch das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben vom 4. Januar 1996 gewährte der Beklagte Frau H.  mit Bescheid vom 26. Januar 1996 Hilfe zur Pflege durch Übernahme der ungedeckten Heimkosten, wobei er aufgrund des Erwerbseinkommens des Klägers von ihr und dem Kläger einen Kostenbeitrag zu den Heimkosten einschließlich einer Nachzahlung forderte. Mit Bescheid vom 23. April 1996 änderte der Beklagte seinen Bescheid vom 26. Januar 1996 dahingehend ab, dass er nunmehr von dem Kläger bestimmte Kostenbeiträge zur teilweisen Deckung der Heimpflegekosten seiner Ehefrau forderte. Dabei handelte es sich um einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von insgesamt 42.780,78 DM für die Zeit vom 17. Januar 1995 bis zum 30. April 1996. Er kündigte an, ab dem 1. Mai 1996 die Sozialhilfegewährung einzustellen, da der Kläger die Heimpflegekosten aufgrund seiner Abfindung, die für insgesamt 12 Monate als Einkommen zugrunde zu legen sei, bis August 1996 tragen könne. Mit Bescheid vom 23. April 1996 stellte der Beklagte die Frau H.  gewährte Sozialhilfe ein.

7

Nach Mitteilung des Arbeitsamtes C. vom 19. September 1996 bezog der Kläger ab dem 1. Januar 1996 Arbeitslosengeld in Höhe von 420,00 DM wöchentlich. Mit dem an Frau H.  gerichteten Bescheid vom 9. Oktober 1996 übernahm der Beklagte ab dem 1. September 1996 erneut die ungedeckten Heimpflegekosten und setzte den monatlich von ihr und dem Kläger zu leistenden Kostenbeitrag auf 425,00 DM fest. Der Kläger wurde von dem Beklagten unter Hinweis auf diesen Bescheid zur Zahlung des Kostenbeitrages aufgefordert.

8

Die Heimleitung des Alten- und Pflegeheims "Haus am V. " teilte dem Beklagten am 16. Juni 1997 mit, dass ein Rückstand in Höhe von insgesamt 58.000,00 DM bestehe, da der Kläger noch keine Zahlungen geleistet habe. Über die zivilrechtliche Klage der Betreuerin von Frau H.  gegen den Kläger sei noch nicht entschieden worden. Sofern die offenen Kosten nicht von dem Beklagten darlehensweise übernommen werden könnten, müsse der Heimvertrag gekündigt werden. Mit Bescheid vom 22. Juli 1997 änderte der Beklagte daraufhin seinen an Frau H.  ergangenen Bescheid vom 9. Oktober 1996 dahingehend ab, dass er ab dem 1. August 1997 die vollen Heimpflegekosten übernahm. Mit weiterem Bescheid vom 22. Juli 1997 forderte der Beklagte von dem Kläger ab dem 1. August 1997 einen Kostenbeitrag zu den Heimpflegekosten in Höhe von monatlich 425,00 DM als Aufwendungsersatz nach § 29 BSHG. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21. August 1997 Widerspruch ein.

9

Im Hinblick darauf, dass Frau H.  zivilrechtliche Unterhaltsansprüche gegen den Kläger geltend machte, schlossen der Beklagte und Frau H.  eine Vereinbarung vom 22. September 1997, nach der gemäß § 91 BSHG auf den Beklagten übergegangene Unterhaltsansprüche treuhänderisch auf Frau H.  zurückübertragen wurden. Das Amtsgericht Walsrode lehnte jedoch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die sich auf die ungedeckten Heimpflegekosten beziehende Unterhaltsklage von Frau H.  ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 12. Februar 1998 (19 WF 242/97) zurück. Zur Begründung wurde u. a. angeführt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung als mutwillig anzusehen sei, da die Führung des Rechtsstreits im ausschließlichen Interesse des Zessionars, d.h. des Beklagten, liege.

