Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 27.04.2012, Az.: 10 WF 323/11
Verpflichtung von Kindeseltern zu einer vorherigen Einschaltung des Jugendamtes zur Vermittlung in einer Umgangsauseinandersetzung zur Vermeidung des Vorwurfs verfahrenskostenhilferechtlicher Mutwilligkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 27.04.2012
- Aktenzeichen
- 10 WF 323/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 14295
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0427.10WF323.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 25.08.2011 - AZ: 617 F 3656/11
Rechtsgrundlagen
- § 76 Abs. 1 FamFG
- § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO
Fundstellen
- FF 2013, 132
- FPR 2012, 8
- FamFR 2012, 303
- FamRB 2012, 278-279
- FamRZ 2013, 141
- FuR 2012, 493
- ZKJ 2012, 358-359
Verfahrensgegenstand
Umgang mit dem beteiligten Kind J. D. L., geb. am ....2009,
Amtlicher Leitsatz
In einer Umgangsauseinandersetzung sind die Kindeseltern zur Vermeidung des Vorwurfs verfahrenskostenhilferechtlicher Mutwilligkeit nicht per se zu einer vorherigen Einschaltung des Jugendamtes zur Vermittlung verpflichtet. Das Unterlassen naheliegender und erfolgversprechender Bemühungen kann aber im konkreten Einzelfall mutwillig sein (hier: kein Eingehen auf die ausdrückliche Mitteilung des anderen Elternteil über die erfolgte Einschaltung des Jugendamtes und die Bereitschaft zu ersten von dort begleiteten Umgangskontakten und einer anschließenden Umgangsvereinbarung).
In der Familiensache
...
hat der 10. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 25. August 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht W., den Richter am Oberlandesgericht H. und die Richterin am Amtsgericht W.-M. am 27. April 2012
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die seit Juni 2011 getrenntlebenden Eltern des betroffenen J. D. L., der im Haushalt der Kindesmutter verblieben ist; im Zusammenhang mit der Trennung hat die Kindesmutter gegen den Kindesvater eine gerichtliche Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt. Bezüglich der - bislang allein von der Kindesmutter ausgeübten - elterlichen Sorge hatte der Kindesvater bereits Anfang Juli 2011 ein gerichtliches Verfahren eingeleitet.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 27. Juli 2011 hat der Kindesvater zudem das vorliegende, auf gerichtliche Regelung des Umganges mit dem damals gut zweijährigen J. D. gerichtete Verfahren eingeleitet. Dabei begehrt er - als Feststellungsantrag - einen vierzehntägigen Umgang in der Zeit von Freitag 17:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr und hat für das Verfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten nachgesucht.
Das Amtsgericht hat dem Kindesvater VKH versagt und dabei darauf abgestellt, sein Verhalten sei als verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig zu beurteilen; vor einer Inanspruchnahme des Gerichtes habe er nicht die außergerichtliche Hilfs-, Beratungs- und Vermittlungsangebote etwa des Jugendamtes in Anspruch genommen, um eine gütliche Beilegung des Elternkonfliktes zu erreichen. Dies gelte um so mehr, als sich die Kindesmutter ihrerseits bereits vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens ausdrücklich an das Jugendamt gewandt und dem Kindesvater diese Inanspruchnahme sowie die Bereitschaft zu einer dortigen Vereinbarung von - zunächst begleiteten - Umgangskontakten schriftsätzlich angezeigt hatte.
Gegen diesen ihm am 30. August 2011 zugestellten Beschluß richtet sich seine am 30. September 2011 per Fax eingegangene sofortige Beschwerde, die am 5. Oktober näher begründet worden ist und mit der er sein Ziel der VKH-Bewilligung unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten weiterverfolgt.
