Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.02.2010, Az.: 11 WF 33/10
Zulässigkeit einer Beiordnung eines "nicht im Bezirk eines Prozessgerichts niedergelassenen Anwalts" i.R.e. Prozesskostenhilfe unter der Voraussetzung nicht zusätzlich anfallender Kosten; Entstehen von Mehrkosten durch die Beiordnung eines auswärtigen Anwaltes durch Reisegelder und Abwesenheitsgelder
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 16.02.2010
- Aktenzeichen
- 11 WF 33/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 19698
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2010:0216.11WF33.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Osnabrück - 27.10.2009 - AZ: 72 F 17/09 PKH1
Rechtsgrundlagen
- § 121 Abs. 1 ZPO
- § 121 Abs. 2 ZPO
- § 121 Abs. 3 ZPO
- § 18 BRAO
- § 126 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BRAGO
Fundstelle
- JurBüro 2010, 433-434
Amtlicher Leitsatz
Im Rahmen der Prozesskostenhilfe kann ein nicht "im Bezirk des Prozessgerichtes niedergelassener Anwalt" nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Mehrkosten durch die Beiordnung eines auswärtigen Anwaltes entstehen nur dann, wenn die bei diesem anfallenden Reise- und Abwesenheitsgelder die eines im Bezirk des Prozessgerichtes ansässigen Anwaltes übersteigen. Das ist nur insoweit der Fall, als die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und der Niederlassung des von der Partei gewählten Anwaltes größer ist, als die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und dem von dort am weitesten entfernt liegenden Ort innerhalb des Gerichtsbezirkes.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts- Familiengericht - Osnabrück vom 05.02.2009 dahingehend geändert, dass die Beiordnung von Rechtsanwalt Bülte, Bramsche zu den kostenrechtlichen Bedingungen eines Rechtsanwaltes mit Sitz im Bezirk des Prozessgerichts erfolgt.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 27.10.2009 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben.
Gründe
Das Amtsgericht Osnabrück hat mit Beschluss vom 05.02.2009 dem Antragsteller, der in 49191 Belm wohnt, für das Sorgerechtsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Beiordnung des in Bramsche ansässigen Verfahrensbevollmächtigten hat das Amtsgericht dahingehend eingeschränkt, dass diese zu den kostenrechtlichen Bedingungen einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes mit Sitz am Ort des Prozessgerichtes erfolgt. Mit der als sofortige Beschwerde auszulegenden Erinnerung des Antragstellers vom 01.02.2010 wird beantragt,
die Einschränkung der Beiordnung aufzuheben.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde unter Hinweis auf § 121 Abs. 3 ZPO nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss vom 5.2.2009 ist gemäß §§ 127 Abs.2 Satz 2, 567 ZPO - wegen verspäteter Übersendung des vollständigen Beschlusses - zulässig, in der Sache hat sie - jedenfalls teilweise - Erfolg. Zwar war die Einschränkung der Beiordnung "zu den kostenrechtlichen Bedingungen eines Rechtsanwaltes mit Sitz am Ort des Prozessgerichtes" nicht aufzuheben, was dem beigeordneten Rechtsanwalt die Möglichkeit geben würde, Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder in vollem Umfang geltend zu machen. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO, die eine uneingeschränkte Beiordnung rechtfertigen könnten (vgl. BGH FamRZ 2004, 1362), liegen nämlich nicht vor. Insbesondere geht aus der der Antragsschrift beigefügten eidesstattlichen Versicherung des Antragtellers hervor, dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits in Belm wohnhaft war. Die Einschränkung der Beiordnung war aber dahingehend zu ändern, dass diese "zu den kostenrechtlichen Bedingungen eines im Bezirk des Prozessgerichtes niedergelassenen Rechtsanwaltes" erfolgt.
Nach § 121 Abs. 1 und 2 ZPO wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. Danach ist grundsätzlich ein im Bezirk des Prozessgerichtes niedergelassener Anwalt beizuordnen. Durch das Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft vom 26.03.2007 (SVRAStärkG) ist § 18 BRAO, der die Zulassung eines jeden Rechtsanwaltes bei einem bestimmten Gericht vorsah, entfallen. Dementsprechend bezieht sich§ 121 Abs. 3 ZPO nicht mehr auf den "bei dem Prozessgericht zugelassenen Anwalt"; § 121 Abs. 3 ZPO in der seit dem 01.06.2007 geänderten Fassung sieht vielmehr vor, dass ein nicht "im Bezirk des Prozessgerichtes niedergelassener Anwalt" nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten (insbesondere Reisekosten) nicht entstehen. Die Regelung des § 121 ZPO führt aber nicht dazu, Reisekosten schlechthin zu vermeiden. (Zöller/Geimer ZPO, 28. Auflage, § 121 Rdnr. 13 a). Reisekosten können nämlich auch dann entstehen, wenn ein im Bezirk des Prozessgerichtes niedergelassener Anwalt beigeordnet wird. Dies gilt, nachdem mit Inkrafttreten des RVG am 01.07.2004 § 126 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BRAGO ersatzlos weggefallen ist. Nach dieser Vorschrift konnte der beim Prozessgericht zugelassene Rechtsanwalt Mehrkosten, die dadurch entstanden, dass er beim Prozessgericht zwar zugelassen war, seinen Wohn- oder Kanzleisitz aber nicht am Ort des Prozessgerichtes hatte, gegenüber der Staatskasse nicht abrechnen.
Mehrkosten durch die Beiordnung eines auswärtigen Anwaltes entstehen also nur dann, wenn die bei diesem anfallenden Reise- und Abwesenheitsgelder die eines im Bezirk des Prozessgerichtes ansässigen Anwaltes übersteigen ( OLG München, FamRZ 2007, 489). Das ist nur insoweit der Fall, als die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und der Niederlassung des von der Partei gewählten Anwaltes größer ist, als die Entfernung zwischen dem Prozessgericht und dem von dort am weitesten entfernt liegenden Ort innerhalb des Gerichtsbezirkes (Zöller/Geimer, a.a.O., § 121 Rdnr. 13 b). Mit der Einschränkung der Beiordnung zu den Bedingungen eines Rechtsanwaltes mit Sitz im Bezirk des Amtsgerichts Osnabrück ist gewährleistet, dass insoweit Mehrkosten im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO nicht entstehen. Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder sind dem Verfahrensbevollmächtigten dann in der Höhe zu erstatten, in der sie auch bei einem im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalt höchstens entstehen könnten.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.10.2009 war aufzuheben, weil sich durch diese Entscheidung die rechtliche Grundlage für die Kostenerstattung geändert hat. Die Kosten sind aufgrund des hiermit geänderten Beschlusses zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe neu festzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1, 22 GKG, Nr. 1812 KV-GKG.