10

Mit Bescheid vom 30. April 1998 nahm der Beklagte gegenüber Frau H.  seine Bescheide vom 26. Januar 1996, 23. April 1996 und 9. Oktober 1996 zurück und übernahm ab dem 17. Januar 1995, dem Tag der Heimaufnahme, die vollen Heimpflegekosten für den Aufenthalt im Senioren- und Pflegeheim "Haus am V. ". Gemäß § 28 BSHG werde Hilfe in besonderen Lebenslagen nur gewährt, soweit dem Hilfesuchenden und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel aus eigenem Einkommen und Vermögen nicht zuzumuten sei. Hiervon abweichend könne nach § 29 BSHG in begründeten Fällen Hilfe auch über § 28 BSHG hinaus gewährt werden. Ein solcher Fall liege hier vor, da sich der Kläger weigere, mit dem ihm zugemuteten Eigenanteil zu den Heimpflegekosten beizutragen.

11

Mit einem an den Kläger und einem weiteren an Frau H.  gerichteten Bescheid vom 14. Mai 1998 forderte der Beklagte unter Beifügung der Berechnungen jeweils Aufwendungsersatz gemäß § 29 BSHG in Höhe eines Nachzahlungsbetrages für die Zeit vom 17. Januar 1995 bis zum 31. Mai 1998 von insgesamt 72.641,29 DM und eines monatlichen Betrages ab dem 1. Juni 1998 in Höhe von 431,00 DM. Der Beklagte wies darauf hin, dass Frau H.  und der Kläger als Gesamtschuldner hafteten.

12

Mit Schreiben vom 15. Juni 1998 legte der Kläger gegen den Bescheid vom 14. Mai 1998 Widerspruch ein. Er trug vor, dass die Abfindung in Höhe von etwa 53.000,00 DM verbraucht worden sei. Er habe von diesem Geld notwendige Renovierungsarbeiten an dem selbst genutzten Haus vorgenommen. Die entsprechenden Belege seien bereits eingereicht worden. Außerdem habe er von der Abfindung den Überziehungskredit abgelöst, der durch die unwirtschaftlichen Ausgaben seiner Ehefrau zur Finanzierung ihrer Alkohol- und Zigarettensucht entstanden sei. Eine Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau bestehe nicht. Sie lebten bereits seit der Jahreswende 1994/95 getrennt. Seine Ehefrau habe durch ihr unverantwortliches Verhalten, bei Einnahme starker Medikamente Alkohol zu trinken, ihren zweiten Schlaganfall mit dauerhafter Heimunterbringung verursacht. Spätestens seit diesem Zeitpunkt sei er weder bereit noch in der Lage gewesen, die häusliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. Er habe jeden Kontakt zu seiner Ehefrau abgebrochen.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 1998 - zugestellt am 5. September 1998 - wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger zu keiner Zeit zum Ausdruck gebracht habe, auch dann nicht wieder mit seiner Ehefrau zusammenleben zu wollen, wenn die Umstände es zuließen. Er selbst habe die Heimaufnahme seiner Ehefrau veranlasst und sei bei der weiteren Bearbeitung des Sozialhilfeantrages Ansprechpartner des Sozialamtes gewesen. Noch am 16. Mai 1995 habe er bei einer persönlichen Vorsprache erklärt, seine Ehefrau wieder nach Hause holen zu wollen, sollten die Heimkosten nicht aus Sozialhilfemitteln getragen werden. Dass er keinen Beitrag zu den Heimpflegekosten leisten wolle, habe er stets damit begründet, dass er dazu finanziell nicht in der Lage sei. Der Kläger sei bereits bei seiner ersten Vorsprache darauf hingewiesen worden, dass vorhandenes Vermögen vorrangig für die Begleichung der Heimkosten eingesetzt werden müsse, soweit es den Freibetrag der Eheleute von 5.700,00 DM übersteige. Die Abfindung seines Arbeitgebers habe er erst im September 1995 erhalten. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm bekannt gewesen, dass er sein Einkommen und Vermögen vorrangig für den Lebensunterhalt auch seiner Ehefrau einsetzen müsse. Belege über die Verwendung des Abfindungsbetrages seien nicht eingereicht worden. Der Kläger habe die Verwendung eines Betrages in Höhe von 25.000,00 DM nachgewiesen, den er einen Tag vor der Heimaufnahme seiner Ehefrau von dem gemeinsamen Girokonto abgehoben habe. Weitere Belege bezögen sich auf laufende Aufwendungen und seien unter Berücksichtigung der Einkünfte des Klägers nicht als Nachweis über die Verwendung des Abfindungsbetrages anzusehen. Zum Teil beträfen sie auch nicht den Kläger, sondern den Sohn.  Aufwendungen für die laufende Instandhaltung des Hauses sowie für Lebensmittel usw. seien bei der Berechnung des dem Kläger zuzubilligenden Selbstbehaltes entweder im Rahmen des Grundfreibetrages oder bei den Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden.

