Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.02.2010, Az.: 5 AR 2/10
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 05.02.2010
- Aktenzeichen
- 5 AR 2/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 11680
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2010:0205.5AR2.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - AZ: 2 O 474/08
Rechtsgrundlagen
- ZPO § 48
- ZPO § 45 Abs 2
Fundstelle
- MDR 2010, 651
Amtlicher Leitsatz
Hat ein Amtsrichter nach § 48 ZPO Tatsachen angezeigt, die seine Ablehnung rechtfertigen könnten, so hat hierüber stets ein anderer Richter des Amtsgerichts nach § 45 Abs. 2 S. 1 ZPO zu entscheiden. Dies gilt auch, wenn auf die Anzeige eine der Parteien ein Ablehnungsgesuch stellt. § 45 Abs. 2 S. 2 ZPO ist in diesen Fällen nicht anwendbar.
In dem Rechtsstreit
M... F..., ...
Kläger und Antragsteller,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ...,
gegen
C... L...AG, ...
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ...,
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...
am 5. Februar 2010
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers vom 13. Januar 2010, ihm für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
Die Rechtsverfolgung des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO).
1. Nicht unproblematisch erscheint bereits, ob der Kläger die Grundvoraussetzungen für Leistungen aus der bei der Beklagten abgeschlossenen BerufungsunfähigkeitsZusatzversicherung hinreichend dargetan hat.
Dem Versicherungsvertrag liegen die "Bedingungen für die BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung BUZ PLUS (Tarif i+ / ir+)" - im Folgenden: BUZ - zugrunde. Gemäß § 1 BUZ kommen Leistungen des Versicherers nur dann in Betracht, wenn die versicherte Person "während der Versicherungsdauer" zu mindestens 50% berufsunfähig wird. Dementsprechend scheidet die Annahme eines Versicherungsfalls aus, wenn der Versicherte schon vor Vertragsschluss - ohne Raubbau an seiner Gesundheit zu betreiben - nicht mehr fähig war, in seinem konkret ausgeübten Beruf tätig zu sein (vgl. BGH, NJWRR 1993, S. 671, 672 f.). Ausweislich des Berichts der Ärztin Dr. G... vom 23. Februar 2007 (Anlage B 7) ist die jetzt geltend gemachte NickelAllergie bei dem Kläger seit dem 8. Lebensjahr bekannt und hat seitdem "immer wieder" Ekzeme ausgelöst. Auch die Ärztin Gr... hat im Oktober 1999 eine NickelAllergie diagnostiziert (Anlage B 6). Die BerufungsunfähigkeitsZusatzversicherung hat der Kläger erst Ende Oktober 2004 - kurz vor dem Abschluss seiner Ausbildung - beantragt. Wenn er nur 2 Jahre später nach einer etwa einjährigen Erwerbstätigkeit - vorbringt, er könne wegen der NickelAllergie nicht mehr als Metallbauer arbeiten, so begründet das zumindest Zweifel daran, dass er die Fähigkeit zur Berufsausübung erst während der Vertragsdauer verloren hat.
Sollte seine Argumentation darauf abzielen, dass ihm wegen seiner Allergie gerade die bei der Firma ... verrichtete Tätigkeit nicht mehr möglich ist, so wäre damit nicht ohne weiteres belegt, dass er generell zu mindestens 50% außer Stande ist, seinem zuletzt ausgeübten Beruf nachzugehen. Denn bei der Firma ... war er noch nicht einmal 2 Monate tätig. Außerdem war er dort nicht dauerhaft beschäftigt. Vielmehr hatte ihn das Zeitarbeitsunternehmen F... K... P... "ausgeliehen". Wie der Kläger in seiner Anhörung vor dem Landgericht erläutert hat, waren für ihn "zwischendurch andere Tätigkeiten" geplant. Insofern ergäbe sich ein verzerrtes Bild, wenn man den Beruf, den der Kläger vor dem angeblichen Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübt hat, ausschließlich mit dem Aus und Einbau von Filtermatten in Raffinerien beschreiben wollte. Fasst man die Tätigkeit aber weiter, so spricht auf der Grundlage des bisherigen Sach und Streitstandes vieles dafür, dass dem Kläger innerhalb derselben Berufssparte noch diverse Arbeiten möglich sind. Immerhin hat er von Juli 2005 bis April 2006 bei der B... M... GmbH offenbar beschwerdefrei arbeiten können.