Bereits am 6. September 2011 hatte vor dem Amtsgericht ein umfassender Anhörungstermin stattgefunden, in dem sich die Kindeseltern auf die Durchführung von drei durch das Jugendamt begleiteten Umgangskontakten sowie eine anschließend ebenfalls durch das Jugendamt vermittelte einvernehmliche Regelung des weiteren Umgangs einigten. Nach Mitteilung des Jugendamtes vom 26. September 2011 ist eine entsprechende Regelung auch tatsächlich erfolgt; anschließend hat auch die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mitgeteilt, daß das Verfahren "als erledigt betrachtet werden kann".
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Celle vorgelegt. Der Einzelrichter hat die Sache zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
II.
Die zulässige Beschwerde kann in der Sache keinen Erfolg haben. Unter den besonderen Umständen des Streitfalles hat das Amtsgericht dem Antragsteller zu Recht die nachgesuchte VKH unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit versagt.
1. Allerdings teilt der Senat ausdrücklich nicht die teilweise vertretene Auffassung, Kindeseltern seien bei Umgangsauseinandersetzungen vor Anrufung des Familiengerichts stets zu Vermittlungsversuchen über das Jugendamt oder vergleichbare Einrichtungen verpflichtet und eine Unterlassung derartiger Bemühungen schließe - abgesehen von Fällen offenkundiger Aussichtslosigkeit - eine VKH-Bewilligung durchgreifend aus (vgl. etwa OLG Rostock - Beschluß vom 8. März 2011 - 10 WF 23/11 - FamFR 2011, 305 = MDR 2011, 790 - auch m.w.N. zum Streitstand). Die Vielgestaltigkeit der insofern zu beurteilenden Fälle sowie nicht zuletzt die erheblichen Unterschiede in Bereitschaft wie Möglichkeit der örtlichen Jugendämter zu einer effektiven Hilfestellung stehen der Aufstellung eines derartig pauschalen Regel-Ausnahme-Verhältnisses durchgreifend entgegen. Dies schließt es allerdings nicht etwa aus, im Einzelfall aufgrund der konkreten Umstände im Hinblick auf unterlassene oder ausgeschlagene Vermittlungsmöglichkeiten ggf. auch verfahrenskostenhilferechtliche Mutwilligkeit anzunehmen.
2. Unter den Umständen des hier vorliegenden Falles muß eine Prüfung zur Bejahung der Mutwilligkeit und einer Versagung der VKH führen. Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, daß ein vernünftiger Beteiligter, der die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen hätte, vorliegend zunächst von einer Inanspruchnahme der Gerichte abgesehen hätte.
Der Kindesvater ist nach eigenem Vortrag von seiner Verfahrensbevollmächtigten ausdrücklich und durchgehend zu einer einvernehmlichen Umgangsregelung unter Einschaltung des Jugendamtes angehalten worden. Im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes am 27. Juli 2011 war dem Kindesvater aus dem zwischen den Verfahrensbevollmächtigten erfolgten diesbezüglichen Schriftverkehr - namentlich dem nun von ihm selbst vorgelegten Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter vom 14. Juli 2011 [Bl. 27 VKH I] - bekannt, daß sich die Kindesmutter bereits an das Jugendamt gewandt hatte und ausdrücklich zu - zunächst begleiteten - Umgangskontakten sowie einer anschließenden einvernehmlichen Regelung des weiteren Umgangs bereit war. Nicht zuletzt hat auch die Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters selbst darauf hingewiesen, daß einer außergerichtlichen Einigung zwischen den beiderseits anwaltlich vertretenen Kindeseltern nichts Grundsätzliches entgegenstehe. Zutreffend ist das Amtsgericht bei einer solchen Ausgangslage davon ausgegangen, daß eine Anrufung des Gerichtes statt Ausschöpfung der bereits eingeleiteten außergerichtlichen Vermittlungsbemühung verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig war. Dies wird vorliegend noch dadurch unterstrichen, daß sich die Eltern bereits im unmittelbar anberaumten Anhörungstermin auf ebendiese Regelung - Durchführung von drei begleiteten Umgängen und anschließende Vereinbarung zwischen den Eltern - geeinigt haben und dies innerhalb kurzer Zeit sogar die endgültige Erledigung der Auseinandersetzung zur Folge hatte.