14

Der Kläger hat am 30. September 1998 Klage erhoben.

15

Zur Begründung trägt er vor, dass er von seiner Ehefrau getrennt lebe und nicht in die Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen sei. Ein Erstattungsanspruch sei ausschließlich nach unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch bestehe jedoch nicht. Seine Ehefrau sei seit etwa Anfang bis Mitte der 80er Jahre alkoholkrank gewesen. Sie sei nicht mehr in der Lage gewesen, sich um die Erziehung und Betreuung des gemeinsamen Kindes zu kümmern oder den Haushalt angemessen zu führen. Etwa seit 1992 habe sie keinerlei Arbeiten im gemeinsamen Haushalt mehr vorgenommen. Ende 1994 habe sie einen Schlaganfall erlitten. Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus habe sie trotz Einnahme starker Medikamente wieder Alkohol getrunken und daraufhin einen zweiten Schlaganfall erlitten, aufgrund dessen sie pflegebedürftig geworden sei. Aufgrund der fehlenden Krankheitseinsicht und ihres Verhaltens habe sie ihre Pflegebedürftigkeit selbst herbeigeführt. Nach der Krankenhauseinlieferung seiner Ehefrau aufgrund des ersten Schlaganfalls habe er festgestellt, dass sein Girokonto um etwa 12.000,00 DM überzogen war. Seine Ehefrau habe schon immer viel Geld für nicht erforderliche Gegenstände ausgegeben. In den letzten Jahren habe sie für täglich zwei Flaschen Korn und zwei Schachteln Zigaretten 1.000,00 DM bis 2.000,00 DM monatlich aufgewendet. Der Familie habe daher nicht mehr ausreichend Geld zur Verfügung gestanden, um notwendige Reparaturen an dem Haus durchführen zu lassen. Die ihm bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gezahlte Abfindung sei für die Begleichung der Überziehung auf dem Girokonto und die Kosten für den dringend erforderlichen Um- und Ausbau des Hauses vollständig verbraucht worden. Die Abfindung habe nicht ausgereicht, um die Arbeiten an dem Haus fertig zu stellen. Seit Oktober 1995 habe er lediglich noch über Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 420,00 DM und seit dem 1. März 1998 über eine Altersrente verfügt. Er habe daher lediglich monatliche Einnahmen in Höhe von etwa 1.700,00 DM. Seit Beginn der Pflegebedürftigkeit habe er kein Interesse mehr am Zusammenleben mit seiner Ehefrau gehabt.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 14. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 1998 aufzuheben.

18

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

20

Er verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage ist zulässig und begründet.

23

Der Bescheid des Beklagten vom 14. Mai 1998 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 1. September 1998 ist rechtswidrig. Der Beklagte hat gegenüber dem Kläger keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 29 Satz 2 BSHG.