Schon die bislang genannten Aspekte lassen daran zweifeln, dass das Begehren des Klägers, Leistungen aus der BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung zu erhalten, hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht. Einer abschließenden Würdigung bedarf es insoweit allerdings nicht.
2. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist eine Berufsunfähigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 lit. a) BUZ jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger eine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung hinsichtlich Einkommen und Ansehen entspricht.
a) Was den wirtschaftlichen Aspekt betrifft, so kann der notwendige Vergleich in Gestaltungen der vorliegenden Art nicht allein daran anknüpfen, welche Tätigkeit der Versicherte unmittelbar vor dem behaupteten Eintritt der Berufsunfähigkeit ausgeübt hat.
aa) Scheidet ein Versicherter wegen einer angeblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung aus einem erst kurz zuvor begründeten Arbeitsverhältnis aus, so lässt sich in der Regel nicht davon sprechen, dass allein dieses Arbeitsverhältnis seine "bisherige Lebensstellung" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 lit. a) BUZ geprägt hat. Vielmehr ist in derartigen Konstellationen eine in zeitlicher Hinsicht umfassendere Betrachtung geboten. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Erwerbsbiografie eines Versicherten von wechselnden beruflichen Tätigkeiten oder Unterbrechungen durch Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist, ohne dass diese Veränderungen auf dem behaupteten Leiden beruhen. Unter derartigen Umständen kann die Frage, ob einem Versicherten mit der Verweisung auf eine neue Tätigkeit ein spürbarer wirtschaftlicher Abstieg zugemutet wird, weder nach dem zuletzt konkret erzielten Verdienst noch nach offenen Möglichkeiten einer Steigerung dieses Verdienstes und schon gar nicht nach dem höchsten in der Vergangenheit erzielten Einkommen beantwortet werden. Vielmehr ist wertend zu betrachten, was der Versicherte in einem längeren Zeitraum vor dem angeblichen Eintritt der Berufsunfähigkeit zu erwirtschaften vermocht hat (vgl. OLG Saarbrücken, NJWRR 2003, S. 468, 469).
bb) Nach diesem Maßstab kann in der neuen Tätigkeit des Klägers kein spürbarer wirtschaftlicher Abstieg gegenüber dem Zustand vor dem behaupteten Eintritt der Berufsunfähigkeit erblickt werden.
(1) Nach dem Ende seiner Ausbildung zum Metallbauer im Januar 2005 war der Kläger bis einschließlich Juni 2005 arbeitslos. Von Juli 2005 bis April 2006 war er bei der B... M... GmbH in F... beschäftigt. Dort erhielt er einen Stundenlohn von 10,00 € brutto. Daraus ergaben sich - ohne Überstunden und Sonderzuwendungen - monatliche Bruttogehälter von 1.600,00 € bis 1.840,00 €. Das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen - bezogen auf die vorgelegten Abrechnungen von September 2005 bis März 2006 - betrug rund 1726,00 €, unter Berücksichtigung der Überstunden rund 1.895,00 €.
Es folgte wiederum eine Phase der Arbeitslosigkeit, die von April 2006 bis in den August 2006 hinein andauerte. Ende August 2006 begann der Kläger das Beschäftigungsverhältnis bei dem Zeitarbeitsunternehmen F... K... P..., wo er einen Stundenlohn von 9,04 € brutto erhielt. Daraus errechnete sich im September 2006 - einschließlich Überstunden - ein Bruttoarbeitslohn von 1.418,15 € (ohne die Erstattungen von Übernachtungs und Fahrtkosten sowie Verpflegungsmehraufwand). Im Oktober 2006 erhielt der Kläger 1.740,20 € brutto einschließlich Überstunden und Urlaubsabgeltung.