24

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 BSHG wird Hilfe in besonderen Lebenslagen nach den Bestimmungen dieses Abschnitts gewährt, soweit dem Hilfesuchenden, seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten und, wenn er minderjährig und unverheiratet ist, auch seinen Eltern die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Bestimmungen des Abschnitts 4 nicht zuzumuten ist. Nach § 29 BSHG kann in begründeten Fällen Hilfe über § 28 hinaus auch insoweit gewährt werden, als den dort genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen oder Vermögen zuzumuten ist. In diesem Umfange haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen zu ersetzen; mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

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Der Beklagte hatte der Ehefrau des Klägers zunächst Hilfe nach § 28 BSHG durch Übernahme der den ihr bzw. ihrem Ehemann, dem Kläger, zumutbaren Eigenanteil übersteigenden Heimpflegekosten gewährt und von dem Kläger an das Senioren- und Pflegeheim zu zahlende Kostenbeiträge gefordert. Da der Kläger keine Zahlungen leistete, teilte die Heimleitung dem Beklagten angesichts eines Pflegekostenrückstandes in Höhe von ca. 58.000,00 DM im Juni 1997 mit, dass sie ohne Übernahme der Kosten durch den Beklagten den Heimvertrag kündigen werde. Wenn die mit in die Bedarfsgemeinschaft einbezogenen, nicht hilfesuchenden Angehörigen sich dem Hilfesuchenden gegenüber weigern, zu den Kosten des Bedarfs entsprechend dem ihnen zugemuteten Eigenanteil beizutragen, ist die Anwendung von § 29 BSHG geboten (Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 29 Rdnr. 9; Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl., Stand: März 2000, § 29 Rdnr. 9).

26

Der Kläger gehört jedoch nicht zu den in § 28 BSHG genannten Personen, so dass der Beklagte ihn zu Unrecht in Anspruch genommen hat. Denn es ist nach den Gesamtumständen davon auszugehen, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum vom Tag der Heimaufnahme am 17. Januar 1995 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides des Beklagten am 1. September 1998 von seiner Ehefrau H.  getrennt gelebt hat.

27

Der durch den Heimaufenthalt bedingten räumlichen Trennung kommt allerdings keine entscheidende Bedeutung zu. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. Januar 1995 (BVerwG 5 C 8.93, NVwZ 1995, 1106 = FEVS 45, 447) ausführt, reicht die Tatsache, dass Ehegatten wegen des pflegebedingten Aufenthaltes eines von ihnen in einem Heim räumlich voneinander getrennt leben und eine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen ihnen nicht mehr besteht, allein für die Annahme eines Getrenntlebens im Sinne der §§ 28, 29 BSHG nicht aus. Denn die mit dem Heimaufenthalt eines Ehegatten verbundene Trennung vom anderen Ehegatten sei bereits deshalb nicht gleichbedeutend mit einem Getrenntleben im Sinne von § 28 BSHG, weil die Eheleute trotz der pflegebedingten räumlichen Trennung im Rahmen des nach den tatsächlichen Umständen Möglichen weiter füreinander einstehen und sich einander widmen könnten und auch die Möglichkeit hätten, weiter gemeinsam zu wirtschaften.

28

Auch die Tatsache, dass sich der Kläger weigerte, aus seinem Einkommen zu den Heimkosten beizutragen und damit eine Wirtschaftsgemeinschaft herzustellen, führt für sich genommen noch nicht zu einer anderen Beurteilung. Frau H.  verfügte über kein Einkommen, das sie für einen gemeinsamen Verbrauch im Rahmen einer Wirtschaftsgemeinschaft hätte zur Verfügung stellen können. Das ihr später ausgezahlte Pflegegeld der Pflegekasse setzte sie für die Kosten des Heimaufenthaltes ein. Es ist gerade Sinn der §§ 28, 29 BSHG sicherzustellen, dass für ungedeckte Pflegekosten auf die Mittel des nicht getrennt lebenden Ehegatten zurückgegriffen werden kann. Das Nichtbestehen der Wirtschaftsgemeinschaft kann unter diesen Umständen nicht zugleich die Annahme eines Getrenntlebens der Eheleute rechtfertigen (BVerwG, a. a. O.).

29

Kommt bei heimaufenthaltsbedingter räumlicher Trennung von Eheleuten trotz Fehlens einer weiterhin praktizierten Wirtschaftsgemeinschaft der Fortbestand einer die Annahme eines Getrenntlebens ausschließenden Lebensgemeinschaft in Betracht, so scheidet eine solche Annahme allerdings aus, wenn sich aus den die Beziehung kennzeichnenden Gesamtumständen ergibt, dass mindestens einem Ehegatten der Wille zur Fortsetzung der Lebens" gemeinschaft " fehlt, er vielmehr den Willen hat, sich vom anderen Ehegatten unter Aufgabe dieser Gemeinschaft auf Dauer zu trennen (BVerwG, a. a. O.). Dies ist hier der Fall.

30

Zwar hat der Kläger erstmals mit Widerspruchsschreiben vom 15. Juni 1998 geltend gemacht, er lebe bereits seit der Heimunterbringung von seiner Ehefrau getrennt, ohne dies dem Beklagten gegenüber bereits zu einem früheren Zeitpunkt erwähnt zu haben. Gleichwohl ist nach dem tatsächlichen Gesamtbild glaubhaft, dass schon damals bei dem Kläger der Willen bestand, sich dauerhaft von seiner Ehefrau zu trennen. Der Kläger hat lediglich die Aufnahme seiner Ehefrau in das Heim veranlasst und für seine Ehefrau bei dem Beklagten den Antrag auf Übernahme der Heimpflegekosten gestellt. In den ersten Monaten war auch er Ansprechpartner des Sozialamtes, soweit es sich um den von ihm zu leistenden Kostenbeitrag handelte, und machte geltend, dass er dazu finanziell nicht in der Lage sei. Um seine Ehefrau hat sich der Kläger nach der Heimaufnahme in keiner Weise mehr gekümmert. Vielmehr hat er den Kontakt zu ihr vollkommen abgebrochen und sie nach ihrer Heimaufnahme dort kein einziges Mal besucht. Da Getrenntleben im Sinne der §§ 28, 29 BSHG nicht einmal voraussetzt, dass die Eheleute keinerlei Kontakt zueinander haben und eine "totale Trennung" vollziehen (BVerwG, a. a. O), lässt das sogar jeden Kontakt vermeidende Verhalten des Klägers nur den Schluss auf einen dauerhaften Trennungswillen zu. Zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau gab es seit der Heimaufnahme nichts mehr, was auf die Wiederaufnahme einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft schließen lassen konnte. Der Kläger hat nach seinem glaubhaften Vorbringen aufgrund der Pflegebedürftigkeit seiner Ehefrau jegliches Interesse an einem weiteren Zusammenleben mit ihr verloren.

31

Angesichts dieses Verhaltens des Klägers kommt seiner Äußerung gegenüber dem Beklagten am 16. Mai 1995, dass seine Ehefrau dann eben wieder nach Hause kommen müsse, wenn der Beklagte die Heimpflegekosten nicht übernehmen wolle, keine maßgebliche Bedeutung zu. Aus dem über die Vorsprache gefertigten Vermerk geht hervor, dass die Rückkehr seiner Ehefrau für den Kläger keine echte Alternative zur Heimunterbringung darstellte, zumal nach den ärztlichen Gutachten feststand, dass eine Pflege zu Hause ausgeschlossen war, sondern die Äußerung ausschließlich im Zusammenhang mit den von dem Beklagen geforderten Nachweisen über die Verwendung der vom Girokonto abgehobenen 25.000,00 DM fiel.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.