(2) Nach dem Eintritt der behaupteten Berufsunfähigkeit ist der Kläger von November 2006 bis März 2008 bei der W...K... GmbH beschäftigt gewesen. Wie viel er dort durchschnittlich verdient hat, ist nicht belegt. Übermittelt hat er nur Abrechnungen für die Monate Januar 2008 bis April 2008, die sehr unterschiedliche Bruttolöhne ausweisen. Als Stundensatz sind 7,45 € angegeben. Ende April 2008 wechselte der Kläger zu der H... K... GmbH. Dort bezieht er seit Mai 2008 einen nicht mehr nach Arbeitsstunden abgerechneten Lohn, der sich in einer Größenordnung von 1.700,00 € bewegt.
(3) Bei einer Gesamtschau aller aufgezeigten Umstände hat sich die Lebensstellung des Klägers seit dem angeblichen Eintritt der Berufsunfähigkeit im September/Oktober 2006 in wirtschaftlicher Hinsicht nicht spürbar verschlechtert. Sein Bruttolohn bewegt sich noch in der gleichen Größenordnung. Soweit er vormals in einigen Monaten - teilweise allerdings nur unter Berücksichtigung von Überstunden - geringfügig mehr verdient hat, darf nicht übersehen werden, dass er vor und nach seiner ersten Anstellung bei der B... M... GmbH jeweils arbeitslos gewesen ist, was zu finanziellen Einbußen geführt haben dürfte. Erst über ein Zeitarbeitsunternehmen hat er den Weg zurück auf den Arbeitsmarkt gefunden. Seit der geltend gemachten Berufsunfähigkeit ist er hingegen nicht mehr arbeitslos gewesen. Außerdem ist er nunmehr seit April 2008 - offenbar unbefristet - bei demselben Unternehmen ganz in der Nähe seines Wohnortes beschäftigt, was ihm in finanzieller und zeitlicher Hinsicht eine gewisse Planungssicherheit bietet.
(4) Der Einwand des Klägers, er besitze in seinem neuen Tätigkeitsfeld keine Aufstiegschancen mehr, vermag eine wirtschaftliche Schlechterstellung nicht zu begründen. Es ist weder substanziiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass dem Kläger vor der behaupteten Berufsunfähigkeit ein konkreter Aufstieg offen stand. Theoretische Aussichten und Chancen, die sich einem Versicherten in seinem Beruf geboten haben, prägen seinen Status jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - offen ist, ob er sie hätte verwirklichen können (vgl. OLG Saarbrücken, NJWRR 2003, S. 468, 469).
b) Einen sozialen Abstieg, der aus Sicht des Klägers mit dem neuen Tätigkeitsbereich einhergegangen ist, vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Da § 3 Abs. 1 Satz 2 lit. a) BUZ auch insoweit auf die "bisherige Lebensstellung" rekurriert, ist wiederum wertend zu betrachten, welches Ansehen der Kläger auf Grund seiner konkreten Berufsausübung vor dem Eintritt der behaupteten Berufsunfähigkeit genossen hat und ob die neue Tätigkeit spürbar dahinter zurückbleibt. Letzteres hat das Landgericht mit überzeugenden Erwägungen verneint. auf sie wird in vollem Umfang Bezug genommen.
Der Einwand des Klägers, bei dem Zeitarbeitsunternehmen F... K... P... sei eine abgeschlossene Ausbildung zum Metallbauer Einstellungsvoraussetzung gewesen, hilft nicht darüber hinweg, dass der Kläger auf Vermittlung dieses Unternehmens tatsächlich nur Tätigkeiten ausgeübt hat, für die nach seiner Aussage keine Ausbildung vonnöten gewesen ist. Ebenso wenig ist ersichtlich, weshalb der Kläger bei dem Vergleich der Tätigkeiten dem Aspekt der Kreativität einen besonderen Stellenwert einräumt. Dass er vor der behaupteten Berufsunfähigkeit die Möglichkeit gehabt hat, in Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine besondere Kreativität zu entfalten, ist nicht erkennbar.
3. Nach alledem lässt sich eine Berufsunfähigkeit im Sinne der §§ 1, 3 Abs. 1 BUZ hier nicht feststellen. Das Begehren des Klägers, Leistungen aus der BerufsunfähigkeitsZusatzversicherung zu erhalten, bietet deshalb keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Mithin war sein Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen.